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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Collected Essays on Cultural and Contemporary History 1887–1901
GA 31

Automated Translation

64. Literary Wisdom and Devil's Island

It is now quite clear, as the man who writes the editorials of the "Zukunft" has just announced: it is only because of the dreadful narrow-mindedness of men that they cannot rise to the lofty position: I do not presume to judge the guilt or innocence of Captain Dreyfus. And furthermore, it comes from this dreadful narrowness that they "cannot judge political matters politically". It is true that the rest of us could say, if we wanted to, that we are perhaps better able to judge human things humanly than the editorialist of the "Zukunft", who gradually acquired his high political insight in Friedrichsruh. But of what use would such a generally human point of view be to us, since the gentleman in question seems to have no idea that all the fruits of the lessons in Friedrichsruh are in vain if the necessary disposition is not present. You can take as many "lessons" as you like from the greatest statesman, and you will not become a psychologist to the small degree necessary to say: according to everything we know, Dreyfus must be innocent. For me, for example, Dreyfus' behavior during and after the trial in 1894 was enough to consider him innocent. The editorialist of the "Zukunft", however, thinks that it must depend on the judgment of Pellieux, who knows the files, and of Mr. Cavaignac, who disappeared from the ministry when the revision was in sight; but he does not seem to think that a real connoisseur of human nature like Zola swore that Dreyfus was innocent. Yes, it has come to that. Today, German journals accept judgments for which laughter would be the highest honor that should be bestowed upon them.

64. Literatenklugheit und Teufelsinsel

Es ist nun ganz klar, denn der Mann, der die Leitartikel der «Zukunft» schreibt, hat es soeben verkündet: es kommt nur von der gräßlichen Beschränktheit der Menschen, daß sie sich nicht aufschwingen können, zu dem erhabenen Standpunkte: ich maße mir kein Urteil über Schuld oder Unschuld des Kapitän Dreyfus an. Und weiter kommt es von dieser gräßlichen Beschränktheit, daß sie «politische Dinge nicht politisch beurteilen können». Zwar könnten wir andern, wenn wir wollten sagen: wir können vielleicht menschliche Dinge besser menschlich beurteilen als der Leitartikler der «Zukunft», der seine hohe politische Einsicht sich in Friedrichsruh allmählich erworben hat. Aber wozu würde uns solch allgemein menschlicher Standpunkt nützen, da ja der betreffende Herr doch keine Ahnung davon zu haben scheint, daß alle Früchte des Unterrichtes in Friedrichsruh vergeblich sind, wenn die nötige Veranlagung nicht vorhanden ist. Man kann noch so viele «Stunden» bei dem größten Staatsmanne nehmen, und man wird dadurch nicht Psychologe bis zu dem geringen Grade werden, der dazu nötig ist, um zu sagen: nach allem, was wir wissen, muß Dreyfus unschuldig sein. Für mich zum Beispiel hat das Verhalten Dreyfus’ während und nach der Gerichtsverhandlung 1894 genügt, um ihn für unschuldig zu halten. Der Leitartikler der «Zukunft» aber meint, es müsse doch auf das Urteil Pellieux’s, der die Akten kennt, und des Herrn Cavaignac ankommen, der, als die Revision in Sicht war, aus dem Ministerium verschwand; davon aber scheint er nichts zu halten, daß ein wirklicher Menschenkenner wie Zola geschworen hat, Dreyfus sei unschuldig. Ja, es ist so weit gekommen. Man nimmt heute in deutschen Zeitschriften Urteile hin, für die ein Lachen die höchste Auszeichnung wäre, die man ihnen gewähren sollte.