Posthumous Essays and Fragments
1879-1924
GA 46
Memos 5097-5099, undated
Automated Translation
141. Childhood Story
It was a quarter past five in the afternoon. Christof had a long day at school behind him. The last of the six school hours had been filled with the elementary teaching of the circle. Now he was on his way home, which took an hour if he walked. Christof had already walked for a quarter of an hour. It was a gloomy autumn evening. A monotonous gray covered the entire sky. The narrow footpath was covered with fallen leaves, many of which had been trodden into the soft, clayey soil. Along the path were trees, mostly cherry trees. Defoliated, they towered into the air, which was about to fill with wetting fog. To the right of the footpath was the slippery country road and further on, on both sides, wide fields in the unadorned earth color of autumn. Christof saw this environment with the same matter-of-factness with which boys see it who grow up with nature. He could let everything take effect on him and yet also fill his mind with the impressions of the day's experiences at school. He was tired from his seven hours of school, and also from carrying the heavy school bag and a drawing board. Behind him, a car came along the country road. The occupant of the car, an acquaintance of Chrflistof]'s parents, invited the boy to sit with him on the car. The man asked all sorts of questions related to the boy's school situation. The boy gave his answers rather mechanically, without inner participation. After a while, both fell silent and just sat next to each other on the wagon seat. The fog was getting thicker; the darkness was increasing.
The wagon was of the simplest kind. A moderately high open wagon body. A seat for two people; the owner drove the horse himself. Christof could barely see 20 feet in any direction. Yet the area was well known to him. On the right, the mountains that he had often explored during summer days; on the left, a wide plain, partly covered with meadows. The journey took only a very short while, and the boy's soul became strangely illuminated. The fog became transparent. It was as if Chrflistof could see everything in the area. He lived with everything. The ground was like a dull hum throughout the area, and the boy could interpret the different tones of this. He summarized the tones in all sorts of paradoxical words. Some words seemed to repeat themselves often, some only came once. Gradually, the whole thing became as if the ground were holding a conversation with the surrounding air. The words became all sorts of animated figures that rose up. Others came from above to meet them. In the encounter between these lower and upper figures, structures emerged to which Christof could only find an emotional connection. He sensed something in them that his soul seemed to long for. He knew that all this was his reverie.
He was not a dreamer at all. He had hardly made any acquaintance with books other than those he used for school. And in his schoolbooks, he was most interested in what many consider the most sobering. He had taken a particular interest in the new system of weights and measures that had just been introduced in his homeland. How to convert ells and feet into meters, pounds and hundredweight into kilograms, occupied him to the fullest extent. Small blue books, filled with conversion tables, were his reading material during school holidays. He did not know what a municipal theater was; of dramatic performances, he had only seen those that usually followed tightrope walking performances in the open air in villages. He only knew a few fairy tales from the school books, and they did not make a deep impression on him. His relatives were sober people, living in the difficult worries of the day, who would not have particularly liked to see the boy occupy himself with anything spiritual that could not even serve the purpose of life.
