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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Collected Essays on Literature 1884-1902
GA 32

Automated Translation

36. The First Lecture Evening of the Berlin “Freie Literarische Gesellschaft”

Presentation on a lecture by Georg Fuchs on "New Style"

The first lecture evening of the Berlin "Freie Literarische Gesellschaft" was dedicated to an energetic, subtle defense of the "New Style" given by the art writer Georg Fuchs. He found beautiful, meaningful words to characterize the recently emerging striving to get away from the "professor's bakel", which until recently imposed a foreign style on German art that was unsuited to its own needs and sensibilities. "Until now, when people in the German Empire asked about the style of the noble house, the palace and the temple, a mighty atlas was opened up. In the styles of Empire, Rococo, Baroque, German and Italian Renaissance; Gothic, Romanesque, Norwegian, Byzantine, Moorish, Egyptian, Persian, Indian and Assyrian - this is how the wealthy German built from the end of the nineteenth century. With great erudition, he researched the architecture and applied arts of all times and peoples, imitating them with unwavering conscientiousness." It was of no use that the Germans occupied a high rank among the cultural nations in painting, that the greatest visual artist Arnold Böcklin was a German. The works of our masters did not find their way into German homes. They were collected in galleries and exhibitions. They were therefore unable to provide works that would decorate the German home in such a way that the decoration would be an expression of the needs and feelings of those who live in the decorated room. Only the harmony between the purpose associated with a room and the artistic decoration of the same can lead to an individual style. "The most artistic should also be the most practical, so that we use beauty to a certain extent, need it." Outstanding art connoisseurs advocate such demands with powerful words: Bode, Lessing, Lichtwark, Jessen, Brinckmann. And artists began to fulfill such demands. What H. E. v. Berlepsch, Eckmann, Obrist, Schwindrazheim, Werle, Köpping, Melchior Lechter and others created in this direction was described by Fuchs in an attractive manner. He emphasized the importance of the magazine "Deutsche Kunst und Dekoration", published by Alexander Koch in Darmstadt. It has placed itself at the service of the "New Style". Fuchs does not see salvation in artistic individualism, which consists of the artist living out his individuality in his work. "Our painters had no purpose, they were not commissioned to create here or there within a given whole, so the artists saw nothing more in their art than a means of expressing their individuality. Each did this in his own way, as uniquely as possible, indeed uniquely to the point of impossibility." But it is not this expression of individuality that is the ideal of art, but the creation of a national style. "The purpose of the object determines its construction, the construction determines its form, and the decoration is nothing more than a kind of 'final feeling' of the constructive form. ... All the great, still incalculable forces of the people, which for a long, long time have been kept away from living art, from the art of feeling, are stirring and want to enter the great stream of development that leads to what we need: the new style!" It is not for me to pass judgment on the justification of individualism and nationalism in art here, where I only have to report.

A series of interesting lecture and recitation evenings are planned for the coming winter. In addition, the board has decided to create a meeting place for the exchange of opinions in the field of literature and intellectual life in the "Freie Literarische Gesellschaft". To this end, cycles of lectures followed by discussions are to be organized. Initially, the undersigned and Dr. Flaischlen will give such lectures. The undersigned will begin with a series of six lectures on "The main currents in German literature from the middle of the century to the present". The lectures will be held at fortnightly intervals, always on a Tuesday. The first will take place on December 7.

36. Der Erste Vortragsabend der Berliner «Freien Literarischen Gesellschaft»

Referat über einen Vortrag von Georg Fuchs über «Neuen Stil»

