Von Seelenrätseln
GA 21
III. Franz Brentano (Ein Nachruf)
[ 1 ] Über das Verhältnis von Anthropologie und Anthroposophie in genügender Form zu sprechen ist aus den im vorigen Abschnitt dieser Schrift angeführten Gründen in Anknüpfung an Max Dessoirs Buch «Vom Jenseits der Seele» nicht möglich. Ich glaube nun aber, daß dieses Verhältnis anschaulich werden kann, wenn ich an diese Stelle die Ausführungen setze, die ich in andrer Absicht niedergeschrieben habe, nämlich als Nachruf für den im März 1917 in Zürich verstorbenen Philosophen Franz Brentano. Der Hingang des von mir aufs höchste verehrten Mannes hat bei mir bewirkt, daß dessen bedeutungsvolles Lebenswerk erneut mir vor die Seele getreten ist; er hat mich bestimmt, das Folgende auszusprechen.
[ 2 ] Es scheint mir, daß ich den Versuch machen darf, vom anthroposophischen Gesichtspunkte aus zu einer Ansicht über Franz Brentanos philosophisches Lebenswerk zu gelangen in diesem Augenblick, da der Tod der verehrten Persönlichkeit die Fortsetzung dieses Werkes unterbrochen hat. Ich glaube, daß der anthroposophische Gesichtspunkt mich nicht in eine einseitige Schätzung der Brentanoschen Weltanschauung verfallen lassen kann. Dies nehme ich aus zwei Gründen an. Erstens kann die Vorstellungsart Brentanos von niemand beschuldigt werden, daß sie selbst auch nur die geringste Hinneigung zu einer anthroposophischen Richtung habe. Ihr Träger hätte diese, wenn er selbst zu einem Urteile über sie Veranlassung gehabt hätte, wohl mit aller Entschiedenheit abgelehnt. Zweitens bin ich, von meinem anthroposophischen Gesichtspunkte aus, in der Lage, der Philosophie Franz Brentanos rückhaltlose Verehrung entgegenzubringen.
[ 3 ] Was das erste betrifft, so glaube ich nicht zu irren, wenn ich sage, Brentano hätte, wenn er über die von mir gemeinte Anthroposophie zu einem Urteil gekommen wäre, dies so gestaltet, wie dasjenige, das er sich über Plotins Philosophie gebildet hat. Wie dieser gegenüber würde er wohl auch von der Anthroposophie gesagt haben: «Mystisches Dunkel und ein freies Schweifen der Phantasie in unbekannten Regionen.» 68Vergleiche Brentanos Schrift: «Was für ein Philosoph manchrnal Epoche macht» (Wien, Pest, Leipzig, Hartlebens Verlag, 1876), Seite 14 Wie dem Neuplatonismus würde er auch gegenüber der Anthroposophie zur Vorsicht gemahnt haben, «damit man nicht, von eitlem Scheine verlockt, in den labyrinthischen Gängen einer Pseudophilosophie sich verliere».69Vergleiche Brentanos Schrift: «Was für ein Philosoph manchmal Epoche macht» (Wien, Pest, Leipzig, Hartlebens Verlag, 1876), Seite 23 Ja, er hätte vielleicht die Denkweise der Anthroposophie für zu dilettantisch befunden, um sie auch nur für würdig zu halten, sie den Philosophien beizuzählen, über die er so urteilte wie über die Fichte-Schelling-Hegelsche. In seiner Wiener Antrittsrede sagt er über diese: «Vielleicht ist auch die jüngstvergangene Zeit eine... Epoche des Verfalles gewesen, in der alle Begriffe trüb ineinander schwammen, und von sachentsprechender Methode nicht eine Spur mehr der eben angeführten Schrift Brentanos zu finden war.» 70Vergleiche den Abdruck der 1874 beim Antritt seiner Wiener Professur gehaltenen Antrittsrede: «Über die Gründe der Entmutigung auf philosophischem Gebiete» (Wien 1874), Seite 18. Ich glaube, daß Brentano so geurteilt hätte, wenn ich auch selbstverständlich nicht nur dieses Urteil für völlig grundlos, sondern auch jede Zusammenstellung der Anthroposophie mit den Philosophien, mit denen sie dieser Philosoph wahrscheinlich zusammengestellt hätte, für unberechtigt halte.
[ 4 ] Was nun den zweiten der oben angegebenen Gründe, mich mit der Brentanoschen Philosophie auseinanderzusetzen, betrifft, so darf ich bekennen, daß sie für mich zu den anziehendsten Leistungen der Seelenforschung in der Gegenwart gehört. Ich konnte zwar nur wenige der Wiener Vorlesungen Brentanos vor etwa sechsunddreißig Jahren hören; aber von diesem Zeitraum an habe ich seine schriftstellerische Tätigkeit mit wärmstem Anteile verfolgt. Leider erschienen seine Veröffentlichungen, gemessen an meinem Wunsche, von ihm zu vernehmen, in viel zu großen Zeitabständen. Und sie sind zumeist so gehalten, daß man durch sie nur wie durch kleine Öffnungen in einen Raum mit einer Fülle von Schätzen, so durch gelegentliche Veröffentlichungen auf ein weites Reich unveröffentlichter Gedanken blickte, das der hervorragende Mann in sich trug. So in sich trug, daß es in fortwährender Ausgestaltung hohen Erkenntniszielen zustrebte. Als nach langer Pause 1911 Brentanos Buch über «Aristoteles», seine glänzende Schrift «Aristoteles’ Lehre vom Ursprung des menschlichen Geistes» und sein Wiederabdruck des wichtigsten Teiles seiner Psychologie mit den so scharfsinnigen «Nachträgen» erschienen waren, da war das Lesen dieser Schriften für mich eine Reihe von Festesfreuden.71Vergleiche Brentano: «Aristoteles und seine Weltanschauung » (1911, Verlag von Quelle und Meyer in Leipzig); Brentano: «Aristoteles’ Lehre vom Ursprung des menschlichen Geistes» (Leipzig, Verlag von Veit und Comp., 1911); Brentano: «Von der Klassifiltation der psychischen Phänomene» (Leipzig, Verlag von Duneker und Humbolt, 1911).
[ 5 ] Ich fühle mich Franz Brentano gegenüber von einer solchen Gesinnung durchdrungen, von der ich glaube sagen zu dürfen, daß man sie erwirbt, wenn die vom anthroposophischen Gesichtspunkte aus gewonnene wissenschaftliche Überzeugung - eben die Gesinnung ergreift. Ich bestrebe mich, seine Anschauungen in ihrem Werte zu durchschauen, wenn ich mich auch keiner Täuschung darüber hingebe, daß er in dem oben angedeuteten Sinne über Anthroposophie hätte denken können, ja wohl, müssen. Dies bringe ich hier wahrlich nicht vor, um in alberner Art über meine Gesinnung gegenüber gegnerischen oder abweichenden Anschauungen in eine eitle Selbstkritik zu verfallen, sondern weil ich weiß, wie viel Mißverständnisse meiner Urteile über andere Geistesrichtungen es mir gebracht hat, daß ich mich in meinen Veröffentlichungen oft so ausgesprochen habe, wie es eine Folge dieser Gesinnung ist.
[ 6 ] Die ganze Brentanosche Seelenforschung methodisch durchdringend erscheinen mir die Grundgedanken, welche ihn 1868 zur Aufstellung seines Leitsatzes führten. Als er damals in Würzburg seine philosophische Professur antrat, rückte er seine Vorstellungsart in das Licht der These: es könne die wahre philosophische Forschungsart keine andere sein als die in dem naturwissenschaftlichen Erkennen berechtigte. «Vera philosophiae methodus nulla alia nisi scientiae naturalis est.» 72 Später sprach er sich über die Aufstellung dieser These aus in dem Vortrage, den er 1892 in der Wiener Philosophischen Gesellschaft gehalten hat und der abgedruckt ist als Schrift: «Über die Zukunft der Philosophie» (Wien, Alfred Hölder, 1893). Da findet man Seite 3 den hier gemeinten späteren Hinweis Brentanos auf seine These. Als er dann den ersten Band seiner «Psychologie vom empirischen Standpunkte» 1874 erscheinen ließ - in der Zeit, als er seine Wiener Professur antrat -, suchte er die Seelenerscheinungen in Gemäßheit des angeführten Leitsatzes wissenschaftlich darzulegen.73Vergleiche Brentano: «Psychologie vom empirischen Standpunkte», 1. Band (Leipzig, Verlag von Duneker und Humblot, 1874) Für mich bildet, was Brentano mit diesem Buche gewollt hat, und was von diesem Wollen während seiner Lebenszeit durch seine Veröffentlichungen zutage getreten ist, ein bedeutsames wissenschaftliches Problem. Brentano hatte - das geht aus seinem Buche hervor - seine Psychologie auf eine Reihe von Büchern berechnet. Das zweite hatte er versprochen, kurze Zeit nach dem ersten erscheinen zu lassen. Es ist keine Fortsetzung des nur die Anfangsvorstellungen seiner Psychologie enthaltenden ersten Teiles erschienen. Als er 1889 seinen in der Wiener Juristischen Gesellschaft gehaltenen Vortrag «Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis» abdrucken ließ, schrieb er in der Vorrede:
«Man würde irren, wenn man um des zufälligen Anstoßes willen den Vortrag für ein flüchtiges Werk der Gelegenheit hielte. Er bietet Früchte von jahrelangem Nachdenken. Unter allem, was ich bisher veröffentlicht, sind seine Erörterungen wohl das gereifteste Erzeugnis. - Sie gehören zum Gedankenkreise einer ‹Deskriptiven Psychologie›, den ich, wie ich nunmehr zu hoffen wage, in nicht ferner Zeit seinem ganzen Umfange nach der Öffentlichkeit erschließen kann. Man wird dann an weiten Abständen von allem Hergebrachten, und insbesondere auch an wesentlichen Fortbildungen eigener, in der ‹Psychologie vom empirischen Standpunkt› vertretener Anschauungen genugsam erkennen, daß ich in meiner langen literarischen Zurückgezogenheit nicht eben müßig gewesen bin.» 74Vergleiche Brentanos Schrift «Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis» (Leipzig, Verlag Daneker und Humblot, 1889), Seite Vf.
Auch diese «Deskriptive Psychologie» ist nicht erschienen. Die Verehrer der Brentanoschen Philosophie können ermessen, welchen Gewinn sie ihnen gebracht hätte, wenn sie die ein enges Gebiet umfassenden 1907 erschienenen «Untersuchungen zur Sinnespsychologie» studieren.75Brentano: «Untersuchungen zur Sinnespsychologie» (Leipzig, Verlag Duncker und Humblot, 1907).
[ 7 ] Man muß sich die Frage stellen: was hat Brentano dazu gebracht, in der Fortsetzung seiner Veröffentlichungen immer wieder inne zu halten, ja, das als in kurzer Zeit fertig Geglaubte dann doch nicht zu veröffentlichen? Ich bekenne, daß ich mit innerlichster Erschütterung in dem Nachruf für Franz Brentano, den Alois Höfler im Mai 1917 hat erscheinen lassen, die Worte las: «Wie er an seinem Hauptproblem, dem Gottesbeweis, so zuversichtlich weiterarbeitete, daß mir noch vor wenigen Jahren ein mit Brentano innig befreundeter, ausgezeichneter Wiener Arzt erzählte, Brentano habe ihm kürzlich versichert, nun habe er den Gottesbeweis binnen wenigen Wochen fertig ... » 76Süddeutsche Monatshefte, Mai 1917, in dem Aufsatz : «Franz Brentano in Wien», Seite 319 ff. Ebenso empfand ich, als ich aus einem andern Nachruf (von Utitz),77Erschienen in der Vossischen Zeitung. vernahm: « Das Werk, das er am heißesten geliebt, an dem er sein ganzes Leben lang geschaffen, ist unveröffentlicht geblieben.»
[ 8 ] Mir scheint, daß Brentanos Schicksale mit seinen geplanten Veröffentlichungen ein schwerwiegendes geisteswissenschaftliches Problem darstellen. Nähern wird man sich diesem wohl nur, wenn man dasjenige in seiner Eigenart betrachten will, was er der Welt hat mitteilen können.
