Collected Essays on Literature 1884-1902
GA 32
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23. “Goethe's Iphigenia”
A lecture by Prof. Dr. W. Heinzelmann Erfurt 1891, Hugo Neumann
The attempt to measure Goethe according to an underlying standard must always lead to erroneous results. Just as little positive contribution to Goethe's scientific knowledge will be made by those who simply ask themselves: to what extent do Goethe's scientific views agree with those of Darwinism or those of our time in general, just as little can a person come to a correct judgment about the ethical and religious content of Goethe's poems who examines them for their agreement or disagreement with the teachings of Christianity, as the author of this lecture does. Goethe can only be explained from within himself, from the innermost nature of his very being. Every lens through which his achievements are seen changes [their] original form. That is why Heinzelmann's conclusions are one-sided and skewed. And if he recommends the interpretation of "Iphigenia" for school use in his sense, we would like to say, on the other hand, that for this purpose the pure, unbiased consideration of the work of art seems more useful to us, because it alone brings the student to understand Goethe purely from within, without any preconceived opinion.
23. «Goethes Iphigenie»
Ein Vortrag von Prof. Dr. W. Heinzelmann Erfurt 1891, Hugo Neumann
Der Versuch, Goethe nach einem untergelegten Maßstabe zu messen, muss immer zu fehlerhaften Resultaten führen. So wenig derjenige für die Erkenntnis Goethes in wissenschaftlicher Beziehung etwas Positives leisten wird, der sich einfach fragt: inwieweit stimmen Goethes wissenschaftliche Ansichten überein mit denen des Darwinismus oder der unserer Zeit überhaupt, ebenso wenig kann der zu einem richtigen Urteil über den ethischen und religiösen Gehalt von Goethes Dichtungen kommen, der sie auf ihre Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit der Lehre des Christentums prüft, wie es der Verfasser dieses Vortrags macht. Goethe kann nur aus sich selbst, aus der innersten Natur seines ureigenen Wesens erklärt werden. Jede Brille, durch die seine Leistungen gesehen werden, verändert [deren] ursprüngliche Gestalt. Deshalb sind die Schlüsse, zu denen Heinzelmann kommt, auch durchaus einseitig und schief. Und wenn derselbe die Auslegung der «Iphigenie» für den Schulgebrauch in seinem Sinne empfiehlt, so möchten wir dagegen doch sagen, dass uns für diesen Zweck die reine, unbefangene Betrachtung des Kunstwerkes dienlicher erscheint, weil sie allein den Schüler dahin bringt, Goethe ohne vorgefasste Meinung rein aus sich heraus zu verstehen.