Anthroposophische Leitsätze
GA 26
Erste Betrachtung:
Vor den Toren der Bewußtseinsseele. Wie Michael seine Erdenmission durch Besiegung Luzifers überirdisch vorbereitet
Michaels Eingreifen in die Welt- und Menchheitsentwickelung am Ende des
neunzehnten Jahrhunderts erscheint in einer besonderen Beleuchtung, wenn man
die Geistesgeschichte in den Jahrhunderten betrachtet, die ihm vorangegangen
sind.
Im Beginne des fünfzehnten Jahrhunderts liegt der Zeitpunkt, in dem die
Epoche der Bewußtseinsseele ihren Anfang nimmt.
Vor diesem Zeitpunkt offenbart sich ein völliger Wandel in dem
Geistesleben der Menschheit. Man kann verfolgen, wie vorher in das menschliche
Anschauen überall noch Imaginationen hineingespielt haben. Einzelne
Persönlichkeiten haben sich allerdings schon früher zu bloßen «Begriffen» in
ihrem Seelenleben gefunden; allein die allgemeine Seelenverfassung der Mehrzahl
der Menschen lebt in einem Sich-Durchdringen von Imaginationen mit
Vorstellungen, die der rein physischen Welt entstammen. So ist es mit den
Vorstellungen über Naturgeschehen, so aber auch mit denen über das
geschichtliche Werden.
Was die geistige Beobachtung nach dieser Richtung finden kann, wird durch
die äußeren Zeugnisse durchaus bestätigt. Auf einige der letzteren sei hier
gedeutet.
Was in den vorangegangenen Jahrhunderten über geschichtliche Ereignisse
gesonnen und gesprochen worden war, wird gerade vor dem Anbrach des
Bewußtseinszeitalters vielfach niedergeschrieben. Und so haben wir aus dieser
Zeit «Sagen» und dergleichen aufbewahrt, die ein getreues Bild davon geben, wie
man vorher «Geschichte» vorgestellt hat.
Ein schönes Beispiel ist die Erzählung von dem «guten Gerhard», die in
einem Gedichte des Rudolf von Ems, der in der ersten Hälfte des dreizehnten
Jahrhunderts lebte, erhalten ist. Der «gute Gerhard» ist ein reicher Kaufmann
in Köln. Er unternimmt eine Handelsreise nach Rußland, Livland und Preußen, um
Zobelfelle zu kaufen. Dann geht er nach Damaskus und Ninive, um Seidenstoffe
und ähnliches zu erwerben.
Auf der Heimreise wird er vom Sturm verschlagen. In dem fremden Gebiet,
in das er kommt, lernt er einen Mann kennen, in dessen Gefangenschaft sich
englische Ritter und auch die Verlobte des englischen Königs befinden. Gerhard
gibt alles hin, was er auf der Reise erhandelt hatte, und erhält dafür die
Gefangenen. Die nimmt er auf sein Schiff und tritt die Heimreise an. Als die Schiffe
dahin kommen, wo die Wege nach der Heimat Gerhards und nach England sich
trennen, entläßt Gerhard die männlichen Gefangenen nach ihrer Heimat; die
Verlobte des Königs behält er bei sich, in der Hoffnung, daß ihr Bräutigam, der
König Wilhelm, sie abholen werde, sobald er von ihrer Befreiung und ihrem
Aufenthaltsorte Kunde erhält. In der denkbar besten Art werden die Königsbraut
und ihre mitgekommenen Freundinnen von Gerhard gehalten. Sie lebt wie eine
vielgeliebte Tochter in dem Hause ihres Erlösers aus der Gefangenschaft. Es
vergeht die längste Zeit, ohne daß der König erscheint, sie abzuholen. Da
entschließt sich Gerhard, um der Pflegetochter Zukunft zu sichern, sie mit
seinem Sohne zu vermählen. Denn es kann geglaubt werden, daß Wilhelm tot sei.
