Collected Essays from “Das Goetheanum” 1921–1925
GA 36
Automated Translation
America and Germany
A peace document has been created between America and Germany. It is a true reflection of the thoughts and feelings from which states today believe they can organize their relationships.
Wilson's thinking no longer lives in this document. It was the expression of a belief in unworldly intellectual considerations. It was admired in wide circles and dominated the convictions of many people until it was dashed by the facts. Wilson was seen as the man who wanted to give the world a new direction out of the spirit. But today one can talk about the spirit without the talk coming from the spirit. One can appear as an idealist without having ideas rooted in the real spirit. With such ideas one can arouse false enthusiasm; before the true tasks of contemporary life, they falter.
Wilson was a political romantic. This is how people who consider themselves true practitioners will now speak. And there will be many among them who, until recently, would have allowed what Wilson said as a minimum of idealism in the context of their “practical” convictions. They now stand in rapture before the peace document, which seeks to regulate economic relations from the perspective of sober reason, knowing how to keep away from political romanticism.
But this soberness is only the other side of what it regards as idealistic romanticism. It lives in the same illusion; it just does not know it because it looks at the unworldly ideas not from the front but from the back.
Wilson believed he could give laws to the world, but he did not understand that only those who trust each other can work together. Trust can only arise when souls meet with understanding. But this understanding must come from the spirit, which is experienced as a reality. Wilson's principles do not come from this spirit, but from abstractions of the intellect, divorced from reality. Yet he wanted to act out of the spirit; out of a spirit-alien sham spirit.
Now Wilson is being corrected by leaving out the spirit altogether and adhering to the business sense that is considered effective because it is soberly practical. And once again, those who believe that they can best manage together if they do not concern themselves with all spiritual and soul human relationships are allowed to feel how right they are.
This is the line of thought that more recent human development has followed until the terrible catastrophe of war occurred.
But haven't we done everything for a spiritual community? one might ask. Haven't we even exchanged professors who spoke from an American “mentality” in Europe and from a European “mentality” in America? Oh yes, we have done that. But these professors did not speak out of a world-view that comes from the living spirit. And so this spiritual community remained a decoration, from which economic interests were not affected. But humanity must be healed with spiritual reality; the spiritual decoration has brought it no help.
Only when this realization dawns will documents emerge in international relations that also make economic work possible.
With such a confession one encounters the superior smile of those who say: you may wait a long time for that, because humanity will only be ripe for such thinking after fifty years. Others say after a hundred; others choose an even larger number. The size of the number grows in proportion to the extent to which people feel compelled to smile at what they call impractical idealism.
Well, in this case, trial is likely to be better than prophecy. Humanity will become more accessible to the living spirit sooner than the practical people believe possible, if the urge for this spirit is no longer paralyzed by that seductive way of thinking that scents superstition, romanticism, and illogicality wherever a view of life based on spiritual experience is striven for. One must will the spirit if it is to become effective; and in order to will it, one has only to revel in the fruitless judgment that the waiting time will determine, after which it will come of its own accord. To such waiting souls one can reply: the spirit will not appear in fifty, a hundred, five hundred years if its appearance is not willed.
But it is absurd when we are told: “We don't want the spirit,” say the waiting souls. We want it just as much as you do. But no, you have to tell them. You don't want it; at most you wish for it. Because only the living spirit itself turns wishing into wanting. But it can only do that when people open the gates of the soul for it.
The body that has formed out of world economic interests needs the care of its soul. One should not wait for it to appear by itself. It is there; for every body has a soul. But it also wants to merge with its essence into the way people think in order to become effective.
Amerika Und Deutschland
Zwischen Amerika und Deutschland ist ein Friedensdokument zustande gekommen. Es ist ein rechtes Spiegelbild der Gedanken und Empfindungen, aus denen heraus heute Staaten vermeinen ihre Beziehungen ordnen zu können.
Wilsons Denkrichtung lebt nicht mehr in diesem Dokument. Sie war der Niederschlag des Glaubens an weltfremde Verstandeserwägungen. Sie wurde in weiten Kreisen bewundert und beherrschte die Überzeugungen vieler Menschen, bis sie an den Tatsachen zerschellte. Wilson galt als der Mann, der aus dem Geiste heraus der Welt eine neue Richtung geben wollte. Aber man kann heute vom Geiste reden, ohne daß die Rede aus dem Geiste stammt. Man kann als Idealist erscheinen, ohne daß man Ideen hat, die in dem wirklichen Geiste wurzeln. Mit solchen Ideen kann man Scheinbegeisterung erregen; vor den wahren Aufgaben des gegenwärtigen Lebens zerflattern sie.