[ 9 ] Ich halte für wichtig, ins Auge zu fassen, daß Brentano in seiner psychologischen Forschung in scharfsinniger Weise eine reine Vorstellung des wirklich Seelischen zugrunde legen will. Er fragt sich: was ist Charakteristisches in allen Vorkommnissen, die man als seelische ansprechen muß. Und er fand, was er in den Nachträgen zur Psychologie 1911 so ausdrückte: «Das Charakteristische für jede psychische Tätigkeit besteht, wie ich gezeigt zu haben glaube, in der Beziehung zu etwas als Objekt.» 78Vergleiche Brentano : «Von der Klassifikation der psychischen Phänomene», Seite 122. Vorstellen ist eine psychische Tätigkeit. Das Charakteristische ist, daß ich nicht nur vorstelle, sondern daß ich etwas vorstelle, daß meine Vorstellung sich auf etwas bezieht. Mit einem der mittelalterlichen Philosophie entlehnten Ausdruck bezeichnet Brentano diese Eigenheit der seelischen Erscheinungen als «intentionale Beziehung». «Der gemeinsame Charakterzug»—so führt er an einem andern Orte aus:
«alles Psychischen besteht in dem, was man häufig mit einem leider sehr mißverständlichen Ausdruck Bewußtsein genannt hat, das heißt in einem subjektischen Verhalten, in einer, wie man sie bezeichnete, intentionalen Beziehung zu etwas, was vielleicht nicht wirklich, aber doch innerlich gegenständlich gegeben ist. Kein Hören ohne Gehörtes, kein Glauben ohne Geglaubtes, kein Hoffen ohne Gehofftes, kein Streben ohne Erstrebtes, keine Freude ohne etwas, worüber man sich freut, und so im übrigen.» 79Vergleiche Brentano : «Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis», Seite 14. Und über den Grundzug des Intentionellen «Psychologie vom empirischen Standpunkte», Seite 115 ff.
Dieses intentionale Innesein ist nun in der Tat etwas, was wie ein Leitmotiv so führt, daß man alles, dem man es beilegen kann, eben dadurch in seiner seelischen Eigenart erkennt.
[ 10 ] Den psychischen Erscheinungen stellt Brentano die physischen gegenüber: Farben, Schall, Raum und viele andere. Er findet, daß sich diese von jenen eben dadurch unterscheiden, daß ihnen eine intentionale Beziehung nicht eigen ist. Und er beschränkt sich darauf, diese Beziehung den psychischen Erscheinungen zu-, den physischen abzusprechen. Nun wird aber gerade, wenn man Brentanos Ansicht über die intentionale Beziehung kennen lernt, die Vorstellung zu der Frage hingeführt: macht ein solcher Gesichtspunkt nicht notwendig, auch das Physische von ihm aus anzusehen? Wer nun in diesem Sinne wie Brentano das Psychische so, das Physische auf ein Gemeinsames hin prüft, der findet, daß jede Erscheinung dieses Gebietes durch etwas anderes ist. Löst sich ein Körper in einer Flüssigkeit auf, so tritt diese Erscheinung am gelösten Körper durch die Beziehung der lösenden Flüssigkeit zu ihm auf. Wenn Phosphor seine Farbe durch die Einwirkung der Sonne ändert, so weist dies in dieselbe Richtung. Alle Eigenschaften in der physischen Welt sind durch die Verhältnisse der Dinge zu einander. Es ist für physisches Sein richtig, wenn Moleschott sagt: «Alles Sein ist ein Sein durch Eigenschaften. Aber es gibt keine Eigenschaft, die nicht durch ein Verhältnis besteht.» 80Besonders prägnant hat dieses dargestellt Richard Wallascheck in einem bedeutenden Aufsatz der Wiener Wochensehrift «Die Zeit», Nr.96 und 97 des Jahrganges 1896 (vom 1. und 8. August). Wie alles Psychische in sich etwas enthält, wodurch es auf ein außer ihm Befindliches weist, so ist umgekehrt ein Physisches so geartet, daß das, was es ist, es durch die Beziehung eines Äußeren auf es ist. Muß nicht jemand, der in so scharfsinniger Weise wie Brentano die intentionale Beziehung alles Seelischen betont, die Aufmerksamkeit auch auf das Charakteristische der physischen Erscheinungen richten, das sich durch den gleichen Gedankenvorgang ergibt? Sicher scheint zum mindesten, daß eine solche Betrachtung des Seelischen die Beziehung desselben zur physischen Welt nur finden kann, wenn sie dieses Charakteristische in Erwägung zieht.81Man vergleiche damit den Schluß des 7. Kapitels der am Ende dieser Schrift gegebenen «Skizzenhaften Erweiterungen des Inhaltes...». «7. Die Sonderung des Seelischen von dem Außer-Seelischen durch Franz Brentano.»
[ 11 ] Brentano findet nun drei Arten von intentionalen Beziehungen im seelischen Leben. Die erste ist das Vorstellen von etwas; die zweite die Anerkennung oder Verwerfung, die sich im Urteilen aussprechen; die dritte die des Liebens oder Hassens, welche im Fühlen erlebt werden. Wenn ich sage: Gott ist gerecht, so stelle ich etwas vor; aber ich anerkenne oder verwerfe das Vorgestellte noch nicht; wenn ich aber sage: es gibt einen Gott, so anerkenne ich das Vorgestellte durch ein Urteil. Sage ich: die Freude ist mir lieb, so urteile ich nicht bloß, sondern ich erlebe ein Gefühl. Brentano unterscheidet aus solchen Voraussetzungen heraus drei Grundklassen der psychischen Erlebnisse: Vorstellen, Urteilen, Fühlen (oder die Erscheinungen des Liebens und Hassens). Diese drei Grundklassen setzt er an die Stelle der von anderen anerkannten Teilung der psychischen Erscheinungen in: Vorstellen, Fühlen und Wollen.82Vergleiche Brentano : «Psychologie vom empirischen Standpunkte» Seite 233 ff., und seine Schrift : «Von der Klassifikation der psychischen Phänomene.» Während nämlich Vorstellen und Urteilen viele in eine Klasse zusammenfassen, trennt Brentano die beiden. Er ist mit der Zusammenfassung nicht einverstanden, weil er nicht wie andere in dem Urteil nur eine Verbindung von Vorstellungen sieht, sondern eben eine Anerkennung oder ein Verwerfen des Vorgestellten, was beim bloßen Vorstellen nicht vollzogen wird. Gefühl und Wille hinwiederum, welche andere trennen, fallen für Brentano, ihrem seelischen Gehalte nach, in eins zusammen. Was seelisch erlebt wird, indem man sich zum Verrichten einer Handlung hingezogen oder davon abgestoßen fühlt, ist dasselbe, was man erlebt, wenn man zur Freude sich hingezogen oder vom Schmerze abgestoßen fühlt.
[ 12 ] Es ist aus Brentanos Schriften ersichtlich, daß er einen großen Wert darauf legt, die von ihm vorgefundene Gliederung des seelischen Erlebens in Denken, Fühlen und Wollen durch die andere ersetzt zu haben, in Vorstellen, Urteilen und in Lieben und Hassen. Von dieser Gliederung aus sucht er sich einen Weg zu bahnen zum Verständnis dessen, was die Wahrheit auf der einen Seite, die sittliche Güte auf der anderen Seite ist. Die Wahrheit stützt sich ihm auf das richtige Urteilen; die sittliche Güte auf das richtige Lieben. Er findet: «Wir nennen etwas wahr, wenn die daraufbezügliche Anerkennung richtig ist. Wir nennen etwas gut, wenn die darauf bezügliche Liebe richtig ist.» 83Vergleiche Brentano: «Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis». Seite 17.
[ 13 ] Man kann in Brentanos Ausführungen finden, daß er mit der richtigen Anerkennung im Urteile bei der Wahrheit, mit dem richtigen Erleben der Liebe bei der sittlichen Güte einen seelischen Tatbestand scharf ins Auge faßt und umschreibt. Allein man kann innerhalb seines Vorstellungsbereiches nichts finden, was genügen würde, um von dem seelischen Erlebnis des Vorstellens zu dem des Urteilens den Übergang zu finden. Wo man auch hinblickt in diesem Vorstellensbereich: man sucht vergebens nach der Beantwortung der Frage: was liegt denn vor, wenn sich die Seele bewußt ist, sie stelle nicht bloß vor, sondern sie finde sich veranlaßt, den Gegenstand des Vorstellens durch ein Urteil anzuerkennen? - Ebenso wenig kann man eine Frage vermeiden bei dem richtigen Lieben für die sittliche Güte. Innerhalb desjenigen Bereiches, welchen Brentano als «Seelisches» umschreibt, ist für das sittliche Verhalten allerdings kein anderer Tatbestand vorhanden als das richtige Lieben. Aber ist denn einer sittlichen Handlung nicht auch eine Beziehung zu der äußeren Welt eigen? Kann dieses, was eine solche Handlung für die Welt charakterisiert, erschöpft werden dadurch, daß man sagt: sie ist eine Handlung, die richtig geliebt wird? 84 Man vergleiche hiermit das 5. Kapitel in den am Ende dieser Schrift gegebenen «Skizzenhaften Erweiterungen des Inhaltes...»: «5. Über die wirkliche Grundlage der intentionalen Beziehung.»
[ 14 ] Man hat beim Verfolgen Brentanoscher Gedankengänge zumeist das Gefühl: sie seien immer fruchtbringend, weil sie ein Problem nach einer Richtung hin scharfsinnig und mit wissenschaftlicher Besonnenheit in Angriff nehmen; aber man empfindet auch, Brentano führt mit solchen Gedankengängen nicht zu dem Ziel, das seine Ausgangspunkte versprechen. Solch eine Empfindung kann sich auch aufdrängen, wenn man seine Dreiteilung des Seelenlebens in Vorstellen, Urteilen, Lieben und Hassen vergleicht mit der andern in Vorstellen, Fühlen und Wollen. Man folgt mit einer gewissen Zustimmung dem, was er für seine Meinung beizubringen weiß; und man kann zuletzt doch wohl kaum die Überzeugung gewinnen, daß er alle Gründe hinreichend würdigt, die für die andere sprechen. Man nehme nur als besonderes Beispiel die Folgerung, die Brentano aus seiner Gliederung für die Kennzeichnung des Wahren, Schönen und Guten zieht. Wer das Seelenleben nach erkennendem Vorstellen, Fühlen und Wollen gliedert, wird kaum anders können, als das Streben nach Wahrheit mit dem Vorstellen, das Erleben der Schönheit mit dem Fühlen, das Vollbringen des Guten mit dem Wollen in einen näheren Zusammenhang zu bringen. Im Lichte der Brentanoschen Gedanken erscheint die Sache anders. Da haben die Vorstellungen als solche keine Beziehung zu einander, durch die sich als solche schon die Wahrheit offenbaren könnte. Strebt die Seele nach einem Vollkommenen in der Beziehung von Vorstellungen, so kann daher ihr Ideal dabei nicht die Wahrheit sein; es ist vielmehr die Schönheit. Die Wahrheit liegt nicht auf dem Wege des bloßen Vorstellens, sondern des Urteilens. Und das sittlich Gute findet sich nicht als ein dem Wollen Wesentliches, sondern ist Inhalt eines Fühlens; denn richtig zu lieben, ist Gefühls-Erlebnis.85Vergleiche Brentano: «Psychologie vom empirischen Standpunkte», Seite 340 ff., und seine Schrift : «Von der Klassifikation der psychischen Phänomene», Seite 110 ff., sowie auch das von ihm in seiner Schrift «Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis», Seite 17 ff., Gesagte. Nun kann aber die Wahrheit für das gewöhnliche Bewußtsein doch nur im vorstellenden Erkennen gesucht werden. Denn, wenn auch das Urteil, das zur Wahrheit führt, nicht in einer bloßen Verbindung von Vorstellungen sich erschöpft, sondern auf einer Anerkennung oder Verwerfung von Vorstellungen beruht, so kann diese Anerkennung oder Verwerfung von diesem Bewußtsein nur in Vorstellungen erlebt werden. - Und wenn auch die Vorstellungen, durch die ein Schönes dem Bewußtsein sich darstellt, in gewissen innerhalb des Vorstellungslebens gelegenen Verhältnissen sich offenbaren: erlebt wird die Schönheit doch durch das Gefühl. - Und obgleich ein sittlich Gutes in der Seele ein richtiges Lieben hervorrufen soll: sein Wesentliches ist doch die Verwirklichung des richtig Geliebten durch das Wollen.
[ 15 ] Man erkennt erst, was in Brentanos Gedanken über die Dreigliederung des Seelenlebens vorliegt, wenn man durchschaut, daß er von etwas ganz anderem spricht als diejenigen, welche diese Gliederung nach Vorstellen, Fühlen und Wollen vollziehen. Diese wollen einfach die Erfahrung des gewöhnlichen Bewußtseins beschreiben. Und dieses erfährt von sich selbst in den von einander unterschiedenen Verrichtungen des Vorstellens, Fühlens und Wollens. Was wird da eigentlich erfahren? In meinem Buche «Vom Menschenrätsel» habe ich versucht, diese Frage zu beantworten.
