Die Kinder des Lucifer
von Edouard Schuré
Sprachlich eingerichtet durch Rudolf Steiner
Schauspiel in fünf Aufzügen
nach einer autorisierten Übersetzung von Marie von Sivers
Personen
THEOKLES, genannt Phosphoros, Bürger von Dionysia
KIEONIS, christliche Jungfrau in Dionysia
DAMIS, PHRYGIUS, ANDROKLES, Freunde des Theokles
ALCETAS
LYKOPHRON, ein Wahrsager
HERAKLIDOS, Hierophant im Tempel des unbekannten Gottes
HARPALUS, Prokonsul von Asien
DER PONTIFEX DES BACCHUS
DER BISCHOF VON DIONYSIA
EIN MÖNCH
DER VATER DER WÜSTE
AGLAË, CYTHERIS, MIMALONE, Hetären in Bacchantinnentracht
THESSALUS, ein alter Sklave
EIN DIENER des Phosphoros
DER HEROLD des Prokonsuls
EIN CENTURIO
ZWEI BERGBEWOHNER
JUNGER MANN, JUNGES WEIB, GREIS, aus dem Volk von Dionysia
EIN GENIUS, in der Gestalt Lucifers
DIE STIMME DES FUNKELNDEN STERNES
RÖMISCHE LEGIONÄRE
LIKTORE
JÜNGLINGE DER DIONYSISCHHEN PHALANX
JUNGFRAUEN DER WÜSTE
VOLK
Die Handlung spielt im Beginn des IV. Jahrhunderts der christlichen Ära, unter der Regierung Konstantins des Großen
Ort der Handlung: Klein-Asien und Ägypten
Erster Aufzug
Öffentlicher Platz in Dionysia, einer Stadt in Klein-Asien. Im Hintergrunde ein Portikus mit Ausblick auf den Hof des Prytaneums. Links, Eingang in den von Sykomoren beschatteten Tempel des Bacchus. Rechts, eine christliche Basilika mit ragendem Kreuz. Es ist Nacht.
1. Auftritt
Damis, Phrygius kommen langsam, lauschend und als suchten sie etwas in der Finsternis zu unterscheiden.
PHRYGIUS:
Schon nahen wohl die Römer?
DAMIS:
Noch sah ich nichts!
PHRYGIUS:
An welchem Platze sind wir?
DAMIS: Die Agora mit dem Prytaneum ist's.
So öde und so dunkel ist der Ort
Als fürchte selbst der leere Raum
Sich vor dem Licht des Tages.
Trompetenstöße in der Ferne
PHRYGIUS:
Die Fanfare!
DAMIS zusammenfahrend:
Da kommen sie wie Diebe;
Vor Morgengrauen dringen sie heran.
PHRYGIUS:
Es nahet die Fanfare,
neuer deutlicher Trompetenstoß
Sie tönt so schaudervoll
Durch’s fahle Grau des Morgens
DAMIS:
Es tötet ein jeglicher dieser Töne
Den feigen Schläfern eine Tugend.
Des Kaisers Legionen aus Rom und Byzanz
Sie werden Herren sein der Zitadelle,
Und von der Höhe der Akropolis
Herab wird des Cäsars Fanfare tönen,
Um anzukünden des Prokonsuls Einzug.
Gekommen ist der letzte Atemzug
Der alten stolzen Freiheit Dionysias.
PHRYGIUS:
So ist das Schicksal aller Welt,
Im Staube liegen vor dem Menschengotte,
Vor Romas Cäsar alle Städte.
Dyrapolis, meine eigne Vaterstadt
Die als Beschützer den donnernden Zeus
Erkoren sich, und die unnahbar
Auf stolzen Bergeshöhen thronte,
Sie unterwarf sich einst die Stadt,
Die deine Heimat ist. Tribut
An Gold und Menschen musstet
Ihr zahlen uns, den Söhnen der Galater.
Noch weiß genau ich alles dieses,
Ich, der Sprosse alter Könige sich nennt
Und heute seufzen unter des Cäsaren Macht
Selbst wir, die Blitz und Donner
Seit alten Tagen als Herren nur gekannt.
Gerecht erscheint es da, wenn Dionysia,
Die Stadi der Weichlichkeit,
Sich beugen muss vor dem Herrn der Welt.
DAMIS:
Ach ohne Verständnis blickst du
Auf meine Vaterstadt - auf alles,
Was an Erhabenem, an Traurigem
Die edle Königin Ioniens
Erlebt. Den Thyrsus und die Lyra
Hat sie geschenkt der Welt.—
Sie musste dulden einst die Ketten,
Die ihr geschmiedet euren Ahnen. —
Doch Freiheit gab ihr der große Alexander,
Da er begleitet ward bis zu Indiens Tor,
Von Dionysias froher, junger Ephebenschar.
In seiner Seele lebt’ Verständnis
Für unseres Gottes freie Wesenheit. —
Wir beten Dionysius an, den Gottesgeist.
Er ward geboren zu schenken
Der Erde neues Leben, nachdem
Der Blitz in Trümmer sie geschlagen.
Zerrissen haben ihn die Titanen,
Doch in des Himmels Licht erwachte er ...
Nicht ein ewig Verhüllter, menschenferner
Gebieter ist unser Gott ---
Ein Geist ist er, der leidet
Und wird, wie Menschenseelen.
Das Blut, es kreist und lebt
In unserm Herzen, unsern Gliedern,
Und mit dem Blut in uns
Der Gott.
Und unsere Seelen sind
Die Tränen seiner Augen, sie sind
Unsterblich, weil geweint von ihm!
Und Abbild seines sel’gen Wesens
Ist unsere Stadt, ob frohes,
Ob ernstes Schicksal auch sie traf;
Sie zündet mit dem Feuer
Des Herzens - alle Welt, wie Liebe
Des Chaos Werdelust entflammt. —
Zu schaffen geborne Könige ist gegeben
Ihr nicht. - Auch der Weisen Licht,
Es strahlt in ihrer Mitte nicht. —
Doch aus des Tages Freud’ und Lust
Ersteht in ihr des Dichters Schwung.
Begeisterung erhöht zu Scherkraft sich
Und aus dem Jammer erblühen ihre Helden.
Zur höchsten Ehre - wisse dies —
Gereicht als edles Gut dem Ort —
Der Altar, der, umrankt von Blumenschmuck,
Errichtet ist der Menschen höchstem Geist,
«Dem Letztgebornen aus dem Götterstamm».
Und wenn das Unglück hereinbricht
In seinem Übermaß, verlieren wir
Die Hoffnung nicht, dass Götter
Sich offenbaren und Helden erstehn!
Und freudig nahten Knaben,
Athleten, Jungfraun sich dem Altar
Des Gottes, opfernd Waffen, Fackeln
Und Lockenschmuck als Erstlingsgabe.
Dionysia, es heißt mit Recht darum:
Der Hoffnung Heimat und der Sehnsucht Hort. —
Die Morgenröte geht auf.
PHRYGIUS:
Und fürder ist des Kaisers Bild
Des Altars höchster Schmuck?
DAMIS lässt Haupt und Arme sinken:
Ich fühle wohl die Schmach!
PHRYGIUS:
Erkennst in Cäsars Macht und in Schicksalskraft
Du nun der Welten einzigen Gott?
2. Auftritt
Dieselben, Lykophron, ein gebückter, in Lumpen gehüllter Greis, nähert sich langsam den Sprechenden. In seiner zitternden Hand trägt er an einer Kette eine kleine Laterne aus Bronze und Hornplatten, die ein trübes Licht verbreitet.
PHRYGIUS:
Der Alte Mann, wer ist’s?
Führwahr! Man könnte halten ihn
Für Charon, der im Hades Wache hält.
DAMIS:
Ein Weiser ist’s unansehnlich
Und Lykophron sein Name.
Er muss uns Rede stehen.
PHRYGIUS: Was treibst du?
LYKOPHRON:
Des Gottesackers Wächter bin ich.
PHRYGIUS:
Was suchst du mit der Laterne?
Die wie Diogenes du trägst?
LYKOPHRON:
Im weiten Umkreis der toten Stadt
Möchte finden eine Seele ich, von der
Man sagen kann, mit Recht: Sie lebt.
PHRYGIUS:
Noch keiner konntest du begegnen?
LYKOPHRON:
Ich fand nicht eine, hier nicht
Und nicht an andern Orten,
Wohin ich konnte lenken meine Schritte.
Ihr seid Schatten nur und Larven,
Entbehrt des Lebens und des Willens,
Geeignet nur zum Volk des Hades!
Doch freie Männer und zur Lust
Apollos Sonne, seid ihr nicht!
Der freie Mensch trägt im Innern
Das eigne Licht, auf dass es
Beleuchte ihm des Lebens Ziele.
Doch ihr erwartet fremden Stoß,
Der treiben soll die wesenlose Seele
Die gleich dem Schatten andrer Schatten
Ihr trägt in eurer hohlen Brust ---
Es lenken Furcht und Eitelkeit und nicht
Der Dinge eigne Kräfte eure Taten.
O werfet von euch den Maskentrug,
Dass sichtbar werden kann
Verborgnes Affenwesen und Schafgetier.
PHRYGIUS:
Nur Neid und Ohnmacht hör’ ich grollen
Gemeiner Thersites, zeige doch die eignen Werke,
Bevor mit Schimpf und Hohn du redest
Von hoher Ahnen edlen Söhnen.
Du würdest sehen Ruhmeskränze
Um ihre stolzen Stirnen, wäre nur
Gefallen ihnen bessrer Zeiten Los.
LYKOPHRON:
Nach meinen Taten forschest du?
Die Schritte lenke ich Tag und Nacht
In alle Straßenecken, in der Häuser Innres.
Der Menschen verborgenes Denken
Erlausche ich mit meiner Seherkraft.
Mein Blick, er fällt in die Köpfe
Von Alt und Jung, von Reich und Arm,
Tyrannen und Demagogen schau
Ins Innere der Hirne ich.
O, überall erscheint mir nur dasselbe,
Nur ekelhafte Ungeheuer lauern
In kahlen Schädeln, kunstvollen Locken.
Von Furcht befallen werden Mann und Weib
Erscheine ich, die Wahrheit zu verkünden.
Ist einer unter euch, der Mut der Wahrheit,
Die stärkste seiner Waffen kennt?
Vergleichen nur könnt’ er sich mir.
Der Mut zur Wahrheit gibt ein volles Recht,
Zu wandeln in der Sonne Licht.
PHRYGIUS:
Es lohnt mit recht dir niemand solche Arbeit!
LYKOPHRON:
Man kann dabei vor Hunger sterben,
Dafür erbeuten die Lügner reichlich Gold.
geheimnisvoll
Jedoch nicht alles verriet ich schon:
Ich suche hinter der Menschen Denken,
Die Seele, die als wunderbare Jungfrau
Mit Flügeln oft geschildert wird.
Ich aber kenne ein Geheimnis,
Zu schauen durch des Leibes Hülle
Der Seelen tiefste Untergründe.
DAMIS:
Vertrau uns dies Geheimnis! neugierig
LYKOPHRON:
Betrachte diese Zauberlampe!
Ich halte sie dem Menschen unters Auge,
Im Augenblick, da er sich’s nicht versieht.
Wenn dann ihr Licht in die Pupille
Eindringt, die durch den Schein sich weitet,
Dann wird bewusst mir seines Wesens
Astralischer Leib, als leuchtender Schatten,
Und schrecklich zeigen diese Bilder sich,
Nie ein Apollo, immer ein Marsyas!
Kein Bacchus - Faunen und Satyrn jedoch!
O, diese Tiergesichter aller Sippen:
Hyänen, Tiger, Eber, Böcke, Stiere,
Und oft noch weit Schauervolleres!
Es ist nun bald an hundert Jahre
Seit ich versuche, zu schauen
Die göttliche Seele mit den Goldesschwingen,
mit Ekel
Doch Eulen nur und Fledermäuse
Erscheinen mir durch meine Zauberlampe.
PHRYGIUS höhnisch auflachend:
Du Mensch mit Deinem Hexenlicht, dich hat
Gelähmt und mit Wut erfüllt die Jagd!
DAMIS neugierig:
O welches Seelenwesen hast
In uns du entdeckt.
LRYKOPHRON nähert seine Laterne langsam den Augen des Damis und betrachtet sie mit Zärtlichkeit:
In dir erblick’ ich eine Puppe
Wie eines weißen Schmetterlings.
Sie hat von innen zarte Farben
Und hübsche Flügel. Fliegen möchte sie,
Doch sie vermag es nicht. Sie sitzt
Gefangen in deinem Leib, und will
Sie frei sich regen, hüte dich,
Dass nicht der nächste Stoß
Des Windes ihr Verderben bringt.
PHRYGIUS:
Und wie erscheint die meine?
LYKOPHRON schiebt ihm jäh die Laterne unter die Nase:
Beim Hades! Eine schwarze Raupe
Mit schwarzem Stachelkleide! Wie Gift
Ist, was von dieser kommt. Ein dicker Falter,
Wie sie die Nacht bevölkern, tragend einen Totenkopf.
Er wendet sich mit Grauen ab.
PHRYGIUS:
Hinweg, ein Falter für die Nacht,
Du bist es selbst! Du riechst
Nach Totenacker und Spelunken.
An deine Arbeit geh, du altes Scheusal!
LYKOPHRON ohne ihn anzuhören, geht langsam ab, in Gedanken verloren:
Wann werde ich dich endlich finden,
O Seele mit dem echten Leben?
PHRYGIUS die Achseln zuckend:
Er ist von Sinnen!
Damis: Ein Seher ist er!
3. Auftritt
Damis, Phrygius, der Herold des Prokonsuls. Die römische Fanfare ertönt ganz nah, im Garten des Prytaneum. Bei diesen Lauten versammelt sich einiges Volk. Der Herold des Prokonsuls erscheint im Portikus begleitet von drei Liktoren, die Bündel und Beile tragen. Es ist heller Tag.
DAMIS:
Der Herold des Prokonsuls! Hört. Fanfarenstoß
DER HEROLD:
Augustus Cäsar, Roms Beherrscher,
Gebieter vieler Völker, Imperator der Armeen,
Der große Konstantin, an die ruhmreiche Stadt
Des Dionysius sendet Heil und Segen!
Der Schützer der Hellenen und der Christen,
Wird in Zukunft auch Schützer sein
Der alten Stadt des Bacchus,
Mit allen ihren Kirchen, Tempeln, Häusern.
Des Cäsars Legion wird die Zitadelle
Besetzen; darum befiehlt dem Androkles er
In des Kaisers Namen, auszuliefern
Die Tore der Stadt, sowie die Banner der Phratrien. Es wird, des Kaisers Stellvertreter
Von Androkles geleitet, steigen zur Akropolis, Zu tragen hat er das Feuer vom Prytaneum
Zum Altar des letzten aus dem Götterstamme Wo jetzt des Kaisers Bildnis sich erhebt.
Die Thyrsen schwingt, und Blumen streut,
Ihr Kinder Dionysias.
Den großen Cäsar, den Weltbesieger
Ihn werdet ihr bald selbst in euern Mauern sehen; Denn kommen wird er, die Hochzeit mit Ioniens Königin Unter Christus heil’gem Schutz zu feiern.
Er wird euch bringen Tanz und Spiel
Und wilde Tiere, und Gladiatoren!
Der allgewalt’ge Cäsar, an Dionysia: Heil!
Das Volk schreit: «Heil Cäsar!» Der Herold und die Liktoren verschwinden im Hofe des Prytaneums.
Purysius: So also überliefert ihr dem Harpalus Die Tore der Stadt mit all ihren Rechten Und selbst der Vesta heil’ges Feuer Und Androkles, er selbst, das Haupt Der stolzen Phalanx von Dionysia Begeht die würdelose Tat! Danmis: Es sollte niemand zweifeln, dass Androkles Das Herz des Löwen im Athletenleibe birgt. Es ruft den Kaiser der Senat, Und unser Volk, es jauchzi ihm zu Er kann deshalb nichts tun, Als zähneknirschend den Verrat begehn. Purysius: An seinem Platz stehend Ertrüg’ ich lieber den Tod, als solche Schmach.
Man hört wieder die Fanfare und in der Ferne gedämpfte Rufe: «Heil Cäsar!»
Damis: O hör die Rufe! Was kann man tun mit solchem Volk?
In der Basilika ertönt Glockengelänte.
Purysius: Es läuten schon die Glocken. Es ist der Gruß der Christen an den Cäsar, Ihn wollen sie zu ihres Glaubens Schurz. Damis: Es ist dein Todesläuten, Vaterstadt. In meinem Herzen ist’s, als fühlte ich Den letzten Seufzer Dionysias. Er lässt das Haupt sinken und fährt dann plötzlich empor. Und dennoch, du lebtest, sprachst zu mir, Durch, meines einz’gen Freundes Mund, Der meiner Jugend Sonne war, Und der verloren mir scheint für immer. — Er bedeckt sein Gesicht mit den Händen.
[4. Auftritt
Damis, Phrygius, Theokles, in violetter Tunika, schwarzem Mantel, mit einem Zypressenkranz auf dem Haupt, einem mit Myrten geschmückten kurzen Schwert am Gürtel. Er ist unbemerkt näher getreten, und legt seine Hand auf Damis’ Schulter.]
Damis (sich umwendend: Theokles, deiner dacht’ ich eben. Es ist kein Trug: Du lebst, du atmest? O, Bruder meiner Seele, reifer als ich es bin, Besessen hab’ ich keinen zweiten Freund wie dich. In deinem ersten Blick erscheint Dein ganzes Wesen mir aufs Neue. "THEOKLES: So ist auch mir das Wiederfinden. O, heilig ist edler Männer Freundesbund, Und ihre Treue Labsal dieser Erde! Damis: Du warsi mir fern durch sieben Jahre, So lange ward mir keine Kunde von dir. Gedenkst du noch der Jugend Zeiten, Als unsere Seelen irrend suchten In den Gefilden der hohen Musen? Du zähltest fünfundzwanzig Jahre, Ich selbst war sechzehn erst geworden. Geschmückt mit Blumen eilten wir
Am frühen Morgen zum Hain der Daphnis,
Wo neben der Platane rauscht die Ulme.
Gedenkst du noch der goldnen Tage,
Da wir in Plato uns versenkend,
Das Rechte, Wahre, Schöne fühlten.
Wie Gaben, die von Göttinnen kamen
In unsere andachtsvollen Seelen strömten?
Gedenkst du dieser Tage noch? THEOKLES:
Zu viele Stürme sind seit jenen Tagen
Verwüstend mir durchs Herz gezogen
Und haben draus verdrängt der Jugend reinen Glanz. Damis:
O, hast du mich vergessen? "THEOKLES:
Du solltest es so nicht deuten!
Nach der Wahrheit tiefstem Grund zu forschen
Die Schritte lenkte ich durch alle Welten,
Da fand ich zwei strenge Göttinnen:
Die Einsamkeit und das Schweigen.
Es baute einen Wall ums Herz
Die eine mir, und es verschloss
Den Mund die andre mir. Damiis:
Der Wahrheit Ziel ist dir erblühr? "THEOKLES finster:
Für Augenblicke leuchtet mir
Im eignen Selbst die Göttin.
Doch kenn’ ich nicht die Stunde,
Da ich der Welt sie bringen kann, Purysius:
Erinnerst meiner du dich auch? "THEOKLES:
Noch kenne ich dich, Phrygius. Purysivs:
Wir waren Nebenbuhler im Gymnasium. "THEOKLES:
Im guten Weutbewerb
Nur standen wir selbander. Purysivs:
Wir wurden gleich an Wert befunden.
So schlugst du vor,
Wir sollten Freunde werden. THEOKLES:
Wir zogen in den Krieg,
Der mit den Parthern entbrannte,
Die den Pamphyliern verbündet. Phrysivs:
Eine Krone wollte ich mir
Erbeuten in jenem Kampfe. THEOKLES:
Des Denkens Fesseln lösen
Ward meiner Seele Streben. Purysius ironisch:
Keiner von uns hat sein Ziel erreicht. Danmis:
Doch welche Bedeutung hat wohl dies?
Ich sehe dich im schwarzen Mantel
Und mit Zypressen deine Stirn bekränzi Ist ein Verwandter dir gestorben? THEOKLES:
Seit lange schon sind tot
Die Menschen, denen ich verwandt. Damis:
Und wem dann gilt die Trauer? THEOKLES:
Den Wünschen, die unerfüllt mir blieben.
Der eignen Seele, die zu tragen nicht vermag
Die Weltenlast, und nicht zuletzt
Dem Streben nach der Wahrheit,
Die ewig bleibt verschleiert. Damis:
Wenn dies ein Grund zur Trauer wäre,
Dann gelte er für alle Menschen. THEOKLES:
Es hat die Hoffnung ihrer Seelen
Vertilgt das Streben nach Genuss.
So muss ich trauern auch um sie,
Um diese Stadt, die Sklavenketten trägt.
Und um die Welt, die seufzet in Banden,
Geschmiedet aus gemeinem Sinn und Hass. PryGius:
Und dennoch hast du sehen wollen
Die Völker im weiten Erdenkreis? "THEOKLES:
Gesehen habe ich Athen und Rom,
Auch Theben, Babylon und Alexandrien.
Doch stumm sind alle Tempel,
Die Götter tot, die Seelen leer.
Und vor den Götzen, die aus Gold und Erz,
Nach Torenart sie selbst sich bilden, Erniedern sich die Menschen.
Und Cäsar ist frei wie ein Gott,
Und wert auch sind sie seiner. —
Es müsste größer sein meine Seele
Zum Werk der Welterlösung;
Und kleiner, zu fügen sich dem Joch.
Wer kann mir lösen
Des eignen Schicksals Rätsel?
Wer wird mir offenbaren,
Was meinem Vaterland bestimmt? Prrysivs:
Die Antwort schickt dir Bacchus selbst.
Es naht des Gottes eigne Dienerschar. Damis:
Alcetas ist’s mit den Bacchantinnen.
B. Auftritt
Dieselben. Alcetas tritt auf mit Aglae, Cytheris und Mimalone. Sie sind mit Tuniken aus Reh-, Panther- und Tigerfellen bekleidet, und mit Blättern- und Blumengewinden geschmückt. Sie nähern sich dem auf den Stufen des Bacchus-Tempels errichteten Altar.]
MIMALONE den Thyrsus erhebend:
[Dir göttlicher Bacchus bringen wir unsere Gaben.] AGLAE aus goldenem Becher Trankopfer gießend:
Das Blut der Reben bring’ ich dir,
Des Herzens Flamme zu entzünden. CYTHERIS aus einem Korbe Rosen strenend: Den Schmuck der Wiesen nimm von mir Der Stirne soll er Kühlung bringen.
MIMALONE den Thyrsus schwingend:
Den Thyrsus schwinge ich vor dir,
Der Zauberruf dich lockt in dichte Wälder; In süßen Schlummer hüllst Du uns,
Ob Tod du bringst, ob Wonnerausch.
O, göttlich Wesen, Opfer der Titanen,
Im Lichte neu Erstandner,
Den Tag des Festes lass uns glücklich sein, Und selig macht uns dann die Nacht.
AucETas Theokles erblickend:
Theokles, du, zurück schon von den Reisen?
"THEOKLES:
Gewandert bin ich sieben Jahre; Erscheint dir kurz die Zeit? ALCETAS: Es schwinden schnell die Jahre, Wenn im Genuss man sie verlebt. "THEOKLES: Es blieb dir treu das Glück? ALCETAS: Es ist also. Erinnerst du dich Dass du Gefährte mir einst warst? Mir brachte jeder Tag einen neuen Wunsch Und jede Nacht eine neue Lust. Doch anders flossen dir die Tage hin! Selbst wenn Genuss sich reichlich dir erschloss, Vergrub dein Geist sich in der Welten Rätsel. Die keuschen Hymnen junger Mädchen, Die heißen Tränen kranker Liebe,
Der Rausch der Kurtisanen,
Es war dir nichts als Quell des Forschens. In allem suchtest du des leidenden Verborgnen Gottes Offenbarung. Vergeblich war dein Streben!
In finstre Qualen wandelten sich
Die hellsten Freuden in deinem Herzen. Wie steht es jerzi mit dir?
"THEOKLES:
In kühner Kraft steht aufrecht Die Seele jetzt in meiner Brust, Der Pallas gleich in ihrem Tempel. Zum Kampf gerüstet fühlt sie sich.
ALCETAS:
Du sprichst von Politik,
Du wirst im Elend enden.
Ergötze dich auf unsere Art,
Wir führen Bacchus’ Mädchen
Mit froher Laune zu heitrem Fest.
- Versucht an ihm doch eure Künste, Ihr klugen Töchter Aphroditens!
AGLAE zeigt ihm den Becher:
Aglae ist mein Name,
Begierde ist mein Wesen.
Der Trank aus diesem Becher Wird Feuer deinem Blute bringen.
