Von Seelenrätseln
GA 21
IV-4. Ein wichtiges Merkmal der Geistwahrnehmung
[ 1 ] Die Wahrnehmungen, welche die Seele im Bereiche der geistigen Wirklichkeit macht, leben in dieser nicht in der gleichen Art fort wie die Vorstellungen, die an sinnlichen Wahrnehmungen gewonnen werden. Obgleich im Sinne des ersten Kapitels dieser « Skizzenhaften Erweiterungen des Inhaltes dieser Schrift» ein Vergleich dieser Wahrnehmungen mit den Erinnerungsvorstellungen möglich ist, so verhalten sich die ersteren in der Seele doch nicht wie die letzteren. Was als geistige Wahrnehmung erlebt wird, kann nämlich in dieser seiner unmittelbaren Gestalt nicht wie eine Erinnerungsvorstellung in der Seele behalten werden. Soll man dieselbe geistige Wahrnehmung erneut wieder haben, so muß sie auch erneut in der Seele wieder hergestellt werden. Das heißt, es muß die Beziehung der Seele zu der entsprechenden geistigen Wirklichkeit wieder gesucht werden. Und diese Wieder-Erneuerung läßt sich nicht mit einem Erinnern an einen Sinneseindruck vergleichen, sondern nur mit dem Vor-Augen-Führen desselben sinnenfälligen Objektes, das man bei einem früheren Eindruck gehabt hat. Was von der realen geistigen Wahrnehmung unmittelbar in der Erinnerung behalten werden kann, ist nicht diese selbst, sondern die Verrichtung der Seele, durch die man zu der entsprechenden Wahrnehmung gelangt. Strebe ich danach, eine geistige Wahrnehmung, die ich vor einiger Zeit gehabt habe, wieder zu haben, so sollte ich nicht nach der Erinnerung dieser Wahrnehmung suchen, sondern nach der Erinnerung, die mir die Vorbereitungen meiner Seele zurückruft, welche mich zu der Wahrnehmung geführt haben. Die Wahrnehmung stellt sich dann durch einen von mir unabhängigen Vorgang ein. Es ist wichtig, vollbewußt sich zu sein dieser Zweiheit des Vorganges, weil man nur dadurch eine richtige Erkenntnis von dem erlangt, was wirklich geistig objektiv ist.
In der Praxis ist aber das Wesen dieser Zweiheit dadurch modifiziert, daß der Inhalt des geistigen Wahrnehmens aus dem schauenden Bewußtsein in das gewöhnliche Bewußtsein übertragen werden kann. Dann wird er in dem letztern zu einer abstrakten Vorstellung. Und diese kann in der gewöhnlichen Art erinnert werden.
Man kann aber gerade dadurch für ein richtiges bewußtes Verhältnis der Seele zur geistigen Welt viel gewinnen, daß man sich sorgfältig übt für die Erkenntnis der innerhalb des Seelenlebens mit einer gewissen Feinheit auftretenden Unterschiede:
- Seelenvorgänge, welche zu einer geistigen Wahrnehmung führen;
- geistige Wahrnehmungen selbst;
- in Begriffe des gewöhnlichen Bewußtseins umgesetzte geistige Wahrnehmungen
IV-4. An important characteristic of mind perception
[ 1 ] The perceptions that the soul makes in the realm of spiritual reality do not live on in the soul in the same way as the ideas that are gained from sensory perceptions. Although it is possible to compare these perceptions with the ideas of memory in the sense of the first chapter of this "Sketchy expansions of the content of this writing", the former do not behave in the soul in the same way as the latter. What is experienced as a mental perception can not be retained in its immediate form in the soul like a memory. If one is to have the same mental perception again, it must also be re-established in the soul. In other words, the soul's relationship to the corresponding spiritual reality must be sought again. And this re-establishment cannot be compared to remembering a sensory impression, but only to visualizing the same sensory object that one had with an earlier impression. What can be retained directly in the memory of the real mental perception is not the perception itself, but the action of the soul through which one arrives at the corresponding perception. If I strive to have a mental perception again that I had some time ago, I should not look for the memory of this perception, but for the memory that recalls the preparations of my soul that led me to the perception. The perception then arises through a process that is independent of me. It is important to be fully aware of this duality of the process, because only in this way can one attain a correct knowledge of what is truly spiritually objective.
In practice, however, the nature of this duality is modified by the fact that the content of spiritual perception can be transferred from the looking consciousness into the ordinary consciousness. Then it becomes an abstract idea in the latter. And this can be remembered in the ordinary way.
However, much can be gained for a correct conscious relationship of the soul to the spiritual world precisely by practicing carefully to recognize the differences that occur with a certain subtlety within the life of the soul:
- Soul processes that lead to a spiritual perception;
- spiritual perceptions themselves;
- spiritual perceptions converted into concepts of ordinary consciousness