Schon ist das Hochzeitsfest für den Sohn Gerhards im Gange; da erscheint auf
demselben als unbekannter Pilger - Wilhelm. Er war lange umhergeirrt, um seine
Verlobte zu suchen. Ihm wird nach dem selbstlosen Verzicht von Gerhards Sohn
seine Braut zurückgegeben. Einige Zeit bleiben beide noch bei Gerhard; dann
rüstet dieser ein Schiff aus, um sie nach England zu bringen. Als die wieder zu
Würden gekommenen Gefangenen Gerhard zunächst in England begrüßen können,
wollen sie ihn zum König wählen. Er aber kann erwidern, daß er ihnen ihr
rechtmäßiges Königspaar bringe. Auch sie hatten ja Wilhelm für tot gehalten und
wollten einen ändern König für das Land wählen, in dem die Zustände während des
Umherirrens Wilhelms chaotisch geworden waren. - Der Kölner Kaufmann schlägt alles,
was man ihm an Würden und Reichtümern anbietet, aus und kehrt nach Köln zurück,
um dort weiter der einfache Kaufmann zu sein, der er vorher gewesen. - Die
Geschichte wird so eingekleidet, daß der sächsische Kaiser, Otto der Erste,
nach Köln reist, um den «guten Gerhard» kennen zu lernen. Denn der mächtige
Kaiser ist der Versuchung unterlegen, für manches, was er getan hat, auf
«irdischen Lohn» zu rechnen. Dadurch, daß er Gerhard kennen lernt, wird ihm an
einem Beispiel fühlbar, wie ein einfacher Mann unsägliches Gutes tut - Hingabe
aller Waren, die er erstanden, um Gefangene zu befreien; Rückgabe der Braut des
Sohnes an Wilhelm; dann alles, was er verrichtet, um diesen wieder nach England
zu bringen und so weiter -, ohne irgendwelchen irdischen Lohn dafür zu
begehren, sondern alle Belohnung allein von dem Walten der Gottheit zu
erwarten. Der Mann heißt im Menschenmunde «der gute Gerhard»; der Kaiser fühlt,
daß er einen mächtigen religiösmoralischen Ruck erhält durch die Bekanntschaft
mit Gerhards Gesinnung.
Die Erzählung, deren Gerüst ich hier gegeben habe, um nicht über etwas
wenig Bekanntes bloß mit Namen zu deuten, zeigt nun von der einen Seite ganz
deutlich die Seelenverfassung des Zeitalters vor dem Heraufkommen der
Bewußtseinsseele in der Entwickelung der Menschheit.
Wer nämlich die Erzählung, wie sie Rudolf von Ems gibt, auf sich wirken
läßt, der kann fühlen, wie das Erleben der Erdenwelt seit jener Zeit, in der
Kaiser Otto gelebt (im zehnten Jahrhundert), sich gewandelt hat.
Man sehe hin, wie in dem Zeitalter der Bewußtseinsseele die Welt vor dem
Seelenblicke des Menschen gewissermaßen «hell» für alles Erfassen des
physischen Seins und Werdens geworden ist. Gerhard fährt mit seinen Schiffen
gewissermaßen wie im Nebel. Er kennt nur immer ein Stückchen von der Welt, mit
der er in Verbindung kommen will. Man erfährt in Köln nichts von dem, was in
England vor sich geht, und muß jahrelang suchen nach einem Menschen, der in
Köln ist. Man lernt Leben und Besitz eines solchen Menschen, wie der ist, zu dem
Gerhard auf der Heimreise verschlagen wird, erst kennen, wenn man durch das
Schicksal unmittelbar an den entsprechenden Ort herangebracht wird. Zu dem
Durchschauen der Weltverhältnisse von heute verhält sich das damalige wie das
Hineinblicken in eine sonnenerhellte weite Landschaft zu dem Sich-Hintasten im
dichten Nebel.
Mit dem, was man heute «geschichtlich» gelten läßt, hat das nichts zu
tun, was in Verbindung mit dem «guten Gerhard» erzählt wird. Um so mehr aber
mit der Gemütsstimmung und der ganzen geistigen Lage des Zeitalters. Diese, nicht
die einzelnen Ereignisse der physischen Welt, werden in Imaginationen
dargestellt.
In dieser Darstellung spiegelt sich, wie der Mensch sich nicht nur als
ein Wesen fühlt, das als ein Glied in der Kette der Ereignisse der physischen
Welt lebt und tätig ist, sondern wie er in sein irdisches Dasein geistige,
übersinnliche Wesen hineinwirken und mit ihnen seinen Willen in Zusammenhang
fühlt.