CYTHERIS (reicht ihm den Korb:
Cytheris nennt man mich, Die Lust bewegt mein Sein. Agla&s Flammen schwinden, Wenn meine Rosen kühlen. MIMALONE schwingt ihren Thyrsus: Ich heiße Mimalone. Des endlosen Rausches Verkörperung erblick in mir. Mein Thyrsus weist den Weg dahin, Wo du in anmutvollen Tänzen Vielhundert Venustöchter schauen kannst. Und wieder finden sollst du jede In meinen eignen Armen. Des Lebens Weite, wie des Todes Tiefe, Verborgen liegen sie in meinem Reiche. "THEOKLES: Ihr, die ihr Töchter euch nennt Der Lust, ihr betörten Zauberwesen, Des Menschen Grazien und Furien, Vermögt ihr mir zu löschen Den heißen Seelendurst? Den Weg des Wahren mir zu weisen, Den Glauben mir zu geben, der erlöst. Und jene Taten, welche schaffend sind? Und wenn ihr das nicht könnt, Dann soll zufrieden meine Seele sein, Wenn nur Vergessen ihr beschert. Bis an die Todespforte folg’ ich euch, Liegt dies in eurer Macht. —
Sie beraten sich still untereinander und umringen ihn, wie um ihn zu bezaubern. Aglaö reicht ihm den Becher, Cytheris wirft ihm Rosen zu, Mimalone schwingt den Thyrsus über seinen Kopf.
'THEOKLES steht unbeweglich, mit verschränkten Armen, mit Augen, die wie auf eine ferne Vision blicken:
Hinweg die losen Wesen! Wo find ich dich, o, meine Muse? BACCHANTINNEN ziehen sich plötzlich schen und ehrfürchtig zurück:
Die Muse!
MIMALONE:
Es scheitert unsere Kunst an ihm! ALCETAS:
Du folgst uns nicht? THEOKLES:
Ich kann es nicht! ALCETAS:
Dein Ehrgeiz hindert dich,
Fortuna sei dir gnädig! THEOKLES:
Aphrodite neige sich zu dir.
Alcetas geht ab, die Hetären folgen ihm. Bevor sie verschwinden, wenden sie sich noch einmal um, an den Schultern sich haltend, und werfen einen langen Blick auf Theokles.
AcLaR:
Wie schön er ist! CYTHERIS:
Wie rein! MIMALONE:
Wie stark! ALLE DREI: So leb denn wohl, Des Dionysos Sohn!
Theokles steht wie in Träumen versunken, ohne sie zu sehen und zu hören.
[6. Auftritt
Damis, Phrygius, Theokles, der Vater der Wüste mit den sieben Jungfranen, unter ihnen Kleonis, verschleiert. (Aus der Basilika dringt Glockengeläute und Orgelton.
Purvsius: Das Totenläuten der Christen hör ich wieder. Damis: Der Vater der Wüste naht, Begleitet von geweihten Jungfraun. Der VATER DER WÜSTE zu Theokles: Theokles, mein Sohn, ich grüße dich! Du junge Hoffnung der alten Stadt. Bekannt war mir deine Ankunft, Ein Traum der Nacht belehrte mich. In lichten Fluten sah dich meine Seele, Doch unheilkündend war der Traum; Denn deutlich hören konnte ich das Wort: «Er wird zum Ruhme werden Und auch zur Geißel seinem Land.» Ich kenne deine Seele, ihren Mut Und dass nach Wahrem sie nur strebt. Es ist jedoch bekannt mir auch, Des bösen Feindes Macht in deiner Brust. Versuchung aller Art belauert dich.
[KTheokles blickt ihn erstaunt an.
Ich weiß es, und ich will dir Rettung bringen. Das Wüstenleben sollst mit mir du teilen Und werden wird dir, was du suchst: Das Wahre, das Große, aller Welten Seele. THEOKLES: Und was begehrest du dafür? Der VATER: Verleugnung deiner selbst, Entsagung allen Wünschen. In Christus sollst du sterben, Nur Werkzeug sollst du sein In Gottes weiser Führung. THEOKLES: Also verleugnen soll ich Den Quell des eignen Wollens? Die heilge Seelenflamme, Verlöschen soll sie und untergehn? In fremder Gotteskraft? Der VATER: So muss zuerst es sein. THEOKLES: Und lebt im eignen Selbst Denn nicht die Gotteskraft? Und Gott zu werden Isi doch des Seelenlebens Ziel! DER VATER: Nur Torheit ist in solchem Wort, Nur Lästerung des einen Gottes, Der Christus Jesus heißt. THEOKLES: Es sei dem größten Gottessohne Die Ehre und der Ruhm! Wenn Jesus wiederkäme, dieser Welt, Ich wollte lauschen jedem seiner Worte, Und beten wollt’ ich an der Stätte seiner Leiden, Doch niemals beuge ich mich dir Noch deinem Orden. Verweigre ich den Olympiern Des eignen Selbstes Opfer, So will ich auch dem Kreuze nicht verfallen. Ich will verderben für alle Ewigkeit, Wenn Heil nur blüht verlornen Seelen. Mir sollte fließen Lebensmut aus eines Gottes Opfertod?Erspare dir die Mühe, Greis! Es lockt mich nicht der Strick der Buße, Es schreckt mich nicht der Furcht Gespenst. Ich will die Erde wandeln Zur Stätte hehrer Freuden, Und freie Seelen sollen werden Zum Tempel des göttlich Schönen. DER VATER: Die wahre Freiheit, sie erblüht allein Aus Christi Opfertat. Verborgen bleibt für dein Gefühl Erkenntnis höchsten Lebensgrundes. Zu meinem Leide muss ich’s sehn. (Pause) Du trägst des Lucifer
Gefährlich Sinnbild an der Stirn? 'THEOKLES mü plötzlicher Neugierde sich dem Vater nähernd:
Wer ist denn Lucifer? Der VATER:
Der Geist empörter Seelen! "THEOKLES:
O, seinen Anblick erstrebe ich. Der VATER:
Schon hat er dich ergriffen
Er weicht einen Schritt zurück mit einer Gebärde des
Schreckens.
Ein Sohn des Lucifer, o Graun! THEOKLES:
Verhüllt ist eine der Jungfraun,
Die andern aber ohne Schleier.
Erkläre, Vater, mir den Unterschied. Der VATER:
Kleonis ist’s, die Tochter des Archonten,
Des reichsten Christen in der Stadt.
Ihr blühend Antlitz verhüllt’ sie;
Verhöhnen könnten es die Heiden.
Den andern gleich ist hingegeben
Die Flamme ihres Herzens,
Die Blüte ihrer Schönheit,
Als Opfer für den höchsten Gott.
Nur wenn ein Weib, das ihr
An Reinheit und an Seelengröße gleicht,
Gebete schickt für dich zum Himmel,
Isi Rettung möglich deiner Seele, Du Mann des Unheils!
Zu eigner und unsrer
Verderbnis wirst du schleudern Den Aufruhr in die Stadt.
Denn Christus kennst du nicht. Des Satans Priester willst du sein!
Kleonis richtet durch den Schleier einen langen Blick auf Theokles.
"THEOKLES beiseite: Erblick’ ich eine stumme Gottheit? Was unter diesem Schleier ist, Es scheint zu zeigen mir, Die Züge meines Schicksals! - So war die Muse meines Traumes.
Kleonis wendet sich ab, indem sie mit einer verzweiflungsvollen Gebärde die Arme zum Himmel hebt und dann die Hände zum Gebet faltet; sie bedeckt darauf schluchzend das Gesicht mit den Händen.
DER VATER DER WÜSTE die Erregung Kleonis bemerkend, wendet sich zu Theokles:
Des Satans Sohn, der Zorn Gottes
Er komme über dich
Und schütze uns vor dir.
(Er geht mit Kleonis und den Jungfraun ab. THEOKLES folgt Kleonis mit dem Blick:
Sie weint noch immer
Es strahlt die hehrste Schönheit
Durch ihres Schleiers Falten, Und ihre Gebärden sind voll Adel. Nur Größe strömt von ihr,
Von ihren Schrecken, ihren Tränen, Und groß ist ihr Gebet.
Und ich soll nie vielleicht
In diese Augen schaun?
Die Tränen könnten mir doch gelten. O Gott, warum verbergen
In dieser Welt die schönen Seelen sich Wie Inseln in dem Weltenmeere?
[7. Auftritt
Damis, Phrygius, Theokles, bald danach Androkles mit einigem Volk.)
Damis: Erstaunen fasst mir die Seele Bei diesem Kreuz, das aus dem Dämmer Der Basiliken und der Krypten Erscheint, zu erobern die Welt. Prrysius: Die Christen künden ihren Gott Als einzigstehend in der Welt. Damis: Und Israels Söhne sagen, Den Messias werde erst die Zukunft schauen. THEOKLES: Der Traum vom künftgen Heiland Erhebt der Menschen frommen Sinn. Es weiß ja keiner, wann erscheinen Die Lenker unsrer Weltenordnung. Vergebens hoffte man auf sie, Wenn Seelen nicht in Durst nach Licht Sie riefen, und die Kämpfer des Geistes Die Wege ihnen bereiteten. Er versinkt in Nachsinnen. Ist aber Gott geworden zum Menschen, Dann ist’s vermessen sicher nicht, Wenn Gott zu werden strebt der Mensch. Es sind da zwei der Gouesworte: Messias! Lucifer!
Damis: Was ist mit dir? Es strahlen Blitze dir aus deinen Augen, Und funkeln seh’ ich Sterne!
"THEOKLES wie in Ekstase: Im Reiche der Begierden leben wir, Wo alles sich verzehrt, Um zu besitzen sich. Erst jenseits dieser Welt Erblühen seh’ ich das Reich der Kunst, Das seine Träume meißelt In Marmor und in der Schönheit. Und in der Welten Mittelpunkt Erstrahlt die Kraft der Liebe, Die aus dem Gottesfeuer formt Die Seelen der Wesen. Des Ursprungs Engel leben dort. Es gibt nur die eine Seligkeit, Zu schaffen so wie sie! Purysivs: Du träumst, uns aber Beweisen Taten nur das Sein. "THEOKLES zu sich kommend, sehr ruhig: Das soll geschehn!
(Großer Lärm hinter der Bühne, Volk stürzt schreiend herein.
Eine Frau:
Welch unerhörte Dreistigkeit! Ein GREIS:
Es ist Verwegenheit. Ein JUNGER Mann:
Es ist des Aufruhrs Anfang. Ein GREIS:
Es ist das Ende der Stadt.
[Die Fanfare ertönt.
Ein JUNGER MANN: Der Herold kündet an den Prokonsul. Wir wollen sehen!
(Volk lärmend ab.
Damis: Androkles ist's, der befehligt Auf der Akropolis
KAndrokles tritt hastig herein.
Purysius: Was gibt es? ANDROKLES in großer Erregung: Ein Zeichen ist gegeben, Ein Wunder ist geschehn. Es wird mit Blitzesschnelle Sich durch die Stadi verbreiten! Mit Harpalus begab ich mich, Der Vesta Fackel tragend, zur Akropolis. Ich tav’s nicht willig. Es hat es der Senat mir auferlegt. Wir nahn dem Altar, der geweiht Dem letzten aus dem Götterstamme, Wo vordem Orakel Zukunft sprachen Und jetzt des Cäsars Bildnis sich erhebt. Heran tritt der Prokonsul, Doch zurück weicht er voll des Schreckens, Mit großen Zeichen kann man lesen Für Cäsar Spott und Hohn. Der Prokonsul versichert streng, Dass er vor Sonnenuntergang noch Den Frevler finden und bestrafen will. Mir fällt die Fackel aus der Hand, Ihr Licht erlischt, doch schon Hat sich gedrängt das Volk Zum Altar und den Spott gelesen, Und schon bespricht man aller Orten Das Wunder, das man glaubt Getan von einem unbekannten Gotte, Der sich an Cäsar rächen will. Man schwingt die Thyrsen, Palmen, Schwerter, Und Furcht erfasst die Römer. THEOKLES: Wie sind die Worte? Gesprochen zur Erweckung Der schlafenden Seele der Stadt? ANDROKLES: So höre das Orakel auf dem Altar Des Letzigebornen aus dem Götterstamme: «O Dionysia, blutende Königin Joniens! Lass deine Helden verstummen! Lass deine Ahnen Schweigend verhüllen die Häupter, die schmachvoll gebeugten Schmach deckt und Spott deiner Hochburg ragende Feste; Und von des Gottes Altar höhnt Cäsar das hilflose Volk! ...» Prirvsius: Von wem sind wohl die Verse? ANDROKLES: Von einem Helden sicher. Sie sind mit Blut geschrieben, Darunter steht: Harmodius. Purysivs: Harmodius, der einst Befreit Athen von den Tyrannen? Damis: Die Massen sprechen oft durch Blut. Prrysivs: Man müsste wissen, ob ein Toter Geschrieben sie hat, ob ein Lebender. THEOKLES: Ein Lebender ist es. Ich bin’s! Damis, Phrygius, Androkles treten erschrocken zurück und ziehen ihre Schwerter.
ALLE Dei: Theokles du? "THEOKLES: Ob einen Aristogiton ich finde? Damis die Hand in die seine legend: Du findest mich! ANDROKLES: Und mich! "THEOKLES: So sind zu dreien wir vereint. Die Welt erobern können drei, Die starker Freundschaft Band umschließt. ANDROKLES: Den Hammer leg in unsere Hände, Wir stoßen zu! "THEOKLES zu Androkles und Damis: Die Häupter zweier Phratrien, Die heute man entwaffnet hat, Ihr seid sie? Eben jener, welche kämpften Im Zeichen des Apollo und des Mars. Damis UND ANDROKLES: Wir sind es! "THEOKLES: So übt sie weiter ein. Verheimlicht eure Absicht ihnen, Und wenn der große Tag erscheint, Versteckt sie in verborgnen Gängen, Die gibt es in der Akropolis. Hinaus dann müsst ihr sie führen,
Beim ersten Zeichen der Empörung
Und töten alle Führer unserer Feinde. AÄNDROKLES:
Und was dann? THEOKLES:
Verbünden werden andere sich
Der alten Dionysia, ist sie nur erst frei. —
(zu Phrygins
Sind deine Ahnen nicht
Dyrapolis’ alte Könige?
Ermangelst Du des Mutes
Und edlen Stolzes deiner Väter? Purysivs:
Das Blut der Ahnen spricht in mir. 'THEOKLES:
So sei unsere Sache auch die deine.
Vertreib die Römer und befreie deine Stadt.
Gelingt es dir, und - König kannst du sein. PrrvGius beiseite:
Wie sprach er: «König»?
Führwahr, ich könnt’ es werden.
KEr greift sich mit der Hand an die Brust wie im Übermaß
der Freude.
‚Klaut Es sei. Befreit erst Dionysia sich,
Dyrapolis soll zurück nicht stehen.
Wer wird das Zeichen geben? THEOKLES:
Wir drei. Damiis, ANDROKLES zugleich:
Wie soll es sein? THEOKLES geht in den Hintergrund und zeigt auf den kurulischen Sessel unter dem Portikus.:
Hier im Prätorium, auf seinem Richterstuhl
Im Angesicht der ganzen Stadt
Ermorden wir den Prokonsul. Damis, ANDROKLES sind Theokles gefolgt wie gebannt durch die Vision der Tat:
Hier soll es sein? THEOKLES:
Ja hier! Der Aufstand wird um sich greifen.
Von Berg zu Berg, von Stadt zu Stadt.
Sie kehren alle vier auf den Vordergrund der Bühne zurück.
Damis: Wir wollen schmücken unser Schwert An jenem Tage mit dem Zeichen Der beiden Freunde, die einst Athen befreit. "THEOKLES: So bleibe es bei diesem Zeichen. Das nackte Schwert, es liegt in grünen Zweigen, Wie schaffender Wille in Gedankenblüten, Wie unser furchtbares Ziel In Lust und Kraft der Jugend, Die aus der Fülle überschäumt. Und wie sich birgt der Rache Stahl In duftig grünen Blattgewinden; So möge bergen freudig Lächeln Die schwarzen Ziele unserer Seelen. Von keinem Wert ist Freiheit der Städte, Sind frei im Innern nicht die Seelen. So rüsten wir zum Kampf der Geister
Und wäre auch Vernichtung unser Los.
Kein schöner Beispiel gibt es für die Welt, Als treue Brüderschaft befreiter Seelen.
Es können Leiber sterben, Schwerter brechen Und Wälle stürzen, ewig sind die Seelen.
So wollen wir denn Seelen sein,
Und ein Ewiges leisten wir der Welt.
Damis, Androkles, Phrygius kreuzen ihre Schwerter mit dem des Theokles.
ALLE DREI ZUSAMMEN: So sei es!
Man hört die römische Fanfare im Innern des Prytaneums. Die drei Verschworenen fahren zurück und verbergen ihr Schwert unter dem Mantel. Theokles allein bleibt unbeweglich und hängt das seine ruhig an den Gürtel.
[8. Auftritt
Dieselben, der Herold des Prokonsuls erscheint mit drei Liktoren auf der Treppe des Prytaneums. Volk versammelt sich vor ihm. Zu gleicher Zeit tritt der Pontifex des Dionysos aus dem Tempel und bleibt auf der Schwelle stehen. Aus der Basilika gegenüber tritt der christliche Bischof und bleibt unter dem Portikus stehen.]
Der HEROLD: Die Kunde hört, die Cäsar Und das Volk von Rom euch senden! Ein Frevler hat geschändet
Des Kaisers Bildnis.
Der Prokonsul gebietet
Den Bürgern, Sklaven, Fremden
Der Stadt, auszuspüren den Täter.
Mit Tod bestraft wird,
Wer Wasser oder Feuer
Ihm reicht, ob Mann, ob Frau. Gefesselt ist er ins Prätorium
Zu führen; er soll erleiden
Die Strafe für seine Missetat.
Der Prokonsul befiehlt zu schließen Die Bäder, Zirken und die andern Orte, In welchen sich vergnügt das Volk. Verdreifacht sind die Steuern,
Bis man dem Richter überliefert
Den Menschen, der Harmodius sich nennt.
Murren im Volk
Der PoNTIFEx: Wer da ist Feind der Götter Er ist ein Feind des Volkes auch. Sein Haupt, das stolz sich hebt, Und Führer sein will den Massen, Es fällt zu Boden, hohen Bäumen gleich Die vor den andern trifft des Blitzes Strahl. Der Cäsar und das Schicksal, In ihnen müssen Götter wir erkennen, Und wehe dem, der ihnen widersteht. Harmodius wird es bald erfahren! Der BiscHor: Dem Kaiser werde, was des Kaisers, Und Gott, was Gottes ist, gegeben. Gesegnet seist du, Cäsar, unser Schirm; Denn Cäsars Feinde sind Christi Feinde, Verflucht soll sein, wer Lästrung übt.
Der Herold, der Pontifex und der Bischof ziehen sich zurück; das Volk geht bestürzt und murrend ab.
Das Vork: Harmodius, er ist verflucht! Damis: Entdeckt man dich, du kannst Zuflucht In meinem Hause immer finden; Was mir gehört, ist alle Zeit auch dein. "THEOKLES: Mein Freund, es dünkt mir, Verbannung gibt mir größre Sicherheit. AÄNDROKLES: Du kennst mein Herz und weißt, Mit welcher Kraft es für dich schlägt, Und weißt nicht minder, wie zu Stahl Ein jeder Muskel dieses Armes wird, Sobald des Kampfes Stunde schlägt. Noch aber ist die Zeit geeignet nicht; Dein Leben ist in Gefahr. Entflieh’! THEOKLES: O wehe dieser Stadt! Schon hat der Sturm der Leidenschaft, Der eben noch so mächtig überschäumte, In Ohnmacht sich gewandelt. Des Herolds Worte wirkten dies;
Man kann erraten was geschehen wird, Sobald der Prokonsul erscheint,
Und gar der Cäsar selbst mit seiner Schar.
Ein Mann im Mantel gehällt, schleicht im Hintergrund der Bühne umbher.
ANDROKLES zu Theokles: Ein Mensch ist dort im Hintergrund. Es scheint des Prokonsuls Spion zu sein. Belauschen will er uns. Nimm dich in acht. Den Schatten Cäsars schweben seh’ ich Schon über deinem Haupte. Ergreifen wird dich seine Hand, Die gierig alle Welt beherrschen will. Dein Leben hängt an einem Faden, Theokles fliehe, fliehe!
Der Mann im Mantel verschwindet.
THEOKLES:
Das eben ist der Schatten,
Der düster lagert über aller Welt,
Die Hand, die euch zermalmt,
Von ihnen wollt’ ich frei euch machen. ÄANDROKLES:
Zu wenig ist eine Menschenkraft
Zu solcher Tat, die Gottes Willen nötig hat. Purysius:
Ja, Gottes Willen! THEOKLES: Und wenn ihr hört des Gottes Stimme, Es ist gewiss auf euch zu zählen? ANDROKLES UND PHRYGIUS: Gewiss, gewiss! THEOKLES: Und bis das Gotteszeichen kommt, Soll nichts vermögen, unsern Bund zu lösen. ANDROKLES, DAMIs, PHRYGIUS: Nichts wird ihn lösen. "THEOKLES: So lebt denn wohl, auf Wiedersehn!
Androkles und Phrygius gehen ab.
Damis: Lass mich dir folgen! THEOKLES: Nein bleibe du, ich bitte dich Von Zeit zu Zeit um und Botschaft aus der Stadt. Ich sehe dich noch, ehe ich gehe. Jetzt aber brauch ich Einsamkeit.
Damis ab. [9. Auftritt Theokles, bald darauf Lykophron]
'THEOKLES: Sie haben recht. Zu denken Genügt der Mensch sich selbst, Zu handeln doch muss Gottes Stimme Ihm Kraft und Sicherheit verleihn.
Wo ist der Gott, der zu mir sprechen will? (Er sinnt nach, das Kinn in der Hand.
Lykophron rückt Theokles seine hell brennende Laterne nahe und betrachtet ihn aufmerksam.
"THEOKLES seinen Gedanken sich entreißend: Was willst du?
LYKOPHRON: Du junger Mann im Kleid der Trauer. Und mit dem Myrthenkranz am Schwert Ein Weib erscheint mir schwebend hinter dir. Narzissen hat es im Haar Und ein seltsam Lächeln zeigt sie. Einen Palmenzweig und einen Dolch Erblicke ich in ihrer Hand Sie flüstert goldne Worte dir ins Ohr. Von beiden ist sie eines sicherlich: Der Tod entweder oder die Unsterblichkeit, Vielleicht auch beides! (Er nähert seine Laterne den Augen des Theokles. In dir erblicke ich die Seele, welche lebt ... [KEr löscht seine Laterne ans. Es hat nun ausgedient die alte Lampe,
Gefunden ist, was ich ein Leben lang gesucht. THEOKLES:
Und welcher Seele sprichst du Leben zu? LykoPHRON:
Nur solcher Seele, die in sich
Den Quell des Handelns hat,
Und keinem äußerm Zwang sich beugt.
Zu trotzen jedem Widerstand,
Zu siegen über Welten,
Ihr ist's allein gegeben. THEOKLES:
Wenn solcher Seele Macht du siehst
In mir: Weshalb vermag so wenig sie?
O gib mir Kentaurenschnelligkeit,
Die Gipfel zu überfliegen,
Des Adlers Flügel gib mir,
Von Berg zu Berg zu schweben.
Und meine Menschheit wird erreichen,
Das Ziel, wohin mein Wunsch sie weist.
Vorerst bin unvermögend ich,
Den Glauben andern einzuflößen,
Der Wurzel schon in eigner Seele hat geschlagen. LyKoPHRON:
Noch unbekannt ist dir
Das Wesen aller Kräfte.
Du scheinst zu kennen nicht Heraklidos,
Der in des wilden Taurus Schluchten
Sich weiht dem unbekannten Gott. THEOKLES:
Nicht kenn’ ich ihn. LYKOPHRON: Dann such den Weg zu ihm! Er wird dich zeigen dir selbst Und dir enträtseln die Kräfte, In welchen alle Wesen wurzeln. Er wird dich schauen lassen Des Geistes Quell und der Welten Herz. "THEOKLES: Gewaltig klingt in meinem Herzen Das Echo deiner Rede! Wer bist du? LYKOPHRON: Des Totengräbers Arbeit Verein ich mit des Schers Auge. Die Toten bett’ ich in die Erde, Den Lebendigen weis’ ich den Weg!