Wilson war eben politischer Romantiker. So werden jetzt die Menschen sprechen, die sich für die wahren Praktiker halten. Und Viele werden unter ihnen sein, die das, was Wilson sagte, bis vor kurzem noch als ein Minimum von Idealismus in den Umkreis ihrer «praktischen » Überzeugungen zulassen wollten. Verzückt stehen diese nun vor dem Friedensdokumente, das die wirtschaftlichen Beziehungen regeln möchte von dem Gesichtspunkte des nüchternen Verstandes, der sich von politischer Romantik fern zu halten weiß.
Aber diese Nüchternheit ist doch nur die Kehrseite dessen, was sie als idealistische Romantik ansieht. Sie lebt in der gleichen Illusion; sie weiß es nur nicht, weil sie die weltfremden Ideen nicht von vorne, sondern von hinten ansieht.
Wilson glaubte einer Welt Gesetze geben zu können; aber er verstand nicht, daß miteinander wirtschaften nur diejenigen können, die zueinander Vertrauen haben. Das Vertrauen kann nur erstehen, wenn die Seelen sich verständnisvoll begegnen. Dieses Verständnis aber muß aus dem Geiste stammen, der als eine Wirklichkeit erlebt wird. Wilsons Grundsätze stammen nicht aus diesem Geiste, sondern aus wirklichkeitsfreimder Verstandesabstraktion. Aber er wollte doch aus dem Geiste heraus handeln; aus einem geistfremden Scheingeiste.
Jetzt korrigiert man Wilson, indem man den Geist ganz fortläßt und an denjenigen Geschäftssinn sich hält, den man für wirksam ansieht, weil man ihn nüchtern-praktisch findet. Und wieder einmal dürfen diejenigen empfinden, wie recht sie haben, die da glauben, am besten miteinander zu wirtschaften, wenn sie sich um alle geistig-seelischen Menschenbeziehungen nicht kümmern.
Nun, in dieser Gedankenrichtung hat sich die neuere Menschheitsentwickelung bewegt, bis sie zur furchtbaren Kriegskatastrophe gekommen war.
Aber hat man denn nicht alles für eine Geistgemeinschaft getan? so wird man sagen. Hat man denn nicht sogar Professoren ausgetauscht, die in Europa aus amerikanischer, in Amerika aus europäischer « Mentalität» heraus sprachen? O ja, das hat man getan. Aber diese Professoren sprachen eben nicht aus einer Weltanschauung heraus, die aus dem lebendigen Geiste kommt. Und so blieb diese Geistgemeinschaft eine Dekoration, von der die wirtschaftlichen Interessen nicht berührt worden sind. Die Menschheit aber muß mit geistiger Wirklichkeit geheilt werden; die Geistdekoration hat ihr keine Hilfe gebracht.
Erst wenn diese Erkenntnis aufleuchtet, werden im Völkerverkehr Dokumente entstehen, die auch das wirtschaftliche Arbeiten lebensmöglich machen.
Mit einem solchen Bekenntnis stößt man auf das überlegene Lächeln derer, die sagen: da könnt ihr lange warten, denn für solches Denken würde die Menschheit erst nach fünfzig Jahren reif werden. Andere sagen nach hundert; andere wählen sich eine noch größere Zahl. Die Zahlengröße wächst in dem Maße, in dem sich die Menschen gedrängt fühlen, das sich abzulächeln, was sie unpraktischen Idealismus nennen.
Nun, der Versuch dürfte in diesem Falle besser sein als die Prophetie. Die Menschheit wird für den lebendigen Geist schneller zugänglich sein, als die sich praktisch dünkenden Leute glauben, wenn der Drang nach diesem Geiste nicht mehr von derjenigen verführerischen Denkungsart gelähmt wird, die überall Aberglaube, Romantik, Unlogik wittert, wo nach einer Lebensauffassung aus dem Geist-Erleben gestrebt wird. Man muß den Geist wollen, wenn er wirksam werden soll; und um ihn »ichi zu wollen, braucht man nur sich an dem fruchtlosen Urteil zu weiden, das die Wartezeit bestimmen will, nach deren Ablauf er von selber kommt. Solchen WarteSeelen kann erwidert werden: der Geist wird auch in fünfzig, in hundert, in fünfhundert Jahren nicht erscheinen, wenn sein Erscheinen nicht gewollt wird.
Aber es ist doch absurd, wenn man uns sagt: wir wollten den Geist nicht, sagen die Warte-Seelen. Wir wollen ihn doch ebenso wie ihr. - Doch nein, muß man diesen erwidern. Ihr wollt nicht; ihr wünscht höchstens. Denn aus dem Wünschen macht nur der lebendige Geist selbst ein Wollen. Er kann das aber nur, wenn die Menschen ihm die Seelentore öffnen.
Der Leib, der sich aus den Weltwirtschaftsinteressen gebildet hat, bedarf der Pflege seiner Seele. Man sollte nicht warten, bis diese von selbst erscheint. Sie ist da; denn jeder Leib hat eine Seele. Aber sie will mit ihrer Wesenheit auch in die Denkungsart der Menschen übergehen, um wirksam zu werden.