Die dort vorgebrachten Ergebnisse habe ich in der folgenden Art zusammengefaßt. «Zunächst ist das seelische Erleben des Menschen, wie es sich im Denken, Fühlen und Wollen offenbart, an die leiblichen Werkzeuge gebunden. Und es gestaltet sich so, wie es durch diese Werkzeuge bedingt ist. Wer aber meint, er sehe das wirkliche Seelenleben, wenn er die Äußerungen der Seele durch den Leib beobachtet, der ist in demselben Fehler befangen, wie einer, der glaubt, seine Gestalt werde von dem Spiegel hervorgebracht, vor dem er steht, weil der Spiegel die notwendigen Bedingungen enthalte, durch die sein Bild erscheint. Dieses Bild ist sogar in gewissen Grenzen als Bild von der Form des Spiegels usw. abhängig: was es aber darstellt, das hat mit dem Spiegel nichts zu tun. Das menschliche Seelenleben muß, um innerhalb der Sinneswelt sein Wesen voll zu erfüllen, ein Bild seines Wesens haben. Dieses Bild muß es im Bewußtsein haben; sonst würde es zwar ein Dasein haben; aber von diesem Dasein keine Vorstellung, kein Wissen. Dieses Bild, das im gewöhnlichen Bewußtsein der Seele lebt, ist nun völlig bedingt durch die leiblichen Werkzeuge. Ohne diese würde es nicht da sein, wie das Spiegelbild nicht ohne den Spiegel. Was aber durch dieses Bild erscheint, das Seelische selbst, ist seinem Wesen nach von den Leibeswerkzeugen nicht abhängiger als der vor dem Spiegel stehende Beschauer von dem Spiegel. Nicht die Seele ist von den Leibeswerkzeugen abhängig, sondern allein das gewöhnliche Bewußtsein der Seele.» 86Vergleiche hierzu mein Buch «Vom Menschenrätsel», 4. Auflage, Seite 156. Ich möchte die für viele gewiß überflüssige Bemerkung hier anfügen, daß ich - aus der Wesenheit der Sache heraus - bei meinem Vergleiche des Bewußtseins mit einem Spiegelbilde nicht im Auge habe, was man gewöhnlich tut, die Vorstellungswelt ein Spiegelbild der Außenwelt zu nennen, sondern daß ich, was die Seele im gewöhnlichen Bewußtsein erlebt, als ein Spiegelbild des wahrhaft Seelischen bezeichne.
Schildert man diesen von der Leibesorganisation abhängigen Bewußtseinsbereich, so gliedert man richtig nach Vorstellen, Fühlen und Wollen.87Man vergleiche damit das 6. Kapitel der am Ende dieser Schrift gegebenen «Skizzenhaften Erweiterungen des Inhaltes...» : «6. Die physischen und die geistigen Abhängigkeiten der Menschen-Wesenheit.» Aber Brentano schildert etwas anderes. Man fasse zunächst ins Auge, daß er unter dem «Urteilen» ein Anerkennen oder Abweisen eines Vorstellungsinhaltes versteht. Das Urteilen betätigt sich innerhalb des Vorstellungslebens; aber es nimmt die Vorstellungen, die in der Seele auftreten, nicht einfach hin, sondern es setzt sie durch Anerkennung oder Ablehnung in Beziehung zu einer Wirklichkeit. Sieht man genauer zu, so kann diese Beziehung der Vorstellungen auf eine Wirklichkeit nur in einer Tätigkeit der Seele gefunden werden, welche in dieser selbst sich vollzieht. Dem entspricht aber niemals restlos, was die Seele bewirkt, wenn sie eine Vorstellung umteilend auf eine Sinneswahmehmung bezieht. Denn da ist es der Zwang des äußeren Eindruckes, der nicht rein innerlich erlebt, sondern nur nacherlebt wird, und so als vorgestelltes Nach-Erlebnis zur Anerkennung oder zum Verwerfen führt. Dagegen entspricht, was Brentano beschreibt, in dieser Beziehung vollkommen demjenigen Erkennen, das im ersten Abschnitt dieser Schrift das imaginative genannt wird. In diesem wird das Vorstellen des gewöhnlichen Bewußtseins nicht einfach hingenommen, sondern in innerem Seelen-Erleben weiter gebildet, so daß aus ihm sich die Kraft auslöst, das seelisch Erfahrene auf eine geistige Wirklichkeit so zu beziehen, daß diese anerkannt oder verworfen wird. Brentanos Urteilsbegriff wird also nicht im gewöhnlichen Bewußtsein vollkommen verwirklicht, sondern in der Seele, die in imaginativem Erkenntnis sich betätigt. - Des weiteren ist klar, daß durch Brentanos vollständige Ablösung des Vorstellungs- von dem Urteilsbegriff, von ihm das Vorstellen als bloßes Bild gefaßt wird. So aber lebt das gewöhnliche Vorstellen in der imaginativen Erkenntnis. Auch diese zweite Eigenschaft, welche die Anthroposophie dem imaginativen Erkennen beilegt, findet sich also in Brentanos Charakteristik der psychischen Erscheinungen. Ferner: Brentano spricht die Erlebnisse des Fühlens als Erscheinungen der Liebe und des Hasses an. Wer zum imaginativen Erkennen aufsteigt, der muß in der Tat diejenige Art des seelischen Erlebens, die für das gewöhnliche Bewußtsein als Lieben und Hassen - im Brentanoschen Sinn - sich offenbart, für das übersinnliche Schauen so umwandeIn, daß er sich gewissen Eigenarten der geistigen Wirklichkeit gegenübersetzen kann, welche in meiner «Theosophie» zum Beispiel in der folgenden Art geschildert werden: «Es gehört zu dem ersten, was man sich für die Orientierung in der seelischen Welt aneignen muß, daß man die verschiedenen Arten ihrer Gebilde in ähnlicher Weise unterscheidet, wie man in der physischen Welt feste, flüssige und luft- oder gasförmige Körper unterscheidet. Um dazu zu kommen, muß man die beiden Grundkräfte kennen, die hier vor allem wichtig sind. Man kann sie Sympathie und Antipathie nennen. Wie diese Grundkräfte in einem seelischen Gebilde wirken, danach bestimmt sich dessen Art.»88Vergleiche meine «Theosophie», 28. Auflage, Seite 96. Während Lieben und Hassen für das Leben der Seele in der Sinneswelt etwas Subjektives bleibt, erlebt das imaginative Erkennen das objektive Verhalten in der Seelenwelt mit durch innere Erfahrungen, die dem Lieben und Hassen gleichkommen. Brentano beschreibt auch da, indem er von Seelenerscheinungen spricht, eine Eigenheit des imaginativen Erkennens (durch die dasselbe aber schon in den Bereich einer noch höheren Erkenntnisart 89Die erste Form des «schauenden Erkennens», die imaginative, geht über in die zweite, die in meinen Schriften die inspirierte genannt wird. Wie eigentlich in der Brentanoschen Definition des Liebens und Hassens schon die in die Inspiration übergegangene Imagination lebt, das findet man dargestellt in den Schlußausführungen des 6. Kapitels der am Ende dieser Schrift gegebenen «Skizzenhaften Erweiterungen des Inhaltes»: «6. Die physischen und die geistigen Abhängigkeiten der Menschen-Wesenheit.» hineinreicht). Und daß er von der objektiven Art des Liebens und Hassens im Gegensatz zur subjektiven Gefühlsweise des gewöhnlichen Bewußtseins eine Vorstellung hat, das ersieht man daraus, daß er die sittliche Güte als ein richtiges Lieben darstellt. Zuletzt muß ganz besonders in Betracht gezogen werden, daß für Brentano das Wollen aus dem Kreise der Seelenerscheinungen herausfällt. Nun gehört das aus dem gewöhnlichen Bewußtsein erfließende Wollen ganz der physischen Welt an. Es verwirklicht sich in der Gestalt, wie es von diesem Bewußtsein gedacht werden kann, restlos in der physischen Welt, obwohl es ein in der physischen Welt sich offenbarendes rein geistig-Wesenhaftes an sich ist. Schildert man das in der physischen Welt vorhandene gewöhnliche Bewußtsein, so kann in dieser Schilderung das Wollen nicht fehlen. Schildert man das schauende Bewußtsein, so kann in diese Schilderung nichts von den Vorstellungen über das gewöhnliche Wollen übergehen. Denn in der seelischen Welt, auf welche das imaginative Bewußtsein sich bezieht, erfolgt das Geschehen auf einen seelischen Impuls hin anders als durch Akte des Wollens, wie solche der physischen Welt eigen sind. Indem also Brentano die seelischen Erscheinungen in dem Gebiete ins Auge faßt, in dem die imaginative Erkenntnis sich betätigt, muß ihm der Begriff des Wollens sich verflüchtigen.
[ 16 ] Es scheint wirklich einleuchtend zu sein, daß Brentano dazu getrieben worden ist, indem er das Wesen der psychischen Erscheinungen beschrieben hat, eigentlich das Wesen der schauenden Erkenntnis zu schildern. Selbst aus Einzelheiten seiner Darstellung geht dies klar hervor. Man nehme ein Beispiel für viele, die angeführt werden könnten. Er sagt: «Der gemeinsame Charakterzug alles Psychischen besteht in dem, was man häufig mit einem leider sehr mißverständlichen Ausdruck Bewußtsein genannt hat ... ». 90Vergleiche Brentano: «Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis», Seite 14. Aber wenn man nur diejenigen Seelenerscheinungen schildert, welche als dem gewöhnlichen Bewußtsein angehörig von der Leibesorganisation bedingt sind, so ist der Ausdruck gar nicht mißverständlich. Brentano hat eine Empfindung davon, daß die wirkliche Seele aber in diesem gewöhnlichen Bewußtsein nicht lebt, und er fühlt sich veranlaßt, von dem Wesen dieser wirklichen Seele in Vorstellungen zu sprechen, die allerdings mißverstanden werden müssen, wenn man auf sie den gewöhnlichen Bewußtseinsbegriff anwenden will.
[ 17 ] Brentano geht in seiner Forschung so vor, daß er die Erscheinungen des anthropologischen Gebietes bis dahin verfolgt, wo sie den Unbefangenen dazu zwingen, Vorstellungen über die Seele zu bilden, welche zusammentreffen mit dem, was die Anthroposophie auf ihren Wegen über die Seele findet. Und die Ergebnisse der beiden Wege zeigen sich gerade durch Brentanos Psychologie im vollsten Einklange. Brentano selbst wollte aber den anthropologischen Weg nicht verlassen. Daran hinderte ihn seine Auslegung des von ihm aufgestellten Leitsatzes: «Es kann die wahre Forschungsart der Philosophie keine andere sein als die in der naturwissenschaftlichen Erkenntnisart anerkannte.» 91Vgl. oben S. 83f. dieser Schrift. Eine andere Auffassung dieses Leitsatzes hätte ihn dazu führen können, anzuerkennen, daß man gerade dann die naturwissenschaftliche Vorstellungsart in dem rechten Lichte sieht, wenn man sich bewußt ist, daß diese für das geistige Gebiet sich ihrem eigenen Wesen gemäß wandeln muß. Brentano hat die wahren Seelenerscheinungen, welche er als solche kennzeichnet, niemals zum Gegenstande eines ausgesprochenen Bewußtseins machen wollen. Hätte er dieses getan, so wäre er von der Anthropologie zur Anthroposophie fortgeschritten. Er fürchtete diesen Weg, weil er ihn nur als ein Abirren in «mystisches Dunkel und ein freies Schweifen der Phantasie in unbekannte Regionen» anzusehen vermochte.92Vgl. oben S. 81 dieser Schrift. Er ließ sich auf eine Prüfung dessen gar nicht ein, was seine eigene psychologische Auffassung notwendig machte. Jedesmal, wenn er vor der Notwendigkeit stand, seinen eigenen Weg fortzusetzen in das anthroposophische Gebiet hinein, blieb er stehen. Er wollte die Fragen, welche sich nur anthroposophisch beantworten lassen, anthropologisch lösen. Diese Lösung mußte scheitern. Weil sie scheitern mußte, konnte er seine angefangenen Darstellungen nicht so fortsetzen, daß die Fortsetzung für ihn hätte befriedigend werden können. Hätte er die «Psychologie vom empirischen Standpunkt» fortgesetzt: sie hätte nach dem Ergebnisse des ersten Bandes eine Anthroposophie werden müssen. Hätte er seine «Deskriptive Psychologie» wirklich geliefert: Anthroposophie müßte aus ihr überall herausleuchten. Hätte er entsprechend seinem Ausgangspunkte die Ethik seiner Schrift «Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis» weiter geführt: er hätte auf Anthroposophie stoßen müssen.