KEr geht langsam ab. Theokles, unbeweglich, blickt ihm nach. [Zweiter Aufzug
Erstes Bild: Der Tempel des unbekannten Gottes
Wilde Gegend im Taurus. - Ein breiter Portikus nimmt die Bühne ein und lehnt sich an die Bergwand. Die überhängenden Blöcke werden von hohen dorischen Säulen getragen. Ihre doppelte Reihe lässt in der Mitte einen leeren Raum frei, der als Eingang dient; im Hintergrunde gähnt die Spalte eines offenen Abgrundes. Man erblickt hinter der Spalte eine Flucht gedrungener viereckiger Säulen, in das Innere der Berge sich verlierend und in einem leuchtenden Punkt entschwindend. Dies ist das unzugängliche Heiligtum. Weder Statuen noch Ornamentik; der Tempel ist kahl und leer. Boden und Decke sind in den rohen Stein gehauen. Zwei Riesen-Sphinxe allein, das Antlitz zum Zuschauer gewendet, am Rande des Abgrunds kauernd, halten Wache. Die Sphinx rechts ist weiß, die andere links ist schwarz. Ihre Flügel sind weit gespannt. - Neben der Spalte, in gleicher Entfernung von beiden Sphinxen, erhebt sich ein Altar aus Marmor, auf welchem, kaum sichtbar, eine Flamme brennt. Links und rechts von ihm stehen auf drei Füßen kupferne Becken mit Weihrauch.
1. Auftritt
Theokles, einen Helm auf dem Haupte, das nackte Schwert in der Hand, kommt durch ein Felsentor links. In der Mitte der Bühne bleibt er stehen und wirft staunende Blicke um sich.]
"THEOKLES: Da bist du endlich, furchtbar Heiligtum! Wie war es möglich hierher zu kommen In diese Felseneinsamkeit der Adler!
Ohne eignen Willen trugen meine Wünsche mich. Und dieses Schwert es bahnte mir den Weg. Doch wissen möcht’ ich, wo ich bin!
Das Schweigen und der Schrecken hausen hier; Das Auge sieht nur Gipfel und Abgrund! Und ihr Kolosse, stumme Fabelwesen,
Ist außer euch kein Leben hier?
Welch Heimlichkeit, welch unbekannten Gott Bewachet ihr mit ausgespannten Flügeln?
Und welchem soll Vertraun ich schenken? Dem schwarzen oder weißen?
Dir, düsterer Wächter finstrer Nacht
Soll zu dir ich mich lieber wenden
Dess’ Licht unsterblich Leben strahlt?
Er schreitet zwischen den beiden Sphinxen hindurch bis zum Rande des Abgrundes und beugt sich darüber. Der Blick versinkt in Abgrundtiefen,
Ins Erden-Innre scheinen sie zu weisen ...
Ein schmaler Pfad ist hinter ihnen;
In unbegrenzte Fernen schwindet er,
Wo schwach ein Licht mir dämmert ...
Des unbekannten Gottes Tempel ist’s. Die Seele ahnt es - dass von da
Orakel dunkel künden Menschenrätsel:
In ruhelosen Nächten lebte mir im Geist
Der Schauer deiner Heiligtümer,
Doch jetzt ertrag ich nicht,
Zu treten vor dich selbst.
Ich möchte fliehen bis an der Welten Ende ... (Er wirft wieder einen Blick auf die Sphinxe. Doch hören will ich seine Stimme,
Selbst wenn sie mich zerschmettern sollte. Wie aber Worte ihm entlocken?
Die Sphinxe schweigen seit Ewigkeiten.
Zu Gott nur reden ihre Augen,
Für Menschen sind sie stumm.
[Er sieht einen Schild, der in seinem Mittelpunkt an einer Säule des Portikus befestigt ist.
Was seh’ ich? Einen Schild?
Und auf dem Erz in gold’ner Schrift:
Er liest mit lauter Stimme folgende Inschrift. «Verderben droht dem Menschen,
Der ohne Weihe überschreitet diese Schwelle. Es trete keiner in den Tempel
Der nicht gereinigt sein ganzes Wesen.
Doch wagst du es, ihn anzurufen,
So klopfe einmal,
Wenn du ein Mensch bist -—
Und zweimal, wenn du ein König.
Bist du jedoch ein Eingeweihter,
So sollst du dreimal klopfen.»
Er denkt einen Augenblick nach.
Dies Herz, gezittert hat es nicht
Beim Kriegsgeschrei des Feindes,
Und in dem Sturm der Waffen.
So darf es auch dem Unbekannten trotzen, Mein Schicksal sei meinem Schwert verpfändet, Und antworten soll mir dieser Schild,
Wenn er eine Seele in sich birgt.
Hinweg alles Zagen! Klopfen will ich!
Er schlägt dreimal mit dem Schwertgriff auf den Schild. [2. Auftritt
Theokles, Heraklidos tritt langsam aus dem Bronzetor eines Nebengebäudes rechts vom Portikus. Er trägt das weiße Gewand der Hierophanten, die goldene Tiara, ein purpurnes Stirnband in den weißen Haaren und ein Zepter aus Ebenholz mit goldenem Löwenkopf.]
HERAKLIDOS: Du, der es wagte zu besteigen Des Heiles und des Schreckens Ort Und mit dem bloßen Schwerte, Die Schwelle des Tempels zu betreten Wie heißt der Gott, dem du geweiht? THEOKLES: Ich bin noch keinem Gott geweiht. HERAKLIDOS: Ein König also bist du? "THEOKLES: Das bin ich nicht. HERAKLIDOS: Nicht Priester noch König bist du? Und dennoch wagst du dreimal zu klopfen An dieses schicksalschwere Tor? Es weckt der Ruf, der hier ertönt, Sein Echo in den Tiefen des Seins, Und unaufhaltsam dringt er Zum Trone jenes hohen Gottes, Der Welten kreist um Welten In dreifach heil’gem Sphärenreigen. Wie soll, wer nicht bestanden hat Des Königs noch des Priesters Probe
Ertragen seine Stimme und sein Licht. THEOKLES:
Ein Mensch bin ich, der ungeweiht,
Doch König fühl ich mich
Durch grenzenlosen Wunsch.
Und darf sich Priester nennen nicht
Wer durch den Schrecken voll erprobt? HERAKLIDOS:
Ob größer ist dein Wagemut
Ob deine Eitelkeit; ich weiß es nicht.
Begehrt ein Gaukler oder ein Frevler
In Gottes Weihestatt zu dringen?
In diesen Abgrund blick hinunter!
Es gibt genug der Menschen,
Die einmal nur es wagten,
Weil sie sogleich ein Schwindel fasste
Und in die tiefste Tiefe stürzte.
Des Sinnes Klarheit büßten andre ein,
Den grauenvollen Eindruck konnten verlöschen
Sie niemals wieder in der Seele.
Ins Bodenlose sinken sehn sie stets sich.
Zurück noch kannst du treten. Prüfe dich! THEOKLES:
In dieser Stunde kann mir werden
Erfüllung für des Lebens höchsten Wunsch,
Es wäre feige, jetzt zurückzutreten.
Verwegen bin ich nicht,
Bin Frevler nicht, noch Gaukler.
Ein Mann bin ich, der ohne Zagen
Den Blick in Abgrundtiefen senden Und mit dem Weltengotte Den Gott der eignen Seele messen will Die Schrecken, die mir drohn, Sie können klein mir scheinen Verglichen mit des eignen Denkens Qualen. HERAKLIDOS: Die Worte sind wie eines auserwählten Helden. Wie ist dein Name? THEOKLES: Ich bin Theokles, bin aus Dionysia. HERAKLIDOS: Von wem gesandt? "THEOKLES: Von Lykophron. HERAKLIDOS: So ist es gut. Ich habe dich erwartet. Die Klinge stimmt nicht besser Zum Griff des Schwertes, Als deine Taten zu dem, was du sprichst. Die Zeichen des Starken schau’ ich an dir, Ein Sonnenkind aus Japhets Stamme bist du, Und mir, dem Hüter uralter Wissenschaft, Obliegt es, Menschen deiner Art zu schützen. So künde mir, was du begehrst. — "THEOKLES: Erkennen will ich mein Schicksal Will echten Wollens Ziel erfassen. HERAKLIDOS: Kein andrer kann den Weg Zu diesem Ziel dir weisen. Da musst du selbst dir Führer sein. Die Mächte aber kann ich rufen, Die dir den Ursprung gaben. Beschwören kann ich den Genius, Der deines Wesens Wesen ist. THEOKLES: O, wenn du dieses könntest! HERAKLIDOSs: Versuchen will ich es, Gebiete Ruhe deiner Seele; Im Innern deines Herzens; Und rege keines deiner Glieder, Bevor mein Ruf ertönt. Heraklidos kniet nieder, beugt sich zur Erde und richtet sich wieder auf, indem er auf den Knien bleibt. Dann betet er mit erhobenen Armen. «O Gott des Unbegrenzten, Du König der Höhen und der Tiefen, Du Vater aller Welten und Seelen O Zeus Adonai - ich rufe dich! Es möge fallen einer deiner Strahlen Auf diesen kühnen Sohn der Erde, — Er strebt zu dir mit Mut und edlem Geist.»
KEin weißer Blitz zuckt hervor aus dem unzugänglichen Heiligtum. Heraklidos richtet sich auf.
Der unbekannte Gott wird sprechen Er zieht einen Kreis in der Luft. Du hast in diesen Kreis zu treten!
K(Theokles stellt sich in die Mitte und bleibt unbeweglich. He raklidos nimmt Weihrauch aus dem kupfernen Becken neben
der schwarzen Sphinx und wirft ihn auf das Feuer des Altars. Eine rote Flamme zuckt empor. Und jetzt, im Namen des höchsten Geistes,
Ihr Mächte der Höhen und der Tiefen, redet!
OÖ Geist, der waltet über diesem Manne,
Dich rufe ich. - Erscheine! ...
Er erhebt sein Zepter. Man hört unterirdisches Donner‚getöse. Ein grellroter Schein steigt aus dem Abgrund. Der Berg erzittert,
Des Tempels Säulen wanken,
Es kündet roten Blitzes Licht
Des Abgrunds allmächtgen Geist ...
I(Zu Theokles
Umfasse fest das Schwert, nach oben blicke!
(Eine schöne Gestalt steigt langsam empor und erscheint über dem Abgrund. Der gefallene Engel sitzt auf einem halb zerschmetterten, durchfurchten Planeten. Die eine Hand ist an den Globus gekettet, die Kette durch einen in den Boden gesenkten Blitzstrahl befestigt. Die andere hebt stolz in die Nacht hinein eine brennende Fackel.
"THEOKLES: O Geist, erhaben und schrecklich Du machst mich schaudern und beglückst mich! Es bebt mein Leib in allen Fibern, Es lebt in mir ein tausendfaches Leben. Als ob erst jetzt des Daseins Urquell Geboren mich hätte, so empfinde ich ... Wie bist du traurig, o wie schön, Mein Geist, mein Gott, mein Lucifer! LuciFER: Dein Ruf, er kam zu mir! Was ist dein Wunsch? THEOKLES: Zu sein wie du! Lucirer: Versuch es! THEOKLES: Was soll ich tun? Lucirer: Den Glauben an das eigne Selbst Zu finden trachte; Ringe mit dem Ewigen, Auf dass sich offenbare all dein Wesen. THEOKLES: Und du wirst helfen? LucirEr: Solange treu du selbst dir bleibst. THEOKLES: Es kann mir rauben keine Macht der Welt Den Glauben an das eigne Selbst, Da diese Stunde ich erleben durfte. Erkläre mir, gewaltger Geist, Das Rätselvolle deines Wesens. Gewoben ist aus Leid dein Dasein Und düster windet sich des Todes Schatten Um deine leuchtend-schöne Stirn. Lucirer: Es sprach im Urbeginn der Ewige: «Es werde Licht!» Und strahlend Erstand ich aus dem Odem seines Mundes. An meiner Stirne flammie hell der Stern. Ergießend mich in Raumesweiten Erklärte ich meines Wesens Sinn, Des ewigen Gottes Zorn nicht fürchtend:
«Ich bin die Freiheit, bin Verstand
Und bin des Lichtes Klarheit Gehorchen will ich andern Göttern nicht!
Durch mich wirst selbst du dich offenbaren,
Erkenntnis wirst du leihn von mir!»
Da sprach der Ewige: «Suche, Lucifer!
Es gehe dein Weg durch Schmerz und Tod!»
Ich trat an des Gottes Herz
Und raubte da die Feuerkraft —
Zerschmettert fiel ich in den Abgrund
Und mit mir Sonnen und Dämonen.
Der Stern an meiner Stirn erlosch.
Seit jenem Fall durcheile ich die Welt
Mit dieser Fackel, die entzündet
An Gottes eignem Herzen ist.
Doch kommen wird der Tag,
Da seine Schöpfung mein wird sein. Ist’s lieber dir, o Erdensohn,
Zu leben in anfanglosem Licht?
Scheint’s besser dir, zu wandeln meinen Weg:
Er führt durch Tod und Leiden. THEOKLES:
Erdulden will ich lieber tausend Tode
Und in Schmerzen leben ewiglich,
Als opfern der Freiheit kleinstes Maß. LuciFER:
Wird deine Kraft dir treu auch bleiben? "THEOKLES:
Mein ganzes Wesen drängt zu dir!
Gesteigert fühl ich all mein Sein, Wenn ich in deiner Nähe bin.
An deinem Licht, an deinem Stolze
Entzündet sich der eignen Seele Feuer. Lucirer:
So mag es sein!
Theokles war dein Name
In Zukunft heiße: Phosphoros!
Denn bringen sollst du ewiglich
Den Menschenkindern meines Lichtes Kraft!
Er versinkt in der schwarzen Spalte beim Scheine roter
Blitze und unter neuem unterirdischen Donnergetöse. THEOKLES:
Er sinkt in tiefste Tiefen - - Dahin ist er.
Da unten stöhnen Seelen ohne Zahl,
Verdammte winden sich in Schmerzen ...
O Lucifer, was durchzittert meine Seele!
Ich fühle meine Schmerzen wachsen ...
Entfallen wird mir deine Fackel!
Ohnmacht verfinstert meinen Geist.
[Er schwankt und macht einige Schritte nach rückwärts. HERAKLIDOS:
Besinne dich!
Im Kreise musst du bleiben
Du wagst das Leben.
Der Flammenabgrund siedet,
Er wirft Dämonen aus der Tiefe.
Die andre Stimme höre jetzt.
(Er nimmt Weihrauch vom Dreifuß rechts, neben der weißen Sphinx, und wirft ihn auf den Altar. Eine blendend weiße Flamme schlägt empor. Aus dem unzugänglichen Heiligtum ertönt alsbald Musik. THEOKLES: Ich höre Himmelstöne Wie Opferrauch erscheinen sie, Der aus den Herzen hoher Geister kommt. Der raue Fels nimmt Weichheit an, Die rohen Bergesmassen Durchgeistern sich wie Seelen! Die Säulen dieses Göttertempels Erzittern wie die Saiten einer Lyra! Die Seele öffnet sich in Sehnsucht. HERAKLIDOS: Die Stimme aus den Höhen höre! Nach oben wende den Blick! Es wandelt sich Musik in Licht Und aus dem Lichte klingt die Stimme.
Ein Stern erscheint über dem Abgrund. Es ist ein fünfzackiger, strahlend weißer Stern mit goldenem Herzen. Er leuchtet wie eine Sonne. Aus ihm ertönt eine Stimme.
Die himmlische Stimme:
O Phosphoros, o Phosphoros,
Der Fackel flammend Licht
Du hast es dir errungen!
Doch willst du Sieger sein und Held,
Verein’ dem starken Willen
Den Glauben einer reinen Seele. THEOKLES:
Wo lebt mir diese Seele? Die Stimme:
O Phosphoros, o Phosphoros,
Es muss dir geben Liebe ohne Furcht Ein Weib, dem sieben Ehrenstrahlen Als Schmuck im Haupte glänzen. Sie muss die sieben Leidensschwerter Sich stoßen in das eigne Herz. Sie muss verlassen den erkornen Gott, Und liebend folgen dir. Ist Kraft in deiner Seele Um solche Liebe zu erwecken? 'THEOKLES mit einem Freudenschrei: Fürwahr, bei meiner Seele Sehnsucht, Ich fühl die Kraft in mir. Die Stimme: So soll dein Schicksal sich erfüllen! Dem stolzen Sinn entsage Er führt dich in des Abgrunds Tiefen. Und folg’ dem Stern der Liebe. Sein Licht ist eine Himmelsstimme. Es sei sein Wort dir Licht.
Der Stern verschwindet.
HERAKLIDOS: Der Abgrund hat gesprochen. Der Himmel hat sich offenbart. Die Geister haben dich geweiht, Den Gottesnamen dir verliehen. Sie haben deinen Ruf erhört. Gehorsam ihrem hohen Willen Ist fürder deine ernste Pflicht. PnospHoros: Die Fackel und den Stern, Wann werde ich sie wiedersehen? HERAKLIDOS:
Die Fackel wirst du wiedersehen,
Wenn dir des Kampfes Stunde naht.
Der Stern jedoch wird wieder scheinen,
Wenn liebend ihn erweckt
Der Atem einer gottgeweihten Frau. PrHospHOROS ergreift den Arm des Hirophanten und ruft voll Leidenschaft:
So birgt der Atem einer Frau
Den Zauber, der entzünden kann
Den Stern auf eines Kämpfers Stirn!
(Er lässt den Arm des Hirophanten los.
Ich schau’ im Geiste diese Frau ...
Dein Wille ruft sie mir herbei.
Ich seh’ den Schimmer ihrer Haut
Der Locken volle Pracht,
Der Augen sonnig Leuchten! ...
(Er schüttelt den Kopf.
Doch nur ein Bildnis steht vor mir ...
Du formst es selbst, o kühner Zaubergeist.
Weshalb erfüllst du meine Brust
Mit der Begierde wilden Gluten,
Die nicht Mänadenlocken
Und nicht die Reize der Bacchantinnen
In ewigen Zeiten je erlöschen können? HERAKLIDOS:
In solchem Feuer formt man Helden!
Dein Herz ist auf dem Amboss;
Der Hammer möge fallen,
Die Funken sollen sprühen. PHosporos /{ohne auf ihn zu hören:
Die Jungfrau, die zu folgen mir
Verlassen soll den erkornen Gott,
Die Heldin, die entkeimt der Liebe
Der Göttersöhne mit den Erdentöchtern:
Wo werde ich sie finden? HERAKLIDOSs:
Auf deinen Stern vertrau’
Und finden wirst du sie gewiss. PHospHoroSs:
Geheimnisvolle Schwester meiner Sehnsucht,
Aus meinen Träumen, meinem Leid gebildet,
Auf welcher Höhe, in welchem Abgrund such ich dich?
Zu finden dich, erlitte ich willig
Vielhundert Tode und möchte reisen
Bis an der Weltenkette Ende.
Doch ich verlasse dich in Wehmut, Priester,
Und Schmerzen macht es mir,
Zu trennen mich von diesem Tempel,
In welchem Götterstimme mir erklang!
Wann darf ich wieder euch erblicken? HERAKLIDOS:
O, Phosphoros, du kehrst einst wieder. PuospHoros:
Am Tage meines Sieges — oder meines Untergangs? HERAKLIDOS:
Das weiß nur Gott allein.
Doch gut wird alles enden,
Wenn treu du bleibst dir selbst. PHosPHOROS: Erhabner Weiser, der löwengleich Behütet aller Weisheit Schätze, Du hast die Geister mir gerufen, Mich selbst hast du mir offenbart. Die Freiheit hast du mir gegeben, Mein König und mein Herr. [KEr kniet vor ihm nieder. HERAKLIDOS: Und du, mein Sohn! O Phosphoros, Erwecker sollst du sein des Größten, Das in den Menschenherzen schlummert. Des unbekannten Gottes Bote Für Menschenkinder sollst du werden!
Und jetzt zur Tat. PHosPHoRros sich erhebend: Die Fackel und der Stern Sie rufen, leb’ wohl! HERAKLIDOS sein Zepter ausstreckend: Auf Wiedersehn! Phosphoros geht ab.
[Zweites Bild: Die Thebais der Jungfrauen der Wüste
Eine Oase in Unterägypten. In die Ruinen eines ägyptischen Tempels unter offenem Himmel ist eine christliche Kapelle von ‚Pprimitiver Einfachheit hineingebaut. Zwei riesige Säulen mit glockenförmigem Kapitäl, deren oberer Teil sich den Blicken entzieht, rahmen die Bühne ein.
Hier und da dienen Säulenstumpfe als Sitze. Auf den Mauern sieht man, in roher Ausführung, Bilder im byzantinischen Stil, Gottvater, die Jungfrau und Christus darstellend. Hinter ihnen und sie überragend, erblickt man die in Stein gehauenen hieratischen Kolossalbilder ägyptischer Götter. - Rechts wird die Mauer von Türen durchbrochen, die zu den Zellen der Jungfrauen führen. - Links führt ein größeres Tor, über dessen runden Bogen die in Stein gemeißelte Taube des Heiligen Geistes zu sehen ist, zu der Zelle des Vaters der Wüste. - Im Hintergrund, in der einst den Thron eines ägyptischen Gottes enthaltenden Nische des Tempels erhebt sich die von Einsiedlern errichtete Statue Christi, des guten Hirten, mit dem Lamm im Arm, dem Kreuz als Hirtenstab. Hinter den Ruinen der Mauerstücke sind die Kronen riesiger Palmen zu sehen, die einen Teil des Tempels beschatten.
1. Auftritt
Der Vater der Wüste, Kleonis.
Der Vater der Wüste steht im Vordergrund der Bühne. Kleonis tritt aus ihrer Zelle und nähert sich ihm langsam. Es ist, als suchte sie jemanden hinter den Säulen der Ruine; endlich berührt sie den Arm des Vaters.]
KLEonis: Noch ist er nicht gekommen?
Der VATER: Ich glaube nicht, dass er noch heute kommt. Die Sonne ist schon nah dem Untergange. Mein Beten hat ihn ferngehalten. Kreonis: O nein, mir sagt mein Herz, Dass zornesvoll und ängstlich schlägt: Wir werden sicher ihn bald sehn. Der VATER: Theokles, welcher Phosphoros Genannt wird durch die Satansmächte! Gelüster’s dich durchaus Zu sehen den Verruchten? Kreonis: Ich will es. Der VATER: Warum begehrst du, wehrlose Jungfrau, Das Wort an ihn zu richten? Kreonis: Ich will ihn niederwerfen vor Christus! Und wenn er sich nicht beugen will Beladen ihn mit einem Fluch, Der alle Kraft ihm nimmt für immer. Der VATER: Gib acht, o meine Tochter, Gefährlich ist, wonach du sinnst. Du kennst noch nicht des Satans Macht. Ist auch wie Spinngewebe fein, Die List, die seinem Geist entspringt, Er kann sie dichter machen, Als selbst ein Eisenpanzer ist, Will er uns gänzlich wehrlos haben. Verderblich ist die Nähe solcher Menschen. Es kann die Seele Schaden nehmen, Wenn sie nur eines ihrer Worte hört. KLeonis: Da Christus lebt in mir, Besitz ich auch die Macht, Zu schleudern diesen Frevler Zu Füßen meines Gottes. Der VATER: Du bist recht hochmütig, meine Tochter, Und deine Frömmigkeit, sie ist nicht rein. Sie ist mit Heftigkeit vereint. Demut geziemt dir, soll nicht Dich fangen Satanas in seine Netze. Kreonis: Unmöglich ist's! Jesus, Der oft im Traum mir naht, Hat selbst den Panzer mir verliehn Gewoben aus der Keuschheit Wesen Und auch den Schild aus Edelstein Der Mut und Kraft beschehrt. Der VATER: Um solches zu vollbringen, müsstest du Geschritten sein durch höhere Prüfung. Noch aber hat die Novize Zu viel des Feuers in der Brust. Kreonis: Es hat der höchste Meister doch gesagt: Es soll euch alles werden, Was ihr erfleht mit frommem Beten. Gelingen selbst wird reinem Glauben, Zu stürzen Berge in das Meer! Mein Hassgefühl gegen Phosphoros Ist mächtig, Berge umzustürzen, Er soll mir knien vor dem Herrn! Der VATER: Es führt dich dein Wagemut In schlimmen Irrtum und Keizerei. Nicht Hass versetzt die Berge, sondern Liebe. Den Hass verbietet Jesus, Er führt Verderbnis nur herbei. KLEonis mit einem tiefen Seufzer: Ich hasse Jesu Feinde glühend, Weil ihn ich glühend liebe. (Sie ringt die Hände und verbirgt das Gesicht in ihren übereinander gekreuzten Armen. Der VATER streng: Ja, jeizi erkenn’ ich klar, Wie schlimm es steht mit deinem Herzen! Deshalb befehl’ ich dir, den Feind zu meiden. In deine Zelle sollst du gehn. Kreonis: Gehorchen will ich dir, mein Vater. Sie geht langsam und mit gesenktem Haupt in die Zelle. Der VATER nachdenklich: Sie wird noch schwere Leiden Erfahren müssen vor der Heiligung. Ich werde Wache bei ihr stehn Und ferne halten ihr den Feind Er hebt seine beiden Hände wie beschwörend gegen die Wäste. Es ziemt mir, jetzt zu beten. (Er geht in seine Behausung zurück. [2. Auftritt Phosphoros, bald darauf Kleonis.]
