Collected Essays on Cultural and Contemporary History 1887–1901
GA 31
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13. Essays from "Deutsche Wochenschrift"
The Week of March 22-28, 1888
The deputization that Emperor Frederick entrusted to his son, Crown Prince Wilhelm, was by no means complete and, as expressly emphasized, only served to introduce the heir to the throne to the affairs of government, while the Emperor reserved all important decisions for himself. In fact, although there is still conflicting news about his health, Emperor Frederick attends the Council of Ministers, frequently receives the Imperial Chancellor and works continuously with the civil and military cabinet. There has been no change in German policy, and if Russian newspapers are under the delusion that the German Empire under the present Emperor will distance itself more from Austria-Hungary and lean towards Russia again, they only prove that they have not really realized the true nature and significance of the German-Austrian Confederation. In the meantime, the special envoys of the new German Emperor, who have notified the various heads of state of his accession to the throne, have arrived at their destinations and in some cases have already discharged their duties. The Austrian House of Representatives used the last sessions before the Easter vacations for a major debate on the report of the National Debt Commission, which was only presented to the House a year and a half after its completion. This Commission, in which there was a sharp division between the members of the right and left at the time, found it compatible with its dignity to pass a double, directly contradictory resolution. The original vote of censure against the government was later suppressed. The Hungarian Ministers Tisza and Fejervary arrived in Vienna and during a short stay took part in some deliberations of the joint Council of Ministers under the chairmanship of the Emperor, in which the possible proposals for the delegations are to be discussed. However, no further and more specific information was forthcoming. In the past week, the imperial capital of Vienna also turned its attention primarily to the supplementary elections for the municipal council; in the second electoral body, the anti-Semitic candidates won in several districts with a very lively electoral movement, while in the first electoral body the candidates of the liberal electoral committee prevailed everywhere.
In France, the week once again belonged to General Boulanger. His supporters put him up for the chamber in various new elections, and he did indeed receive many thousands of votes. He should emerge victorious from a run-off election in Laon, and the military commission of inquiry, which had to judge his numerous breaches of discipline, made it possible for him to take his eventual seat with great speed by removing him from his position and retiring him with punishment. In Marseille, the old communist Felix Pyat was elected.
The Oriental question, the outward manifestation of which is still the Bulgarian question, has not taken any step forward. Stambulov has now finally refrained from replying to the Grand Vizier's note, and Bulgaria is still completely calm. Of course, the government remains carefully on its guard, as Russia's complete silence is interpreted in informed circles as if it were secretly preparing a sudden strike. Duchess Clementine, the mother of Prince Ferdinand, has left Bulgaria after a stay of several months and has gone to Cannes via Munich and Paris. From there, it is said, she intends to return to her son in Sofia after a few weeks.
Very unpleasant things have happened in Bucharest in the meantime. The ultra-conservative opposition to Bratianu, led by the deputy Catargin, invaded the royal palace with a mob and demanded a stormy audience with the king, who had just returned to his capital with his wife from the funeral celebrations in Berlin and a two-day visit to Vienna. The police had to be called in to remove the noisemakers from the palace. The next day, the opponents advanced against the chamber; blood was shed and the government felt compelled to call in the military, which drove out the rioters. The outcome of these repeated riots cannot yet be foreseen. However, the better elements of Romania, including the capital, seem to be loyal to Bratianu.