[ 18 ] Vor Brentanos Seele stand die Möglichkeit einer Psychologie, die nicht wie die rein anthropologische gestaltet sein kann. Die letztere kann an die Fragen gar nicht denken, welche als die bedeutungsvollsten über das Seelenleben aufgeworfen werden müssen. Die neuere Psychologie will nur anthropologisch sein, weil sie alles darüber Hinausgehende für unwissenschaftlich hält. Brentano aber sagt : «Für die Hoffnungen eines Platon und Aristoteles, über das Fortleben unseres besseren Teiles nach der Auflösung des Leibes Sicherheit zu gewinnen, würden dagegen die Gesetze der Assoziation von Vorstellungen, der Entwickelung von Überzeugungen und Meinungen und des Keimens und Treibens von Lust und Liebe alles andere, nur nicht ein wahre Entschädigung sein... Und wenn wirklich der Unterschied der beiden Anschauungen die Aufnahme oder den Ausschluß der Frage nach der Unsterblichkeit besagte, so wäre er für die Psychologie ein überaus bedeutender zu nennen, und ein Eingehen in die metaphysische Untersuchung über die Substanz als Trägerin der Zustände unvermeidlich.»93Vergleiche Brentano: «Psychologie vom empirischen Standpunkte», Seite 20. Anthroposophie zeigt, wie nicht durch metaphysische Spekulationen in das von Brentano bezeichnete Gebiet eingetreten werden kann, sondern allein durch Betätigung solcher Seelenkräfte, welche nicht in das gewöhnliche Bewußtsein fallen können. Indem Brentano in seiner Philosophie das Wesen der Seele so schildert, daß in seiner Schilderung das Wesen der schauenden Erkenntnis deutlich zum Ausdrucke kommt, ist diese Philosophie eine vollkommene Rechtfertigung der Anthroposophie. Und man darf in Brentano sehen den philosophischen Forscher, der auf seinem Wege bis zur Pforte der Anthroposophie gelangt, diese Pforte aber nicht aufschließen will, weil das Bild von naturwissenschaftlicher Denkart, das er sich macht, ihm den Glauben erzeugt, er gelange durch dieses Aufschließen in den Abgrund der Unwissenschaft. Die Schwierigkeiten, vor die sich Brentano oft gestellt sieht, wenn er seine Vorstellungen fortsetzen will, rühren davon her, daß er diese Vorstellungen über das Wesen des Seelischen auf dasjenige bezieht, was im gewöhnlichen Bewußtsein vorliegt. Dazu wird er veranlaßt, weil er innerhalb der Auffassung stehen bleiben will, die ihm als die naturwissenschaftlich berechtigte erscheint. Aber diese Auffassung kann durch ihre Erkenntnismittel eben nur zu dem gelangen, was von dem Seelischen als der Inhalt des gewöhnlichen Bewußtseins vorliegt. Dieser Inhalt ist aber nicht die Wirklichkeit des Seelischen, sondern dessen Spiegelbild. Dies durchschaut Brentano nur von der einen Seite des begreifenden Verstehens, aber nicht von der andern, der Beobachtung. In seinen Begriffen entwirft er ein Bild seelischer Erscheinungen, die sich in der Wirklichkeit der Seele abspielen; wenn er beobachtet, glaubt er in dem Spiegelbild des Seelischen eine Wirklichkeit zu haben.94Vergleiche hiermit das 7. Kapitel der am Ende dieser Schrift gegehenen «Skizzenhaften Erweiterungen des Inhaltes...» : «7. Die Sonderung des Seelischen von dem Außer-Seelischen durch Franz Brentano.» Eine andere philosophische Richtung, der Brentano die schärfste Abneigung entgegengebracht hat, diejenige Eduard von Hartmanns, ist auch von einer naturwissenschaftlichen Vorstellungsart ausgegangen. Eduard von Hartmann hat den Spiegelbild-Charakter des gewöhnlichen Bewußtseins durchschaut. Er sieht daher in diesem Bewußtsein keine Wirklichkeit. Aber er lehnt es auch entschieden ab, die entsprechende Wirklichkeit überhaupt in ein menschliches Bewußtsein hereinzuholen. Er verweist diese Wirklichkeit in das Gebiet des Unbewußten. Über dieses zu reden, gestattet er nur der hypothetischen Anwendung der durch gewöhnliches Bewußtsein gebildeten Begriffe über dieses Gebiet hinaus.95Die in bezug auf obiges zielenden Anschauungen Eduard von Hartmanns findet man in übersichtlicher Art dargestellt in dessen zwei Büchern: «Die moderne Psychologie» (Leipzig 1901, Hermann Haackes Verlag) und «Grundriß der Psychologie» (Band 3 von E.v. Hartmanns System der Philosophie im Grundriß, Bad Sachsa im Harz 1908, Hermann Haacke, Verlagsbuchhandlung). Die Anthroposophie behauptet, daß über dieses Gebiet hinaus geistige Beobachtung möglich ist. Und daß dieser geistigen Beobachtung auch Begriffe zugänglich seien, die so wenig bloß hypothetisch sein dürfen wie die im sinnlichen Felde gewonnenen. - Eduard von Hartmanns Übersinnliches soll kein unmittelbar Erkanntes, sondern ein aus dem unmittelbar Erkannten Erschlossenes sein. Hartmann gehört zu denjenigen Philosophen der neueren Zeit, die Begriffe nicht bilden wollen, wenn sie zum Ausgangspunkte dieser Begriffsbildung nicht die Aussagen der sinnlichen Beobachtung und des Erlebens im gewöhnlichen Bewußtsein haben. Brentano bildet solche Begriffe. Aber er täuscht sich über die Wirklichkeit, in der sie durch Beobachtung gebildet werden können. Sein Geist erweist sich als merkwürdig zwiespältig. Er möchte ganz Naturforscher in dem Sinne sein, wie sich die naturwissenschaftliche Vorstellungsart in der neueren Zeit herausgebildet hat. Und er muß doch Begriffe bilden, welche sich vor dieser Vorstellungsart nur dann rechtfertigen lassen, wenn man dieselbe nicht als die einzig geltende hinnimmt. Dieser Zwiespalt in Brentanos Forschergeist wird dem erklärlich, der sich in die ersten Schriften Brentanos vertieft, in sein Buch: «Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles» (1862); in seine «Psychologie des Aristoteles» (1867) und in seinen «Creatinismus des Aristoteles» (1882).96Franz Brentano: «Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles» (Freiburg im Breisgau, Herdersche Verlagshandlung); dessen «Die Psychologie des Aristoteles» (Mainz, Verlag von Franz Kirchheim); dessen «Über den Creatinismus des Aristoteles » (Wien, Tempsky).—In diesen Schriften geht Brentano mit mustergiltiger Gelehrsamkeit den Gedankengängen des Aristoteles nach. Und in diesem Nachgehen eignet er sich ein Denken an, das sich nicht in den Begriffen erschöpfen lassen kann, die in der Anthropologie geltend sind. In diesen Schriften hat er einen Seelenbegriff im Bereiche seiner Aufmerksamkeit, welcher das Seelische aus dem Geistigen herleitet. Dieses aus dem Geiste herstammende Seelische bedient sich des aus physischen Vorgängen gebildeten Organismus, um innerhalb des sinnlichen Daseins sich Vorstellungen zu bilden. Was in der Seele sich Vorstellungen bildet, ist geistiger Natur, ist der «Nus» des Aristoteles. Aber dieser «Nus» ist von zweifacher Wesenheit, als «Nus pathetikos» ist er rein leidend; er läßt sich von den durch den Organismus ihm gegebenen Eindrücken zu seinen Vorstellungen anregen. Damit aber diese Vorstellungen so in die Erscheinung treten, wie sie in der tätigen Seele sind, muß diese Tätigkeit als «Nus poietikos» wirken. Was der «Nus pathetikos» liefert, wären bloß Erscheinungen in einem finsteren Seelen-sein; sie werden beleuchtet durch den «Nus poietikos». Brentano sagt darüber: Der Nus poietikos ist das Licht, welches die Phantasmen erleuchtet und das Geistige im Sinnlichen für unser Geistesauge sichtbar macht.97Vergleiche Brentano: «Die Psychologie des Aristoteles», Seite 172 ff.
Es kommt, wenn man Brentano verstehen will, nicht allein darauf an, inwieweit er die aristotellschen Vorstellungen in seine eigene Überzeugung aufgenommen hat, sondern vor allem darauf, daß er sich mit dem eigenen Denken in diesen Vorstellungen hingebungsvoll bewegt hat. Dadurch aber betätigte sich dieses Denken in einem Bereiche, in dem der Ausgangspunkt der Sinnesanschauung, und damit die anthropologische Grundlage für die Begriffsbildung nicht vorhanden sind. Und dieser Grundzug des Denkens ist in Brentanos Forschung geblieben. Er will zwar nur gelten lassen, was nach dem Muster der gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Vorstellungsart anerkannt werden kann; aber er muß Gedanken bilden, die nicht in dieses Bereich gehören. Nun läßt sich nach rein naturwissenschaftlicher Methode über die Seelenerscheinungen nur etwas sagen, insoferne diese das durch die Leibesorganisation bedingte Spiegelbild des wirklich Wesenhaften der Seele sind, das heißt, insoferne sie in ihrem Spiegelbild-Charakter mit der Leibesorganisation entstehen und vergehen. Was aber Brentano über die Wirklichkeit des Seelischen denken muß, ist ein Geistiges, von der Leibesorganisation Unabhängiges, das sogar durch den «Nus poietikos» sich das Geistige im Sinnlichen durch unser Geistesauge sichtbar macht. - Daß Brentano sich mit seinem Denken in solchen Bereichen bewegen kann, verbietet ihm, das Seelensein durch die Leibes organisation entstehend und mit der Leibesorganisation vergehend zu denken. Weil er aber eine übersinnliche Beobachtung ablehnt, so kann ihm in diesem Seelensein kein Inhalt beobachtbar sein, der über das physische Sein hinausreicht. Sobald er der Seele einen Inhalt zuschreiben soll, den diese ohne die Mithilfe der Leibesorganisation entfalten könnte, fühlt sich Brentano in einer Welt, für die er keine Vorstellungen findet. In solcher Geistesverfassung wendet er sich an Aristoteles und findet auch bei ihm Seelenvorstellungen, die für ein außerleibliches Dasein keinen anderen Inhalt ergeben, als den im leiblichen Dasein erworbenen. Charakteristisch in seiner Einseitigkeit ist, was in dieser Beziehung Brentano in seiner «Psychologle des Aristoteles» vorbringt: «Wie nun der Mensch, wenn ihm ein Fuß oder ein anderes Glied entrissen wird, keine vollendete Substanz mehr ist, so ist er natürlich noch viel weniger eine vollendete Substanz, wenn der ganze leibliche Teil dem Tode anheimgefallen ist. Der geistige Teil besteht zwar noch fort, allein die irren gar sehr, die wie Plato glauben, daß die Trennung vom Leibe für ihn eine Förderung und gleichsam eine Befreiung aus drückendem Gefängnisse sei; muß ja doch die Seele nunmehr auf alle die zahlreichen Dienste verzichten, welche die Kräfte des Leibes ihr geleistet haben.» 98Vergleiche Brentano: «Psychologie des Aristoteles», Seite 196.
Über die Auffassung des Aristoteles vom Wesen der Seele war Brentano in einen außerordentlich interessanten Streit mit dem Philosophen Eduard Zeller gekommen. Dieser behauptete, die Meinung des Aristoteles gehe dahin, eine Präexistenz der Seele vor ihrer Verbindung mit der Leibesorganisation anzunehmen, während Brentano dem Aristoteles eine solche Ansicht absprach, und ihn nur denken ließ, die Seele werde erst in die Leibesorganisation hinein geschaffen; sie habe also keine Präexistenz, wohl aber nach der Auflösung des Leibes eine Postexistenz.99Über den Inhalt des wissenschaftlichen Streites zwischen Brentano und Zeller vergleiche Brentano: «Offener Brief an Herrn Professor Dr. Eduard Zeller aus Anlaß meiner Schrift über die Lehre des Aristoteles von der Ewigkeit des Geistes» (Leipzig 1883, Duneker und Humhlot) und dessen: «Aristoteles’ Lehre vom Ursprung des menschlichen Geistes» (Leipzig 1911, Veit und Comp.).
[ 19 ] Brentano meinte, eine Präexistenz nehme nur Plato, nicht aber Aristoteles an. Es ist nicht zu leugnen, daß die Gründe, welche Brentano für seine Meinung und gegen die Zellersche vorbringt, viel Gewicht haben. Abgesehen von der Brentanoschen geistvollen Interpretation entsprechender aristotelischer Behauptungen bietet es ja eine Schwierigkeit, dem Aristoteles die Ansicht von der Präexistenz der Seele zuzuschreiben, weil eine solche einem Grundsatz der aristotelischen Metaphysik zu widersprechen scheint. Aristoteles sagt nämlich, daß niemals eine «Form» vor dem «Stoffe» existieren könne, der die Form trägt. Die Kugelgestalt existiere niemals ohne das sie erfüllende Stoffliche. Da aber Aristoteles das Seelische als die «Form» der Leibesorganisation faßt, so scheint es, daß man ihm nicht zuschreiben dürfe: er habe gedacht, die Seele könne vor der Entstehung der Leibesorganisation existieren.