PHosPHOROS kommt von links und lehnt sich an die große Säule im Vordergrund der Bühne: Das ist der Ort, o Christus, Wo man dir Opfer bringt? Und die Gebete deiner Priesterinnen Ergießen sich zu diesem Bildnis? Ein Hirte ist’s mit einem Lamm. Und ich, der ich den Menschen Die Freiheit und der Welt die Schönheit Aus vollem Herzen möchte bringen, Ich kann nicht eine Seele finden, Die in den Grund der meinen tauchte, Darin zu finden solchen Glauben, Der über Tod und Leben siegt! Das Zeichen, soll es nicht erscheinen? Wird ewig mir verborgen bleiben Der Stern an meinem Himmel, Der mir verkündet die Stunde Nach der meine Seele drängt? O, schon erstirbt in mir die Hoffnung! Er wendet sich gegen den Horizont mit einer müden Gebärde. Mein Innres scheint der Wüste gleich, Die weit sich vor mir breitet, Und welche stumm bedeckt Götter und Menschen, die verschwinden. [In diesem Augenblick tritt Kleonis aus ihrer Zelle. Die untergehende Sonne fällt voll auf ihr Gesicht. Sie schrickt zusammen, wie sie Phosphoros erblickt, fasst sich aber schnell und tritt ihm feierlich enigegen.
Kreonis:
Mit welchem Recht berrittst
Als Fremdling du die Weihestatt? ProspHoros:
Der Tempel steht zum Eintritt offen;
Ich habe deinen Gott besuchen wollen. KLeonis:
Und ist bewusst es dir, dass Christus
Beschützer ist des Tempels,
Und dass die Priesterinnen
An diesem Ort ihm dienen? ProspHoROS:
Ich weiß es; doch wer bist du?
Aus deren Mund so stolz
Die Sprache klingt, die mir vertraut? Kreonis:
Ich bin Kleonis aus Dionysia,
Mein Vater ist Laodikos. PhHospHoRos:
Kleonis, die einst ich sah
Verschleiert in unserer Agora? Kreonis:
Ich bin’s. Und nun erblickst du mich
Im stillen Hafen, wo Gebete
Die fromme Seele schicket himmelwärts.
Gefunden hab ich der Orte einen, Die Christus sich erwählet,
Von ihnen aus zu führen,
Die Kämpfe für das Heil der Welt.
Und welchen Namen führest du? PHospHoroSs:
Theokles nannte mich der Vater.
Doch Phosphoros ist als Name
Von meinen Schicksalsmächten
Und meinem Geiste mir gegeben. KLeonis:
Du sollst erkennen, Phosphoros,
Der wahre Gott ist Christus!
Und der verflucht dich, Weltengeißel.
Er wird dem Boden Bäume
Entreißen, und zu Ruten binden
Zu zähmen deine schwarzen Kräfte.
Durch Zeichen hat er sich gezeigt.
Du hast sie nicht begriffen.
Durch Stimmen hat er dich gerufen,
Du hast sie nicht gehört.
Es haben Hände wie Flammen
In Zeichen, die im Feuer strahlten
Des Gottes Namenszug geschrieben ...
Du aber hast in wildem Hochmut
Hinweggewischt des Gottes Schrift.
Du weißt es nicht, dass Christus
Geschritten ist durch Qual und Tod,
Und dass er glorreich auferstand.
Verfallen muss der finstern Hölle,
Wem fremd der Welten Heiland bleibt. PHosPpHOROS: Mein Glauben gilt dem eignen Selbst. Als Gott erkenne ich den Engel, Der trotzig widerstanden hat Dem unerschaffnen Licht. Kreonis: Du kennst ihn nicht, den Gott, Und ahnest nicht den Schmerz, Den er erlitten hat als Opfer Zu lösen uns von schwerster Pein, Du hast nicht geschaut, wie er Zusammenbrach von Kreuzeslast ... Er tritt in unsere Krypten. Er bringt uns Brot des Lebens. Den Kelch des Opfers reicht er uns. Der Sonne gleich erstrahlt sein Leib. Aus seinen Wunden ersprießen Die Rosen reiner Liebe Die Lilien hoher Gnade! Ich liege betend oft zu seinen Füßen Und weine vor den Bluteszeichen Und bitte, dass vergönnt mir werde, Zu leiden für ihn alle Schmerzen, Die er getragen für der Menschen Heil. O, könntest du ihn doch erkennen! PHosPHOROS sieht sie scharf an, dann wendet er sich ab: Es treffen unsere Wege Zu spät fürwahr zusammen. Kreonis: Was, Phosphoros, befällt dich? Du bebst. Erschüttert seh ich dich. PHosPHOoROS sieht sie nochmals an und wendet sich wieder ab); Zum ersten Male steht ein Weib vor mir, In welchem wahres Menschenwesen lebt. Ertötet war der Mensch bei allen andern Von dem, wozu das Leben sie geformt, Von Jungfrau, Gattin, von Bacchantin. Den edlen Leib durchglüht Die starke, hohe Seele. Aus ihren weiten Augen Erglänzt die helle Sonnenflamme, Und ihre Brust belebt ein Herz, Das fähig ist zu tragen In Würde Schmerzen und Liebe O, solchen Weibes Liebe kann erschaffen Aus Manneskräften Heldensinn. KLeonis: Was denkst du? PuospmHoros: Ach, denken musste ich Wie glücklich der Messias ist, Dem deine Seele sich geneigt. Denn wisse, ein Messias bin ich selbst! Und wecken will ich alles, Was in den Menschenseelen schläft. Es werden Flüche auf mich stürmen Und Schmerzen mich befallen ... Denn so ist jener Menschen Los, Die Ketten sprengen und Freiheit schaffen; Es wurde ihnen alle Zeit Verbannung, Hass und Tod! Du lebst in deiner Wüste, Ich werde in der meinen sterben. Mir werden keine solchen Tränen fließen, Wie du sie weinst für deinen Christus. Leb wohl! Kreonis wendet nun ihrerseits die Augen ab. Beiseite: O wehe, dass ich schaute in dies Auge! Es blickte aus ihm ein Engel Vereint mit wildem Schlangenwesen; Und Heldensinn mit Versucherlist. Erhabner Schrecken, frohes Grausen Erfassen mich im tiefsten Innern. Wie kann mir Himmelsruhe Und Seelenfrieden wiederkehren, Wenn niemals mich verlassen wird Das Bild des ernsten Kämpfers, Der schwergeprüft am Abgrund steht! Ich sah des Aufruhrs Engel Aus seinen Augen auf mich stürzen. [Sie wankt und lehnt sich an die Säule. PHosPHOROS: O Jungfrau, was ist dir? Du neigst den stolzen Nacken! Warum verfinstern deine dunklen Wimpern Die Sonne deiner Himmelsaugen? Du magst mich überschütten mit Flüchen, Doch lasse einmal nur noch Das Licht aus deinen Augen In meine Augen leuchten! Sie sehen sich mit wachsender Intensität und Bewegung an. Plötzlich wendet sie sich ab, fasst sich wie fiebernd an die Schläfen, dann ans Herz, als ob sie erstickte.
PHosPHOROS: Im Namen Christi, was ist dir? KLeonis mit einer Gebärde des jähen Abweisens: O schweig, hinweg den Blick, Hinweg, hinweg! [Sie entfernt sich mit schnellen Schritten und geht in ihre Zelle ohne sich umzuwenden. ProspHoRoS allein: Ich habe über eine Seele gesiegt! Es ist meines Lebens größter Sieg. In diesem Weibe lebt des Gottes Bild. Es wird der Widerschein von solchem Licht Aus meinem Herzen niemals schwinden. Ein stiller Sieg in tiefer Wüste, Doch wiegt er mehr als einer, Der über das größte Heer errungen. Wohl werde ich dich niemals wiedersehn. Es wird jedoch das Licht, Das aus Kleonis’ Auge fiel, In meiner Seele tiefsten Kern Erleuchten meine Einsamkeit Und sollte diese ewig sein! Die einsame Seele der Wüste Dem einsamen Weltenwanderer Gehört sie an für immer. [3. Auftritt Phosphoros, ein Diener]
Der DiEnER: Ich bin ganz außer Atem. Aus Alexandrien komm ich. Das letzte Schiff aus Ionien, Es brachte diese Botschaft, Die Damis dir sendet. (Er überreicht ihm eine Wachstablette. ProspHoros lesend: «Es wissen alle Menschen hier. Was du getan für unsere Stadt. Dein Anhang wächst mit Windeseile. An den Mauern des Prytaneum Ist jeden Tag zu lesen Der Wunsch, du mögest wiederkehren, Es traure ganz Dionysia Um ihren größten Sohn. Beunruhigt ist der Prokonsul, Um dieser Volkesstimmung willen, Er sinnt auf dein Verderben. Er hat das Urteil widerrufen, Dass dich verbannt aus unserer Stadt. Versprechen will er dir Den freien Aufenthalt in deiner Heimat Und Rückgabe aller Güter. Jedoch, du sollst vor seinem Richterstuhl Erweisen, dass du unschuldig seist An allem, wessen man dich zeiht. Vor allen Bürgern soll dies sein.
Es ist dies eine Falle,
Gelegt von deinem Feinde.
Man will dich töten und versucht,
Um dich herbeizulocken, diese List.
Ich bitte dich, verbleibe in der Ferne.
Dein treuer Damis.»
Also es steht so Entmutigen will man meine Freunde,
Indem man von meinem Tode spricht!
Es sollen ihre Herzen zittern
Und dadurch meine Taten sterben,
Noch ehe sie geboren.
Es ist nur allzu fein, o Harpalus
Gesponnen dein Gewebe.
Nur einen Fehler weist es auf:
Du hasi mit meiner Angst gerechnet.
Verrechnet aber hast du dich!
Es wird vor Cäsars Stellvertreter
Erscheinen Phosphoros gewiss.
Es ist der Ruf des Schicksals,
Ich will ihm Folge leisten!
I(Zum Diener
Ist dir bekannt,
Ob bald ein Schiff nach meiner Heimat geht? Der DIENER:
Man kann in wenig Tagen fahren ProsPHOROS:
Dann eilen wir zum Hafen
Nach Dionysia, wohlan. Und du, o Stern Lucifers, Erleuchte meinen Schicksalsweg. Er geht mit dem Diener ab.
[4. Auftritt
Kleonis und die Jungfranen der Wüste.
Es ist Nacht. Die Jungfrauen, brennende Kerzen tragend, kommen einzeln aus ihren Zellen und knien nieder vor der Statue Christi, des guten Hirten, im Hintergrund der Bühne. Kleonis kommt zuletzt und folgt ihnen mit dem Blick.)
Kreonis: Ich wage nicht zu folgen. Es drängt zu beten mich nicht mehr. O dieses Auge, dessen Zauberblick So sicher traf in meiner Seele Kern. Aus welchem Abgrund stammte er? Es sprach der Schmerz so urgewaltig Aus diesem göttergleichen Antlitz. JUNGFRAUEN Gesang der im Hintergrund des Saales knienden Jungfrauen: Wir bringen die Blumen des Feldes, Der Lilien heilige Zier, Die Ernte der ewigen Liebe, O ewiger Schnitter, dir! Wir bringen dir unser Leben, Wir bringen das durstige Streben Im Schatten des Kreuzes zur Ruh! O lass in den ewigen Wunden
Die Seele versinken, gesunden,
O König der Könige, du!
Die Jungfrauen steigen in die Krypta hinunter. Kreonis:
Wie glücklich seid ihr, Bräute Chrisu!
Den Himmel habt ihr hier auf Erden.
Es war einst meine Seele gleich der euren.
Doch jetzt verzehrt mein Herz ein andres Feuer.
Wird Jesus nicht an meiner Seite stehn,
Wenn die Versuchung furchtbar droht!
Hat weggezogen schon die Gnadenhand
Der Meister, welcher aller Liebe Quelle ist?
Wie soll ich fassen ihr Geschick und meines?
Sie haben hingeopfert schwache Herzen
Und Seelen, die der Weltenprüfung nie erfahren,
Und nie des Lebens wahre Zaubermacht! ...
Ich habe Größeres dir zu bringen,
Ein stolzes Herz, erfüllt von Liebe,
Ich legte willig es dir zu Füßen,
Um deinen Schmerz in mir zu tragen.
O Gott: erbitten darf ich mir von deiner Hand
Die Rettung durch des Himmels Wunderkraft!
[Sie schreitet in den Hintergrund des düsteren Tempels
und kniet vor dem Altar nieder. Aber plötzlich wirft sie das
Haupt zurück. In einem Strahle blendenden Lichtes sieht
sie, statt Christus, Lucifer, aufrecht stehend, mit ausgebrei teten Flügeln, in der Stellung eines Genius, der zum Fluge
ausholt. Seine Rechte hält die Fackel, seine Linke breitet
sich über die überraschte Flehende. Die Erscheinung dau ert einige Sekunden, dann verschwindet sie. KLEonIS stärzt entsetzt in den Vordergrund der Bühne: Der gestürzte Engel. Lucifer! Des Phosphoros Gesicht! Er war es selbst. Sie bricht halb ohnmächtig zusammen, mit dem Kopf gegen die Säule. Ich bin verloren! B. Auftritt]
Der VATER aus seiner Behausung tretend: Wer kann nur hier sein, in der Nacht. Ich hörte einen Schrei Wie eine angsterfüllte Seele ruft.
Iemand stöhnt am Fuß der Säule. Er tritt näher.
Du, Kleonis, meine Tochter, Was tust du hier in finstrer Nacht? Kreonis sich auf einem Arm aufrichtend: O, es war so schaudervoll! Der VATER ihren Arm fassend: Du scheinst mir krank, verwirrt zu sein! Es fiebert deine Wange, deine Hände glühn. Erhebe dich, ich helfe dir. Kreonis lässt alles mit sich geschehen und bleibt wie im Traum versunken; zuletzt murmelt sie mit halber Stimme): Lucifer! Phosporos! Der VATER: Du scheinst mir wirklich krank, Und deines Leidens Quelle liegt In deiner Seele mehr als in dem Leibe. KLeonis sieht den Vater mit Erstaunen an, als ob sie ihn nicht erkannte, dann fährt sie sich mit der Hand über die Stirn und kommt allmählich zum Bewusstsein der Realität: Ja krank - ich fühl’s, O besser wäre - tot. DER VATER: Was ist geschehn? Kreonis: Es war so furchtbar und so grauenvoll, Dass alle Tempel der Erde brechen möchten. Doch auszusprechen wag ich’s nimmermehr. Der VATER: Erzähl es ruhig, meine Tochter. KLeonis: Gewandelt ist, seitdem ich dies erblickt Für mich der Welten Antlitz. Und endlos scheint die Zeit, ... Die seit jenem Schrecken ich verlebt. Der VATER: Es ziemt sich dir, Mir alles zu erzählen. Kreonis: Du willst es? Der VATER: Es ist mein Recht, es zu befehlen. KLEoNIS mit dumpfer Stimme und immer wie im Traum: Ein fromm’ Gebet sprachen meine Lippen, Am Fuß des Altars lag ich, Das Herz begehrte Ihn zu sehn. In meiner Seele lebte Er allein. Da zuckte es wie Flammen ... Ich hob das Haupt, zu schauen Des Christus Gnadensonne ... Und auf dem Altar war nicht Er, ES WAL ureunie es war Lucifer.
Der VATER:
Es war - der Lucifer?
KLEONIS mit einem geheimnisvollen Lächeln: Ja, Lucifer ... mit seiner Fackel, seinen Flügeln. Nicht furchtbar war er, wie du ihn malst. Er war so strahlend schön wie unser Gott, Nur strahlten seine Züge düstres Leid.
Der VATER:
O mein betörtes Mädchen! Verirrt schon durch den bösen Geist, Des Dämons Werk gelingt am besten, Erborgt er eines Engels Form, Dies sollte dir bekannt doch sein. Es ist unrein deine Seele jetzt. Verboten ist es dir von dieser Stunde an, An unsern Heileswerken Und Liebesmahlen teilzunehmen. Gereinigt kannst du werden nur Durch tiefe Demut und Willenstötung. KLeonis immer noch wie im Traum: In Demut will ich mich neigen, Vernichten meinen Leib und meine Seele will ich ... Wird er gerettet durch des Opfers Kraft. Der VATER: Gerettet? ... Wer? Kreonis: Phosphoros! DER VATER:
Du sprichst von Phosphoros?
Von ihm, der unser Heiligtum
Durch seine bloße Gegenwart entweihte?
Und welcher deine Seele schuldig machte?
Und Schuld bedeutet alles Denken,
Das ferner du an ihn wendest.
Er ist verflucht in alle Ewigkeit.
Vergiss den bösen Zauber
Und denk’ an nichts als Buße!
Er geht in den Hintergrund und steigt in die Krypta
hinab. Kreonis die unter der Verdammung des Vaters den Kopf gesenkt hatte, richtet ihn wieder auf. Ein Lächeln des Mitleids gefolgt von einem Strahle innerer Verzückung erhellt ihre Züge.)l:
Verflucht! ...
Ich werde für ihn beten ... Sie geht mit erhobenem Haupt, wie in Ekstase, in ihre Zelle.
[6. Auftritt Thessalus, bald danach Kleonis.]
THESSALUS ein alter Sklave: Beim Zeus, ich sterbe vor Ermüdung. Mich quälen Durst und Hunger. Hier leben die Jungfrauen der Wüste, Und auch Kleonies muss hier sein, Sie kann mich retten. Ich erwarte sie. (Er kauert bei der Säule nieder und schläft ein. Die Morgenröte geht auf.
KLeonis aus ihrer Zelle tretend: Prophetisch hell verkündet weißes Licht Den neuen Tage der öden Wüste ... Doch welch wunderbarer Stern erglänzi! ... Er schimmert durch das Morgenrot Wie Edelstein durch Purpurschleier Dem Sterne gleich erscheint er mir Von welchem ein Prophetenwort uns sagt: «Warum verstießen dich des Himmels Geister, Da überherrlich war dein leuchtend Wesen Im Urbeginn des Weltenseins? ... » Ich sah des Edelsteines Leuchten In deiner Krone, o du stolzer Engel,
Ich sah den Geist des Aufruhrs und des Leides ...
Er steigt herauf in neuem Glanze
Und sendet seinen Flammengruß der Sonne ... Ich liebe dich, du traurig schöner Phosphoros. Ach, finstrer Vater, töten möchtest du
Des freien Herzens Opferliebe ...
Der Seele edelste Kraft und höchster Schwung Sie sind dir fremd. Und fremd ist dir,
Dass Gott im Menschen sie entzündet.
Der Himmel Seligkeit ist Christi Reich,
Der Erde Leiden sind Phosphoros zu eigen. Zu Jesu Füßen mögen andre knien,
Sie bitten für der eignen Seele Seligkeit.
Ich aber will für den Verdammten
Die meine willig opfern! ... THEssaLus erwacht und steht auf: Kleonis, erkennst du mich? KLeonis: Wie, Thessalus, der Sklave meines Vaters? THESSALUS: Ja, Thessalus bin ich. Als kleines Kind habe ich In diesen Armen dich getragen. Dein Vater hat die Freiheit mir versprochen ... Er hat jedoch an Händler mich verkauft, Als ich zum Haus der guten Göttin ging Zu heilen meine Krankheit. Die Händler brachten mich nach Theben. Und als ich alt und schwach geworden Da warfen sie mich auf die Straße. In Not und Elend kam ich hierher In deine Wüste und zu dir. O sprich ein Wort zu meinen Gunsten Zu ihm, der Vater wird genannt bei euch. Er könnte vielleicht als Hirte mich gebrauchen, O gute Herrin, bitte für den alten Diener. Kreonis: Wer sagte dir, dass ich hier bin? THESSALUS: Ein Mann aus deiner Stadt Den Phosphoros man jetzo nennt, Und der in dieser Gegend reist. Kreonis: Wo sahst du ihn? THESSALus: Er war ganz nah von hier. Er will zurück in seine Heimat reisen
Und stellen sich dem Prokonsul.
Man sagt, er sei des Cäsars Feind
Und ihn erwarte Todesstrafe.
Kieonis:
Der Tod? Das kann nicht sein!
So höre, Thessalus: Willst Du
Nach Dionysia mich führen?
THESsaLus:
Gewiss, ich will es,
Wenn du zum Diener mich bestellst.
Doch wie entkommen wir von hier? Kreonis:
Das wirst du sehen, wart ein wenig!
(Sie geht in ihre Zelle und kommt bald wieder mit einem
Kästchen aus Zedernholz im Arm und in einen großen
Mantel gehüllt.
Das ist der letzte Rest von allem,
Was meinen Reichtum einst gebildet.
Noch ist der Kasten voll von Edelsteinen.
Es ist in ihm mein ganzes Erbe.
Mit diesem Schatz wollte ich bauen
Den Bräuten Christi ein stilles Kloster.
Nun soll er dir, o Phosphoros,
Die Rettung bringen aus der Not. TmessaLus öffner das Kästchen und wirft gierige Blicke hinein:
Beim Hades, welche Schätze!
Wann reisen wir?
Kreonis:
Sogleich. Man sieht die Jungfrauen und den Vater der Wüste aus der Krypta im Hintergrund der Bühne steigen und sich vor dem Altar gruppieren, zu Füßen Christi, des guten Hirten. Die Jungfrauen knien nieder und stimmen die Hymne an. Der Vater steht hinter ihnen mit erhobenen Armen, den Rücken zum Publikum gewendet bis zum Schluss der Szene.
JUNGFRAUEN Gesang: Wir bringen die Blumen des Feldes, Der Lilien heilige Zier, Der Ernte der ewigen Liebe, O ewiger Schnitter dir!
[Sobald sie die Jungfrauen erblickt hat, stößt Kleonis den Sklaven hinter die Säule.
Kreonis: Verbergen wir uns. [während des Gesanges Es wird mir schwer hinwegzugehn Von euch geliebten Tönen, süßen Wonnen, Von dir, du holde Wüsteneinsamkeit. Verlassen muss ich alles dies. Lebt wohl. Dem Hafen fern, auf wilden Wellen Zu leben ist in Zukunft mein Geschick. I(zu Thessalus Ich lechze nach dem Schaum des Meeres Nach loniens Küsten sehn ich mich. THESSALUS: Und du hast nicht Furcht, Zu reisen allein Unter eines alten Mannes Schutz? Kreonis:
Nein, Thessalus, ich fürchte nichts;
Ich will ertragen, was auch kommen mag. "THESSALUS im Tone des Aberglaubens:
So stehst du - -- in eines Gottes Schutz? Kreonis:
Ja, Thessalus, von einem Gotte,
Er ist stärker als der Zorn der Menge
Und kühner als Prophetenwort.
Dem Goute, der Trotz kann bieten
Der Schmach, der Lästerung und dem Tod.
Er ist der Herr der Liebe
Du bist es, Eros, Weltenschöpfer!
[Sie zieht Thessalus mit sich, beide gehen eilends ab. [Dritter Aufzug
Dieselbe Ausstattung wie im ersten Akt. Der große Platz in Dionysia. Links der Tempel des Bacchus, rechts die christliche Basilika, im Hintergrunde das Prytaneum, das nun Prätorium des Prokonsuls ist. Unter dem Portikus ein kurulischer Sessel aus Marmor.
1. Auftritt
Kleonis, verschleiert in grauem Mantel, bald danach Thessalus. Junge Mädchen in Trauer. Lykophron, einiges Volk und der Pontifex des Dionysios; eine Fran, ein junger Mann und ein Greis.]
Kreonis ihren Schleier zurückwerfend: Unheimlich ist die Schwüle hier, Der fahle Widerschein ist’s eines Schicksals, Der Gott und Menschen erzittern lässt; Man sieht es auf den Häusern Und auf aller Menschen Stirnen. — Wer kann befreien sich von solcher Last? zu Thessalus Wo aber find’ ich Phosphoros? THESSALUS: Er ist in jenem Kerker dort. Er hat sich selbst den Richtern überliefert. Man kann die Torheit nicht verstehn. Kreonis: Ich weiß, warum er’s tat. Herausfordern wollte er sein Schicksal. Er duldet lieber Schmach und Tod,
Als dass er sich dem Ruf entzöge.
Wann ist das Urteil zu erwarten? THESSALUS:
Ich kann es dir nicht sagen. Es kommt ein Trauerzug.
Kleonis verbirgt ihr Gesicht unter der Kappe.)
(Sechs junge Mädchen in schwarzen Schleiern, Olivenzweige tragend, von einigem Volk dahinter begleitet, darunter Lyko‚Pphron, nähern sich dem Tempel des Bacchus und sinken vor dem Altar auf die Knie.
