Posthumous Essays and Fragments
1879-1924
GA 46
From Notebook 465, undated, c. 1888-1889.
Automated Translation
14. On Aesthetics
All thinking seeks the spirit in nature; for science, the world of reality is a thing that it cannot dwell on, a point of passage through which it must go in order to arrive at the essence of things, which can only be grasped as /dee. Only by transcending this reality, breaking open the shell and penetrating to the core, does the human spirit reveal what holds this world together at its core. We can never find satisfaction in the individual natural event, only in the law; never in the individual, only in the generality. In his mind, [man] builds a world that meets his spiritual needs, that has the harmony his spirit craves, that inherent strict logic he strives for. Never is external nature, as it presents itself to us directly, in a position to fulfill this for us. Only the penetrating gaze of the sun-like eye sees the spiritual sun that lives and reigns behind appearances. The immediate appearance appears to us to have been divinized. That is why times with a predominantly theologizing direction could never establish an aesthetic.
Aesthetics can only be the child of those times when man sees in the cultivation of art a high calling, when art becomes for him the high daughter of heaven, who has a divine mission to fulfill. If in every single manifestation of nature the divine reign appears to us already in all its intensity, what task can art fulfill?
The divine must be recognized in its most exalted form as an idea, so that each individual manifestation may be assigned its proper place in the system of our world view. The intuitive mind sees the general in the particular, the idea in the individual, but only because, while its gaze remains completely in the real, it sees more in it than the mere senses are capable of. The idea arises for him in the individual phenomenon because he does not stop at the individual as such.
The artist transforms the individual, he gives it the character of the general; he turns it from a mere accident into a necessity, from an earthly into a divine. The artist's task is not to give form to the sensual, no, but to allow the real to appear in an ideal light. The what is taken from reality, but that is not what matters, the how is the property of the creative power of genius, and that is what matters.
By being torn out of the fabric of the world as a whole and now being able to unfold its free ideality, the individual appears to us essentially different from how it is in reality, and although it appears to us in its truth, this truth of natural law is nevertheless an appearance. What is necessary in nature becomes ethical in the drama, since the work of humanity must be called not ethical but historical. Beauty is not a microcosm, nor would such a microcosm be beautiful. For it is precisely in the surpassing of itself in the individual, in terms of qualities and greatness, that beauty lies. We perceive this as a perfection that cannot elevate us in the universe, because it is simply taken for granted there.
Only the realization that the idea, freed from the bonds of nature, is the truly divine, makes us humans appear truly free; [text breaks off]
14. Zur Ästhetik
Alles Denken sucht den Geist in der Natur; der Wissenschaft ist die Welt des Wirklichen ein Ding, bei dem sie nicht stehen bleiben kann, ein Durchgangspunkt, durch den sie [fortgehen] muss zu dem Wesen der Dinge, das nur als /dee zu erfassen ist. Nur indem der Menschengeist diese Wirklichkeit überschreitet, die Schale zerschlägt und bis zum Kern dringt, wird ihm offenbar, was diese Welt im Innersten zusammenhält. Nimmermehr kann uns am einzelnen Naturgeschehen, nur am Gesetze, nimmermehr am Individuum, nur an der Allgemeinheit Befriedigung werden. In seinem Innern baut sich der [Mensch] eine Welt auf, die seinen geistigen Bedürfnissen entspricht, der jene Harmonie eigen [ist], nach der sein Geist verlangt, der jene strenge Logik innewohnt, die er erstrebt. Nie ist die äußere Natur so, wie sie sich uns unmittelbar darbietet, in der Lage, uns das zu erfüllen. Nur der in die Tiefe dringende Blick des sonnenhaften Auges sieht die geistige Sonne, die hinter den Erscheinungen lebt und waltet. Die unmittelbare Erscheinung erscheint uns entgöttlicht. Deshalb konnten die Zeiten mit vorherrschend theologisierender Richtung nie eine Ästhetik begründen.
Die Ästhetik kann nur jener Zeiten Kind sein, wo dem Menschen in der Kunstpflege eine hohe Aufgabe erscheint, wo ihm die Kunst zur hohen Tochter des Himmels wird, die eine göttliche Sendung zu erfüllen hat. Wenn uns in jeder einzelnen Erscheinung der Natur schon das göttliche Walten in seiner ganzen Intensität erscheint: Was kann der Kunst für eine Aufgabe zufallen?
Das Göttliche müsste in seiner hehrsten Form als Idee erkannt werden, um auch der Erscheinung des Einzelnen ihren rechten Platz im Systeme unserer Weltanschauung anzuweisen. Der intuitive Geist sieht zwar im Besonderen das Allgemeine, im Individuum die Idee, aber nur weil er, während sein Blick ganz im Realen bleibt, er mehr in diesem sieht, als die bloßen Sinne vermögen. Es geht ihm an der Einzelerscheinung die Idee auf, weil er nicht bei dem Individuum als solchem stehen bleibt.
Der Künstler schafft das Individuum um, er verleiht ihm den Charakter der Allgemeinheit; er macht es aus einem bloß Zufälligen zu einem Notwendigen, aus einem Irdischen zu einem Göttlichen. Nicht der /dee sinnliche Gestalt zu geben, ist die Aufgabe des Künstlers, nein, sondern das Wirkliche im idealen Lichte erscheinen zu lassen. Das Was ist der Wirklichkeit entnommen, darauf aber kommt es nicht an, das Wie ist Eigentum der gestaltenden Kraft des Genius, und darauf kommt es an.
Indem das Individuum herausgerissen erscheint aus dem Gefüge des Weltganzen und nun seine freie Idealität entfalten kann, erscheint es uns wesentlich anders denn in der Realität, und obwohl es uns in seiner Wahrheit erscheint, so ist diese Wahrheit der Naturgesetzlichkeit gegenüber doch Schein. Das Naturnotwendige wird zum Ethischen im Drama, da doch das Wirken der Menschheit nicht ethisch, sondern historisch genannt werden muss. Das Schöne ist kein Mikrokosmos, und ein solcher wäre auch nicht schön. Denn gerade in dem Übertreffen seiner selbst beim Individuum in Bezug auf Eigenschaften und Größe liegt das Schöne. Wir empfinden das als eine Vollkommenheit, die uns an dem Weltall nicht erheben kann, weil sie da einfach selbstverständlich ist.
Nur die Einsicht, dass die den Banden der Natur enthobene Idee das eigentlich Göttliche ist, lässt uns Menschen wahrhaft frei erscheinen; [Text bricht ab]