Die Erzählung vom «guten Gerhard» zeigt, wie das Dämmerdunkel, das in
bezug auf das Durchschauen der physischen Welt dem Zeitalter der
Bewußtseinsseele vorangegangen ist, den Blick in das Erschauen der geistigen
Welt gewiesen hat. Man sah nicht in die Weiten des physischen Daseins,
man sah um so mehr in die Tiefen des geistigen.
Aber so, wie einst ein dämmerhaftes (traumhaftes) Hellsehen der
Menschheit die geistige Welt gezeigt hatte, war es in dem gekennzeichneten
Zeitalter nicht mehr. Die Imaginationen waren da; aber sie traten innerhalb
einer Auffassung der Menschenseele auf, die schon stark nach dem Gedanklichen
hindrängte. Das bewirkte, daß man nicht mehr wußte, wie die Welt, die sich in
Imaginationen offenbarte, sich zu der des physischen Daseins verhält. Deshalb
erschienen die Imaginationen Leuten, die schon eindringlicher sich an das
Gedankliche hielten, als willkürliche «Erdichtungen» ohne Wirklichkeit.
Man wußte nicht mehr, daß man durch die Imagination in eine Welt blickt,
in der man mit einem ganz ändern Teile seines Menschenwesens steht als in der
physischen. So standen in der Darstellung beide Welten nebeneinander; und beide
trugen durch die Haltung der Erzählung einen Charakter, daß man meinen konnte,
die geistigen Geschehnisse, die man erzählte, hätten sich so wahrnehmbar
zwischen den physischen abgespielt, wie diese selbst wahrnehmbar sind.
Dazu kam, daß man die physischen Ereignisse in vielen dieser Erzählungen
durcheinander warf. Personen, deren Leben Jahrhunderte voneinander entfernt
liegt, treten als Zeitgenossen auf; Geschehnisse werden an unrichtige Orte oder
in unrichtige Zeitpunkte versetzt.
Es werden Tatsachen der physischen Welt so von der menschlichen Seele
angeschaut, wie man nur das Geistige anschauen kann, für das Zeit und Raum eine
andere Bedeutung als für das Physische haben; die physische Welt wird in
Imaginationen statt in Gedanken dargestellt; dafür wird die geistige Welt so in
die Erzählung verwoben, wie wenn man es nicht mit einer anderen Daseinsform,
sondern mit dem Fortgang physischer Tatsachen zu tun hätte.
Eine nur an das Physische sich haltende Geschichts-Erfassung denkt, man
habe die alten Imaginationen des Orients, Griechenlands und so weiter
übernommen und dichterisch mit den geschichtlichen Stoffen verwoben, die die
Menschen damals beschäftigten. Man hatte ja in den Schriften Isidors von Sevilla
aus dem siebenten Jahrhundert eine förmliche Sammlung alter «Sagenmotive».
Doch dies ist eine äußerliche Betrachtungsweise. Sie hat etwas
Bedeutsames nur für denjenigen, der keinen Sinn für die menschliche
Seelenverfassung hat, die sich mit ihrem Dasein noch im unmittelbaren Anschluß
an die geistige Welt weiß und die dieses Wissen in Imaginationen auszudrücken
sich gedrängt fühlt. Wird dann statt der eigenen Imagination eine geschichtlich
überlieferte verwendet, in die man sich eingelebt hat, so ist das nicht das
Wesentliche. Dieses liegt darin, daß die Seele nach der geistigen Welt hin
orientiert ist, so daß sie ihr eigenes Tun und das Naturgeschehen in diese Welt
eingegliedert sieht.
Doch ist in der Erzählungsart der Zeit vor demAnbruch des Bewußtseinszeitalters
Verirrung zu bemerken.
In dieser Verirrung schaut die geistgemäße Beobachtung das Wirken der
luziferischen Macht.
Was die Seele drängt, Imaginationen in ihren Erlebnisgehalt aufzunehmen,
das entspricht weniger den Fähigkeiten, die sie in der Vorzeit - durch ein
traumhaftes Hellsehen - hatte, sondern schon mehr denjenigen, die im achten bis
vierzehnten nachchristlichen Jahrhundert vorhanden waren. Diese Fähigkeiten
drängten schon mehr nach einer gedanklichen Erfassung des sinnlich Wahrgenommenen
hin. Beide Fähigkeiten sind in der Übergangszeit nebeneinander vorhanden. Die
Seele ist hineingestellt zwischen die alte Orientierung, welche auf die
Geisteswelt geht und die die physische nur wie im Nebel sieht, und die neue,
die auf das physische Geschehen geht und in der das geistige Anschauen
verblaßt.