Der erste Vortragsabend der Berliner «Freien Literarischen Gesellschaft» war einer energischen, feinsinnigen Verteidigungsrede des «Neuen Stils» gewidmet, die der Kunstschriftsteller Georg Fuchs hielt. Er fand schöne, bedeutsame Worte, um das in jüngster Zeit hervortretende Streben zu charakterisieren, von dem «Bakel des Professors» loszukommen, der bis vor kurzem der deutschen Kunst einen fremden, dem eigenen Bedürfnis und Empfinden unpassenden Stil aufgezwungen hat. «Wenn man bisher im Deutschen Reiche nach dem Stil des vornehmen Hauses, des Palastes und des Tempels frug, so wurde ein mächtiger Atlas aufgetan. Im Stile des Empire, des Rokoko, des Barock, der deutschen und der italienischen Renaissance; gotisch, romanisch, norwegisch, byzantinisch, maurisch, ägyptisch, persisch, indisch und assyrisch - so baute der wohlhabende Deutsche vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Mit großer Gelehrsamkeit erforschte er die Baukunst und die angewandte Kunst aller Zeiten und Völker, mit unerschütterlicher Gewissenhaftigkeit ahmte er sie nach.» Nichts nützte es, dass die Deutschen in der Malerei einen hohen Rang unter den Kulturnationen einnehmen, dass der größte bildende Künstler Arnold Böcklin ein Deutscher ist. Die Werke unserer Meister fanden keinen Eingang im deutschen Hause. Man häufte sie in Galerien und Ausstellungen. Sie konnten deshalb keine Werke liefern, welche dem Deutschen sein Heim so schmücken, dass der Schmuck der Ausdruck des Bedürfnisses und Empfindens derjenigen ist, die in dem geschmückten Raume wohnen. Nur die Harmonie zwischen dem Zweck, den man mit einem Raume verbindet, und der künstlerischen Ausgestaltung desselben kann zu einem eigenen Stile führen. «Das Künstlerischste soll zugleich das Praktischste sein, sodass wir die Schönheit gewissermaßen gebrauchen, ihrer bedürfen.» Mit mächtigen Worten treten hervorragende Kunstkenner für solche Forderungen ein: Bode, Lessing, Lichtwark, Jessen, Brinckmann. Und Künstler fangen an, solche Forderungen zu erfüllen. Was H. E. v. Berlepsch, Eckmann, Obrist, Schwindrazheim, Werle, Köpping, Melchior Lechter u.a. in dieser Richtung geschaffen haben, schilderte Fuchs in anziehender Art. Die Bedeutung der Zeitschrift «Deutsche Kunst und Dekoration», die Alexander Koch in Darmstadt herausgibt, hebt er hervor. Sie hat sich in den Dienst des «Neuen Stiles» gestellt. Fuchs sieht das Heil nicht in dem künstlerischen Individualismus, der darin besteht, dass der Künstler seine Individualität in seinem Schaffen auslebt. «Unsere Maler hatten keinen Zweck, man beauftragte sie nicht, da oder dort innerhalb eines gegebenen Ganzen zu gestalten, so sahen denn die Künstler in ihrer Kunst nichts mehr als ein Mittel, ihre Individualität auszudrücken. Das tat jeder auf seine Art, so eigenartig wie nur immer möglich, ja eigenartig bis zur Unmöglichkeit.» Aber nicht dieses Ausleben der Individualität ist das Ideal der Kunst, sondern die Schöpfung des nationalen Stils. «Der Gebrauchszweck des Gegenstandes bestimmt seine Konstruktion, die Konstruktion bestimmt seine Form, und die Auszierung ist nichts als gewissermaßen ein ‹Zu-Ende-Empfinden» der konstruktiven Form. ... Alle die großen, noch unberechenbaren Kräfte des Volkes, welche seit langer, langer Zeit ferngehalten wurden von der lebendigen Kunst, von der Kunst des Empfindens, sie regen sich und wollen eingehen in den großen Strom der Entwicklung, welcher zu dem hinführt, das uns nottut: zum neuen Stile!» Ein Urteil darüber, welche Berechtigung Individualismus und Nationalismus in der Kunst haben, steht mir hier, wo ich nur zu referieren habe, nicht zu.

Eine Reihe interessanter Vortrags- und Rezitationsabende sind für den kommenden Winter in Aussicht genommen. Außerdem hat der Vorstand beschlossen, in der «Freien Litterarischen Gesellschaft» einen Sammelpunkt für Meinungsaustausch auf dem Gebiete der Literatur und des Geisteslebens zu schaffen. Zu diesem Zwecke sollen Zyklen von Vorträgen mit anschließender Diskussion veranstaltet werden. Zunächst werden der Unterzeichnete und Herr Dr. Flaischlen solche Vorträge halten. Der Unterzeichnete beginnt mit einer Reihe von sechs Vorträgen über «Die Hauptströmungen der deutschen Literatur von der Mitte des Jahrhunderts bis zur Gegenwart». Die Vorträge werden in Zeitabständen von vierzehn Tagen immer an einem Dienstag gehalten. Der erste findet am 7. Dezember statt.