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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Collected Essays on Cultural and Contemporary History 1887–1901
GA 31

Automated Translation

12. Essays from "Deutsche Wochenschrift"

The Week of March 14-21, 1888

The funeral of Kaiser Wilhelm is over; the aged hero, who reunited Germany and raised it to unimagined greatness, has been buried in the mausoleum at Charlottenburg next to his royal parents amidst an enormous crowd of people and an unprecedented attendance of foreign princes. Emperor Frederick, whose serious illness still prevents him from leaving the palace, especially as the temperature in Berlin has remained very low in recent days, watched the funeral procession pass by from the window of his room. A few days later he issued a message to the Reichstag and the Prussian House of Representatives, in which he announced his assumption of imperial and royal power and pledged in writing to uphold the constitution of the Empire and Prussia. At the same time, the proclamation to Alsace-Lorraine also took place, which we have included here as a new historical document of the utmost importance.

We, Frederick, by the grace of God, German Emperor, King of Prussia, hereby proclaim and declare:

After our beloved Lord Father's Majesty, then Emperor Wilhelm, departed from this temporality according to God's decree, the German imperial dignity and thus, in accordance with the imperial laws, the government of the imperial lands has passed to us. We have taken them over in the name of the Empire. Determined to safeguard the rights of the Empire over these German territories, which have been reunited with the Fatherland after a long intervening period, we are aware of the task of cultivating a German spirit and German customs in them, protecting law and justice and promoting the welfare and prosperity of the inhabitants. In our efforts to fulfill this task, we count on the trust and devotion of the population, as well as on the faithful fulfillment of duty by all authorities and officials. We demand and expect conscientious observance of the laws, but we will also grant our imperial protection to everyone's rights. Through the impartial administration of justice and a lawful, benevolent and prudent, but firmly managed administration, the unbreakable connection of Alsace-Lorraine with the German Empire will once again become as intimate as it was in the times of our ancestors, before these German lands were torn away from the ancient and glorious connection with their fellow tribesmen and compatriots.

We order this decree to be promulgated by the Gazette.

Given Charlottenburg, March 5, 1888 Signed: Friedrich | Signed: Prince v. Hohenlohe

The House of Representatives and the Reichstag responded to Frederick III's message with an address of devotion that faithfully reflected the sentiments of the people; the Reichstag was then closed. The Emperor appointed his former highly deserving Chief of the General Staff, General Count Blumenthal, as Field Marshal.

In the meantime, an extremely important change took place in the Austrian Ministry of War, from which Count Bylandt-Rheidt resigned after a long and distinguished career, while the former commander of Vienna, Feldzeugmeister Freiherr v. Bauer, one of the most outstanding Austrian officers, was appointed Imperial Minister of War. The Emperor also systematized the post of Inspector General of the Infantry by special decree and appointed his son, Crown Prince Rudolf, to the same post, thus giving him a major independent post that would be decisive for the future of Austrian military power. In the meantime, the House of Representatives negotiated the extradition of the deputy Ritter von Schönerer, as demanded by the criminal court, which was approved almost unanimously. New municipal elections were held in Vienna, which generally ended in a defeat for the German-Liberal electoral committee.

In France, there was a greater Boulanger hype after all. The vain and ambitious general left his garrison several times against the orders of the Minister of War and went to Paris. As a result of this breach of discipline, the President of the Republic, at the request of the Minister of War, put him on trial; it seems, however, that the insistence of his friends, who certainly want to push him into an active political role, will result in his dismissal or retirement. After Thibaudin, now Boulanger, that is the course of the Republic. Lively debates in the French Chamber concerning Boulanger, particularly those provoked by Paul de Cassagnac, are devoid of political significance and merely arouse the interest of piquancy.

There has been no change in the situation in the Orient, but new Russian steps in the Bulgarian question are expected shortly. In the meantime, Prince Ferdinand is settling in somewhat more comfortably in Sofia.

Aufsätze aus «Deutsche Wochenschrift»

Die Woche, 14.-21. März 1888

Das Leichenbegängnis Kaiser Wilhelms ist vorüber; unter ungeheurem Zudrang der Bevölkerung und einer bisheran wohl nie dagewesenen Teilnahme fremder Fürstlichkeiten ist der greise Held, der Deutschland neugeeint und zu ungeahnter Größe erhoben, im Mausoleum zu Charlottenburg neben seinen königlichen Eltern bestattet worden. Kaiser Friedrich, dessen schweres Leiden ihm noch immer nicht das Verlassen des Schlosses erlaubt, zumal die Temperatur in Berlin einen sehr niedrigen Stand behalten in den letzten Tagen, sah den Leichenzug vom Fenster seines Zimmers an sich vorüberziehen. Einige Tage darauf erließ er eine Botschaft an den Reichstag und das Preußische Abgeordnetenhaus, in welchem er die Übernahme der kaiserlichen und königlichen Gewalt anzeigte und das schriftliche Gelöbnis ablegte, die Verfassung von Reich und Preußen treu zu halten. Zu gleicher Zeit erfolgte auch die Proklamation an ElsaßLothringen, welches wir als ein neues historisches Dokument von höchster Wichtigkeit hier folgen lassen.