Brentano hat sich nun mit seinem Seelenbegriff in der aristotelischen Vorstellung von der Unmöglichkeit einer Präexistenz so verfangen, daß er nicht bemerken kann, wie diese aristotelische Vorstellung selbst in einem wichtigen Punkte versagt. Kann man denn wirklich «Form» und «Materie» so denken, daß man nur annimmt: die Form könne nicht vor der sie erfüllenden Materie bestehen? Die Kugelgestalt sei doch nicht vorhanden vor der sie erfüllenden Stoffmasse? So wie sie an der Stoffmasse erscheint, ist die Kugelform gewiß nicht vor der Zusammenballung des Stoffes vorhanden. Allein bevor dieser zusammenschießt, sind die Kräfte vorhanden, welche an diesen Stoff herankommen, und deren Ergebnis für ihn sich in seiner Kugelgestalt offenbart. Und in diesen Kräften lebt vor dem Auftreten der Kugelgestalt diese schon gewiß in andrer Art.100Die Täuschung über eine Berechtigung zu der oben gekennzeichneten Behauptung von Form und Materie kann nur im Hinblick auf die Bildung der naturwissenschaftlichen Vorstellungsart für den Inhalt des Seelenbegriffs durch die Anschauungen über die körperliche Organisation gebunden gefühlt, so hätte er vielleicht bemerkt, daß der aristotelische Seelenbegriff selbst mit einem inneren Widerspruch behaftet ist. So hat er denn an der Betrachtung der Weltanschauung des Aristoteles nur die Möglichkeit gewonnen, über die Seele Vorstellungen zu denken, welche diese aus dem Gebiete der Leibesorganisation heraus heben, ihr aber nicht einen solchen Inhalt zuweisen, der gestattet, daß man sie bei unbefangenem Denken wirklich von der Leibesorganisation unabhängig vorstellen kann.
[ 20 ] Neben Aristoteles ist für Brentano auch Leibniz ein Philosoph, dem er besondere Anerkennung zuwendet. Besonders die Art der Leibnizischen Seelenbetrachtung scheint ihn angezogen zu haben. Man kann nun sagen, daß Leibniz auf diesem Gebiete eine Votstellungsweise hat, welche wie eine wesentliche Erweiterung der Meinung des Aristoteles erscheint. Während dieser den wesenhaften Inhalt des menschlichen Denkens abhängig macht von der Sinnesbeobachtung, löst Leibniz diesen Inhalt von der sinnlichen Grundlage los. Dem Aristoteles folgend wird man den Satz anerkennen: es ist nichts im Denken, was nicht vorher in den Sinnen war (nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu); Leibniz aber ist der Meinung, daß nichts von Kristallen etwa entstehen kann, weil da die Form unmittelbar aus den der Materie innewohnenden Kräften hervorzugehen scheint. Doch wird ein unbefangenes Denken nicht anders können als die Formkräfte innerhalb des Materiellen vorauszusetzen, bevor die geformte Materie wirklich entsteht. Völlig unhaltbar ist die aristotelische Vorstellung aber schon bei der Pflanze, deren formende Kräfte man gewiß nicht allein in den Verhältnissen im Keime suchen muß, sondern in Wirksamkeiten von der Außenwelt her, die unbegrenzt lange vor der Bildung der sinnlichen Pflanze vorhanden sind. Im Denken sei, was nicht vorher in den Sinnen war, außer das Denken selbst (nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu, nisi ipse intellectus). Es wäre unrichtig, dem Aristoteles die Ansicht zuzuschreiben, daß das im Denken sich betätigende Wesenhafte ein Ergebnis der leiblichen Wirkenskräfte sei. Aber indem er den Nus pathetikos zum leidenden Empfänger der Sinneseindrücke, den Nus poietikos zum Beleuchter dieser Eindrücke machte, blieb innerhalb seiner Philosophie nichts, das Inhalt eines von dem Sinnessein unabhängigen Seelenlebens werden könnte. In dieser Beziehung erweist sich der Leibnizische Satz fruchtbarer. Durch ihn wird die Aufmerksamkeit besonders hingelenkt auf das von der Leibesorganisation unabhängige Seelenwesen. Allerdings wird diese Aufmerksamkeit eingeschränkt auf den bloß intellektiven Teil dieses Wesens. Und insofern ist Leibnizens Satz einseitig. Dennoch ist er eine Richtlinie, die im gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Zeitalter zu etwas führen kann, zu dem Leibniz zu gelangen noch nicht möglich war. Dazu waren in seiner Epoche die Vorstellungen über den rein naturgemäßen Ursprung von Eigenschaften der Leibesorganisation noch zu unvollkommen. Gegenwärtig ist dies anders. Man kann heute bis zu einem gewissen Grade naturwissenschaftlich erkennen, wie sich die organischen Leibeskräfte von den Vorfahren vererben, und wie innerhalb dieser vererbten Kräfte des Organismus die Seele wirkt. Was von vielen, die glauben, auf dem rechten «naturwissenschaftlichen Standpunkte» zu stehen, allerdings nicht zugegeben wird, erweist sich doch beim richtigen Erfassen der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse als notwendige Ansicht: daß alles, wodurch die Seele im physischen Leben wirkt, bedingt ist durch die Leibeskräfte, die in der physischen Vererbungslinie von den Vorfahren auf die Nachkommen übergehen, außer dem Inhalt des Seelischen selbst. So etwa kann man gegenwärtig den Leibnizischen Satz erweitern. Dann aber ist er die anthropologische Rechtfertigung der anthroposophischen Betrachtungsart. Dann verweist er die Seele darauf, ihren wesenhaften Inhalt in einer geistigen Welt zu suchen, und zwar durch eine andere Erkenntnisart als die in der Anthopologie übliche. Denn dieser ist nur zugänglich, was im gewöhnlichen Bewußtsein durch die Leibesorganisation erlebt wird.101Es gibt Denker, welche die Ansicht, daß des Menschen seelischer Wesenskern nicht von den Vorfahren ererbt ist, sondern aus der geistigen Welt kommt, abstoßend finden, weil sie dadurch den Fortpflanzungsvorgang herabgewürdigt sehen. Zu diesen Denkern gehört der Philosoph J. Frobschammer (man vergleiche dessen Schrift «Über den Ursprung der menschlichen Seelen», Seite 98 ff.). Dieser meint, es müsse angenommen werden, daß auch die Seelen der Kinder von den Eltern stammen, da «diese lebendigen Menschen nicht etwa bloße Leiber oder gar Tiere zeugen» (vergleiche Frohschammers Schrift über «Die Philosophie des Thomas von Aquino», Leipzig, Brockhaus 1889, Seite VIII). Von einem aus dieser Meinung kommenden Einwand kann die Anschauung, die in den Ausführungen der vorliegenden Schrift zur Darstellung kommt, nicht betroffen werden. Denn man braucht den Seelenkern, der, aus der geistigen Welt kommend, sich mit dem von den Vorfahren Vererbten verbindet, vor der Empfängnis nicht ohne Beziehung zu den Seelen der Eltern zu denken, wenn man ihn auch nicht durch den Fortpflanzungsakt entstehend denkt.
[ 21 ] Man kann der Ansicht sein, Brentano hätte alle Vorbedingungen gehabt, um, von Leibniz ausgehend, sich den Blick auf das im Geiste verankerte Wesenhafte der Seele zu eröffnen, und das sich diesem Blick Ergebende durch die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der neueren Zeit zu erkräftigen. Wer seinen Ausführungen folgt, sieht den Weg, der vor ihm gelegen war. Es hätte der Weg zu einem rein geistig erkennbaren Seelenwesen vor ihm offenbar werden können, wenn er ausgebildet hätte, was im Bereiche seiner Aufmerksamkeit lag, als er solche Sätze niederschrieb wie diesen: «Aber wie ist» das «Eingreifen der Gottheit» beim Erscheinen einer menschlichen Seele in einem Leib «zu denken? Hat sie, nachdem sie den geistigen Teil des Menschen von Ewigkeit schöpferisch hervorgebracht hatte, ihn nun mit einem Embryo in der Art verbunden, daß er, der bisher als besondere geistige Substanz für sich bestand, nun aufhörte, ein wirkliches Wesen für sich zu sein, und Teil einer menschlichen Natur wurde, oder hat sie ihn erst jetzt schöpferisch hervorgebracht? - Wenn Aristoteles das erste annahm, so mußte er glauben, daß derselbe Geist wieder und wieder mit anderen und anderen Embryonen verbunden werde; denn das Menschengeschlecht erhält sich nach ihm fortzeugend ins Unendliche, die Menge der von Ewigkeit bestehenden Geister kann aber nur eine endliche sein. Alle Ausleger sind nun darin einig, daß Aristoteles in der reiferen Zeit seines Philosophierens die Palingenese verworfen hat. Also ist diese Möglichkeit ausgeschlossen.»102Vergleiche Brentano: «Aristoteles und seine Weltanschauung» (1911), Seite 134. Was nicht in der Gedankenfolge des Aristoteles liegt, die Rechtfertigung des geistigen Blickes auf die wiederholten Leben der Menschenseele durch Palingenese: für Brentano hätte es sich ergeben können aus der Verbindung der an Aristoteles verfeinerten Begriffe über die Seele mit den Erkenntnissen der neueren Naturwissenschaft. - Er hätte diesen Weg um so mehr gehen können, als er empfänglichen Sinn hatte für die Erkenntnislehre der mittelalterlichen Philosophie. Wer diese Erkenntnislehre wirklich erfaßt, der eignet sich eine Summe von Ideen an, die geeignet sind, die neueren naturwissenschaftlichen Ergebnisse zur geistigen Welt in eine Beziehung zu setzen, welche durch die Ideen der rein naturwissenschaftlich-anthropologischen Forschung nicht zu durchschauen ist. Was eine Vorstellungsart wie diejenige des Thomas von Aquino für die Vertiefung der Naturwissenschaft nach der geistigen Seite zu leisten vermag, das wird gegenwärtig in vielen Kreisen ganz verkannt. Man glaubt in solchen Kreisen, die neueren naturwissenschaftlichen Erkenntnisse bedingten eine Abkehr von dieser Vorstellungsart. Die Wahrheit ist, daß man zunächst das naturwissenschaftlich erkannte Wesenhafte der Welt mit Gedanken umspannen will, welche bei genauerem Zusehen in sich unvollendet bleiben. Ihre Vollendung wäre, sie selbst als ein solches Wesenhaftes in der Seele zu denken, wie sie in der Vorstellungsart des Thomas von Aquino gedacht werden. Brentano befand sich auch auf dem Wege, ein rechtes Verhältnis zu dieser Vorstellungsart zu gewinnen. Schreibt er doch: «Als ich meine Abhandlung ‹Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles› und später meine ‹Psychologie des Aristoteles› schrieb, wollte ich in einer zweifachen Weise das Verständnis seiner Lehre fördern; einmal und vorzüglich direkt durch Aufhellung einiger der wichtigsten Lehrpunkte, dann indirekt, aber in allgemeinerer Weise, indem ich der Erklärung neue Hilfsquellen eröffnete. Ich machte auf die scharfsinnigen Kommentare des Thomas von Aquino aufmerksam und zeigte, wie man in ihnen manche Lehre richtiger als bei späteren Erklärern dargestellt findet.» 103Vergleiche Brentano: «Aristoteles’ Lehre vom Ursprung des menachlichen Geistes» (1911), Seite 1.
