Collected Essays on Cultural and Contemporary History 1887–1901
GA 31
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8. Essays from "Deutsche Wochenschrift"
The Week of February 15-22, 1888
The deadlock which occurred a few months ago in the diplomatic negotiations between the Powers over the existing difficulties, and which gave the crisis such an alarming character, is now to be remedied by Russian proposals concerning Bulgaria. Russia wants to return to the origin of the entanglements and make the situation in Bulgaria the subject of a European intervention in order to remove one of the most important obstacles to understanding. Accordingly, Russian diplomacy reportedly proposed to the powers that a joint decision be taken to declare Ferdinand von Koburg's government in Bulgaria illegal and to force the current actual prince to leave the country in order to facilitate a reorganization of the situation. Nothing reliable is yet known about the details of the Russian proposals, the means they envisage to implement Europe's resolutions and, above all, the attitude of the authoritative empires towards the Russian openings. Even now, however, there is no hiding the fact that a Platonic resolution, even if it were passed by all the states of Europe, need not necessarily result in the removal of Ferdinand, since his popular support might prove too strong for that. And what if the prince does not leave voluntarily? Not to mention the question of what kind of successor he should be given and whether someone could be found to replace him who would also be acceptable to Russia, the signatory powers of Berlin and the Bulgarians. Russia's applications therefore do not offer any particular prospect of a smooth settlement of the matter. Nevertheless, it is regarded as extremely gratifying that at least the diplomats have something to do again and that it is not just a matter of military armaments. A faint hope, but a hope nonetheless.
Furthermore, there is a great silence in general European politics, and unfortunately the illness of Frederick William must again attract more public attention than all political events. Not as if the news from San Remo heralded a decisive turn for the worse. However, the progress of his recovery after the operation is so slow that people are once again giving in to fears which the doctors are unable to dispel.
After a lengthy debate, the German Reichstag has now finally approved the extension of the Socialist Law in its current form for two years. The tightening of the law proposed by the government was rejected on the whole, and unless unexpected events occur, it can be expected that after two years the Socialists will again be subject to the common bourgeois law. In the last sessions of the Austrian House of Representatives, it was the law on academic associations and assemblies presented by the Minister of Education that was the focus of interest. The first reading, which ended with the bill being referred to a committee for preliminary deliberation, was carried out with an unusual turnout from the public and, in particular, the student body, which filled the galleries to capacity. Dr. von Gautsch represented the point of view of the education administration, describing the aim of the law as a "step back towards order", as the academic youth were guilty of all too serious excesses. The speech by the deputy Pernerstorfer, who first drew a comparison between the morality of middle-class young people and that of the youth of the "very high" aristocratic circles and then sharply criticized the actions of the Minister of Education in his appointments etc., caused the greatest stir both in parliament and among the population. Pernerstorfer was interrupted several times by the President. Dr. Kopp also spoke against the law in a very effective manner and concluded by expressing the wish that it be buried in the school committee for good. Shortly before, the House of Lords had given its approval to the trade agreement with Germany, on which occasion A. von Schmerling warmly commemorated the alliance that unites Austria with Germany.
On February 18, a large assembly of citizens took place in Vienna, which took a decisive stand against Prince Liechtenstein's school proposal, and the next day a significant part of the Viennese working class followed the representatives of the bourgeoisie. Both times, strong resolutions against the clerical attack on the school were adopted unanimously.
