Collected Essays on Literature 1884-1902
GA 32
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4. Hoffmann von Fallersleben
On the centenary of his birth
April 2 evokes the memory of an endearing German poet. The singer of "Deutschland, Deutschland über alles" was born on this day in 1798. Hoffmann von Fallersleben was not an imposing, great personality, this singer, not one of the leading spirits who set the tone for his era. Rather, he owed everything he was to his time. He expressed what moved them. He did not lead the way energetically, but devotedly expressed what moved them. He was not a mover, but a driven man. The circumstances and the people gave him direction.
Hoffmann spent his childhood in Fallersleben; his father and brothers held government offices. They were good, moderate people with a thoroughly liberal attitude. No extreme ideas were at home in Hoffmann's family. Important political events took place while Hoffmann was growing up. Napoleon's deeds set the tone of the time. Hoffmann's family was not one of those who vigorously took sides. The boy was only able to observe weak passions. Strong sympathies and antipathies could therefore not take hold of his soul. His will therefore always remained a weak one. He wanted to study theology in 1816. He did not like the professors in Göttingen. Without much struggle, he switched to philology. He wanted to travel to Italy and Greece to continue Winckelmann's work. An encounter with Jacob Grimm was enough to free him from this weak passion and persuade him to study German linguistics, literature and cultural studies. And precisely because he is not a strong personality, he achieves something worthy of recognition in this field. As a gentle spirit, he immerses himself in the expressions of the spirit of the people and delivers exemplary scholarly studies on this spirit. And as a malleable nature, he succeeds in creating his own poetry out of this folk spirit, in which this spirit lives.
And when the revolutionary spirit began to stir in Germany, our Hoffmann was again supple and devoted enough to give words to the new ideals, defiance and dissatisfaction in full-sounding poems. In the most correct self-awareness, he gave himself the certificate when he lost his professorship in Breslau because of his "Unpolitical Songs". He apologized to the strict ministry, which drove him out of office because of his revolutionary poetry, by saying that he had only lent words to the urge of his time.
A less devoted personality would not have been able to immerse himself as deeply in the child's soul and express it as he did. We must therefore agree with the strong Treitschke when he says approvingly of the weak character of Hoffmann: "Who could agree with him, who in good times looked so deeply into the loyal heart of his people, who, himself without a home or hearth, sang so warmly, so truly, so simple-mindedly in his children's songs about the sweet twilight happiness of the German children's world without a single false note of modern cuteness?"
4. Hoffmann von Fallersleben
Zu seinem hundertsten Geburtstage
Der 2. April ruft die Erinnerung an eine liebenswürdige deutsche Dichternatur wach. Der Sänger von «Deutschland, Deutschland über alles» wurde im Jahre 1798 an diesem Tage geboren. Nicht eine imponierende, große Persönlichkeit war Hoffmann von Fallersleben, dieser Sänger, nicht einer der tonangebenden, führenden Geister, die ihrer Epoche die Richtung gaben. Vielmehr hat er alles, was er war, seiner Zeit zu verdanken. Was sie bewegte, sprach er aus. Nicht energisch schritt er ihr voran, sondern hingebungsvoll brachte er zum Ausdruck, was sie bewegte. Kein Treibender war er, sondern ein Getriebener. Die Verhältnisse und die Menschen gaben ihm die Richtung.
In Fallersleben verlebte Hoffmann seine Kindheit; sein Vater und seine Brüder hatten Regierungsämter inne. Sie waren brave, maßvolle Menschen, von durchaus liberaler Gesinnung. Keine extreme Vorstellung war in Hoffmanns Familie heimisch. Wichtige politische Ereignisse spielten sich ab, während Hoffmann aufwuchs. Napoleons Taten gaben der Zeit das Gepräge. Hoffmanns Familie gehörte nicht zu denen, welche energisch nach der einen oder anderen Seite Partei ergriffen. Schwache Leidenschaften nur konnte der Knabe beobachten. Starke Sympathien und Antipathien konnten sich deshalb auch nicht seiner Seele bemächtigen. Sein Wollen ist deshalb immer ein schwaches geblieben. Er will 1816 Theologie studieren. Die Göttinger Professoren gefallen ihm nicht. Ohne viel Kampf geht er zur Philologie über. Er will eine Reise nach Italien und Griechenland machen, um Winckelmanns Werk fortzusetzen. Die Begegnung mit Jacob Grimm genügt, um ihn von dieser schwachen Leidenschaft zu befreien und für das Studium der deutschen Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft zu gewinnen. Und eben weil er keine starke Persönlichkeit ist, leistet er auf diesem Gebiete Anerkennenswertes. Als schmiegsamer Geist vertieft er sich in die Äußerungen des Volksgeistes und liefert musterhafte gelehrte Untersuchungen über diesen Geist. Und als schmiegsame Natur gelingt es ihm, aus diesem Volksgeiste heraus eigene Dichtungen zu schaffen, in denen dieser Geist lebt.
Und als sich der revolutionäre Sinn in Deutschland zu regen beginnt, ist unser Hoffmann wieder schmiegsam und hingebungsvoll genug, in volltönenden Dichtungen den neuen Idealen, dem Trotz und der Unzufriedenheit Worte zu verleihen. In richtigster Selbsterkenntnis hat er sich selbst das Zeugnis ausgestellt, als er wegen seiner «Unpolitischen Lieder» seine Breslauer Professur verlor. Er entschuldigte sich dem gestrengen Ministerium gegenüber, das ihn wegen seines revolutionären Dichtens aus dem Amte trieb, damit, dass er doch nur dem Drange seiner Zeit Worte geliehen habe.
Eine weniger hingebungsvolle Persönlichkeit hätte sich auch nicht so tief in die Kindesseele versenken und sie zum Ausdruck bringen können wie er. Man muss deshalb dem charakterstarken Treitschke durchaus zustimmen, wenn er von dem charakterschwachen Hoffmann anerkennend sagt: «Wer konnte mit ihm rechten, der in guten Stunden seinem Volke so tief ins treue Herz blickte, der, selber ohne Haus und Herd, in seinen Kinderliedern das holde Dämmerglück der deutschen Kinderwelt so warm, so wahr, so einfältig ohne einen einzigen falschen Ton moderner Niedlichkeit besang?»