In dieses schwankende Gleichgewicht der Menschenseele wirkt die
luziferische Macht hinein. Sie möchte den Menschen verhindern, die volle
Orientierung in der physischen Welt zu finden. Sie möchte ihn in geistigen
Regionen, die ihm in der Vorzeit angemessen waren, mit seinem Bewußtsein
erhalten. Sie möchte in sein traumhaft imaginatives Weltanschauen nicht rein
Gedankliches, das auf das Erfassen des physischen Daseins gerichtet ist,
einfließen lassen. Sie kann sein Anschauungsvermögen in unrechter Art wohl von
der physischen Welt zurückhalten. Sie kann aber das Erleben der alten
Imaginationen nicht in der rechten Art aufrecht erhalten. So läßt sie ihn in
Imaginationen sinnen, ohne ihn seelisch ganz in die Welt versetzen zu können,
in denen Imaginationen vollgültig sind.
Im Anbruche des Bewußtseinszeitalters waltet Luzifer so, daß durch ihn
der Mensch in die an die physische zunächst angrenzende übersinnliche Region
auf eine ihm nicht entsprechende Art versetzt wird.
Man sehe dies ganz anschaulich an der «Sage» vom «Herzog Ernst», die zu
den beliebtesten des Mittelalters gehörte und die im weiten Umkreise überall
erzählt wurde.
Der Herzog Ernst kommt in Zwiespalt mit dem Kaiser, der ihn ungerecht
durch Krieg zugrunde richten will. Der Herzog fühlt sich gedrängt, dem
unmöglichen Verhältnis mit dem Reichshaupte dadurch zu entgehen, daß er an der
Kreuzzugsbewegung nach dem Orient teilnimmt. In den Erlebnissen, die er nun
durchmacht, bis die Reise ihn nach dem Ziele führt, wird «sagenhaft» das
Physische mit dem Geistigen in der angedeuteten Art verwoben. Der Herzog
gelangt zum Beispiel auf seinem Wege zu einem Volke, das den Kopf gestaltet hat
wie Kraniche; er wird an den «Magnetberg» mit den Schiffen verschlagen, von dem
diese magnetisch angezogen werden, so daß Menschen, die in die Nähe des Berges
kommen, nicht wieder zurück können, sondern elendig umkommen müssen. Der Herzog
Ernst und sein Gefolge machen sich dadurch los, daß sie sich in Häute einnähen,
von Greifen, die gewohnt sind, die nach dem Magnetberg verschlagenen Menschen
zur Beute sich zu holen, auf einen Berg sich bringen lassen und dort nach dem
Durchschneiden der Häute in Abwesenheit der Greife entkommen. Die weitere
Wanderung führt dann zu einem Volke, dessen Ohren so lang sind, daß sie wie
eine Kleidung um den ganzen Körper geschlagen werden können; zu einem ändern,
dessen Füße so groß sind, daß sich die Leute, wenn es regnet, auf den Boden
legen können und die Füße als Schirme über sich breiten können. Er kommt zu
einem Zwergen-, einem Riesenvolke und so weiter. Dergleichen vieles wird in
Verbindung mit der Kreuzzugsreise des Herzogs Ernst erzählt. Die «Sage» läßt
nicht in der rechten Art fühlen, wie überall da, wo Imaginationen eintreten, die
Hinorientierung auf eine geistige Welt stattfindet, wie da Dinge durch Bilder
erzählt werden, die in der Astralwelt sich abspielen und die mit Wille und
Schicksal der Erdenmenschen zusammenhängen.
Und so ist es mit der schönen «Rolandsage», in der Karls des Großen Zug
gegen die Heiden nach Spanien verherrlicht wird. Da wird sogar in Anlehnung an
die Bibel gesagt, daß, damit Karl der Große ein von ihm erstrebtes Ziel
erreichen könne, die Sonne sich in ihrem Laufe hemme, so daß ein Tag so
lang werde wie sonst zwei.