Brentano verlegte sich den Weg, der sich ihm durch solche Studien hätte darbieten können, durch seine Hinneigung zu der Vorstellungsart von Bacon, Locke und allem, was mit solch einer Vorstellungsart philosophisch zusammenhängt. Er hielt diese Vorstellungsart vor allem für die der naturwissenschaftlichen Forschungsweise gemäße.104Vergleiche unter anderem Brentano: «Die vier Phasen der Philosophie» (1895), Seite 22, und die ganze Haltung seiner Wiener Antrittsrede «Über die Gründe der Entmutigung auf philosophischem Gebiete» (Wien 1874, W. Braumüller). Doch eben diese Vorstellungsart führt dazu, den Inhalt des Seelenlebens in völliger Abhängigkeit von der Sinneswelt zu denken. Und weil diese Denkweise nur anthropologisch vorgehen will, so kommt nur dasjenige als psychologisches Ergebnis in ihren Bereich, was in Wahrheit keine seelische Wirklichkeit ist, sondern nur ein Spiegelbild dieser Wirklichkeit, nämlich der Inhalt des gewöhnlichen Bewußtseins. - Hätte Brentano die Spiegelbild-Natur des gewöhnlichen Bewußtseins durchschaut: er hätte im Verfolg der anthropologischen Forschung nicht haltmachen können vor dem Tore, das in die Anthroposophie führt. - Es wird gewiß dieser meiner Anschauung gegenüber die Meinung geltend gemacht werden können, Brentano habe eben der Gabe des geistigen Schauens ermangelt; deshalb habe er nicht den Übergang von Anthropologie zur Anthroposophie gesucht, wenn er auch durch seine besondere geistige Eigenart dazu getrieben worden ist, in interessanter Form die Seelenerscheinungen so verstandesgemäß zu charakterisieren, daß sich diese Form durch die Anthroposophie rechtfertigen läßt. Ich habe aber diese Meinung nicht. Ich bin nicht der Anschauung, daß geistiges Schauen nur als eine besondere Gabe für Ausnahme persönlichkeiten erreichbar ist. Ich muß dieses Schauen für eine Fähigkeit der Menschenseele halten, die jeder sich aneignen kann, wenn er die zu ihr führenden seelischen Erlebnisse in sich wachruft. Und Brentanos Natur erscheint mir zu solchem Wach-Rufen ganz besonders geeignet.105Man vergleiche hierzu das 8. Kapitel der am Ende dieser Schrift gegebenen «Skizzenhaften Erweiterungen des Inhaltes...» : «8. Ein oft erhobener Einwand gegen die Anthroposophie.» Ich halte aber dafür, daß man solches Wach-Rufen durch Theorien, die ihm widerstreben, verhindern kann. Daß man das Schauen nicht aufkommen läßt, wenn man sich in Ideen verstrickt, welche dessen Berechtigung von vorneherein in Frage stellen. Und Brentano hat das Schauen in seiner Seele dadurch nicht aufkommen lassen, daß bei ihm die Ideen, welche es in so schöner Art rechtfertigten, stets unterlagen denen, die es verwerfen, und die befürchten lassen, daß man durch dasselbe in «den labyrinthischen Gängen einer Pseudophilosophie sich verliere».106Vgl. oben S. 81f.
[ 22 ] 1895 hat Brentano den Abdruck eines Vortrages erscheinen lassen, den er in der «Literarischen Gesellschaft in Wien» mit Rücksicht auf H.Lorms Buch «Der grundlose Optimismus» gehalten hat.107Brentano: «Die vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand» (Stuttgart 1895, J. G.Cottasche Buchhandlung Nachfolger). Dieser enthält seine Ansicht über «die vier Phasen der Philosophie und ihren augenblicklichen Stand». Brentano vertritt in diesen Ausführungen die Meinung, daß sich der Entwickelungsgang des philosophischen Forschens in einer gewissen Beziehung vergleichen lasse mit der Geschichte der schönen Künste. «Während andere Wissenschaften, so lange sie überhaupt betrieben werden, einen stetigen Fortschritt aufweisen, der nur einmal durch eine Zeit des Stillstandes unterbrochen wird, zeigt die Philosophie, wie die schöne Kunst, neben den Zeiten aufsteigender Entwickelung Zeiten der Decadence, die oft nicht minder reich, ja reicher an epochemachenden Erscheinungen sind als die Zeiten gesunder Fruchtbarkeit.» 108Vgl. «Vier Phasen», S. 9. Drei solcher Perioden, die von gesunder Fruchtbarkeit zur Decadence fortlaufen, unterscheidet Brentano im verflossenen Entwickelungsgang der Philosophie. Eine jede beginnt damit, daß aus dem reinen philosophischen Staunen über die Rätsel der Welt sich wahrhaft wissenschaftliches Interesse regt, und dieses Interesse eme Erkenntnis aus echtem, reinem Wissenstrieb sucht. Auf diese gesunde Epoche folgt dann eine andere, in der das erste Stadium des Verfalls erscheint. Da tritt das reine wissenschaftliche Interesse zurück, und man sucht nach Gedanken, durch die man das soziale und persönliche Leben regeln und sich in denselben zurechtfinden kann. Die Philosophie will da nicht mehr dem reinen Erkenntnisstreben, sondern den Interessen des Lebens dienen. Ein weiterer Verfall tritt in der dritten Epoche ein. Man wird durch die Unsicherheit der Gedanken, die einem nicht reinen wissenschaftlichen Interesse entsprungen sind, an der Möglichkeit wahrer Erkenntnis irre und verfällt in Skeptizismus. Die vierte Epoche ist dann diejenige des völligen Niederganges. Der Zweifel der dritten Epoche hat alle wissenschaftliche Grundlage der Philosophie unterhöhlt. Man sucht aus unwissenschaftlichen Untergründen in phantastischen, verschwimmenden Begriffen, durch mystisches Erleben zur Wahrheit zu kommen. Den ersten Entwickelungskreis denkt sich Brentano mit der griechischen Naturphilosophie beginnend; und mit Aristoteles, meint er, schließe die gesunde Phase ab. Anaxagoras schätzt er innerhalb dieser Phase besonders hoch ein. Er ist der Ansicht, daß, trotzdem in dieser Zeit die Griechen in bezug auf viele wissenschaftliche Fragen, ganz im Anfange standen, die Art ihres Forschens doch einen solchen Charakter hatte, der vor einer strengen naturwissenschaftlichen Denkungsart seine Rechtfertigung findet. Auf diese erste Phase folgen die Stoiker, die Epikuräer. Sie bringen schon einen Verfall. Sie wollen Ideen, die im Dienste des Lebens stehen. In der Neueren Akademie, besonders aber durch Aenesidemus, Agrippa, Sextus Empirikus sieht man den Skeptizismus allen Glauben an sichergestellte wissenschaftliche Wahrheiten austilgen. Und im Neuplatonismus, bei Ammonius Sakkas, Plotin, Porphyrius, Jamblichus, Proklus tritt an die Stelle des wissenschaftlichen Forschens das in den labyrinthischen Gängen einer Pseudophilosophie sich ergehende mystische Erleben.
Im Mittelalter sieht man, wenn auch vielleicht nicht mit solcher Deutlichkeit, diese vier Phasen sich wiederholen. Mit Thomas von Aquino hebt eine philosophisch gesunde Vorstellungsart an, die den Aristotelismus in einer neuen Form aufleben läßt. In der darauf folgenden Zeit, deren Repräsentant Duns Scotus ist, herrscht durch eine ins Ungeheuerliche getriebene Disputierkunst, eine Art Analogon zur ersten griechischen Verfallsperiode. Auf sie folgt der Nominalismus, der einen skeptischen Charakter trägt. Wilhelm von Occam verwirft die Ansicht, daß sich die allgemeinen Ideen auf etwas Wirkliches beziehen, und gibt dadurch dem Inhalte der menschlichen Wahrheit nur den Wert einer außer der Wirklichkeit stehenden begrifflichen Zusammenfassung; während die Wirklichkeit nur in den individuellen Einzeldingen liegen soll. Dieses Analogon der Skepsis wird abgelöst durch die nicht in wissenschaftlichen Bahnen strebende Mystik der Eckhardt, Tauler, Heinrich Suso, des Verfassers der Deutschen Theologie und anderer. Dies sind die vier Phasen der philosophischen Entwickelung im Mittelalter.
In der Neuzeit beginnt mit Bacon von Verulam wieder eine gesunde, auf naturwissenschaftlichem Denken ruhende Entwickelung, in welcher dann Descartes, Locke, Leibniz fruchtbringend weiter wirken. Auf sie folgt die französische und englische Aufklärungsphilosophie, in denen Grundsätze, wie man sie für das Leben sympathisch fand, die Haltung des philosophischen Gedankenganges beherrschten. Darauf tritt mit David Hume die Skepsis ein; und auf sie folgt die Phase des Niedergangs, die in England mit Thomas Reid, in Deutschland mit Kant einsetzt. Brentano betrachtet an Kants Philosophie eine Seite, die ihm gestattet, diese zusammenzubringen mit der Plotinschen Verfallsperiode der griechischen Philosophie. Er tadelt an Kant, daß dieser nicht wie ein wissenschaftlicher Forscher die Wahrheit in einer Übereinstimmung der Vorstellungen mit den wirklichen Gegenständen suche, sondern vielmehr darin, daß sich die Gegenstände nach dem menschlichen Vorstellungsvermögen richten sollen. Damit glaubt Brentano der Kantschen Philosophie eine Art mystischen Grundzuges zuschreiben zu müssen, der sich dann in der Verfallsphilosophie Fichtes, Schellings und Hegels in völliger Unwissenschaftlichkeit offenbart.
Einen neuen Aufschwung der Philosophie erhofft Brentano von einer wissenschaftlichen Arbeit innerhalb ihres Gebietes nach dem Muster der in der neueren Zeit herrschend gewordenen naturwissenschaftlichen Denkungsart. Zur Einleitung einer solchen Philosophie hat er seine These aufgestellt : die wahre philosophische Forschungsart sei keine andere als die in der naturwissenschaftlichen Erkennntisart anerkannte.109Vgl. oben S. 83f. dieser Schrift. Ihr wollte er seine Lebensarbeit widmen.
[ 23 ] Brentano sagt in der Vorrede zu dem Abdruck des Vortrages, in dem er diese Ansicht von den «vier Phasen der Philosophie» gegeben hat: diese «seine Auffassung der Geschichte der Philosophie mag manchen als neu befremden; mir selbst steht sie seit Jahren fest und wurde auch seit mehr als zwei Dezennien, wie von mir, so von einigen Schülern den akademischen Vorlesungen über Geschichte der Philosophie zugrunde gelegt. Daß sie Vorurteilen begegnen, und daß diese vielleicht zu mächtig sein werden, um beim ersten Anprall zu weichen, darüber ergebe ich mich keiner Täuschung. Immerhin hoffe ich von den vorgeführten Tatsachen und Erwägungen, daß sie bei dem, welcher denkend folgt, nicht ohne Eindruck bleiben können.» 110Vergleiche Brentano: «Die vier Phasen der Philosophie...», Seite 5 f. 115
[ 24 ] Daß man von diesen Ausführungen Brentanos einen bedeutenden Eindruck empfangen kann, ist durchaus meine Meinung. Insofern sie eine Klassifikation der im Laufe der philosophischen Entwickelung auftretenden Erscheinungen von einem gewissen Gesichtspunkte aus darbieten, beruhen sie auf gut begründeten Einsichten in diesen Entwickelungsgang. Die vier Phasen der Philosophie bieten Unterschiede, die in der Wirklichkeit begründet sind. - Sobald man aber in eine Betrachtung der in den einzelnen Phasen treibenden Kräfte eintritt, kann man nicht finden, daß Brentano diese Kräfte zutreffend charakterisiert. Sogleich bei seiner Ansicht über die erste Phase der Philosophie des Altertums tritt das zutage. Die Grundzüge der griechischen Philosophie von den jonischen Anfängen bis zu Aristoteles weisen gewiß viele Züge auf, welche Brentano das Recht geben, in ihnen eine naturwissenschaftliche Denkart in seinem Sinne zu sehen. Aber kommt denn diese Denkart wirklich durch dasjenige zustande, was Brentano die naturwissenschaftliche Methode nennt? Sind die Gedanken dieser griechischen Philosophen nicht vielmehr ein Ergebnis dessen, was sie als das Wesen des Menschen und dessen Stellung zum Weltall in der eigenen Seele erlebten? 111Im ersten Bande meines Buches «Die Rätsel der Philosophie» habe ich den Versuch gemacht, diese Frage im bejahenden Sinne zu beantworten. Ich bestrebe mich da, zu zeigen, wie die ersten griechischen Philosophen nicht aus der Naturbeobachtung heraus zu ihren Ideen kommen, sondern weil sie die äußere Natur von dem Erlebnisse ihres Seelen-Innern aus beurteilten. Thales sprach davon, daß alles aus dem Wasser stamme, weil er diesen Wasser-Entstehungs-Prozeß als das Wesen des eigenen menschlichen Inneren erlebte. Und so die ihm verwandten Philosophen. (Vergleiche meine «Rätsel der Philosophie», Seite 52 ff.) Wer sich diese Frage sachgemäß beantwortet, wird finden, daß die inneren Impulse für den Gedankengehalt dieser Philosophie gerade im Stoizismus, im Epikuräismus, in der ganzen praktischen Lebensphilosophie der späteren Griechenzeit zum unmittelbaren Ausdruck kamen. Man kann bemerken, wie in den Seelenkräften, welche Brentano in der zweiten Phase wirksam findet, der Ausgangspunkt liegt für die erste Phase der Philosophie des Altertums. Diese Kräfte waren der sinnlichen und sozialen Erscheinungsform des Weltalls zugewendet und konnten daher in der Phase des Skeptizismus, der zum Zweifel an der unmittelbaren Wirklichkeit dieser Erscheinungsform getrieben wird, und in der folgenden Phase des schauenden Erkennens, das über diese Form hinausgehen muß, nur unvollkommen auftreten. Aus diesem Grunde zeigen sich diese Phasen innerhalb der Philosophie des Altertums als solche des Verfalls.