Aufsätze aus «Deutsche Wochenschrift»
Die Woche, 22.-28. März 1888
Die Stellvertretung, welche Kaiser Friedrich seinem Sohne, dem Kronprinzen Wilhelm, übertragen, ist keineswegs eine vollständige und dient, wie ausdrücklich hervorgehoben, nur zur Einführung des Thronerben in die Regierungsgeschäfte, während der Kaiser sich alle wichtigen Entscheidungen vorbehält. Tatsächlich wohnt Kaiser Friedrich, obgleich über seinen Gesundheitszustand noch immer widerspruchsvolle Nachrichten im Laufe sind, dem Ministerrat bei, empfängt häufig den Reichskanzler und arbeitet unausgesetzt mit dem Zivil- und Militärkabinett. In der deutschen Politik ist eine Änderung nicht eingetreten, und wenn russische Blätter sich in dem Wahn wiegen, daß das Deutsche Reich unter dem jetzigen Kaiser sich mehr von Österreich-Ungarn entfernen und wieder an Rußland anlehnen werde, so beweisen sie damit nur, daß ihnen die tatsächliche Wesenheit und Bedeutung des deutsch-österreichischen Bundes eigentlich gar nicht zu rechtem Bewußtsein gekommen ist. Inzwischen sind die Spezialgesandten des neuen deutschen Kaisers, welche den verschiedenen Staatsoberhäuptern dessen Thronbesteigung angezeigt haben, an ihren Bestimmungsorten eingetroffen und haben sich teilweise schon ihres Auftrages entledigt. Das Österreichische Abgeordnetenhaus benutzte die letzten Sitzungen vor den Osterferien zu einer großen Debatte anläßlich des Berichtes der Staatsschulden-Kommission, der erst eineinhalb Jahre nach seiner Fertigstellung dem Hause vorgelegt wurde. Diese Kommission, in welcher es seinerzeit zu einem scharfen Zwiespalt zwischen den Mitgliedern der Rechten und Linken gekommen, hat es mit ihrer Würde vereinbar gefunden, einen doppelten, sich direkt widersprechenden Beschluß zu fassen. Der ursprünglich votierte Tadel gegen die Regierung wurde später wieder unterdrückt. Die ungarischen Minister Tisza und Fejervary trafen in Wien ein und haben während eines kurzen Aufenthaltes an einigen Beratungen des gemeinsamen Ministerrats unter dem Vorsitze des Kaisers teilgenommen, in denen die etwaigen Vorlagen für die Delegationen in Beratung gezogen sein sollen. Näheres und Bestimmteres verlautet jedoch nicht. Die Reichshauptstadt Wien wandte auch in der abgelaufenen Woche ihre Aufmerksamkeit vorzugsweise den Ergänzungswahlen für den Gemeinderat zu; im zweiten Wahlkörper siegten bei sehr lebhafter Wahlbewegung in mehreren Bezirken die antisemitischen Kandidaten, während im ersten Wahlkörper überall die Kandidaten des liberalen Wahlkomitees durchdrangen.
In Frankreich gehörte die Woche wieder dem General Boulanger. Seine Anhänger haben ihn bei verschiedenen Neuwahlen für die Kammer aufgestellt, und tatsächlich sind viele Tausende von Stimmen auf ihn entfallen. Aus einer Stichwahl in Laon dürfte er als Sieger hervorgehen, und die militärische Untersuchungs-Kommission, welche über seine zahlreichen Verstöße gegen die Disziplin abzuurteilen hatte, ermöglichte es ihm, mit großer Beschleunigung seinen etwaigen Sitz einzunehmen, indem sie ihn seiner Stellung enthob und strafweise pensionierte. In Marseille wurde der alte Kommunist Felix Pyat gewählt.
Die orientalische Frage, als deren äußere Erscheinung heute noch immer die bulgarische im Vordergrunde steht, hat irgendeinen Schritt nach vorwärts nicht gemacht. Stambulow hat nunmehr endgültig von der Beantwortung der Note des Großwesirs Abstand genommen, und Bulgarien ist nach wie vor vollkommen ruhig. Freilich bleibt die Regierung sorgsam auf ihrer Hut, da das vollständige Schweigen Rußlands in unterrichteten Kreisen so gedeutet wird, als wolle es im geheimen einen plötzlichen Schlag vorbereiten. Die Herzogin Clementine, die Mutter des Fürsten Ferdinand, hat Bulgarien nach mehrmonatlichem Aufenthalte verlassen und sich über München und Paris nach Cannes begeben. Von dort will sie, wie es heißt, nach einigen Wochen zu ihrem Sohne nach Sofia zurückkehren.
Sehr unliebsame Dinge haben sich inzwischen in Bukarest ereignet. Die ultrakonservative Opposition gegen Bratianu, unter der Führung des Abgeordneten Catargin, drang in das königliche Palais mit einem Volkshaufen ein und verlangte stürmisch eine Audienz beim König, welcher eben erst mit seiner Gemahlin von den Leichenfeierlichkeiten in Berlin und einem zweitägigen Besuche in Wien in seine Hauptstadt zurückgekehrt war. Die Polizei mußte in Anspruch genommen werden, um die Lärmmacher aus dem Schlosse zu entfernen. Am nächsten Tage drangen die Oppositionellen gegen die Kammer vor; es kam zu Blutvergießen, und die Regierung sah sich genötigt, Militär zu Hilfe zu rufen, welches die Tumultuanten verdrängte. Es läßt sich der Ausgang dieser wiederholten Unruhen noch nicht absehen. Die besseren Elemente Rumäniens mit der Hauptstadt scheinen jedoch treu zu Bratianu zu halten.