DiE CHORFÜHRERIN!: O Dionysos, Beschützer dieser Stadi Wir kommen in Jammer und Not! Erhöre unser Flehen, unser Klagen! Ein edler Sohn der Stadt Er soll verfallen Cäsars Zorn. Ihm droht des Todes Schrecken. In Angst erzittern unsere Seelen, Es fallen unsere bittren Tränen Zu deinen Füßen nieder! Es bitten deine Kinder - hilf! Die JunGEn MÄDCHEN /einstimmig: Es bitten deine Kinder - hilf! Der PONTIFEX aus dem Tempel tretend: Ihr Mädchen unserer Stadt, Ich kenne euren Schmerz. Doch soll euch Trost und Hoffnung werden. Verkünden kann ich euch des Gottes Wort: Er sprach zu euch durch Sehermund. Das Vork: O! Ein Orakelwort - hört!
Der PonTirex: Ein Frevler hat entweiht die Stadt, Befreien kann uns nur ein Held. Es hat versprochen unser Gott Zu senden diesen Helden seinen Kindern. Doch kann uns werden diese Gnade Nur, wenn ein Wunder sich vollzieht, So strahlend wie die Sonne, Und heller leuchtend als die Sterne.
Die Frau, der junge Mann und der Greis bilden eine Gruppe.
Die Frau: Wer ist der Frevler? Der GReIs: Kein anderer ist’s als Phosphoros! DER JunGE Mann: Den Helden seht in Phosphoros! Der Geis den Kopf schüttelnd: Er wird gerichtet werden. DER JUNGE MANN zu Lykophron: Und was hast du zu sagen, Seher? LrykoPHRON: Der wahre Held wird offenbar Durch einen Stern an seiner Stirn. Die Binde reist von euren Augen: Und sichtbar wird der Held! DIE CHORFÜHRERIN!: O Gou der ewigen Werdelust, Du Lebensquelle der Seele, Erreger aller Erdentriebe,
Aus deinen Tränen keimen Menschen;
Aus deinem Lachen werden Götter!
So gib den Retter uns So gib uns unsern Helden, unsern Gou! DiE JunGEN MÄDCHEN einstimmig:
So gib uns unsern Helden, unsern Gott! Der PonTirex:
Ihr Mädchen, folgt mir in den Tempel.
In dieser Stunde wird ein Mensch gerichtet.
Da sollt ihr für ihn beten.
(Die jungen Mädchen und die Chorführerin folgen dem Pontifex in den Tempel.
Kreonis die abseits steht: Es naht die schwere Stunde, Was soll ich tun? DER JunGE Mann: Von welchem Gotte spricht wohl das Orakel? Der Geis: Es spricht von Cäsar! Die Frau: Von Christus spricht es! LyKoPHRON: Es kündet einen neuen Gott! Der Geis: Wie heißt er denn? LYKOPHRON: Der Name wird erst offenbart, Wenn ihn die Tat erweist. So seltsam sprach Prophetenmund, Seltsamer noch wird sein,
Wenn das Gesprochne sich erfüllt. Der Geis:
Es wird stets dunkel sein,
Was dieser Scher spricht. Die Frau:
Wir wollen den Bischof fragen;
Er weiß gewiss das Rechte. Der Geis:
Zu ihm lassi uns gehen.
Da Christen wir doch sind.
Die drei, gefolgt von einigem Volk, nähern sich der Basilika.
[2. Auftritt
Kleonis, Thessalus, Lykophron, der Greis, die Frau, der junge Mann, Volk.]
DER Geis: Du Hirte deiner treuen Herde, Im Namen Christi rufen wir dich ... Die Stadt ist in Jammer, sprich zu uns.
Glockenschlag im Innern der Basilika
Das Vork: Im Namen Christi rufen wir dich!
(Zweiter Glockenschlag Der BiscHorF aus dem Tor tretend: Was bittet ihr?
Der Geis: Erhabener Bischof, höre uns! Es soll gerichtet werden Phosphoros. Man zeiht ihn schwerer Schuld; Man sieht des Cäsars Feind in ihm. Die schlimmste Schmach erwartet ihn Die Stimme des Dionysos jedoch Sie kündet uns ein Wunder und den Helden Der aus der Not uns führt. Du musst ihn kennen, weiser Hirte. So sag uns, wer es ist!
Der BiscHor: Ihr redet von des Heidengottes Lügen Und wollet Christen sein! Ihr schämt euch nicht, zu treten In jenes Haus des Satans? So lange diese Lasterhöhle stehen wird, Wird Unzucht nur und Teufelei Bei diesem Volke herrschen. — Von einem Helden sprecht ihr, Der euch Freiheit bringen soll? Die wahre Freiheit ist zu finden Durch Einen nur, durch Christus-Jesus! Und auf ein Wunder wartet ihr? Es gibt nicht andre Wunder, Als jene, die in Christi Namen Verrichten die Kirche und ihre Diener. In dieser Stadt ist eine Wunderquelle nur, Sie ist bei diesem Hirtenstab! Ihr kommt unrein zu mir, Befleckt von Lastern der Heidengötter. Ich verbiete Euch deshalb, teilzunehmen An unsern Sakramenten! Geht --Das VoLk bestärzi: Den Fluch hat er gesprochen über uns! Der BiscHnor: Nur wenn ihr Reue übt, Erlass’ ich euch die Strafe. Das Vork: Wir wollen Reue üben! Der BiscHor: So hört! ... Er steigt die Stufen der Basilika hinunter. ... Hierher kommt!
Doch keine dreisten Stirnen zeigt ... [Er hebt drohend den Krummstab. Als Sünder bückt zur Erde euch.
Männer und Frauen bilden um den Bischof einen Kreis von gekrimmten Rücken und ausgestreckten Hälsen. Der Bischof spricht einem nach dem andern ins Ohr in gedämpftem und zischendem Ton.
Des Cäsars Feind nicht nur
Ist Phosphoros; er ist sogar
Im Bündnis mit den bösen Kräften.
Den Berg der schwarzen Zauberei
Im Taurus hat frech er bestiegen; Beschworen hat er Satanas.
Nur wer ein Kind des Lucifer geworden, Kann lebend diesen Ort verlassen;
Die andern sinken in den Abgrund. Also der Sünden Lüste voll,
Gelang es ihm, dem Wüstenheiligtum Der Jungfraun eine zu entführen.
Man weiß nicht, wo sie hingekommen.
Das Volk will Einspruch erheben durch Gebärden des Staunens und des Schreckens.
So steht’s mit eurem Helden.
Als Höllenbote zeigt er sich!
Es werden alle seine Missetaten Erwiesen ihm werden vor dem Richter. Er wird gezwungen werden,
In Demut hierher zu schleppen sich Bis zu dem Kreuze dieser Kirche;
Und hier wird geschehen das Wunder Es wird durch meinen Segen
Verziehen ihm werden auch von Cäsar. Wenn aber je wieder Phosphoros Erzeigen sollte Trotz dem Cäsar
Und unseres Gottes Kirche,
Dann habt zu rufen ihr
«Den Tod dem Sünder! Über ihn der Tod!» Nur solch’ Verhalten rettet euch!
Das Volk weicht mit Schrecken zurück. Der Bischof steigt feierlich die Stufen der Kirche hinauf und wendet sich im Tore um. Mit ausgestrecktem Krummstab spricht er in weihevollem Ton.
Vergebung eurer Sünden Und meinen Priestersegen Versprech’ ich euch, wenn so ihr handelt, Die bestürzte Menge verstreut sich langsam mit Gebärden der Verzweiflung. Die Frau, der junge Mann und der Greis gehen zuletzt ab, und zeigen, mehrmals sich umwendend, mit Zeichen des Schreckens auf das Kirchentor.
LrYKoPHRON beiseite: Es dienen die Sakramente Zur Seelenknechtung nur, Wenn solche Menschen sie behüten. [Er geht ab.
Kreonis: Er hat sie alle gegen sich, Den Cäsar und das ganze Reich, Den Bischof und die Christenschar. Sie werden ihn zerschmettern, Ihn, dem der Stern erglänzt An seiner schmerzensreichen Stirn. — Der Richter naht und hinter ihm Ein Heer von Menschen ohne Zahl.
[Die Soldaten kommen.
Und keiner ist in dieser Menge,
Der nicht bereit sich zeigt zu stoßen Die Waffe in des Theokles Brust. Wo ist dein Feuer, wo dein Blitz, Hinwegzufegen all den Hass?
Was soll ich tun in diesem Augenblick? — Dem Grab entstiegen ist ein Gott, Zur Hölle fuhr der Christus nieder, Verdammte zu erretten.
Und ich, in Liebe Auferstandene, Ich soll die Kraft nicht haben, Den geliebten Helden zu befrein?
Ihr Himmelsmächte, Seelenschöpfer
Erschaffet freie Menschen jetzt!
Du Gott der Liebe, hilf mir!
O härte zum Demant mein Herz,
Dass ich ertrage alle Schläge!
Zu Flammen lasse meine Arme werden
Die alle Ketten sprengen,
Die meinen Phosphoros erlösen! Sie breitet die Arme aus wie in Ekstase. THESSALUS:
Da kommen Waffenträger!
Man kann hier uns entdecken.
Verbergen wir uns
Bei deiner Schwester.
Er zieht sie mit sich.
[3. Auftritt
Damis, Phrygius, Androkles kommen in Eile und sprechen gedämpft in schnellem Rhythmus.]
ANDROKLES zu Damis: Ist ausgeführt, was ich angeordnei? Damis: An jedem Tor der Stadt verbergen sich Je zwanzig Mann in einem Hause; Von sichern Männern angeführt, Erwarten sie das Zeichen, Die Wache der Legionäre anzugreifen. Und auch du hast das deine vorbereitet? Auf dass der Überfall auf die Akropolis
In bester Ari gelingen kann? ÄNDROKLES:
Die Phalanx steht bereit zum Angriff.
Sie wird die Wachen überfallen,
Die aufgestellt von den Barbaren. Gelingt uns nur der erste Schlag,
So wird sich alles Weitere finden.
Ist erst beseitigt der Prokonsul,
Dann geht das Volk zum Angriff über.
Erschrecken werden die Barbaren,
Und die Empörung greift um sich. Damiis:
Wann soll das Zeichen gegeben werden? ANDROKLES:
Dem Todesurteil soll es sogleich folgen. Prrysius:
Und es besteht kein Zweifel,
Dass Harpalus getötet werde?
Er wird bewacht mit Argusaugen.
Das Volk es wartet auf ein Wunder
Und wird, erfolgt dies Wunder nicht,
Im rechten Augenblick versagen. ÄNDROKLES:
Geschieht durch uns das Rechte,
So ist das Wunder ja getan! Prrysivs:
Es können hundert Speere
Getroffen haben unsere Leiber,
Bevor wir den Todesstoß geführt.
Und hat man uns erst überwunden, Wer wird den Aufruhr leiten
Und Führer sein im Kampf? Damiis:
So willst du stören die gute Sache? ANDROKLES:
Wir dürfen jetzt nicht wanken,
Soll nicht die ganze Sache scheitern. Prirysius:
Ich warte auf ein Zeichen,
Das uns die Götter senden.
Und rühren will ich keine Hand,
Erfolgt ein solches nicht.
K(Fanfarenstoß im Prytaneum
ÄNDROKLES: Es naht der Prokonsul. Schweigt! [4. Auftritt
Der Prokonsul Harpalus tritt aus dem Prytaneum, ihm voran schreiten die Liktoren und der Herold. Er nimmt auf dem kurulischen Stuhle Platz, oberhalb der Treppe. Hinter ihm, im Portikus des Hintergrundes reihen sich die Legionäre auf. Das Volk strömt von allen Seiten und füllt die Agora. Der junge Mann, die Frau und der Greis bilden eine besondere Gruppe. Alcetas kommt mit den drei Hetären: Aglaö, Cytheres, Mimalone, in Bacchantinnentracht. Sie lassen sich links auf die Stufen des Bacchustempels nieder. Der Seher Lykophron, auf einen knotigen Stock gestützt, setzt sich zu ihren Füßen. - Rechts, unter dem Tor der Basilika, erscheint Kleonis, den Kopf in der Kappe des Mantels verborgen. - Die drei Verschworenen Damis, Androkles, Phrygius nehmen die Mitte der Bühne ein.] ALCETAS:
Ein Urteil wird vollstreckt.
Da gibt es was zu sehen.
Wir wollen den Reiz genießen. AGLAE /{ironisch:
Obwohl Dionysos Sohn
Bewahrt sich hat seine Schönheit
Noch bis zu dieser Stunde - ? CYTHERIS verächtlich:
So rein ... MIMALONE biter:
So stark! AGLAE:
Ob unter Rutenstreichen
Er meines Bechers wohl gedenkt? CYTHERES:
Und meiner Rosen, die verschmäht er hat? MIMALONE:
Und meines Zauberstabes? —
(Drei Liktoren führen Phosphoros hinein, barhaupt, das Schwert an der Seite und stellen sich zur Rechten des
Prokonsuls auf. Danmis: Da ist er ... Wie blass er ist! ALCETAS: Er scheint nicht anderen Sinnes! Purvsius:
Er ist zermalmt. KLeonis an einen Pfeiler gelehnt: Die Sinne schwinden mir. (Ein Murmeln der Aufregung geht durch den Saal.
Der HEROLD: Zu schweigen haben alle. Der Prokonsul redet. —
HARPALUS auf dem Prätorstuhle sitzend: Die Kinder dieser Stadt Erblickten einen ihrer Besten In dir, Theokles, Sohn des Agathon. Die höchsten Gaben des Geistes und des Glücks Sie sind in vollem Maße dir geworden. Du hättest unter Dionysias Bürgern Der erste wahrlich werden können. Ja mehr noch, ein Großer im Reiche selbst, Wenn du geachtet hättest Kaiser und Kirche, Die Mächte, welche herrschen auf der Erde. Dein Vater war ein hoher Würdenträger Und deine Mutter eine fromme Frau. Doch scheint es, als ob deine Seele Zum Vater hätte einen wilden Dämon Und eine Bacchantin zur Mutter. Der Hochmut lebte seit der Kindheit In deinem ungestümen Herzen, Und Demut war stets dir fremd, Empfinden konntest du sie nicht, Im Anblick des Kreuzes Christi, Noch vor des Kaisers Bildnis. Du hast dich ferngehalten Von Festen des Hofes und des Reichs, Besuchtest du die Heidentempel, Es war nur, um zu finden dort Für deinen Geist die Waffen,
Die uns bekämpfen sollten.
Die echte Achtung und Anbetung, Sie fehlten dir gegen jeden Gott.
In dir allein suchtest du
Den Gott und Herrn der Welt.
Deine Reisen galten der Verschwörung. Du hast durch sieben Jahre Durchwandert alle Länder; Geheimnisvoll war deine Absicht.
Du warst in Ägypten und Chaldäa. Erforschen wolltest du daselbst
Die schwarzen Zauberkünste.
Es führten keine guten Ziele dich Nach Alexandrien und nach Athen. Und auch die Stadt des Cäsars, Rom, Betratest du mit Feindessinn.
Wohin du auch die Schritte lenktest, Du nährtest den Geist des Zweifels, Des Kampfes und wilder Empörung. Es war des Cäsars Auge, des allschenden, Auf dich gerichtet, unablässig;
Er sah mit Milde auf dich,
Bis du zurück in deine Heimat kamst. Und welches war nun deine erste Tat? Man konnte dich belauschen,
Wie du in finstrer Nacht
An Cäsars Bildnis schriebst
Die frevelhaften Worte
Mit deinem eignen Blut.
Als Kaisers Stellvertreter Und als dein bestellter Richter
Erkenne ich dich schuldig
Der Schmähung unseres Kaisers. —
Wie kannst du dich verteidigen?
Auf nichts zu hoffen hasi du,
Als auf des Kaisers Gnade.
Dein Leben ist in meiner Hand.
Du stehst umringt von drohenden Speeren
Und von erschreckten Volksgenossen,
Auf welche dein frecher Übermut
Den Zorn der Götter lenken wollte.
Die Kirche und das Reich,
Sie klagen schwarzer Tat dich an.
Womit verteidigst du dich? PHosPHOROS:
Ich will mich nicht verteidigen.
Unwürdig scheint es mir,
Mein Leben zu verteidigen,
Das eines deiner Worte enden kann.
Ich habe frei mich ausgeliefert.
Nicht meinen Richtern gelten meine letzten Worte.
Sie gelten dir, mein Dionysia.
Du warst bis heute eine freie Stadt,
Seit jenen Zeiten, da deine Helden lebten.
Verbündete warst du des Königsvolkes,
Doch niemals Untertanin Roms.
Es war der freie Wille deiner Söhne,
Zu kämpfen für den großen Alexander.
Den Römern widerstanden sie bis heute.
Geachtet haben ihre Freiheit alle Kaiser,
Bis jener kam, der Christ sich nennt. Die Kirche gibt er vor zu schützen,
Doch knechten will er nur die Stadt.
Er will uns die Archonten und Phratrien Und unsere stolze Phalanx rauben. Geweigert haben wir uns nicht,
Zu überliefern, was an äußern Gütern Die Stadt ihr eigen nannte,
Soweit ergaben wir uns roher Kraft. Doch eines war trotz allem uns geblieben Die Stäute, die uns heilig war,
Die stets geschmückt mit Blumen
Und mit der Jugend Erstlingsgaben,
Den Sinn uns lenkt zu unserm Geist, Zum Letzigebornen aus dem Götterstamme. Wenn wir vor diesem Gotte standen,
Da sagten sich unsere freien Herzen: Verzichten können wir auf andere Schätze, Auf Kriegerruhm und Herrschaft;
Denn unser ist die Hoffnung.
Doch euer Cäsar hat uns rauben wollen Das Heiligtum unserer Seelen,
Die Hoffnung einer Wiedergeburt.
Er ließ deshalb sein eigenes Bild
An unsere Opferstätte setzen.
Unwürdig wär’s für die Seele Dionysias, Zu sterben ohne Schrei des Schmerzes, Wenn solcher Frevel sie ertötet.
Ich war’s, der letzte ihrer Söhne,
Dem dieser Schrei sich aus der Kehle presste. Ich habe die Worte mit Blut gezeichnet, Die mit Harmodius unterschrieben. Die andern Namen gelten mir nicht; Mit diesem aber möcht’ ich sterben. — HaRrPALUS: Es ist genug, was in Geduld Ich angehört. Nichts weiter von alledem. Du hast uns noch zu sagen, Wer deine Mitverschwornen sind. Prrospmoros: O, wenn ich sie doch hätte! Erkennst an dieser stummen Stadt, An diesen angsterfüllten Menschen Du nicht, wie allein ich stehe. Du magst den Sieg genießen; Denn Einer nur hat dir getrotzt. HARPALUS: Du hast sie doch! Ich will sie kennen. Dies ist das Urteil. STIMMEN IM VOLk: O Gnade, Gnade! Der HEROLD: Ihr habt zu schweigen. Das Urteil hört euch an! HaRrPALUS: Den Tod verdienst du hundertfach Durch deine Lästerung des großen Cäsar! Vor seinem Bildnis sollst du sterben. Doch wirst du vor dem Tode Erleiden die Strafe der Auspeitschung Vor allen deinen Mitbürgern. Murmeln der Entrüstung im Volk Doch will in einem Falle der Kaiser
Gemildert wissen deine Strafe Die Todesstrafe soll dir erlassen werden
Dafür aber wirst du lebenslang
In die Verbannung gehen,
Wenn dir ein Freund zur Seite steht,
Der diese Strafe mit erdulden will.
Wir wollen sehen, ob ein Pylades
Sich finden wird für dich, Orestes. Damis zu Androkles und Phrygins:
Ich werde treu ihm bleiben!
Wenn ihr nicht Harpalus ermordet,
So folge ich dem Freunde. Purysivs:
Du läufst in dein Verderben,
Erkennen müsstest du doch,
Dass Harpalus durch solche List
Die Verschworenen finden will! AÄNDROKLES:
Der Augenblick ist da,
Den Todesstoß zu führen. Purysivs:
Es ist töricht, nicht zu sehen,
Wie scharf die Legionäre
Die Augen auf uns richten,
Und das Volk ist angsterfüllt.
Wir können jetzt nichts tun. Der HEROLD:
Wer will Theokles folgen
In die Verbannung?
Er zeige sich! Die drei Verschworenen stehen dicht beieinander, wie um zu beraten. Phrygius hält Damis und Androkles zurück, welche, die Hand am Schwertgriff, bereit sind vorzustürzen.
HARPALUS: Ihr Bürger Dionysias, Ich rufe euch, zum Zeugnis auf: Es hat sich keiner gefunden, Der folgen will als Freund Dem Feinde Cäsars unseres Herrn. — Harmodius, so rufe an Den Geist, der Mut dir geben kann. Liktoren, bindet ihn und peitscht ihn!
Die Liktoren binden Phosphoros die Hände auf den Rücken, zwingen ihn niederzuknien und heben die Ruten. Ein Erschauern geht durch die Massen.
Kieonis wift Kappe und Mantel zurück, stürzt sich auf die Liktoren, entreißt ihnen die Ruten und ruft: O haltet ein, ihr Elenden! Sie wendet sich zum Prokonsul und zum Volk. Es steht kein Freund zur Seite Dem letzten freien Mann, Den Dionysia geboren. Ich aber will mit ihm erleiden Verbannung oder Tod! Sie nimmt Phosphoros’ Kopf in beide Hände und küsst ihm die Stirn. Mit einem Dolch durchschneidet sie seine Fesseln. Alle sind verwirrt. PHoSPHOROS /frichtet sich auf, und bleibt einen Augenblick starr vor Staunen:
Kleonis, o Kleonis!
Das war die Feuertaufe
Auf meine todeskalte Stirn.
Erweckung konnte mir allein
Von deinen Lippen kommen.
(Große Bewegung im Volke und wachsender Tumult
Die Frau: Ein Wunder ist geschehn, ein Wunder! DER GREIS UND DER JUNGE MANN: Der Held, der uns verkündet! Ein TEIL DES VOLKES: Die Jungfrau aus der Wüste! Ein ANDERER TEIL DES VOLKES: Phosphoros - Kleonis! Kleonis - Phosphoros! ALLE: Ein Wunder ist das! Wir wollen sie erretten! ProspHoRos sein Schwert ziehend: Harmodius, er lebt! Mir nach, ihr Brüder! HarPALus aufstehend zu den Liktoren und Legionären: Ergreift die Frevler! Damis, ANDROKLES UND PHRYGIUS stärzen mit gezücktem Schwert auf Harpalus, ein Schrei: Der Tod dem Prokonsul! ...
Harpalus, zu Tode getroffen, sinkt auf den kurulischen Stuhl. PHosPHOROS der unbeweglich vor Harpalus dastand, das
Schwert zum Himmel gerichtet) ]: Die Seele Dionysias rächt sich! Erhebe die deine zu dem Geiste, Der waltei über dieser Stadt. HarPALUS: Der Letzigeborne aus dem Götterstamme!
... Phosphoros! - (Er stirbt.
(Die Legionäre haben den Versuch gemacht, sich auf die Verschworenen zu stürzen. Sie werden von den Volksmassen aufgehalten, die sie entwaffnen und zurückdrängen. Die Leiche des Harpalus wird fortgetragen. - Kleonis wirft sich in Phosphoros’ Arme. Sie stehen umschlungen, oben auf dem Prätorium ... Ein starker Zimbelschlag ertönt links hinter der Bühne. Die Liebenden bleiben unbeweglich, in gegenseitigem Anblick versunken.
Damis stürzt in den Vordergrund der Bühne:
Die Zimbeln tönen, Die Tore unserer Stadt sind frei!
KFanfarenstoß rechts
ANDROKLES ebenso: Die Fanfare tönt, Das Zeichen ist's, dass die Akropolis In unseren Händen wieder ist! Prirysius ebenso: Die Töne klingen wieder in der Ferne! Dyrapolis wird morgen frei sein. Das Joch der Römer wird es brechen. Ich wage, dies zu sagen, ich, der Königssohn. PHosPHoRros Kleonis’ Armen sich entreißend): So bist du frei, o Dionysia. Die Klänge deiner Freude, Die Fackeln deiner Hoffnung, Sie mögen fliegen von Stadt zu Stadt; Verkündigen sollen sie der Welt: Gebrochen sind die alten Ketten; Es ist ein Gott in Menschenherzen Und aus der Erde strömt Die Freude, die unsterblich ist.
Das Volk bildei einen großen Kreis um die Agora. Die drei Verschworenen stehen in der Mitte.
ALLE:
Kleonis - Heil und Phosphoros - Heil!
Du bist Archont von Dionysia! PHospHoROS steigt vom Prätorium hinab, Kleonis an der Hand haltend)}:
O meine Brüder Dionysias,
Nicht mir, dieser Heldenjungfrau
Gebührt der Dank, der in euren Seelen lebt.
Sie hat die Freiheit euch gebracht.
Es waren ihre Arme stärker
Als alle Speere der Feinde.
Das Feuer ihrer Augen überstrahlte
Die Fackeln eurer Priester.