Aufsätze aus «Deutsche Wochenschrift»
Die Woche, 15.-22. Februar 1888
Die Stockung, welche in den diplomatischen Verhandlungen der Mächte über die obwaltenden Schwierigkeiten vor einigen Monaten eingetreten war, und die der Krise ein so bedenkliches Wesen gegeben, soll nun durch russische Vorschläge in betreff Bulgariens behoben werden. Rußland will zum Utsprung der Verwicklungen zurückkehren und die Verhältnisse in Bulgarien zum Gegenstand einer europäischen Intervention machen, um eines der bedeutendsten Hindernisse zur Verständigung zu beseitigen. Die russische Diplomatie schlägt demgemäß, wie man meldet, den Mächten vor, durch einen gemeinschaftlichen Beschluß die Regierung Ferdinands von Koburg in Bulgarien als ungesetzlich zu erklären und den gegenwärtigen tatsächlichen Fürsten zu zwingen, das Land zu verlassen, um eine Neuordnung der Zustände zu ermöglichen. Wie die russischen Vorschläge im einzelnen lauten, welche Mittel sie in Aussicht nehmen, um die Beschlüsse Europas durchzuführen, und zumal, welche Haltung die maßgebenden Reiche zu den russischen Eröffnungen einnehmen, von alldem ist noch nichts Verläßliches bekannt. Allein schon jetzt verhehlt man sich nicht, daß eine platonische Resolution, und ginge sie auch von sämtlichen Staaten Europas aus, nicht notwendigerweise die Entfernung Ferdinands zur Folge haben muß, da sich dafür sein Anhang im Volke als zu stark erweisen möchte. Und was dann, wenn der Fürst nicht freiwillig geht? Der Frage zu geschweigen, was er für einen Nachfolger erhalten soll, und ob sich jemand findet, der ihn ersetzen soll und zugleich Rußland, den Signatarmächten von Berlin und den Bulgaren genehm ist. Besondere Aussichten auf eine glatte Erledigung der Sache bieten also Rußlands Anträge wohl nicht. Immerhin wird es jedoch als ungemein erfreulich betrachtet, daß wenigstens wieder die Diplomaten zu tun haben, und daß es nicht bei den militärischen Rüstungen bleibt. Eine schwache Hoffnung, aber doch eine Hoffnung.
Es herrscht im übrigen große Stille in der allgemeinen europäischen Politik, und mehr als alle politischen Vorgänge muß leider wieder die Krankheit Friedrich Wilhelms die öffentliche Teilnahme erregen. Nicht als ob die Mitteilungen aus San Remo eine entschiedene Wendung zum Schlimmen ankündigten. Der Fortschritt in der Heilung vollzieht sich indessen nach der Operation so langsam, daß man sich von neuem Befürchtungen hingibt, denen die Ärzte nicht jede Grundlage zu entziehen vermögen.
Der Deutsche Reichstag hat mittlerweile nach längerer Erörterung die Verlängerung des Sozialistengesetzes in seiner bisherigen Form auf zwei Jahre endgültig angenommen. Die Verschärfungen, welche die Regierung vorgeschlagen, wurden insgesamt abgelehnt, und sollten nicht unerwartete Ereignisse eintreten, so darf man sich der Erwartung hingeben, daß nach zwei Jahren auch die Sozialisten wieder unter das gemeine bürgerliche Gesetz gestellt werden. Im Österreichischen Abgeordnetenhause war es in den letzten Sitzungen das vom Unterrichtsminister vorgelegte Gesetz über akademische Vereine und Versammlungen, das im Mittelpunkte des Interesses stand. Unter ungewöhnlicher Beteiligung des Publikums und namentlich der Studentenschaft, welche die Galerien bis aufs letzte Plätzchen füllten, wurde die erste Lesung vorgenommen, die damit endete, daß die Vorlage einem Ausschusse zur Vorberatung überwiesen wurde. Dr. von Gautsch vertrat den Standpunkt der Unterrichtsverwaltung, indem er als das Ziel des Gesetzes den «Rückschritt zur Ordnung» bezeichnete, da sich die akademische Jugend allzu arge Ausschreitungen zuschulden kommen lasse. Am meisten Aufsehen sowohl im Parlamente als in der Bevölkerung erregte die Rede des Abgeordneten Pernerstorfer, der zunächst einen Vergleich zog zwischen der Sittlichkeit unter den bürgerlichen jungen Leuten und derjenigen der Jugend der «sehr hohen» adeligen Kreise und dann das Vorgehen des Unterrichtsministers bei seinen Berufungen usw. scharf kritisierte. Pernerstorfer wurde mehrmals vom Präsidenten unterbrochen. Auch Dr. Kopp sprach in sehr wirksamer Weise gegen das Gesetz und gab zum Schlusse dem Wunsche Ausdruck, daß dasselbe im Schulausschusse auf Nimmerwiedersehen eingesargt werde. Kurz vorher hatte das Herrenhaus dem Handelsübereinkommen mit Deutschland seine Zustimmung erteilt, bei welcher Gelegenheit A. von Schmerling in warm empfundenen Worten des Bündnisses gedachte, welches Österreich mit Deutschland vereinigt.
In Wien fand am 18. Februar eine große Versammlung von Bürgern statt, die in entschiedener Weise gegen den Schulantrag des Prinzen Liechtenstein Stellung nahm, und tags darauf folgte ein bedeutender Teil der Wiener Arbeiterschaft den Vertretern des Bürgertums. Beide Male wurden scharfe Resolutionen gegen den klerikalen Angriff auf die Schule einstimmig angenommen.