Und in der «Nibelungensage» sieht man, wie diejenige Form, die sich in
nordischen Ländern erhalten hat, das Anschauen des Geistigen reiner aufrecht
erhält, während in Mitteleuropa die Imaginationen an das physische Leben nahe
herangebracht werden. An der nordischen Form der Erzählung ist ausgedrückt, daß
sich die Imaginationen auf eine «astralische Welt» beziehen; in der
mitteleuropäischen Gestalt des Nibelungenliedes gleiten die Imaginationen in
das Anschauen der physischen Welt hinein.
Auch die in der Herzog-Ernst-Sage auftretenden Imaginationen beziehen
sich ja in Wirklichkeit auf das, was zwischen den Erfahrungen in der
physischen Sphäre in einer «astralischen Welt» erlebt wird, der der Mensch
ebenso angehört wie der physischen.
Wendet man auf all das den Geistesblick, so schaut man, wie das Eintreten
in das Bewußtseinszeitalter das Herauswachsen aus einer Entwickelungsphase
bedeutet, in der die luziferischen Mächte über die Menschheit siegen würden,
wenn nicht durch die Bewußtseinsseele mit ihrer Kraft der Intellektualität ein
neuer Entwickelungseinschlag in das Menschenwesen käme. Die Hinorientierung auf
die geistige Welt, die in die Bahnen der Verirrung einlenken will, wird durch
die Bewußtseinsseele gehindert; der Menschenblick wird herausgeholt in die
physische Welt. Alles, was nach dieser Richtung geschieht, entzieht die
Menschheit der sie beirrenden luziferischen Macht.
Da ist Michael schon von der geistigen Welt aus für die Menschheit tätig.
Er bereitet vom Übersinnlichen aus sein späteres Werk vor. Er gibt der
Menschheit Impulse, die das vorzeitige Verhältnis zur geistig-göttlichen Welt
bewahren, ohne daß dieses Bewahren einen luziferischen Charakter annimmt.
Dann, im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts, dringt Michael mit
der Tätigkeit, die er vom fünfzehnten bis in das neunzehnte Jahrhundert
vorbereitend vom Übersinnlichen aus geübt hat, in die physische Erdenwelt
selbst vor.
Die Menschheit mußte eine Zeitlang die geistige Entwickelung daraufhin
durchmachen, daß sie sich von dem Verhältnisse zur geistigen Welt befreit, das
ein unmögliches zu werden drohte. Darauf lenkte diese Entwickelung durch die
Michael-Mission in Bahnen ein, die den Fortgang der Erdenmenschheit wieder in
ein Verhältnis zur geistigen Welt bringen, das ihr heilsam ist.
So steht Michael in seinem Wirken zwischen dem luziferischen Weltbild und
dem ahrimanischen Weltverstand. Das Weltbild wird bei ihm weisheitsvolle
Weltoffenbarung, die den Weltverstand als göttliches Weltenwirken enthüllt.
In diesem Weltenwirken lebt des Christus Sorge für die Menschheit, das
so aus Michaels Weltoffenbarung dem Menschenherzen sich enthüllen kann.
(Die zweite und dritte Betrachtung folgen.)Goetheanum, 23. November 1924.
Weitere Leitsätze, die für die Anthroposophische Gesellschaft vom Goetheanum ausgesendet werden
(Mit Bezug auf die vorangehende erste Betrachtung über Michaels übersinnliche Vorbereitung seiner Erden-Mission)124. Dem Aufgange des Bewußtseinszeitalters (fünfzehntes Jahrhundert) geht in der Abenddämmerung des Zeitalters der Verstandes- oder Gemütsseele ein erhöhtes luziferisches Wirken voran, das auch noch in der neuen Epoche eine Zeitlang fortdauert.
125. Dieses luziferische Wirken möchte alte Formen des Bild-Vorstellens der Welt unrechtmäßig bewahren und den Menschen davon zurückhalten, das physische Weltdasein durch Intellektualität zu begreifen und sich in dieses hineinzuleben.
126. Michael verbindet sich mit dem Menschheits-Wirken, damit die selbständige Intellektualität bei dem angestammten Göttlich-Geistigen verbleibe, doch nicht in luziferischer, sondern in rechtmäßiger Art.