Wir Friedrich, von Gottes Gnaden deutscher Kaiser, König von Preußen, tun kund und fügen hiemit zu wissen:

Nachdem unseres geliebten Herrn Vaters Majestät, weiland Kaiser Wilhelm, nach Gottes Ratschluß aus dieser Zeitlichkeit geschieden, ist die deutsche Kaiserwürde und damit in Gemäßheit der Reichsgesetze die Regierung der Reichslande auf uns übergegangen. Wir haben dieselben im Namen des Reiches übernommen. Entschlossen, die Rechte des Reiches über diese deutschen, nach langer Zwischenzeit wiederum mit dem Vaterlande vereinigten Gebiete zu wahren, sind wir uns der Aufgabe bewußt, in denselben deutschen Sinn und deutsche Sitte zu pflegen, Recht und Gerechtigkeit zu schirmen und die Wohlfahrt und das Gedeihen der Bewohner zu fördern. Bei unserem Bestreben, dieser Aufgabe gerecht zu werden, zählen wir auf das Vertrauen und die Ergebenheit der Bevölkerung, sowie auf die treue Pflichterfüllung aller Behörden und Beamten. Wir fordern und erwarten die gewissenhafte Beobachtung der Gesetze, dagegen werden auch wir jedermanns Rechten unseren kaiserlichen Schutz gewähren. Durch unparteiische Rechtspflege und eine gesetzmäßige, wohlwollende und umsichtige, aber mit fester Hand geführte Verwaltung wird die unver‚jährbare Verbindung Elsaß-Lothringens mit dem Deutschen Reiche wieder eine so innige werden, wie sie in den Zeiten unserer Vorfahren gewesen ist, bevor diese deutschen Lande aus der uralten und ruhmvollen Verbindung mit ihren Stammesgenossen und Landsleuten losgerissen wurden.

Wir befehlen, diesen Erlaß durch das Gesetzblatt zu verkünden.

Gegeben Charlottenburg, den ı5. März 1888. gez.: Friedrich | Gegengez.: Fürst v. Hohenlohe

Abgeordnetenhaus und Reichstag beantworteten die Botschaft Friedrichs III. in einer die Empfindung des Volkes treu widerspiegelnden Ergebenheitsadresse; alsdann wurde der Reichstag geschlossen. Der Kaiser ernannte seinen früheren hochverdienten Generalstabschef, General Graf Blumenthal, zum Feldmarschall.

In Österreich vollzog sich inzwischen ein überaus wichtiger Wechsel im Kriegsministerium, von welchem nach langer, ausgezeichneter Tätigkeit Graf Bylandt-Rheidt zurücktrat, während der bisherige Landeskommandierende von Wien, Feldzeugmeister Freiherr v. Bauer, einer der hervortagendsten Österreichischen Offiziere, zum Reichs-Kriegsminister ernannt wurde. Der Kaiser systemisierte außerdem durch ein besonderes Befehlsschreiben die Stelle eines General-Inspektors der Infanterie und ernannte seinen Sohn, den Kronprinzen Rudolf, zu demselben, so ihm einen großen und für die Zukunft der österreichischen Militärmacht maßgebenden selbständigen Posten übertragend. Das Abgeordnetenhaus verhandelte inzwischen über die vom Strafgerichte verlangte Auslieferung des Abgeordneten Ritter von Schönerer, wozu nahezu mit Einstimmigkeit die Bewilligung erteilt wurde. In Wien haben sich neue Gemeinderatswahlen vollzogen, die im allgemeinen mit einer Niederlage des deutsch-liberalen Wahlkomitees endeten.

In Frankreich gab es nun doch wieder einen größeren Boulanger-Rummel. Der eitle und ehrgeizige General hat gegen den Befehl des Kriegsministers mehrmals seine Garnison verlassen und sich nach Paris begeben. Infolge dieses Vergehens gegen die Disziplin wurde er auf Antrag des Kriegsministers vom Präsidenten der Republik zur Disposition gestellt; es scheint jedoch, daß das Drängen seiner Freunde, die ihn durchaus in eine politische aktive Rolle drängen wollen, seine Absetzung bzw. Pensionierung nach sich ziehen wird. Nach Thibaudin jetzt Boulanger, das ist der Lauf der Republik. Lebhafte, namentlich von Paul de Cassagnac hervorgerufene, Boulanger betreffende Debatten in der französischen Kammer entbehren der politischen Bedeutung und erregen lediglich das Interesse von Pikanterien.

Im Orient ist eine Veränderung der Lage nicht eingetreten, doch erwartet man in Kürze neue russische Schritte in der bulgarischen Frage. Fürst Ferdinand richtet sich inzwischen etwas bequemer in Sofia ein.