141. Kindheitserzählung
Ein Viertel nach fünf Uhr nachmittags war es. Christof hatte einen langen Schultag hinter sich. Die letzte der 6 Schulstunden war von der elementaren Lehre vom Kreise ausgefüllt gewesen. Nun war er auf dem Heimweg, der eine Stunde in Anspruch nahm, wenn er zu Fuß [zurückgelegt] wurde. Eine Viertelstunde war Chrlistof] bereits gegangen. Es war ein düsterer Herbstabend. Einförmiges Grau bedeckte den ganzen Himmel. Der schmale Fußweg war mit abgefallenen Blättern bedeckt, von denen viele in das weiche, lehmige Erdreich des Bodens eingetreten waren. Am Wege entlang waren Bäume, zumeist Kirschbäume. Entblättert ragten sie in die Luft empor, die sich anschickte [sich] mit nässende[m] Nebel zu füllen. Rechts vom Fußwege war die schlüpfrige Landstraße und weiters zu beiden Seiten weite Felder in der schmucklosen Erdfarbe des Herbstes. Christof sah diese Umgebung mit jener Selbstverständlichkeit, mit [der] sie Knaben sehen, die mit der Natur zusammen aufwachsen. Er konnte alles auf sich wirken lassen und doch auch sein Gemüt erfüllt haben mit den Eindrücken von den Tageserlebnissen der Schule. Er war müde von seinen sieben Schulstunden, und auch vom Tragen der schweren Schultasche und einer Zeichentafel. Hinter ihm kam die Landstraße entlang ein Wagen. Der Insasse desselben, ein Bekannter von Chrflistof]s Eltern, forderte den Knaben auf, sich zu ihm auf den Wagen zu setzen. Der Mann stellte allerlei Fragen, die sich auf des Knaben Schulverhältnisse bezogen. Dieser gab seine Antworten ziemlich mechanisch, ohne innern Anteil. Nach einiger Zeit verstummten beide und saßen nur auf dem Wagensitze nebeneinander. Der Nebel wurde dichter; die Finsternis nahm zu.
Der Wagen war von der allereinfachsten Art. Ein mäßig hoher offener Wagenkasten. Ein Sitz für zwei Menschen; der Besitzer lenkte selbst das Pferd. Christof sah kaum 20 Schritte im Umkreis. Doch war ihm die Gegend gut bekannt. Rechts das Gebirge, das er oft in Sommertagen durchstreift hatte, links eine weite Ebene, zum Teile mit Auen bedeckt. Die Fahrt hatte nur eine ganz kurze Weile gedauert, da wurde es in des Knaben Seele sonderbar hell. Der Nebel wurde wie durchsichtig. Es war, als ob Chrflistof] alles in der Umgegend überschauen konnte. Er lebte mit allem. Der Boden wurde im ganzen Umkreise wie ein dumpfes Summen, dessen unterschiedliche Töne der Knabe deuten konnte. Er fasste die Töne in allerlei paradoxe Worte zusammen. Manche Worte schienen sich oft zu wiederholen, manche kamen nur einmal. Es wurde das Ganze allmählich so, als wenn der Boden mit dem Umkreis der Luft ein Gespräch führte. Die Worte wurden zu allerlei belebten Gestalten, die emporstrebten. Ihnen kamen von oben andere entgegen. In der Begegnung dieser unteren und oberen Gestalten ergaben sich Gebilde, zu denen Christof nur ein gefühlsmäßiges Verhältnis finden konnte. Er empfand in ihnen etwas, was seine Seele zu verlangen schien. Er wusste, dass dies alles seine Träumerei war.
Er war durchaus keine Schwärmernatur. Mit Büchern außer denen, die ihm für die Schule dienten, hatte er kaum Bekanntschaft gemacht. Und in seinen Schulbüchern interessierte ihn gerade das am meisten, was vielen als das Allernüchternste erscheint. Besonderes Interesse hatte er dem eben damals in seiner Heimat eingeführten neuen Maß- und Gewichtssystem entgegengebracht. Wie man Ellen und Fuß in Meter, Pfunde und Zentner in Kilogramme umrechnet, das beschäftigte ihn in allerreichlichstem Maße. Kleine blaue Büchelchen, mit Umrechnungstabellen angefüllt, waren seine Lektüre in der schulfreien Zeit. Was ein städtisches Theater ist, wusste er nicht; von Vorstellungen dramatischer Art hatte er nur diejenigen gesehen, welche sich in Dörfern gewöhnlich an Seiltänzerdarbietungen im Freien anschließen. Märchen kannte er nur wenige in den Schulbüchern vorhandene; und von diesen hatte er einen tieferen Eindruck nicht. Seine Angehörigen waren nüchterne, in den schweren Tagessorgen lebende Leute, die es auch nicht besonders gerne gesehen hätten, wenn der Knabe sich mit irgendetwas Geistigem beschäftigt hätte, das nicht einmal dem Nutzen des Lebens hätte dienen können.