Die Kraft in ihrer Brust war stark genug
Zu sprengen meine Fesseln,
Zu ziehen eure Schwerter,
Und aus dem Boden unserer Stadt
Den Sieg erstehn zu lassen. Kleonis, ob du mich liebst Wie könnt ich dieses fragen, Da ich die Kraft aus deiner Liebe In meinen Adern strömen fühle. Seit du befreiend die Arme Um mich geschlungen hast. So willst du Gattin mir sein Und teilen mein Geschick? Kreonis: Mein Held und mein Gemahl Mein Gott und meines Lebens "Traum, Mit dir zu teilen Tod und Leben, Den Himmel und die Hölle, Die Ewigkeit so wie das Nichts: Es kann kein edler Los mir fallen. Dein Wesen lebte einst in meinem Denken, Da du noch nicht gefunden dich selbst. Und jetzt will ich in dir nur sein, Da Held du bist und Sieger. (Sie küssen sich mehrmals wie begeistert und bleiben in gegenseitiger Betrachtung versunken. - Die drei Bacchantinnen sind von den Stufen des Bacchustempels hinuntergestie‚gen, wie gebannt durch den Anblick der Liebenden, die sie mit gespannter Neugierde betrachten. Plötzlich bleiben sie stehen.
AGLAE: Was soll noch mein Becher
Wenn ihre Lippen den Durst ihm löschen? Sie wendet die Augen ab und senkt das Haupt. CYTHERES: Vor ihrem Lächeln welken meine Blumen. [Sie sinkt wie ohnmächtig auf die Stufen des Tempels nieder. MIMALONE: So breche dieser Thyrsus Vor dieser Liebe! ... [Sie bricht ihren Thyrsus in zwei Teile und wirft sich auf die Treppe, indem sie sich vor Verzweiflung krümmt. ALCETAS die Augen auf das Paar gerichtet: Ihre Schönheit hat mich besiegt. LYKoPHRON: Erzittert, Tyrannen der Seele, Ihr ewigen Götter schaut herab. Erfreut euch an der Liebe Macht, Die lebt im Herzen solcher Menschen. Ergötzi euch an dem Heldenpaar, Das wirkt im Herzen solcher Stadt. —
[6. Auftritt Dieselben, der Bischof]
Der BiscHor trütt heftig aus der Basilika: Ein Unerhörtes ist geschehn! Du Mörder deines Richters, Der du das Volk verführtest Und Räuber einer Jungfrau wurdest, Die unserm Gott geweiht. Sie wollen dich zum Oberhaupt, Die deiner Sünde Opfer sind.
Ich aber, der Diener unserer Kirche,
Ich fordere, dass du Rede stehst.
In wessen Namen du verrichtest
Die schwarze Kunst der Hölle.
Denn wird erst offenbar, woher
Du holtest deine Zaubermacht,
So wird des Himmels Zorn dich treffen.
Bei diesem Hirtenstab befehle ich,
Bekenne, welchem Gott du dienst,
Als Feind des Cäsars und der Kirche.
Gehorchst du nicht, verfluch ich dich. PnospHoros:
Ich habe keine Furcht vor dir,
Der du dich Hirte nennst und Priester.
Dein Fluchen zeigt, dass du es bist,
Der schlimmen Mächten huldigt.
Die edle Jungfrau folgt mir frei.
Bekennen will ich offen
Den Geist, der in mir lebt.
Er darf sich neben Christus stellen. Ist dieser das eine der Worte,
Durch welche Gotteskraft
In Menschenseelen strömt,
So ist das zweite jenes Flammenwesen,
Das durch mein Herz sich offenbart!
O meine Brüder, meine Freunde,
Erkennt, dass in euch lebt ein Gottesfunke;
In jeder Seele wirkt ein Stück des Feuers,
Das jener Geist des Lichts ihr gibt. Ich will dies Feuer tragen in die Welt. Befreien soll es eure Geister Von jenen dunklen Erdenmächten, Die freien Menschen Ketten schmieden, Befreien auch von den Priestern, Die Seelen für die Finsternis erziehen. Die Phalanx Dionysias Zerstöre Cäsars Bildnis! Es soll der Geist des Lichtes Fortan strahlen von dem Altar Des Letztgeborenen aus dem Götterstamm. Es lebe Lucifer, der Freiheit Hort! Das VoLk geht ab mit den Rufen: Es lebe Lucifer, der Freiheit Hort! Der BiscHorF beiseite: Die Hölle will ich hetzen auf ihn; Man muss Kleonis von ihm trennen, Sie gibt ihm Kraft und Stärke. KEr tritt heftig in die Basilika.
Die feierlichen Klänge einer hochzeitlichen Musik, wo geheimnisvolle Zimbeln sich mit der Flöte und Lyra vermischen, ertönen im Innern des Dionysos-Tempels.
Der Pontifex erscheint unter dem Portikus; ihm voran schreiten junge Mädchen, die ihre Trauerkleider abgelegt haben, in festlichen Gewändern. Die Chorführerin trägt das Flammeum, einen mit Sternen bedeckten Purpurschleier, die zweite hält den Hochzeitskranz. Sie schmücken Kleonis. Die jungen Mädchen reihen sich links auf, die dionysische Phalanx rechts, sodass sie eine Doppelreihe bilden, die zum Prytaneum führt. - Dämmerung. PHoSPHOROS wendet sich plötzlich um und erblickt die Fackeln, die sich im Hofe des Prytaneum entzünden:
Verwandelt scheint mir die Welt.
Bin Phosphoros ich denn noch?
Ist’s noch die Jungfrau aus der Wüste,
Aus deren Augen Feuer strahlt,
Und stolz sich offenbart?
Ein Hochzeitsfest ... Wie ein Traum!
Ich wage nicht zu denken ... Kreonis strahlend:
Warum verlierst du dich, mein stolzer Held?
Ich habe meinen Christus lassen müssen,
Zu folgen deinem Geisteslicht.
Ist dir bekannt, wie groß der Mut
Muss sein, der solche "Tat vollführt?
Messias bist du mir geworden;
Ich zittre nicht vor meinem Glück,
In vollen Zügen trink ich’s aus.
Zu matt sind diese Fackeln,
Zu leicht sind diese Düfte.
Es strömt das Feuer meines Herzens;
Mein Blut, es wird zum Lavastrom!
Mit dir zu sterben dürstet mich. PHosPHOROS sieht sie wie trunken an:
O welche Sühne bringen wir
Für diese Größe unsers Glückes? Kreonis:
So wollen wir nicht denken!
Es scheint mir diese Hochzeitsnacht
Der Ewigkeit an Wert nicht nach zu stehn.
Der Himmel selbst beneidet uns, Der ganze Äther sendet uns sein Licht! ... Du kennst die Liebe nicht auf ihrer Höhe! Wo sie uns lebt, bedeutet nichts Das Leid und nichts die Freude ... Vor ihr verschwinden Schmach und Ruhm. Sie überwindet alles, wenn treu Nur sie sich selbst vermag zu sein! ... Die Seele, die in Liebe erglüht, Beherrscht die Reiche aller Welten! Mit stolzer Freude wird Kleonis Für dich erdulden jedes Leid, Und müsste sie an deiner Seite In tiefste Tiefen fallen. Pnuospmoros: In deinen Augen lebt ein Weltenall. O gehen wir.
(Sie steigen die Stufen des Prytaneums hinauf. Unter dem Portikus wenden sie sich um. Mit freundlicher Gebärde grüßt Phosphoros die dionysische Phalanx, Kleonis die Prozession der jungen Mädchen. Zu gleicher Zeit treten die verklärten Bacchantinnen bis an die Stufen des Tempels.
AGLAE aus ihrem Becher Trankopfer gießend: Der Seelen Sehnsucht Den Trunk aus diesem Becher. CYTHERES aus ihrem Korbe Blumen streuend: Der Herzensreinheit Der Blumen Duft! MIMALONE zwei Palmenzweige hoch in ihren Händen hebend: Der Kraft der Liebe, Des Sieges Sinnbild. Damis tritt vor als Chorführer der Phalanx und spricht die erste Strophe des bräutlichen Hymnus: Heil dir, Heil! Blühende Braut, Unter lodernden Fackeln Harrend erschaut; Aufleuchtet dein Morgen, Dein Glück ist geborgen. Sieg strahlei die Welt, Und Sieger dein Held! ALLE: Evios! Evios! Hymeneios! DiE CHORFÜHRERIN DER JUNGEN MÄDCHEN: In Myrthenkränzen Die Schwerter glänzen, Und tot der Tyrann! Durch Schwerter und Myrthen War Hilf uns nah, Ein Gott ist geboren, Der Held, er ist da! ALLE: Evios! Evios! Hymeneios!
Während das Paar langsam im Hintergrund des Prytaneums verschwindet, kreuzen die jungen Leute und die jungen Mädchen ihre Fackeln und Schwerter und sprechen abwechselnd die Epode. Damiis: Vermählen wir heute Myrthen und Schwerter Den lodernden Lichten. DiE CHORFÜHRERIN: Bewahre den Traum Im bräutlichen Heim, Bewache der Liebe Göttlichen Keim. ALLE: Evios! Evios! Hymeneios!
Vorhang [Vierter Aufzug
Der Garten des Phosphoros in Dionysia. - Ein Garten mit großen, schattigen Baumgruppen; hier und da Stelen, welche die Büsten von Weisen und Helden tragen. Zwischen den Statuen von Castor und Pollux, deren marmorne Pferde sich gen Himmel bäumen, sieht man in der Ferne das schimmernde Meer. Links, kleiner Portikus mit ionischen Säulen. In seiner Nische die Bildsäule Lucifers, der, den Fuß auf den Globus zum Fluge ausholt. Vor ihm steht der Hausaltar. Darunter liegen Waffen-Trophäen. In der Nähe eine steinerne Bank. Rechts, in der Ferne erblickt man die Stadt mit der sie überragenden Akropolis.
1. Auftritt
Kleonis am Hausaltar ihn mit Laubgewinden und Blumenkränzen schmückend. Phosphoros sitzt auf der Bank. Neben ihm steht eine Wache.]
PHospHoROS:
Ist keine Botschaft von Damis da? WACHE:
Ich habe nichts gehört! PhospHoros:
Und auch von Androkles nichts?
Und keine von dem Heer? Die Wache:
Ich weiß auch davon nichts! PnospHoRos:
Und nichts von Phrygius? Die WAcHE: Auch nichts von ihm! Prospmoros: Verkünde ihnen, wenn sie kommen, Dass sie sich bei mir melden sollen!
(Wache ab
Kreonis:
Es ist nun heute schon der dritte Tag,
Seit mein geliebter Phosphoros
Mir vorenthält das Innere seiner Seele,
Und heute ist er ganz verstummt. PhospHoroSs:
Es kommen Tage, wo der Mensch
Mit seiner Seele allein muss bleiben,
Verborgner Offenbarung zu lauschen. KLEONIS lässt ihren unbeendigten Kranz fallen:
Verbergen etwas auch vor mir?
Das kann nur sein, wenn du
Verbergen vor der eignen Seele willst
Gedanken, welche dich bedrücken. —
Was ist geschehn? Pnospmoros:
Bekannt ist dir schon alles! Kreonis (eilt zur Bank und lässt sich auf ihr nieder. Sie ergreift Phosphoros’ Hände, nimmt dann seinen Kopf in die ihren und blickt ihm tief ins Auge:
So ist es nicht! Was ist dir?
Getrübt und traurig ist dein Auge.
O Phosphoros vertraue mir!
Ich bin die Seele deines Lebens, In mir erklingt die Liebe
Mit zarten, sanften Tönen oft,
Und oft mit Macht erfüllten;
Doch immer wie die Harmonie des Himmels.
Versage Phosphoros mir nichts,
Da ich dir alles doch gegeben habe. PnospHoroSs:
Kleonis, meine holde Seherin,
Die in meiner Seele Tiefen schaut,
Ich kann dir nichts verschweigen!
Es lastet schwer auf meinem Herzen,
Und raubt mir Kraft und Hoffnung,
Dass alles, was ich wirken will,
Nicht Widerhall kann finden
In jener Welt, für die bestimmt es ist.
Herausgefordert habe ich die Erdenmächte
Den Cäsar und die Kirche. —
Die Menschen aber folgen diesen,
Und schwer wird rächen sich an mir,
Das Schicksal, dem ich mich entgegenstelle. Kreonis:
Nicht so sollst du sprechen, Phosphoros!
Ein jeder Sieg ist eine Göttin.
Undankbar wär’ es, wolltest du
Nicht achten jene, welche zu dir kamen,
Um zu berühren deine Stirne
Mit ihren weißen Flammenflügeln.
Gedenk des größten Tages deines Lebens.
Nach deinem Abzug mit der Phalanx
Da folgt’ ich meines Herzens Drang,
Und gegen deinen Wunsch Begab ich mich ins Lager,
Dein Zelt war leer, die Schlacht begann. Vor mir im weiten Umkreis
Erblickte ich des Cäsars Heer,
Ich sah das finstre Erz der Römer
Und der Barbaren grelle Farben.
Ich selbst befand auf jenem Hügel mich, Auf welchem die Scharen kämpften, Die unter deiner Leitung standen,
Mit Damis und mit Androkles
Als Führer eurer beiden Flügel.
Da plötzlich auf dem andern Hügel Erschienen Reiter und Bogenschützen. Es waren die Heere von Dyrapolis
Von Phrygius befehligt.
Man hörte stürmisch rufen: Phosphoros! Von einer Seite, von der andern: Phrygius! Ergreifend eine Hand voll Pfeile
Und in der Phalanx Mitte stürmend, Befeuerst du die Kämpfenden, rufend: «Die freie Stadt mit Lucifer als Gou!» Ich durfte dir nicht folgen.
Die Wache verwehrt’ es mir.
Ich sah den ganzen Tag hindurch
Die Schlacht mit allem furchtbar Großen; Ich sah das Schicksal walten über allem, Verteilend gute und schlimme Lose, Des Todes und des Lebens Würfel.
Ich sah der Feinde Niederlage
Und hörte unsere Phalanx feurig rufen: «Die freie Stadt mit Lucifer als Gou!» PHosPpHOROS:
Und abends traf ich meine Heldin
Im Lager, einer Siegesgöttin gleich.
Das Feuer auf den Lippen.
Der größte Tag des Lebens war es! Kreonis:
Und wenn dir alles dies
So klar vor Augen steht,
Wie kannst du heute mutlos sein?
Gedenkst du noch, wie Damis,
Wie Androkles als Helden glänzten,
Wie Phrygius, dem dieser Tag
Die Königswürde brachte,
Dir stolz die Hand als Bruder bot.
Nach ihres Herzens Wesen
War eines jeden Siegesbeute:
Bei Damis war sie eine Seele,
Bei Androkles bestand sie in Trophäen,
Und eine Krone hatte Phrygius errungen.
Dir dankten sie als ihren Meister,
Du hattest sie zu ihrem Gott erhoben! PHosPpHoRoS:
Zu schaffen freie Menschen
Ist mir der Traum des Lebens.
An jenem Tage war er Wirklichkeit! Kreonis:
Und Wirklichkeit soll stets er sein. PmospHoRoS:
Es hat das Leben solche Höhen,
Die einmal nur erstiegen werden. Man steht dann Aug in Auge
Dem Schicksal gegenüber. KLeonis:
Mein Feuer und mein Licht, so höre!
An jenem Abend der Schlacht,
Als ohne Atem von dem Pferde
In deinen Arm ich sank,
Da fühlte ich unser Schicksal.
Getrennt sind wir ohne Macht,
Vereint vermögen wir alles.
Es treffen zwei der Welten sich
In unserer Liebe Lebensstrom,
Und ihr Begegnen ruft hervor
Das Echo an den Grenzen alles Seins.
Es lassen solche Liebestaten neue Welten
Aufsteigen aus dem Schoß des Raumes. PHosPpHoRoSs:
Du sprichst die Wahrheit.
Ein Weltenbaum entkeimte jener Tat. Kreonis:
Und wir sind jenes Baumes Stamm. PHosPpHoRroSs:
Und leben wird der Baum
Solang der Saft sich frisch erhält. KLeonis:
Solange unsere Seelen
In eins zusammenklingen. PhospHoros:
So kann uns nichts besiegen! [2. Auftritt
Dieselben, Lykophron hat sich langsamen Schrittes genähert, bleibt vor dem Paare stehen, die Hände auf seinen Stock gestützt und blickt es an.]
Kieonis: Der Seher! PmospmHoros: O Greis, du hast von Sieg gesprochen, Als ich zuerst dich sah. Was du gesagt, ist eingetroffen! — Ist deinem Seherauge kund. Was ferner mir geschieht? LYKOPHRON: Du sollst nicht schlummern Auf deinen Siegen, Phosphoros. Es kommen schlimme Zeiten. Der Bischof sinnt nichts Gutes. Die Christen sind betört von ihm, Bewache deine Stadt! PHosPpHoROS: Wir brauchen weder Bischof Noch Mönch zu fürchten. Wir haben Damis, Androkles Und Phrygius als feste Stützen. Mit mir bewachen sie die Stadt. LyKoOPHRON: Wie Gold so treu ist Damis’ Herz, Doch zart ist seine Seele; Der kleinste Sturm ist ihm gefährlich. Ungestüm ist Androkles gewiss
Und jedem offenen Kampf gewachsen,
Doch wenig der List und Schlauheit.
Misstraue Phrygius!
Sein Stolz kann leicht
In Neid sich wandeln. PHospHoROS:
Wie soll ich Phrygius,
Wie Androkles und Damis
Auch nur im Geringsten misstrauen?
Ich habe mehr Vertrauen nicht
Zum eignen Leibe als zu ihnen. LykoPHRON:
Es kann der Leib verraten seine Seele. PHospHOROS:
So willst du selbst den Mut mir rauben? LYKoPHRON:
Ich will ihn stählen gegen Missgeschick! Puospmoros:
Du schicktest mich zum Tempel,
In welchem mir der lichte Geist erschien.
Du hasi den Weg des Sieges mir gezeigt.
Wie sollt ich nicht erschrecken,
Wenn von Gefahr und Tod
Du heute redest. LyKkoPHROoN:
Der Sieg des Geistes ist eine Flamme,
Die auf dem Scheiterhaufen lodert;
Des Todes Tochter
Ist die Unsterblichkeit. (Er macht einige Schritte in den Hintergrund, wendet sich zwischen den Dioskuren um,
die Arme zum Himmel erhebend und verschwindet. PmospHoROS:
Die Träume dieses Schers,
Wozu sie prüfen?
Ich will die Phalanx sammeln.
Es scheint sich zu entwickeln
Der Kampf der Welt mit mir. Kreonis:
Ich will an deiner Seite kämpfen. PHospHOROS:
So wird Kleonis
Mir Kampfgenosse werden! Kieonis:
Es darf nicht anders sein.
In Liebe untertauchen
Bis man die Welt vergessen,
Ist Lust der Menschen,
Doch Götterwonne ist’s
Gemeinsam siegen! PhosPpHOROS:
So sei du, Kleonis,
Die Göttin meines Sieges!
(Er drückt sie in seine Arme und geht ab. [3. Auftritt
Kleonis, bald danach der Mönch. - Kleonis, allein geblieben, nähert sich dem Hausaltar, löst einen Palmenzweig von ihm und setzt sich auf die Marmorbank. Der Palmenzweig entgleitet ihren Händen sie versinkt in Träumen. Der Mönch tritt verstohlen aus einer Baumgruppe hervor und nähert sich ihr vorsichtig, indem er lauernde Blicke um sich wirft. Wie er sicher ist, dass ihn niemand beobachtet, nimmt er eine würdevolle Haltung ein, steckt die Hände in die Ärmel, bleibt in gewisser Entfernung stehen, und blickt starr auf die Frau des Archonten.]
Kreonis wendet sich lebhaft um und fährt zusammen: Ein Mönch ist hier! Was willst du? Der Mönch streckt die Hände aus: Verirrtes Lamm des Herrn Die Gnade Gottes schütze dich. Kreonis: Wie kommst du in den Garten? Der Mönch: Die Boten Gottes finden überall Die Seelen, die sie suchen. Kreonis: Mit welchem Rechte suchst du mich? Wer sendet dich zu mir? Der Mönch: Es schickt mich seine Hochwürden Zu des Archonten Frau. Der Bischof will ermahnen Die Christin, die verlassen Das Heiligrum der Wüste.
Der hohe Herr gedenkt jedoch
Des frommen Vaters der Kleonis.
Du bist gefallen in des Satans Krallen;
Noch aber stehst du in Gottes Schutz.
Im Grunde deines Herzens
Bist du noch immer Christin.
Der Bischof weiß, wie furchtbar
Das Elend deiner Stadt auf dir lastet,
Und welche Gefahren dich umlauern.
Es steht recht schlecht um den Archonten.
So komm mit mir zu seiner Hochwürden,
Er hat im Namen unseres Gottes
Die Taufe einst am Kind vollzogen;
Er wird von schwerer Sünde dich befrein
Und Rat dir geben aus der Weisheit,
Die er als Hirt der Kirche treu verwaltet;
Auch wenn du Frau des Phosphoros verbleibst,
Wird er dir den Priestersegen spenden.
Er macht das Zeichen des Kreuzes. Kreonis:
Du willst durch List mich fangen?
Als Dieb bist du in mein Haus geschlichen
Und Dieb willst du an meinem Herzen werden.
Es ist nur Heuchelei in euren Worten;
Denn eure "Taten lehren nur den Hass.
Der Bischof will, dass ich als Büßerin
Erscheine und um Gnade flehe.
Du aber sollst ihm Kunde bringen,
Dass ich, die einst war Jungfrau in der Wüste,
Nichts anderes heute sein will Als Frau des Phosphoros.
Will mich der Bischof sprechen, So mag er hierherkommen;
Ich werde nicht zu ihm gehen. DER MÖNCcH nachdem er wieder das Zeichen des Kreuzes
gemacht hat, nähert sich ihr plötzlich und spricht mit hinter listiger Vertraulichkeit: Noch anderes habe ich dir zu verkünden: Es handelt sich um ein Geheimnis, Um eine Botschaft, die der Cäsar Vertrauensvoll an unsern Hirten sandte. Das Leben des Archonten ist gefährdet!
KLEonis (richtet sich in großer Bewegung auf)l:
Das Leben meines Phosphoros! ... (sich fassend Doch nein; es ist nur eine Falle.
[daut Man will in Rom unsere Pläne kennen Und erblickt in euch die rechten Zwischenträger Ihr mögt behalten, was euch anvertraut
Kleonis wird des Gatten Leben schützen.
Sie hat es schon erwiesen.
Der MöncH zurücktretend, mit Hochmut: Betörtes Weib, vernimm die ganze Wahrheit Bedroht seid ihr von Cäsar nicht allein Ihr habt den Feind in eurer eignen Stadt!
Es keimt im Volk von Dionysia
Der Aufruhr seit lange schon.
Man sagt, ihr habt durch eure Frevel
Die Geißeln Gottes auf die Stadt gelenkt; Man nennt euch überall das Satanspaar.
In dieser Stunde eben drängen die Christen, Die in der Krypta sich befinden, Den Bischof das «Anathema» Zu schleudern gegen dich. Er zaudert noch in seiner Milde; Er möchte dich erretten. Doch kann er dies nur tun, Wenn du gehorchst der Forderung, Die er durch mich dir sandte. Kreonis: Ich werde nicht gehorchen! Mein Richter sei nur Gott allein. Der Mönch verächtlich: Nun gut; ich werde gehn. Doch merke auf des Volkes Stimme. Man hat gesagt, Kleonis soll besitzen Bekennermut, den besten Christen gleich; Doch jetzt wird man erzählen, Sie habe feigen Sinn wie eine Heidin, Ihr Mut sei nur vorhanden, Solang die Wache ihr zur Seite steht. Er zeige sich nur, wenn sie paradiert Mit ihren Gatten vor der Phalanx; Doch fehle ihr der Glaubensmut der Christen. Statt ihrem Gotte Treue zu bewahren, Verberge sie sich hinter ihrem Götzen. Kreonis: Ich Furcht - vor euch? Vor deinem Herrn? Vor unserm Volk? Hier sieh! — Sie geht zum Hansaltar, nimmt dort einen Kranz roter Lilien, den sie aufs Haupt drückt. Bekennen will ich meine Liebe Und meinen Glauben vor dem Bischof, Vor allen Christen will ich sagen, Was Phosphoros für Dionysia getan. Sieh diesen Speer als eines der Siegeszeichen, [reist den Wurfspeer vom Altar aus den Waffentrophäen Geholt hat ihn mein Gaute Aus einem Wald von Erz, Gebildet von den Legionen Roms. Man kann mich steinigen! Es wird dann Lucifer Die Wahrheitszeugin haben. [Sie geht schnell im Hintergrunde ab. Der Mönch ihr mit den Augen folgend: Gelungen ist es mir! -Des Teufels Kinder fängi man durch den Hochmur. Der Bischof hat weise alles angeordnet. «Kleonis ist des Volkes Liebling, Durch sie erhöht sich ihres Gatten Macht, Man muss sie trennen, Bevor das Haus gestürmt wird.» Das ist erreicht! Sie läuft zur Krypta, Gefangen ist sie dort. Sobald sie drin ist, Verriegle ich die Tür. Sie mag in ihrem Kerker sterben. Nun schüren wir den Aufruhr! Vor Abend noch muss des Teufels Haus Ein Raub der Flammen werden. [Er geht schnell laufend ab. [4. Auftritt
Phosphoros, eine Wache, bald danach Damis.]
