Collected Essays on Literature 1884-1902
GA 32
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67. Against the Current
Pamphlets of a literary-artistic society XVII. Spicy reading. XVII.
Modern benefactors
Vienna 1888
This literary-artistic society has set itself an important and timely task, and its publications, of which we have here the XVIIth and XVIIIth have often hit the mark when they have shot their arrows at the literary and social abuses of our time. “Vienna was a theater city,” “The educated world,” “The reading of the people” are masterful in their way; the latter issue has provoked the liveliest discussion in wider circles. But that should not stop us from saying that, in the midst of all the good, very weak things have been brought. The tendency is always a good one, but the way in which one fights sometimes bears all the faults of the opponent. One turns against the critical intellectual direction of the present, which is disintegrating every positive work, and this in a way that shows the affected wrongness to an increased extent, even to the point of caricature. True caricatures of the intellect that is disintegrating everything are: “The novel that bores you”, ‘By the book’, ‘The prerogative of women’, ‘The advertising guide’. In recent times, with the exception of No. XVI, ‘Megalomania’, which is certainly one of the most important in the entire collection, there has also been a significant decline in the quality of these publications. And the two issues we have just received are also rather weak, even though they have a good tendency that is to be recognized. “Pikante Lektüre” (literally: ‘piquant reading’) takes aim at the smut smuggled into society by unscrupulous booksellers and, while making a bit of a fuss about it, leads us into a veritable literary quagmire. A wealth of literature is cited on subjects that belong to the most hideous and disgusting excesses of human life. These shameful books are devoured by people who never even see the pamphlets “Against the Current”. There is no literary battle against these, however. The only thing that helps is police intervention against the book dealers in question. In any case, the author did not need to present the entire table of contents of possible sexual excesses of humanity in all its breadth. Is it necessary to be salacious when writing against salaciousness? “Modern benefactors” are characterized by a kind of helpfulness that does not give in order to alleviate want and misery, but rather to shine. “You no longer do good deeds, you stage them.” The joy of giving has become rare, but the joy of seeing your name in the newspaper in connection with a charitable act has become all the more frequent. Charity is usually just a means of advertising oneself, as is the case with actors, singers, etc. who organize charity performances. It is not in quiet giving that one finds satisfaction, but everything must be done as noisily as possible. That is why charitable organizations are created, matinees, concerts, academies, etc. are offered to the public. A gaping wound in our society is touched upon, and that is at least a merit. This issue is also much more appealing than the last one in terms of form, where the author's gift for presentation and the way he approaches his task leave much to be desired.
67. Gegen Den Strom
Flugschriften einer literarisch-künstlerischen Gesellschaft XVII. Pikante Lektüre. XVII.
Moderne Wohltäter
Wien 1888
Diese literarisch-künstlerische Gesellschaft hat sich im Großen und Ganzen eine bedeutsame und zeitgemäße Aufgabe gestellt, und ihre Veröffentlichungen, von denen uns hier das XVII. und XVIII. Heft vorliegt, haben oft mitten ins Schwarze getroffen, wenn sie ihre Pfeile gegen die literarischen und gesellschaftlichen Missstände unserer Zeit abschossen. «Wien war eine Theaterstadt», «Die gebildete Welt», «Die Lektüre des Volkes» sind meisterhaft in ihrer Art; das letztere Heft hat in weiteren Kreisen die lebhafteste Diskussion hervorgerufen. Das soll uns aber nicht abhalten zu sagen, dass inmitten des vielen Guten sehr Schwaches gebracht wurde. Die Tendenz ist zwar immer eine gute, aber die Art, wie man kämpft, trägt zuweilen alle Fehler der Gegner an sich. Man wendet sich gegen die jede positive Arbeit zersetzende, kritisierende Verstandesrichtung der Gegenwart, und dies in einer Weise, die die berührte Verkehrtheit in erhöhtem Maße, ja bis zur Karikatur verzerrt, zeigt. Wahre Zerrbilder des alles zersetzenden Verstandes sind: «Der Roman, bei dem man sich langweilt», «Nach der Schablone», «Das Vorrecht der Frau», «Der Leitfaden der Reklame». In der letzten Zeit ist bis auf Nr. XVI, «Größenwahn», die allerdings zu den bedeutendsten der ganzen Sammlung gehört, überdies eine erhebliche Abnahme an Wert bei diesen Publikationen eingetreten. Und auch die beiden uns eben vorliegenden Hefte sind, auch wieder bei anzuerkennender guter Tendenz, ziemlich schwach. «Pikante Lektüre» zieht gegen die durch gewissenlose Buchhändler in die Gesellschaft eingeschmuggelte Zotenliteratur zu Felde und führt uns, wobei allerdings auch etwas stark in Pikanterie gemacht wird, in einen wahren literarischen Morast. Es wird eine reiche Literatur angeführt über Dinge, die zu den scheußlichsten und ekelhaftesten Auswüchsen des Menschenlebens gehören. Diese Schandbücher werden aber von Leuten verschlungen, denen die Broschüren «Gegen den Strom» nicht in die Hand kommen. Gegen diese gibt es aber überhaupt kein literarisches Ankämpfen. Da hilft nur polizeiliches Einschreiten gegen die betreffenden Buchhändler. Jedenfalls hätte der Verfasser nicht nötig gehabt, das ganze Inhaltsverzeichnis möglicher geschlechtlicher Ausschreitungen der Menschheit in aller Breite vorzuführen. Muss man denn just pikant sein, wenn man gegen die Pikanterie schreibt? «Moderne Wohltäter» geiBelt jene Art von Hilfsbereitschaft, die nicht gibt, um dem Mangel, dem Elend abzuhelfen, sondern um zu glänzen. «Man erweist die Wohltaten nicht mehr, man inszeniert sie.» Die Freude am Geben ist selten geworden, dagegen umso häufiger die, seinen Namen in Verknüpfung mit einem Wohltätigkeitsakte in der Zeitung zu sehen. Die Barmherzigkeit ist zumeist nur ein Mittel, um Reklame für sich zu machen, wie das bei Schauspielern, Sängern etc. der Fall ist, die Wohltätigkeitsvorstellungen veranstalten. Nicht im stillen Geben findet man Befriedigung, sondern möglichst geräuschvoll muss alles gemacht werden, man ruft deshalb Wohltätigkeitsvereine ins Leben, bietet dem Publikum Matineen, Konzerte, Akademien usw. Eine klaffende Wunde unserer Gesellschaft ist damit berührt, und das ist immerhin ein Verdienst. Auch in der Form ist dieses Heft viel ansprechender als das vorige, bei dem eben die Darstellungsgabe des Verfassers und die Art, wie er sich zu seiner Aufgabe stellt, viel zu wünschen übrig lässt.