Und welche Seelenkräfte wirken im philosophischen Entwickelungsgang des Mittelalters? Daß im Thomismus die Höhe dieses Entwickelungsganges liegt in bezug auf diejenigen Verhältnisse, die Brentano ins Auge faßt, wird niemand bezweifeln können, der die in Betracht kommenden Tatsachen wirklich kennt. Aber man kann doch nicht verkennen, daß durch den christlichen Standpunkt des Thomas von Aquino die in der griechischen Lebensphilosophie wirksamen Seelenkräfte nicht mehr bloß aus philosophischen Impulsen heraus wirken, sondern einen überphilosophischen Charakter angenommen haben. Welche Impulse aber wirken bei Thomas von Aquino, insoferne er Philosoph ist? Man braucht keine Neigung für die Schwächen der nominalistischen Philosophen des Mittelalters zu haben; aber man wird doch finden können, daß die im Nominalismus wirkenden Seelenimpulse die subjektive Grundlage bilden auch für den thomistischen Realismus. Wenn Thomas die Allgemeinbegriffe, welche die Erscheinungen der Sinneswahrnehmungen zusammenfassen, als dasjenige erkennt, was sich auf ein geistig Wirkliches bezieht, so gewinnt er die Kraft zu dieser seiner realistischen Vorstellungsart aus dem Gefühl desjenigen heraus, was diese Begriffe abgesehen davon, daß sie sich auf Sinneserscheinungen beziehen, in dem Dasein der Seele selbst bedeuten. Gerade weil Thomas die Allgemeinbegriffe nicht unmittelbar auf die Vorkommnisse des Sinnesdaseins bezog, empfand er, wie in sie eine andere Wirklichkeit hereinleuchtet, und wie sie eigentlich für die Erscheinungen des Sinnenlebens nur Zeichen sind. Als dann im Nominalismus dieser Unterton des Thomismus als selbständige Philosophie auftrat, mußte er naturgemäß seine Einseitigkeit offenbaren. Das Gefühl, daß die in der Seele erlebten Begriffe einen ins Geistige gewandten Realismus begründen, mußte schwinden, und das andere vorherrschend werden, daß die Allgemeinbegriffe bloße zusammenfassende Namen sind. Wenn man die Wesenheit des Nominalismus so auffaßt, versteht man auch die ihm vorangehende zweite Phase der mittelalterlichen Philosophie, den Skotismus, als einen Übergang zum Nominalismus. Man wird aber doch nicht umhin können, die ganze Kraft der mittelalterlichen Denkarbeit, insoferne sie Philosophie ist, aus der Grundauffassung heraus zu verstehen, die sich in einseitiger Art im Nominalismus gezeigt hat. Dann aber wird man zu der Ansicht kommen, daß die wirklich treibenden Kräfte dieser Philosophie in den Seelenimpulsen liegen, welche man im Sinne der Brentanoschen Klassifikation als der dritten Phase angehörig bezeichnen muß. Und in derjenigen Epoche, welche Brentano als die mystische Phase des Mittelalters kennzeichnet, tritt dann auch klar hervor, wie die ihr angehörigen Mystiker, durch die nominalistische Natur des begreifenden Erkennens bewogen, sich nicht an dieses, sondern an andere Seelenkräfte wenden, um zum Kerne der Welterscheinungen vorzudringen.
Verfolgt man nun für die Philosophie der neueren Zeit die Wirksamkeit der treibenden Seelenkräfte an dem Faden der Brentanoschen Klassifikation, so findet man, daß die inneren Wesenszüge dieser Epoche ganz andere sind, als diejenigen, welche von Brentano verzeichnet werden. Die Phase der naturwissenschaftlichen Denkart, welche Brentano durch Bacon von Verulam, Descartes, Locke, Leibniz verwirklicht findet, will sich gewisser ihr eigener Charakterzüge wegen durchaus nicht als rein naturwissenschaftlich im Brentanoschen Sinne denken lassen. Wie soll man dem Grundgedanken Descartes’ «Ich denke, also bin ich» rein naturwissenschaftlich beikommen; wie soll man Leibnizens Monadologie, oder dessen «vorbestimmte Harmonie» in die naturwissenschaftliche Vorstellungsart Brentanos hineinbringen? Auch die Brentanosche Auffassung der zweiten Phase, welcher er die französische und englische Aufklärungsphilosophie zuteilt, macht Schwierigkeiten, wenn man bei seinen Vorstellungen stehen bleiben will. Man wird dieser Epoche gewiß den Charakter einer Verfallszeit der Philosophie nicht absprechen wollen; aber man kann sie verstehen aus der Tatsache heraus, daß in ihren Trägern die in der christlichen Lebensanschauung energisch wirksamen außerphilosophlschen Seelenimpulse gelähmt waren, so daß ein Verhältnis zu den übersinnlichen Weltkräften philosophisch nicht gefunden werden konnte. Zugleich wirkte die nominalistische Skepsis des Mittelalters noch nach, wodurch verhindert wurde, daß eine Beziehung des seelisch erlebten Erkenntnis-Inhaltes zu einem geistig Wirklichen gesucht wurde.
Und schreitet man dann zu dem neuzeitlichen Skeptizismus und derjenigen Vorstellungsweise fort, die Brentano einer mystischen Phase zueignet, dann verliert man die Möglichkeit, seiner Klassifikation noch zuzustimmen. Gewiß muß man die skeptische Phase mit David Hume beginnen lassen. Aber Kant, den Kritiker, als Mystiker kennzeichnen, erweist sich denn doch als stark einseitige Charakteristik. Und die Philosophien Fichtes, Schellings, Hegels und anderer Denker der auf Kant folgenden Zeit lassen sich nicht als mystische fassen, besonders, wenn man den Brentanoschen Begriff der Mystik zugrunde legt. Man wird vielmehr gerade im Sinne der Brentanoschen Klassifikation von David Hume über Kant, bis zu Hegel einen gemeinsamen Grundzug finden. Dieser besteht in der Ablehnung, auf Grund derjenigen Vorstellungen, die aus der Sinneswelt gewonnen sind, das philosophische Weltbild einer wahren Wirklichkeit zu zeichnen. So paradox es scheint, Hegel einen Skeptiker zu nennen: er ist es doch in dem Sinne, daß er den Vorstellungen, welche der Natur entnommen sind, keinen unmittelbaren Wirklichkeitswert zuschreibt. Man weicht von dem Brentanoschen Begriff des Skeptizismus nicht ab, wenn man die Entwickelung der Philosophie von Hume bis Hegel als die Phase des neuzeitlichen Skeptizismus auffaßt. Die vierte neuzeitliche Phase kann man erst nach Hegel beginnen lassen. Was in ihr als naturwissenschaftliche Vorstellungsart auftritt, wird aber Brentano sicherlich nicht in die Nähe des Mystizismus bringen wollen. Doch man fasse ins Auge, in welcher Art Brentano selbst sich mit seinem Philosophieren in diese Epoche hineinstellen will. Mit einer kaum zu überbietenden Energie fordert er für die Philosophie eine naturwissenschaftliche Methode. In seiner psychologischen Forschung strebt er die Innehaltung dieser Methode an. Und was er zutage fördert, ist eine Rechtfertigung der Anthroposophie. Was als Fortsetzung seines anthropologischen Strebens auftreten müßte, wenn er im Sinne des von ihm Vorgestellten weiter schritte, wäre Anthroposophie. Allerdings eine Anthroposophie, welche mit der naturwissenschaftlichen Denkungsart in voller Harmonie steht.
Ist nicht Brentanos Lebensarbeit selbst der vollgültigste Beweis dafür, daß die vierte Phase der neuzeitlichen Philosophie ihre Impulse aus denjenigen Seelenkräften ziehen muß, welche der Neuplatonismus ebenso wie die Mystik des Mittelalters betätigen wollten, aber nicht konnten, weil sie mit dem inneren Seelenwirken nicht bis zu einem solchen Erleben der geistigen Wirklichkeit zu kommen vermochten, das in völliger bewußter Klarheit des Denkens (oder der Begriffe) sich vollzieht? Wie die griechische Philosophie ihre Kraft aus den Seelenimpulsen schöpfte, welche Brentano in der zweiten philosophischen Phase sich verwirklichen sieht, aus der praktischen Lebensphilosophie; wie die mittelalterliche Philosophie den Impulsen der dritten Phase, dem Skeptizismus ihre Stärke verdankt; so muß die neuzeitliche Philosophie ihre Impulse aus den Grund-Kräften der vierten Phase holen, aus dem erkennenden Schauen. Darf also Brentano in dem Neuplatonismus und in der mittelalterlichen Mystik Verfallsphilosophien in Gemäßheit seiner Vorstellungsart annehmen, so könnte man in der die Anthropologie ergänzenden Anthroposophie die fruchtbare Phase der neueren Philosophie anerkennen, wenn man dieses Philosophen eigene Ideen über Philosophie-Entwickelung zu den Konsequenzen führt, die er nicht selbst gezogen hat, die aber ganz ungezwungen sich aus ihnen ergeben.
[ 25 ] In dem gekennzeichneten Verhältnis Brentanos zu den Erkenntnis-Forderungen der Gegenwart ist es wohl gelegen, daß man beim Lesen seiner Schriften Eindrücke empfängt, welche sich nicht in dem erschöpfen, was der unmittelbare Inhalt der von ihm vorgebrachten Begriffe enthält. Es klingen in dieses Lesen überall Untertöne hinein. Diese kommen aus einem Seelenleben, das hinter den ausgesprochenen Ideen weit zurückliegt. Was Brentano im Geiste des Lesers anregt, ist oft stärker in diesem wirksam, als das von dem Verfasser in scharf umrissenen Vorstellungen Gesagte. Man fühlt sich auch veranlaßt, oftmals zum Lesen einer Brentanoschen Schrift zurückzukehren. Man kann vieles von dem durchdacht haben, was gegenwärtig über das Verhältnis der Philosophie zu andern Erkenntnisvorstellungen gesagt wird; Brentanos Schrift «Über die Zukunft der Philosophie» wird bei solchem Durchdenken fast immer in der Erinnerung auftauchen. Diese Schrift gibt einen Vortrag wieder, den er in der «Philosophischen Gesellschaft» in Wien 1892 gehalten hat, um seine Auffassung über die Zukunft der Philosophie den hierauf bezüglichen Ansichten entgegenzuhalten, welche der Rechtsgelehrte Adolf Exner in einer Inaugurationsrede über «politische Bildung» (1891) vorgebracht hatte.112Brentano: «Über die Zukunft der Philosophie». Mit apologetisch-kritischer Berücksichtigung der Inaugurationsrede von Adolf Exner «Über politische Bildung» als Rektor der Wiener Universität (Wien, Alfred Hölder, 1893). Der Abdruck des Vortrages ist mit «Anmerkungen» versehen, die weitweisende geschichtliche Ausblicke in den geistigen Entwickelungsgang der Menschheit geben. - In dieser Schrift klingt alles an, was sich dem Betrachter der gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Vorstellungsart über die Notwendigkeit ergeben kann, von dieser Vorstellungsart aus zu einer anthroposophischen fortzuschreiten.
[ 26 ] Die Träger dieser naturwissenschaftlichen Vorstellungsart leben zumeist in dem Glauben, daß sie ihnen von dem wirklichen Sein der Dinge selbst aufgedrängt ist. Sie sind der Meinung, daß sie ihre Erkenntnisse so einrichten, wie die Wirklichkeit sich offenbart. Doch dieser Glaube ist eine Täuschung. Die Wahrheit ist, daß in der neueren Zeit die menschliche Seele aus ihrer eigenen, im Laufe der Jahrtausende tätigen, Entwickelung heraus Bedürfnisse nach solchen Vorstellungen entfaltet hat, welche das naturwissenschaftliche Weltbild ausmachen. Helmholtz, Weisman, Huxley und andere sind zu ihren Vorstellungen nicht deshalb gekommen, weil die Wirklichkeit ihnen diese als die absolute Wahrheit gegeben hat, sondern weil sie in sich diese Vorstellungen bilden mußten, um durch sie auf die ihnen entgegentretende Wirklichkeit ein gewisses Licht zu werfen. Man formt sich ein mathematisches oder mechanisches Weltbild nicht, weil eine außerseelische Wirklichkeit dazu zwingt, sondern weil man in seiner Seele die mathematischen und mechanischen Vorstellungen ausgebildet und sich dadurch eine innere Beleuchtungsquelle für das eröffnet hat, was in der Außenwelt auf mathematische und mechanische Art sich offenbart.