PHosPpHoROS zurückkehrend: Wie ausgestorben ist die Stadt. Von Damis und von Androkles kein Lebenszeichen! Verkündet das Schweigen ein Unglück? Ob Lykophron doch recht hat? IKzur Wache Wo ist Kleonis? Die Wache: Sie ging soeben mit dem Mönch hinaus. PHosPpHOROS: Mit einem Mönch? Wohin sind sie gegangen? Die Wache: Zur Kirche. PHosPpHOROS: Wie sonderbar!
Damis tritt ein.
Du Damis! Endlich! Danmiis schnell aus dem Hintergrunde zu ihm eilend: Gefährdet ist dein Leben Phosphoros! Das Volk umzingelt schon dein Haus. Die Phalanx rufe zur Bewachung. O säume nicht, ich bitte dich! PhospHoRros: Was kümmert mich mein Haus! Du kommst aus unserem Lager? Wie steht’s um Androkles? Danmis: O furchtbar ist die Botschaft, Die ich dir bringen muss. Ich lief die ganze Nacht hindurch, Zu bringen dir die Kunde, Und jetzt verlässt der Mut mich, Da meine Lippen sie aussprechen sollen. Er sinkt auf die Bank. PhospHoros: Ich bin auf alles gefasst! Verkünde mir, was ist geschehn? Danmis: Das Lager ist zerstört, und Androkles tot ... Er wurde von den Römern überrascht. PnuospHoros: Wie konnte das geschehn? Dans: Das ist das Schrecklichste: Verraten hat uns Phrygius! — PmospHoros: Verraten Phrygius? Damis: Er hat dich stets beneidet. Als dann der Cäsar Sieger blieb Im Kriege, den er mit den Parthern führte, War dies für Phrygius das Zeichen, Zu trennen seine Sache von der deinen. Er gab dem Kaiser Kunde, Wie Androkles die Heere führt. Der Cäsar zeigte sich erkenntlich Durch Anerkennung seines Königstitels. Bald folgten andere Städte Joniens Dem Beispiel, welches Phrygius gegeben, Und nicht mehr ferne ist die Zeit, Da alle Freunde uns verlassen werden. PhospHoRros: Von Phrygius verraten also, Ihm, den ich einen Bruder nannte? Die Königswürde gab ich ihm. Er will nicht freier König sein; Er zieht das Joch des Cäsars vor. Aber noch ist alles nicht verloren. Es ist mir treu noch meine Phalanx. Archont noch bin ich meiner Vaterstadt Und Lucifers Stern erglänzi mir! Damis steht besorgt auf: Die Sorge drückt mich, Phosphoros. Der Cäsar naht schon unserer Stadt. Spione treiben unser Volk zum Aufruhr, Der Bischof führt es gegen dich. PHospHOROS: Der Engel, der gestürzt durch des Blitzes Strahl, Ist auch der Engel der Unsterblichkeit Und wir sind seine Söhne, Und Erben seiner Ewigkeit. Damis: Es lastet schwer auf meiner Seele, Doch sagen muss ich’s dir, o Phosphoros! Wenn Lucifer doch unterliegen könnte Dem andern Gottessohn, dem Christus, Der demütig stieg von Himmelshöhn, In unsere Erdenfinsternis,
Der stark und glorreich auferstand! Prospmoros:
So zweifelt Damis an meinem Gotte?
Nun stehe ich allein!
[Er sinkt auf die Bank. Damis erschreckt:
Du leidest Freund - ich kann dich so nicht sehen.
Antworte deinem treuen Damis. PHosPHOROS immer sitzend:
Zerrissen ist das Band, das uns vereint.
Gewoben war es aus dem Glauben
Der Feuer gab meinem Herzen und deinem,
Es gibt nicht größren Schmerz auf Erden,
Als sterben sehn im Herzen eines Freundes
Das hehre Licht des Gotteswesens,
Aus dem man selbst des Lebens Kraft erhält.
Er steht auf.
Der Geist, der mir im Tempel nahte:
Ich weiß er sprach die volle Wahrheit.
Du hast den Glauben jetzt verloren,
Verlasse mich, und geh zu Phrygius.
Allein werde ich nun kämpfen müssen
Mit Volkeswut, mit Priestertrug und Kaisermacht. Damiis:
Verzeih mein Freund die Schwäche;
Aus Liebe nur zu dir befiel sie mich.
Es kennt des Damis Herz in Dankbarkeit,
Was Phosphoros an ihm getan.
Du hast die Seele mir entfaltet In meiner Jugend goldnen Tagen.
Geworden bist du mir im reifen Leben
Der Führer zu der Wahrheit Höhen.
Sie logen nicht, die hellen Lichter,
Die du als Freund und Bruder mir
Zur Weisheit und zur Schönheit zeigtest.
Ich danke dir ja meiner Seele neues Leben.
Es kann mir nichts den Glauben nehmen
An deinen Gott und meinen. PrHosPpHoROS schließt ihn in seine Arme:
Verzeih, mich selbst hat Schwäche überfallen.
Wie konnte ich an Damis zweifeln?
Und jetzt begib dich zu Kleonis.
Sie ging zur Kirche mit dem Mönch.
Ich fürchte eine List des Bischofs
Und fühle, dass Gefahr im Anzug ist.
Kleonis rufe drum um jeden Preis hierher. Danmis:
Sei ruhig, eilen will ich!
(Er geht ab.
(Dämmerung - Stimmen, Geräusch hinter der Bühne.
Die WAcHE: Es drängt das Volk zum Garten, Es fordert stürmisch, dass das Tor man öffnet. Wie soll man es verjagen? PHosPHOROS: Ihr sollt die Tore öffnen. Ich will dem Volke gegenüber stehn. In solchem Augenblick verbirgt sich nicht, Wer Sohn des Lucifer sich nennt. Und wäre riesengroß des Volkes Wut. So öffnet die Tore weit.
Die WAacHe beiseite: Von Sinnen scheint mir der Archont! |(Er geht ab mit einer Gebärde des Zorns.
B. Auftritt
Phosphoros, der Mönch, ein Haufe Volks, später Kleonis. Der Mönch tritt ein, gefolgt von einer Volksbande, die mit Piken, Spießen und Keulen bewaffnet ist und wütend schreit: «Wo ist er!» - Beim Anblick des Archonten, der allein und ruhig vor seinem Hausaltar steht, ordnet sich die von Ehrfurcht erfasste Menge rechts in einem Halbkreis.]
Der Mönch zum Volk: Erkenne, Volk von Dionysia Den Quell des Unglücks, das dich trifft; Er ist bei Phosphoros allein. Der Cäsar hat in seinem Zorn gesagt: In Asche werde er verwandeln eure Stadt. Das Feuer wolle er in alle Häuser werfen, Die Pflugschar führen über jene Städte, Da einst die stolze Dionysia stand. Es sei denn, dass ihr Phosphoros ausliefert. Er will ihn haben, lebend oder tot. Seht Phosphoros, und urteilt selbst, Ob er bewusst sich ist des Unglücks. Er blickt mit Stolz zu Lucifer, Den er zum Götzen sich erkoren. Ich aber sag es euch: Er dient dem Satan.
I(Gebärde des Schreckens im Volk
Er hat verloren alle seine Freunde, Verlassen hat ihn auch Kleonis, seine Frau! STIMME AUS DEM VOLK: Wo ist sie? Der Mönch: Sie ist zu Füßen unseres Bischofs, Sie beichtet und sie fleht um Gnade.
Murmeln des erstaunten Volkes
Der Geis: Verlassen ihn, Kleonis? Er nähert sich Phosphoros. Dann kann er nicht sich halten. Der Cäsar rückt heran, Die Stadt ist in Gefahr. Wir wollen Frieden und Schutz Für unser Leben! Der Junge Mann: Wir wollen unsere Feste wieder. Die Frau: Die Sakramente wollen wir Für unser Seelenheil! DER Geis: Wozu nützt dieser Gott? Er bringt der Stadt den Untergang. PHosPHoROoS:
Der Letztgeborene aus dem Götterstamme,
Ihr fragt, wozu er nützen kann?
Zu freien Menschenseelen macht er euch.
Vom Sklavensinn erlöst er euch.
Er lehrt euch suchen Recht und Wahrheit
In eurem eignen Herzen,
Und Herren eures Selbst zu sein.
Nur wenn ihr Lucifer erkennt,
In eures eignen Wesens Kern,
Und lieber sterben wollt in Freiheit
Als beugen euch dem Cäsar und der Kirche,
Seid wert ihr dieses Gottesgeistes.
Der Mönch:
Da seht ihr, was er will!
Er will euch opfern seinem Hochmut
Und führen in des Satans Krallen.
Getötet werden muss der Sohn des Dämons,
Soll euer Leben nicht verloren sein.
Der Kirche Gnade wird euch werden,
Seid frei ihr erst von diesem Gottesfeind. Das VoLk auf Phosphoros losrückend, der unbeweglich geblieben ist:
Wir töten Ihn!
KLEONIS eilt aus dem Hintergrund herbei und stellt sich zwischen Phosphoros und das Volk:
Dann tötet mich zuerst.
Solang Kleonis lebt,
Isi Phosphoros geschützt.
[Sie bleibt mit ausgebreiteten Armen vor ihm stehen, das
Volk weicht zurück. Der Mönch bestürzt: Ich hatte sie doch eingesperrt. Der Geis: Kleonis! Die Frau: Die Christin! Das Vork: Die Jungfrau aus der Wüste! Kreonis: So hört, was dieser Mönch vollbracht: Er hat durch List mich überrumpelt. Nach seinen Reden musst’ ich glauben, Er führe mich zum Bischof, Sodass ich vor den Christen Bezeugen könnte meinen Glauben An Phosphoros und seinen Gott. Er schleppte mich stattdessen in die Krypta. STIMMEN AUS DEM VOLK: Ist dies die Wahrheit? Der Mönch: Sie lügi!
[K(Damis tritt ein, in jeder Hand die Stücke einer Kette haltend.
Kieonis: Hier, Damis kann bezeugen. Damis: Mit dieser Kette verschloss der Mönch das Tor, Nachdem Kleonis in der Krypta war. Ich aber habe sie zerbrochen; Hier sind die Trümmer! KEr wirft die beiden Stücke der Kette zu Füßen des Mönches. PHosPHOROS nimmt seiner Frau und Damis’ Hand und nähert sich dem Volk:
So müssen brechen alle Ketten,
Mit welchen ihr die Seelen unterjocht.
[Bei den Worten des Archonten eilt eine Schar bewaffneter junger Männer der Phalanx und eine Schar junger Mädchen mit plötzlicher Begeisterung zur Statue des Lucifer und zum Hausaltar. Die jungen Leute ziehen das Schwert, um ihn zu verteidigen, die jungen Mädchen breiten Palmen aus, um
ihn zu schützen. Zu Häupten der beiden Gruppe erheben ein
Junges Mädchen und ein junger Mann helle Fackeln. Das Volk
weicht erstaunt zurück.
[6. Auftritt
Dieselben.
Der Bischof erscheint zwischen den Dioskuren, begleitet von zwei Kirchendienern, die rot brennende und rauchende Fackeln tragen.]
Der BiscHor: Kleonis, du verstocktes Weib, Die einst sich unserm Gott geweiht, Ich sage dir, dass ich verfluchen werde Den Volksverführer, deinen Phosphoros. Verdammnis soll ihn treffen ewiglich! Verfallen ist er dem Anathema der Kirche, Doch dich zu retten möchte ich versuchen. Verlass den Boten schwarzer Höllenmächte, Sonst trifft auch deine Seele das Anathema. Kreonis: Erspare dir die Mühe Bischof. Ein zweites Mal vermagst du nicht Das Netz zu werfen über meinen Kopf. Zerbrochen hat des Helden treuer Freund Die Gitterstangen deiner Kirche, Durch welche du den Kerker mir bereitet hast, Um meine Liebe zu ertöten Mit deinem falschen Hirtenstab. Was ist die Kirche, der du dienen willst, Verglichen mit dem weiten Gottesreich, Das mir im Herzen lebt? Beleuchtet ist’s von einem Stern, Den Lucifer entzündet hat an Gottes Herz. (Sie umschlingt Phosphoros mit ihren Armen. Für immer bin ich sein und seines Helden. Und wächst dein Fluch ins Grenzenlose, Wird wachsen meine Liebe unermesslich; Denn diese Liebe ist ein Teil des Lebens, Das vor der Welt geboren ist Und welches sein wird nach der Welten Ende. Die Seelen selbst entstammen dieser Liebe. Sie fluter aus des Gottes eignem Herzen, Sie weiß, dass sie unsterblich lebt, Und ist deshalb beladen nicht mit Furcht. Sie hat die Kraft zu widerstehen deinen Ketten, Und nicht zu achten deiner Flüche.
Der BiscHor: O wehe deiner Seele! Der Fluch auf Erden Verschließt dir auch das Himmelstor. Kreonis ironisch: Und wäre deines Gottes Himmel Erkauft auch meinem Phosphoros, Wenn ich mich von ihm lösen könnte? Der BiscHor: Das ist nicht möglich; Den Weg zu Gott kann finden Nur, wer vom Gotte kommt. Wer aber vom Dämon stammt, Der kehrt zurück zum Dämon. In Ewigkeit ist er verflucht. Kreonis: O schweig von deinem Himmel! Gewiss ist mir geworden, Dass deine Rede keinem Gott entstammt. Der BiscHor: So seid verflucht ihr beide In Vaters, Sohnes und in Geistes Namen. Gesprochen sei: Anathema! Des Satans Macht, sie walte über euch. Des Lügengeistes Kinder seid für alle Zeit, Der Schrecken aller Menschen und aller Geister. Es fliehe euch des Tages Licht, Umklammern mögen euch der Nacht Gespenster. Sein Antlitz kehre von euch jeder Christ! Er jage euch von seinem Tisch und seinem Werk. In eurer Todesstunde mangle euch des Priesters Segen, Versagt sei eurer Ehe jede Frucht. Der Friede komme nie in euer Haus. Wer Wasser, Brot und Feuer euch beschert, Er sei verflucht, wie ihr es seid. Einsam sei euer Wandeln auf der Erde; Der Schrecken gehe vor euch her, Der Tod verfolge euch allüberall. Verjagen sollen euch die Völker aller Länder, Die Berge mögen über euch zusammenstürzen. Die Flüsse in ihrem Wasser euch begraben. In eure Ohren klinge von oben und von unten stets: Anathema dem Satanspaar, Anathema! I(Zu den Kirchendienern Die Fackeln mögen fallen! Die Kirchendiener werfen die Fackeln zur Erde und treten sie mit Füßen. Es werde niedergetreten euer Leben Wie diese Fackeln, Und sterben sollen eure Seelen wie diese Flammen! Der MöncH dem Volke das Paar zeigend: Der Antichrist und seine Buhlerin! DiE JunGEN LEUTE DER PHALANX die den Hausaltar bewachen, stürzen auf den Mönch mit gezücktem Schwert: Du Elender! PHosPHOROS sie mit einer Gebärde zurückhaltend: Wir wollen ruhig tragen eure Flüche Und auch die Schmähung Eurer Sklaven.
Der Bischof geht mit den Kirchendienern ab. Das Volk ist mit Schrecken zurückgewichen, bleibt aber wie gebannt durch den Anblick des leuchtenden Paares, das in einem Wald von Schwertern, Fackeln und Palmen zwischen der Phalanx und den Jungfraun feierlich vor dem Altar steht.
Der Mönch beiseite: Ich glaube, dass er trotz des Fluches Sie noch verführen wird. [Kant zum Volk Verlasst den Ort, ihr Heiden!
[7. Auftriu
Phosphoros, Kleonis.]
Abendstimmung
PHosPpHoROS: Welch finsteres Schweigen herrscht hier plötzlich. Die Nacht beginnt und einsam wird’s um uns. Die Fackeln, deren Licht erloschen. Sind sie denn wirklich unsere toten Seelen? Ist alles zu Ende? Kreonis blickt auf die Fackeln und erbebt, dann ergreift sie mit plötzlichem Entschluss Phosphoros’ Hand: Nein, alles wird geboren aufs Neue! Erwachen müssen Welten aus der Liebe, Wenn diese Liebe geistentsprossen! PHospHOROS nimmt sie in seine Arme und drückt sie an sich: Wir wollen ihnen zeigen, Dass Menschen, die sich lieben Mit jener Liebe, die unsterblich ist, Erbauen können eine Welt. KLeonis: Und Tempel wollen dieser Welt wir sein!
(Vorhang [Fünfter Aufzug
Der Tempel des unbekannten Gottes
Dieselbe Ausstattung wie im ersten Bilde des zweiten Aktes. Gewitternacht. Der Sturm braust zwischen den Säulen des Portikus. Der Donner rollt, als ob er die Grundfeste der Berge erschüttern wolle. Die schwarze und die weiße Sphinx, kauernd am Abgrund vor dem unzugänglichen Heiligtum, tauchen auf und verschwinden in der Finsternis, mit ihren weit ausgestreckten Flügeln, beim Scheine schnell aufeinander folgender Blitze.
1. Auftritt]
HERAKLIDOS der mit großen Schrüten aus seinem Zufluchtsort getreten ist und sich über das Tal beugt: Noch niemand da? Ich weiß jedoch, er wird dem Rufe folgen. (Blitze) Es wird ihn treiben seine Seele, In dieser schwarzen Sturmesnacht, (Donner) Die finstre Schlucht herauf zum steilen Gipfel. Doch keine Menschenstimme ist zu hören. (Stärme) Es rollen wilde Donner Und Stürme brausen um die Berge. (Blitze/Donner) Die Elemente toben sinnlos, Als ob entthront die Weltgesetze wären. So tobt in Menschenstädten Der Sturm der Leidenschaften, Wenn nicht ein Weiser oder Held In dunkle Triebe und Begierden
Das Licht der Wahrheit fallen lässt.
O Phosphoros, dein Erdenwert wird fallen. Das Gewitter scheint sich zu entfernen, die Blitze dauern noch fort.
Du aber sollst den Tod besiegen.
Verkünder einer neuen Welt und Helden Erleuchten, sterbend, Menschenseelen
Als Wahrheitszeugen ihres Glaubens.
Und lässt das Reich der Sinnenwelt
Dich ohne Waffenschutz und Freundesherz, Im Unsichtbaren musst du aufrecht stehn. Wenn Schwäche lebte in deiner Seele
In dieser Schicksalsstunde,
Sie brächte Tod der frohen Hoffnung,
Die keimen soll den Menschen
Aus deinem Leben, deinem Sterben.
Doch scheint es mir nicht möglich,
Dass jene Seele könnte Schwindel fassen Auf meines Geistes Felsenhöhe,
Der sorgend Kraft ich selber sandte
Und welcher meines Denkens Strahlen
Den Lebenspfad beschienen.
Ist nicht die Wissenschaft der Ewigkeit (Blitze) In meine Seele eingezeichnet,
Und schau ich nicht der Dinge Wesenheiten? Wozu wäre alles dieses in der Welt, Erzeugte nicht es Menschenhelden,
Die Sieger werden über Tod und Leben.
Ich lebte auf der Erde Höhen,
In Einsamkeit ein langes Leben, Zu sehen in der rechten Stunde
Den Helden, der die Leuchte Lucifers
In Menschenherzen strahlen lässt.
Wie aber wird das Los dir fallen,
Mein Sohn, mein Phosphoros!
Befohlen hat des Himmels Stimme,
Zu stellen zwei der Kelche auf den Altar. «Kommunion der höchsten Liebe»,
So nannte meines Geistes Stimme
Das Werk, das vollbracht soll werden.
Wer soll die Kelche füllen?
Und wer aus ihnen trinken?
Ich weiß es nicht, doch ich gehorche.
KEr stellt zwei goldene Kelche, die er in der Hand hält, auf den Altar des Hintergrundes zwischen den zwei Sphinxen.
Und dies auch sprach der Geist:
«Die Unterdrücker der Seelenfreiheit Bedrohen Licht und Wahrheit.
Es werden aber Lucifers Kinder
Durch eines Opfers helle Flamme
Die Welt erretten vor der Finsternis.»
Es sind mir dunkel diese Worte,
Doch weiß ich, dass im Schoße dieser Nacht Ein furchtbar Großes sich zum Dasein drängt. Ich will in Ruhe die Geburt erwarten. (Sturm) Neue Donnerschläge.]
Es stürmen wilder die Elemente
Als wollten sie die Heldensaat zermalmen. Ihr Geister in dem Reich der Lüfte Beschützt den Sohn des Tempels! Du Blitz der Sinnenwelt, verschone ihn, Der Blitz soll sein der Geisteswelt.
[Er beugt sich über das Tal.
Doch jetzt erscheint die Fackel!
Du bist am Ziel, mein Phosphoros. - (Sturm)
[2. Auftritt
Phosphoros, Heraklidos.
Phosphoros tritt ein mit einer angezündeten Fackel. Heraklidos schließt ihn in seine Arme und führt ihn zur Mitte des Portikus.]
HERAKLIDOS:
Mein Sohn, mein Held,
Ich grüße dich in meiner Einsamkeit.
Du siehst, der Tempel der Wahrheit steht aufrecht.
Er trotzt den Stürmen und den Blitzen! PnhospHoRros lässt seine Fackel fallen und setzt sich erschöpft an den Fuß einer Säule:
Die Rettung kann mir nur von dir noch werden. (Donner)
Das Gewitter wird ruhiger. HERAKLIDOS:
Um dich zu retten, hab ich dich gerufen.
An diesem Orte schmiedet man die Schilde,
Die jedem Stoß des Schicksals widerstehen. ProspHOoROS:
Die Zeichen künden Unheil!
Ich bin von allen verlassen. (Donner)
Von meiner eignen Stadt und von den anderen Die uns verbündet waren.
Gefallen ist Androkles im Kampf
Verraten hat mich Phrygius.
Mein Volk ist durch den Bischof aufgewiegelt.
Verbannt soll ich von Dionysia werden,
Von ihr, der ich die Seele geben wollte.
Verstehst du das, Heraklidos? — HERAKLIDOS:
Sie denken an des Tages Leben nur
Du aber blicktest in die Ewigkeit,
Zum Letztgeborenen aus dem Götterstamme.
Es liegt ein Abgrund zwischen euch. PnospHoros:
Was soll aus diesem Gotte werden,
Wird ihm entrissen die Stadt,
Die Tempel ihm seit alten Zeiten war?
Der Mensch hat Grenzen seines Könnens,
Gegeben ist ihm nicht die Macht
Zu trotzen grenzenloser Schicksalshärte.
Ich folgte deinem Ruf und kam.
Kleonis blieb in Damis’ Schutz.
Gib meine Stadt mir wieder,
Wenn ich nicht zweifeln soll an deiner Kraft,
Und deines Gottes Wahrheitssinn. HERAKLIDOS:
Im Innern deines eignen Wesens
Erlebe Gottes Licht und Dasein
Und schöpfe Kraft aus diesem Geistesquell.
Nur so vermagst du, Held zu werden.
Bezeugen darf ich bei dem höchsten Gotte,
Es hat zu dir dein wahrer Geist gesprochen. PHosPHOROoS: Und doch bin ich besiegt? HERAKLIDOS: Nur eine Niederlage gibt es, Den Zweifel an sich selbst! PHospHoROS: Und sterben darf mein Werk? HERAKLIDOS: Das Werk, auf dessen Trümmern stirbt ein Held, Erliegt allein der wesenlosen Zeitgewalt. Des Himmels Wunderkraft verschafft ihm Die Auferstehung für die Ewigkeit. Versprochen habe ich dir nicht Reichtum, Nicht langes Leben oder Königsmacht. Dem Geiste dienen kann ich nur. Es lebt in tiefsten Geistesgründen Die Liebe deiner Heldenfrau. Du hast dem Boden deiner Vaterstadt Den neuen Gott entwachsen lassen: Es sind dies Werke hoher Geisteskraft. Du hättest ohne dieses Tempels Feuertaufe Und ohne deines Geistes Offenbarung Sie nicht erleben und vollbringen können. PuospmHoros: Der Geist meines Wesens und der Stern ... O könnte ich sie wiedersehn! HERAKLIDOS: Du kannst es, doch bedenke dies: Es hat der Himmel wie die Erde Gesetze, die befolgt sein müssen. Erscheinen kann dem Menschen dreimal nur Der Geist, der über seinem Wesen waltet. Zum ersten Mal, wenn er als Eingeweihter Betritt die Schwelle jenes ernsten Wächters, Der Himmelskräfte vor Entweihung schützt. Zum zweiten Mal, wenn Sieger wird ein Held. Die dritte Offenbarung wird nur jenen Die sterbend schreiten zur Unsterblichkeit. Du hast schon zweimal deinen Stern gesehen, Besinne dich, ob du ihn jetzt Zum dritten Male rufen willst! ProspHoROS: Ich will es, was auch kommen mag. Es ist besser, ihn schauen und dann sterben, Als leben und an seinem Dasein zweifeln. — Ich will die Lösung meines Lebensrätsels! HERAKLIDOS wirft Weihrauch auf die Flamme des Altars: Du Geist der Ursprungswelten, Der in den Tiefen webt! Du Fürst der Seelen, Die gegen Allgewalt sich wehren, Auf dass im Lichte Leben strahle, Dich, Lucifer, rufe ich, Erleuchte dieses Helden Herz Erscheine, Lucifer, - erscheine!
Lucifer erscheint über der Spalte zwischen den zwei Sphinxen, auf einem Globus sitzend wie im zweiten Akt. Dieselben mächtigen Akkorde verkünden sein Kommen, aber sie sind gedämpft und wie verschleiert. Ein rotes Leuchten geht ihm voran, aber kein unterirdischer Donner begleitet ihn. Statt seine Fackel zum Himmel zu heben, hält er mit hängender Hand sie zur Erde geneigt. Sein sinnendes Antlitz ist auf die Brust gesenkt. LUCIFER: Du hast mich vor der Zeit gerufen Und gegen meinen Willen! Was willst du, Phosphoros? PHospHoroSs: Ich fand im Chaos meines Lebens Die Kraft, mich selbst zu lenken, Durch deines Blitzes Strahl! Ich folgte deinen Zeichen. Du formst dir Kämpfer aus Erdenstaub. In Erdenseelen weckt’ ich Himmelskräfte. Des Schicksal Kreise wollt’ ich lenken. Doch seine Rache lastet schwer auf mir. Das Volk, dem ich entsprossen, Und dem ich neue Blüte geben wollte, Will andern Göttern dienen, Und mich in die Verbannung stoßen. Ich rufe dich, mein Urbild, an, Du sollst mir wiedergeben meine Waffen Und ändern meines Volkes stumpfen Sinn. Lucirer: Erschöpft ist, was du von mir fordern kannst, Du bist geschritten durch den Kampf zum Sieg. Du musst der Helden Schicksal tragen, Ihr großes Wollen fordert Sühne. PHosPpHoRoSs: Verlassen willst du mich? Lucirer: Nur du kannst treulos werden, Nicht ich! PHosPpHOROS: Doch untergehen wird das Werk, Das mir und dir gehört? LucirER: Es ist geschrieben in der Welten Urschrift, Dass kommen muss die Zeit, In welcher aus den Menschenseelen Mein Geist vertrieben wird. Erschienen ist das Reich, Das nichts von meinem Lichte wissen will. Ich muss dem andern Gottesworte Die Gegenwart als Anteil geben! Zu dienen meinen ihm die Menschen Durch Furcht vor Gottes Übermacht Und Opferung des eignen Wesens. Doch in der Zukunft ist auf Erden Mein Platz an seiner Seite, Und herrschen werden wir zugleich, Der Gott, der Mensch geworden Und der Geist der Tiefe, Der weisen muss den Weg zu Gott. PHosPpHoRoS: So kannst du mir nichts anderes geben? Was soll mit mir geschehn? LucIFER: Du bist ein Funke meines Feuers. Verlöschen wird der Funke, Wenn du dich selbst verlierst. Als Flamme kann er leben, Wenn du aus deinem Willen Den Gott in dir erweckst. PHosPHOROS: Was soll ich tun, das Leben zu erringen? Luciker: Zu mir erhebe deinen Blick! Ich bin das Geisteswesen, Das beim Beginn des Erdenwerdens In tiefste Tiefen stürzen musste; Ich tauchte immer wieder aus dem Abgrund. Mich treffen schwerste Flüche, Mich quälen Geißeln, martern Foltern, Vernichten kann mich nichts. Und wenn die Zeit erfüllt wird sein, Dann werde ich aus höchsten Höhen leuchten. Lucifer hat seine Fackel erhoben und versinkt langsam in der Tiefe. PHosPHOROS: Geh’ nicht hinweg! Ein Wort, ein einzig Wort nur noch. LUCIFER aus der Tiefe: Beharre --PmospHoRros: Dahin ist er. Er ging und sprach kein Wort der Hoffnung. HERAKLIDOS: Es will der Stern nun sprechen, Ihn auch sollst du hören.
Der funkelnde Stern erscheint aus dem Hintergrund, wie im zweiten Akt, und bleibt über dem Abgrund stehen, beim Tone einer sanften Musik. PHosPHOROS:
Es strömet die Seligkeit der Himmel
Aus seines Lichtes Strahlen.
Wie wirkt er sanft auf meiner Seele Sehnsucht. Die STIMME DES STERNES:
O Phosphoros, o Phosphoros!
Vertrau dem Stern der Liebe.
Er strahlt wie eine Sonne
Am Himmel deiner Seele.
Er zündet Lebensfeuer
In Todesfinsternis. PhospHoROS:
Und wird der Liebe Sonne strahlen bis zuletzt? Der STERN:
Solang du glauben kannst,
Wird ihre Liebe leuchten. PHosPHOROS:
Kann ich sie wiedersehn in dieser Welt? Die Stimme:
Behüte deine Hoffnung! PHosPHOROS:
Und in der andern? Die Stimme:
Bewahre deinen Glauben! PnHospHoROS:
Wo finde ich der Wahrheit höchste Höhe? Die Stimme:
Wo Christi Kreuz besänftiget
Des Sternes flammend Licht,
Da lebt der Wahrheit Feuerkraft.
[Der Stern verschwindet. PHospHoros: Verschwunden ist er. In Zweifeln lässt er mich zurück. Heraklidos, kann er nicht wiederkommen? HERAKLIDOSs: In dieser Welt wirst du ihn nicht mehr sehn, Und seine Stimme nicht mehr hören. Doch andre Stimmen hör ich jetzt. Ein Bote kommt, der eine Fackel trägt.
[3. Auftritt Dieselben, ein Diener des Phosphoros]
Der DIENER (atmet keuchend: Ich folgte dir, o Herr, durch Nacht und Sturm, Zu künden dir, was in der Stadt geschehn. Geh nicht zurück nach Dionysia. Dein Leben wird von deinem Volk bedroht. PnospHoros: Was geht denn vor? Diener: Du warst kaum weggegangen, Da sprach das Volk das Todesurteil aus. Zertrümmert ist das Bildnis Lucifers, In wildem Kampf zerstört dein Haus. Der treue Damis hat es halten wollen, Er fiel, bedeckt mit Wunden. — PnuospHoros: O Damis, Damis, meine Jugendblüte, Du Hoffnung meiner Seele, Wie hast du dich gerächt an meinem Zweifel. Des Wahrheitszeugen Palme ist dir, Nicht mir geworden. — Doch vor allem sage mir: Wo ist Kleonis? DER DIENER: Sie ist verschwunden!
Von diesem Augenblicke an verstärkt sich wieder das Gewitter.
PHosPHOROS: Was sagst du, Unglücksbote? Der Diener: Es hat sie niemand mehr gesehn, Seit Haus und Freund gefallen waren. Sie sei geflohen in die Kirche, So sagte man von einer Seite; Und andere glauben, sie sei bei ihrer Schwester. Auch dass sie tot sei, sagten einige. PHospHoRoS ihn an der Kehle packend: Du lügst! Der Diener: Habt Mitleid mit mir, o Herr. Ich kann euch doch nichts anderes sagen, Als was ich da und dort gehört. Ich dachte nur an deine Rettung. PHosPHOROS: Was hilft mir deine Botschaft, Du hättest ohne sie nicht kommen sollen.
Der Diener entfernt sich. Es möge mich das Schicksal
Berauben aller Erdengüter,
Doch lassen müsst’ es mir
Mein Himmelsgut, Kleonis! HERAKLIDOSs:
Wer sagt denn, dass sie dir geraubt? PHospHoROS:
Sie wäre hier, wenn sie noch lebte!
Es braust der Sturm, (Sturm)
Es rollt der Donner,
Natur und Menschen sind vereint,
Um Lucifers Kinder zu vernichten.
Die Elemente und der Cäsar,
Die Kirche und der Lufikreis,
Sind eines Sinnes gegen mich! HERAKLIDOS Sturm:
Die Stürme mögen wüten,
Sie sind im Reiche der Vergänglichkeit.
Die Götter und die Weisen
Bewachen, was unsterblich ist.
Sie wollen schützen jenen Bund,
Den Lucifers Sohn und Christi Tochter
Vor Himmelsmächten schließen. PuospmHoros:
Und doch ist sie verschwunden. (Sturm)
Ich höre Winde brausen!
Doch nirgends jene eine Stimme,
Die wahr mir könnte machen,
Was deine Worte sagen.
So bleibt mir eines nur,
Zu folgen meinem Geist In seines Abgrunds Reich.
(Er schreitet zur Spalte, wie vom Schwindel erfasst. HERAKLIDOS ihm mit seinem Zepter den Weg versperrend:
Solange ich des Eingeweihten Krone
Und seinen Zepter trage,
Ist dir kein weiterer Schritt gestattet.
Besinne dich und höre!
(Er nimmt ihn beim Arm und schüttelt ihn.
Im Chaos wüster Sturmgewalten
Lässt deutlich unterscheiden sich,
Wie eine Seele den Weg
Zu unsern Höhen sucht.
Eine STIMME hinter der Bühne: O Phosphoros, o Phosphoros! PHosPHOROS:
O Götter, mein Lebensstern!
Der DiENER über den Rand des Tempels gebeugi:
Es nahen Fackeln sich.
Es kommen Menschen.
[4. Auftritt
Dieselben, Kleonis, begleitet von zwei Gebirgsbewohnern, welche Fackeln tragen. Sie stürzt unter den Portikus, atemlos, mit fliegendem Haar.)
Kreonis: Wo bist du? Wo bist du?
In der Mitte der Bühne begegnet sie Phosphoros. Sie bleiben einige Sekunden einander gegenüberstehen. PHospHoros: Du bist’s, Kleonis! Mein Stern auf Erden und im Himmel?
Kleonis wirft sich in seine Arme mit einem Aufschrei. In demselben Augenblick fällt der Blitz mit trockenem Schlag auf die Spitze des Tempels.
Kreonis Donner: Dein Donner rolle, Jehova! Ich habe meine Welt gefunden.
Der Donner rollt und hallt in der Ferne wider.
PHospHoROS: Du Seele meines Wesens, O welche wunderbare Harmonie, Wenn in der Elemente Stürmen Der sanfte Ton der Liebe klingt. Ich hatte dich schon tot geglaubt; Das aber hieße an der Liebe zweifeln.
(Von diesem Augenblick an hört das Gewitter vollkommen auf. Eine bleiche Morgenröte bricht leise an.
Kreonis: Der Aufruhr in der Stadt war furchtbar. Mit Damis und den letzten Treuen Befand ich mich in unserm Haus Als das betörte Volk es stürmte. Der Tod schon stand mir vor den Augen, Doch Phosphoros war ferne. Ich aber fand den Weg zu ihm. Nun soll uns nichts mehr trennen. PHosPpHOROS:
Erbebst du nicht vor unserm Schicksal? Kreonis:
Es ist das Schicksal meiner Wahl,
Die Liebe, die im Geist gegründet,
Sie wird den Fluch der Welt
In Himmelssegen wandeln.
Die Jungfrau aus der Wüste wird entzünden
Das Feuer in dem höchsten Tempel,
Der auf dem Fels der Ewigkeit
Von Urweltsweisheit auferbaut.
Ich schwöre dieses vor dem Priester,
Der Hüter dieses Tempels ist,
Und vor dem Anilitze dieser Sphinxe,
Aus deren Augen Rätsel blicken,
Die langsam meinem Denken
Von Ahnung zur Erkenntnis reifen. PHosPHOROS:
Kleonis, welche Schwingen wachsen
An diesem Orte deiner Seele!
Der wahre Sinn der Liebe
Enthüllt sich hier, wo Götter sprechen. Kreonis:
Der höchste Schmerz,
Er segnet unsern Bund,
Wie höchste Freude niemals
Den ihren segnen kann. PmospHoroSs:
Wo aber werden wir in Zukunft leben?
Wir haben keine Heimat mehr.
Des Cäsars Macht umfasst den Erdkreis. Und wo der Cäsar herrscht,
Ist Raum nicht für die Kinder,
Die Lucifer als Vater ehren. Kreonis:
Das Tor zu jener Heimat steht uns offen,
In der befreite Herzen wohnen! PHospHoROS:
Von Stadt zu Stadt zu wandern,
Wird unser traurig Los sein. KLeonis:
Es wird die Sonne unserer neuen Heimat
Die Früchte deines Werkes reifen lassen. PnospHoros:
Es wird die Erde deinen Schmerzen
Den Tränen Segen bringen.
[Sie reichen sich die Hand und wenden sich zu Heraklidos.
PHospHoros UND KLEONIS zugleich: Den Priester dieses Tempels, Ihn grüßen die Verfluchten.
(Sie knien nieder.
HERAKLIDOS: Und wenn die ganze Welt euch flucht, Heraklidos, er segnet euch! Bewachet euren Glauben überall, Im Sturm der Menschenkämpfe, Im Schweigen der Einsamkeit. Wenn Furcht euch naht, Steht aufrecht in der Hoffnung, Wenn Elend auf euch blickt, Vertraut der Liebe Siegesmacht. Die Welt, die heute euch verbannt, Wird morgen eure Taten segnen. Er küssi sie auf die Stirn und hebt sie empor. Ihr habt gefunden euch im Zeitenstrom, Bewahret euren Bund für Ewigkeiten. Doch hört, bevor ihr geht, Die Worte, die von oben mir vertraut: «Die Frucht des Lebens auf der Erde, Entsprießt nur jenem Boden, In den des Sühneopfers Same fiel.» ProspHoRoS: Was ist des Sühneopfers Same? HERAKLIDOS: Es ist an euch zu finden Der Sühne wahres Wesen. Ihr werdet opfernd retten Des Tempels Offenbarung. Aus eurem Opfer werden leuchten Die Zeichen zweier Welten In Liebe sich vereinend. PHospHOROS UND KLEONIS gleichzeitig: Die Zeichen zweier Welten In Liebe sich vereinend. ProspHoros: Wir wollen suchen. Kreonis: Wir werden finden.
Sie grüßen Heraklidos mit der Hand zum Zeichen des Abschieds. PHosPHoROS schlingt den Arm um Kleonis’ Schulter und bedeckt sie mit seinem Mantel:
So gehen wir in eine Welt,
Die uns aus ihren Reihen stößt? Kreonis:
Wir wollen gehen! Pnospmoros:
Wohin jedoch? Kreonis:
Ägypten sei unser nächstes Ziel. ProspHoRros:
Das Land, in dem wir uns gefunden. KLEonis:
Das Opfer sei dort vollbracht!
Im Augenblicke, in dem sie gehen wollen, kommen zwei Gebirgsbewohner mit Fackeln und versperren ihnen den Weg. Der Tag bricht an.
ERSTER GEBIRGSBEWOHNER:
Ihr könnt nicht mehr hinunter,
Umzingelt ist der Berg von Feinden. ZWEITER GEBIRGSBEWOHNER:
Ein Trupp Soldaten nähert sich;
Der Bischof selber ist dabei.
Sie schrein: Tod dem Satanspaar! HERAKLIDOS:
Es ist der Gipfel aller Dreistigkeit.
Zum ersten Male will entweihen
Ein Priester meine Einsamkeit.
Sie wollen mit den Kindern
Den Adler selbst von seiner Höhe stoßen. Der Vater wird die Kinder schützen!
Es sollen Flammen diesem Berg entsteigen Und seine Felsen auf die Frevler niederrollen, Bevor nur eine Hand berühren kann
Die Menschen, die meinem Gott geweiht. [Er geht.
B. Auftritt] (Sturm)
PHosPHOROS beiseite: Des Cäsars Heer, geführt vom Bischof! Der Berg umzingelt! Kreonis beiseite: Kein Ausgang mehr; Kein Zufluchtsort; Wir sind verloren.
[Sie blicken sich gegenseitig an, wie um die Gedanken des andern zu lesen. Phosphoros zieht sein Schwert, um zu zeigen, dass er sie verteidigen will. Kleonis senkt den Kopf,
starr vor Schrecken.
PHospHoROS beiseite; So ist das Netz um uns gelegt, Der Cäsar und die Kirche, Sie holen ihre Beute Aus deinem Tempel, O Geist des Lichts. Sie töten deinen Sohn. Erloschen ist mein Stern.
KEr schreitet zu der schwarzen Sphinx.
An dir, o schwarze Sphinx, ist's jetzt,
Zu geben mir den letzten Rat. Kreonis beiseite:
So werde ich dich nimmer schauen,
O meine Wüsteneinsamkeit,
In der mir Christus Sonne war?
Den Kindern des Lucifer
Ist keine Rettung mehr?
Der Abgrund blickt sie an.
O was bedeutet jene Stimme,
Die vom Opfer sprach?
Sie wendet sich zur weißen Sphinx.
An dir, o weiße Sphinx ist’s jerzt
Zu deuten mir das letzte Rätsel.
Man hört die römische Fanfare in weiter Ferne.
PHosPHOROS: Die Fanfare! Hörst du sie? Ich kann nicht ruhig stehen, Mein Schwert erzittert. Bevor ich sterbe, will ich Den Feigen ein Todesopfer bringen. KLeonis: O bleib, für uns ist jeder Kampf vergebens, Den solche Schwerter kämpfen. Was würde aus Kleonis, Wenn Phosphoros gefallen. Gefangen würde sie, Nach Dionysia geschleppt, Von unserem Volk geschmäht, Vom Bischof eingekerkert, Vielleicht dem Cäsar ausgeliefert. Nicht Blut der Menschen ist’s, Wonach wir dürsten können. Mit plötzlicher Erleuchtung. Das Blut von Christi Opfertat, In diesem Augenblick Erkenn ich seine wahre Mahnung. Es löst mir das Rätsel jener Worte, Die uns die Stimme sandte. Vom höchsten Opfer sprach sie: Wir müssen ihr jetzt folgen. PHospHoRos: Wie verstehst du sie? Kreonis: Das Sühneopfer sind ... Wir selbst. PHosPHOROS: Wie soll die Seele fassen, Was der Gedanke fast zu fliehen scheint? Kreonis: Wenn Liebe sich befreit vom Erdenrund Und in die Geistessphären steigt, Entbindet sie im Herzen Wunderkräfte. Eintauchen kann die Seele dann In ihres Wesens tiefsten Kern Und Götterrat sich holen. Es sprach durch solche Wunderkraft Mein Herz mit seinem Gotte eben. Er selbst hat mir verlichen Erkenntnis höchster Opfertat.
Des Seins Geheimnis ist,
Verlieren sich, um zu besitzen sich.
Nur zwei von allen Lebensformen
Erfüllen solches Weisheitswort:
Die Liebe und der Tod. PHospHoROS:
Das Sterben sollen wir als Frucht empfangen,
Bevor das Leben uns geblüht? KLeonis:
Der Opfertod wird unsere Seelen
In höchste Lebenssphären tragen! PnospHoros:
Und kann die Frucht des Werkes
Im Himmel sich entfalten,
Wenn auf der Erde schon die Blüte stirbt? Kreonis:
Der Tod befreit geheime Kräfte
Aus unserer Seelen Wesens tiefem Kern
Und lässt in unser Werk sie strahlen,
Das für die Menschen auf der Erde
Nur so die Früchte bringen kann.
(Sie nehmen sich wieder in die Arme und sehen sich lang an. Ihre Lippen suchen und berühren sich.
PHospHoRroS Fanfare: Ich fühle Licht in mir! Mein Geist versteht Kleonis’ Seele. Prophetenworte künden deine Lippen.
Man hört die Fanfare in der Nähe. Phosphoros entreißt sich Kleonis’ Armen und schwingt sein Schwert. Wir siegen über Zeitentod Und werden für die Ewigkeit geboren, Durch unseres Sühneopfers Kraft. Wir wollen durch die dunkle Todespforte In lichte Lebenshöhen schreiten. Kreonis: Bist du bereit? Prrospmoros: Ich bin es - führe mich! Kieonis zieht aus ihrem Busen ein goldenes Fläschchen: Dies Fläschchen mag der Schlüssel sein. Eine Sklavin gab mir’s einst Der ich die Freiheit schenkte. Nur wenige Tropfen seines Inhalts Genügen, um zu finden jenen Schlaf, Den wir jetzt suchen sollen. — Die beiden Kelche blinken vom Altar. — PHosPHOROS: So lass uns ohne Furcht den Kelch der Freiheit trinken!
Kleonis gießt die Flüssigkeit in die Kelche, reicht den einen Phosphoros und nimmt den andern.
Kreonis: Dem Helden Phosphoros, Dem Geiste meiner Seele! PHosPHOROS: Der Göttin meines Sieges, Der Seele meines Geistes! Kreonis: Der Seele Dionysias. PHospHoros: Dem Geist der Menschheit! - -[Sie leeren die Kelche zur selben Zeit. Alsbald wankt Kleonis und fällt in Phosphoros’ Arme, das Haupt nach rückwärts geworfen Kleonis, was ist dir? Was schauen deine Augen? KLeonis: Ich schau der Erde Zukunft! Ich sehe Christi Kreuz Im Stern des Lucifer. Sie sinken zusammen auf die Stufen des Altars. Die Zeichen zweier Welten! [Ihr Kopf fallt zurück. PHospHoros: In Liebe sich vereinend. [Sie sterben.
[6. Auftritt
Heraklidos, der Bischof mit einem Centurio und einem Trupp Legionäre.]
HERAKLIDOS kommt von rechts und erblickt die auf den Stufen des Altars liegenden Körper: Das Sühneopfer! ... [CENTURIO: Sie sind tot!] Der BiscHor: Sie sind zermalmt! HERAKLIDOS:
Sie schreiten sterbend zur Unsterblichkeit,
Und ewig lebt ihr Werk in freien Herzen. Der Biscnor:
Der Wüstenwind wird ihre Asche fegen
Und Gott wird ihre Namen
Auslöschen aus dem Weltenbuche. HERAKLIDOS:
Im Tempel werden sie erhalten bleiben,
Und leuchten werden sie in Menschenseelen,
Des Lichtes Träger als der Freiheit Künder. Der BiscHor:
Ergreift die Leiber
Und bringt sie zum Verscharren
Dem Volk von Dionysia.
Dann kehren wir hierher zurück.
Um diesen Tempel zu zerstören.
Er muss fallen wie der andere,
Der dem Dionysos geweiht war HERAKLIDOS:
Nimm dich in Acht!
Berühre diese Leiber nicht. —
Sie sind geweiht vom Opfer jener Liebe,
Die durch die Läuterung geschritten.
Und ferne bleibe dieser Stab
Dem Zepter meiner Hand.
Du stehst vor einem Tempel
An dessen Säulen deine Kraft zerschellen müsste,
Wenn du dich gegen ihn empören wolltest. Der BiscHoF zu den zögernden Legionären: Ergreift die Leichen!
[Im Augenblicke, in dem sich die Legionäre nähern, erscheint der funkelnde Stern über den Liebenden. Ein feuriges Kreuz blitzt in seiner Mitte. Zu gleicher Zeit lodert auf dem Altar, zu dessen Füßen die umschlungenen Körper ruhen, eine Flamme auf. Die erschreckten Legionäre weichen zurück und fallen auf die Knie.
Der BiscHor entsetzt, tritt einen Schritt zurück: Was ist dies? Er lässt den Krummstab fallen. HERAKLIDOS: Das Zeichen für die neuen Zeiten, Das Kreuz des Christus auf dem Stern des Lucifer! Er lässt die Sanftmut strömen in die Kraft. Wie dieses Kreuz im Stern Das Sinnbild ist geheimster Weltenkunst Im Reich der Sichtbarkeit, So wirkt im Unsichtbaren Die Liebe, die, gereinigt Von allen Erdenresten, Empor sich ringt zu Götterreichen. Es hat die Seele dieser Frau Zum Lebenssinnbild sich vereint Mit dieses Mannes Geist. — Sie strahlen aus Himmelshöhen Fortan wie Kreuz und Stern Für Menschenheil und Freiheit. Erhebe deinen Hirtenstab Und sage deiner Herde:
Du hast gesehn den Tempel, Wo Lucifers Gestirn
Den Heldenherzen strahlt, Und in den Menschen weckt Der Götter Sonnenkraft. Heraklidos streckt seinen Zepter über das tote Paar, das die Flamme des Altars überragt; der Bischof bleibt versteinert, die Legionäre auf den Knien und der Vorhang fällt über die Vision des Sterns und des Kreuzes, die in lichtem Weiß erglühen.
(Ende der «Kinder des Lucifer»