Obgleich nun im allgemeinen das eben Gekennzeichnete für jede Entwickelungsstufe der menschlichen Seele gilt: es erscheint an den neueren naturwissenschaftlichen Vorstellungen noch auf eine besondere Weise. Diese Vorstellungen vernichten, wenn sie folgerecht von einer Seite durchdacht werden, die Begriffe über das Seelische. An dem durchaus nicht unerheblichen aber höchst fragwürdigen Begriffe einer «Seelenlehre ohne Seele», der nicht von philosophischen Dilettanten allein, sondern von sehr ernsten Denkern gebildet worden ist, zeigt sich dieses.113Auch diese Vorstellung «Seelenlehre ohne Seele» gehört in den Bereich der in dieser Schrift gekennzeichneten Rätsel an den «Grenzorten des Erkennens»; und wird sie nicht so durchlebt, daß sie als Ausgangspunkt für das schauende Bewußtsein genommen wird, so vermauert sie den Zugang zu dem wahren Seelen-Erkennen, statt einen Weg zu ihm zu zeigen. Solche Vorstellungen bringen dazu, die Erscheinungen des gewöhnlichen Bewußtseins in ihrer Abhängigkeit von der Leibesorganisation immer mehr zu durchschauen. Wird damit nicht zugleich erkannt, daß in dem, was in dieser Art als Seelisches auftritt, nicht dieses selbst, sondern nur dessen Spiegelbild sich offenbart, dann entwindet sich der Betrachtung die wirkliche Idee des Seelischen, und die Schein-Idee tritt auf, die in dem Seelischen nur sieht, was Ergebnis der Leibesorganisation ist. Nun läßt sich andrerseits für das unbefangene Denken die letztere Ansicht aber doch nicht halten. Die Ideen, welche die Naturwissenschaft über die Natur bildet, erweisen vor diesem unbefangenen Denken ihren seelischen Zusammenhang mit einer hinter der Natur liegenden Wirklichkeit, der in diesen Ideen selbst sich nicht offenbart. Keine anthropologische Betrachtungsart kann von sich aus zu erschöpfenden Vorstellungen über diesen Zusammenhang kommen. Denn er tritt nicht in das gewöhnliche Bewußtsein herein. - Diese Tatsache tritt bei den gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Vorstellungen stärker zutage als bei geschichtlich vergangenen Erkenntnisstufen. Die letzteren bildeten bei der Beobachtung der Außenwelt noch Begriffe, welche in ihren Inhalt etwas von der geistigen Unterlage dieser Außenwelt hereinnahmen. Und die Seele fühlte sich in ihrer eigenen Geistigkeit mit dem Geiste der Außenwelt als in einer Einheit. Die neuere Naturwissenschaft muß, ihrem Wesen nach, die Natur eben rein naturgemäß denken. Dadurch gewinnt sie die Möglichkeit, wohl den Inhalt ihrer Ideen durch die Naturbeobachtung zu rechtfertigen, nicht aber das Dasein dieser Ideen, als inneres Seelisch-Wesenhaftes, selbst.
Aus diesem Grunde ist gerade die echt naturwissenschaftliche Vorstellungsart ohne allen Boden, wenn sie ihr eigenes Dasein nicht rechtfertigen kann durch eine anthroposophische Beobachtung. Mit Anthroposophie kann man in uneingeschränkter Art sich zu der naturwissenschaftlichen Vorstellungsweise bekennen; ohne Anthroposophie wird man immer aufs neue den vergeblichen Versuch machen wollen, aus naturwissenschaftlichen Beobachtungsergebnissen heraus selbst den Geist zu entdecken. Die naturwissenschaftlichen Ideen der neueren Zeit sind eben Erzeugnisse des Zusammenlebens der Seele mit einer geistigen Welt; aber wissen kann die Seele von diesem Zusammenleben nur in lebendiger Geistbetrachtung.114Wohin eine echte naturwissenschaftliche Bettachtungsart kommt, das zeigt in einleuchtender Art das in vielen Beziehungen hervorragende Buch Oskar Hertwigs: «Das Werden der Organismen, Widerlegung von Darwins Zufallstheotie» (1916). Gerade wenn eine Arbeit, wie die dieser Schrift zugrund liegende, in so mustergiltiger Art naturwissenschaftlich-methodisch gehalten ist, führt sie zu unzähligen Seelen-Erlebnissen an den «Grenzorten des Erkennens».
[ 27 ] Man könnte leicht auf die Frage kommen: Warum sucht denn die Seele naturwissenschaftliche Vorstellungen auszubilden, wenn sie sich dadurch geradezu einen Inhalt schafft, der sie von ihrer Geist-Grundlage abschneidet? Vom Standpunkte einer solchen Meinung, welche die naturwissenschaftlichen Vorstellungen deshalb gebildet glaubt, weil die Welt nun einmal ihnen gemäß sich offenbart, läßt sich auf diese Frage keine Antwort finden. Wohl aber ergibt sich eine solche, wenn man auf die Bedürfnisse des seelischen Lebens selbst sieht. Mit Vorstellungen, wie sie eine vornaturwissenschaftliche Zeit allein ausgebildet hat, könnte das seelische Erleben niemals zum vollen Bewußtsein seiner selbst gelangen. Es würde zwar in den Natur-Ideen, die Geistiges mitenthalten, einen unbestimmten Zusammenhang mit dem Geiste erfühlen, nicht aber des Geistes volle, unabhängige Eigenart erleben können. Es strebt daher das Seelische im Entwickelungsgang der Menschheit nach der Aufstellung solcher Ideen, welche dieses Seelische selbst nicht enthalten, um an ihnen, sich selbst unabhängig vom Naturdasein zu wissen. Der Zusammenhang mit dem Geiste muß aber dann nicht durch diese Natur-Ideen, sondern durch geistiges Schauen erkennend gesucht werden. Die Ausbildung der neueren Naturwissenschaft ist eine notwendige Stufe im Seelen-Entwickelungsgange der Menschheit. Man erkennt ihre Grundlage, wenn man einsieht, wie die Seele ihrer bedarf, um sich selbst zu finden. Man erkennt auf der andern Seite ihre erkenntnistheoretische Tragweite, wenn man durchschaut, wie gerade sie das geistige Schauen zu einer Notwendigkeit macht.115Das oben Ausgesprochene findet man im einzelnen dargestellt in meinem Buche: «Die Rätsel der Philosophie.» Zu zeigen, wie das naturwissenschaftliche Erkennen im Seelenfortschritt der Menschheit seine Kraft bewährt, bildet einen der Grundgedanken dieses Buches.
[ 28 ] Adolf Exner, gegen dessen Meinung Brentanos Schrift «Die Zukunft der Philosophie» gerichtet ist, stand einer Naturwissenschaft gegenüber, welche zwar die Natur-Ideen rein ausbilden will, die aber nicht bereit ist, zur Anthroposophie fortzuschreiten, wenn es sich um die Erfassung der seelischen Wirklichkeit handelt. Er fand die «naturwissenschaftliche Bildung» unfruchtbar für die Ausgestaltung der Ideen, die im gesellschaftlichen Zusammenleben der Menschen wirken müssen. Er fordert daher eine Denkungsart für die Lösung der dem kommenden Zeitalter bevorstehenden Fragen des Gesellschaftslebens, die nicht auf naturwissenschaftlicher Grundlage ruht. Er findet, daß die großen juristischen Fragen, welchen das Römertum gegenüberstand, von diesem gerade deshalb so fruchtbringend gelöst worden sind, weil die Römer für naturwissenschaftliche Vorstellungsart wenig Begabung hatten. Und er versucht, zu zeigen, daß das achtzehnte Jahrhundert trotz seiner Neigung zu naturwissenschaftlicher Denkungsart sich der Bezwingung der Gesellschaftsfragen wenig gewachsen gezeigt hat. Exner richtet seinen Blick auf eine naturwissenschaftliche Vorstellungsart, die nicht um ihre eigenen Grundlagen wissenschaftlich bemüht ist. Man kann verstehen, daß er einer solchen gegenüber zu seinen Ansichten gekommen ist. Denn sie muß ihre Ideen so ausgestalten, daß diese das Naturgemäße in seiner Reinheit vor die Seele führen. Aus ihnen läßt sich kein Impuls für Gedanken gewinnen, die im Gesellschaftsleben fruchtbar sind. Denn innerhalb dieses Lebens stehen Seelen den Seelen als solchen gegenüber. Ein solcher Impuls kann sich nur ergeben, wenn das Seelische in seiner geistigen Art durch erkennendes Schauen erlebt wird, wenn die naturwissenschaftlich-anthropologische Betrachtung in der anthroposophischen ihre Ergänzung findet.
Brentano trug in seiner Seele Ideen, die durchaus in das anthroposophische Gebiet münden, trotzdem er nur im Anthropologischen bleiben wollte. Deshalb sind seine Ausführungen gegen Exner von durchschlagender Kraft, auch wenn Brentano den Übergang zur Anthroposophie nicht selbst machen will. Sie zeigen, wie Exner gar nicht von dem spricht, was eine sich selbst verstehende naturwissenschaftliche Vorstellungsart wirklich vermag, sondern wie er einen Windmühlenkampf führt gegen eine sich selbst mißverstehende Denkart. Man kann Brentanos Schrift lesen und überall durchfühlen, wie berechtigt alles ist, was durch seine Ideen in diese oder jene Richtung weist, ohne daß man findet, er spreche restlos aus, worauf er verweist.
[ 29 ] Mit Franz Brentano ist eine Persönlichkeit hinweggegangen, welche in ihrem Werke zu erleben einen unermeßlichen Gewinn bedeutet. Dieser Gewinn ist völlig unabhängig von dem Grade der verstandesgemäßen Übereinstimmung, die man diesem Werke entgegenbringen kann. Denn er entspringt aus den Offenbarungen einer Menschenseele, die viel tiefer in der Welt-Wirklichkeit ihren Ursprung haben, als die Sphäre ist, in welcher im gewöhnlichen Leben sich Verstandes-Übereinstimmungen finden. Und Brentano ist eine Persönlichkeit, bestimmt fortzuwirken im geistigen Entwickelungsgang der Menschheit, durch Impulse, die sich nicht in der Fortführung der von ihm entwickelten Ideen erschöpfen. Ich kann mir gut vorstellen, wie jemand durchaus nicht mit dem einverstanden ist, was ich über Brentanos Verhältnis zur Anthroposophie hier ausgeführt habe; daß man aber, auf welchem wissenschaftlichen Standpunkte man auch stehe, zu weniger verehrenden Empfindungen dem Werte von Brentanos Persönlichkeit gegenüber kommen kann als die sind, welche den Absichten meiner Ausführungen zugrunde liegen, scheint mir unmöglich, wenn man den philosophischen Geist auf sich wirken läßt, der durch die Schriften dieses Mannes weht.
III Franz Brentano (An Obituary)
[ 1 ] It is not possible to speak in sufficient detail about the relationship between anthropology and anthroposophy in connection with Max Dessoir's book "Vom Jenseits der Seele" for the reasons given in the previous section of this essay. I believe, however, that this relationship can become clear if I place here the remarks that I have written down with a different intention, namely as an obituary for the philosopher Franz Brentano, who died in Zurich in March 1917. The passing of the man I admired most highly has had the effect that his significant life's work has once again come before my soul; it has determined me to say the following.
[ 2 ] It seems to me that I may attempt to arrive at a view of Franz Brentano's philosophical life's work from an anthroposophical point of view at this moment, since the death of the revered personality has interrupted the continuation of this work. I believe that the anthroposophical point of view cannot allow me to fall into a one-sided assessment of Brentano's world view. I assume this for two reasons. Firstly, no one can accuse Brentano's way of thinking of having even the slightest inclination towards an anthroposophical direction. Its bearer, if he himself had had cause to pass judgment on it, would probably have rejected it with the utmost determination. Secondly, from my anthroposophical point of view, I am in a position to show unreserved admiration for Franz Brentano's philosophy.
[ 3 ] As far as the first is concerned, I believe I am not mistaken when I say that Brentano, if he had come to a judgment about the anthroposophy I am referring to, would have formed it in the same way as the one he formed about Plotinus' philosophy. Like Plotinus, he would probably have said of anthroposophy: "Mystical darkness and a free wandering of the imagination in unknown regions." 68Compare Brentano's writing: "Was für ein Philosoph manchrnal Epoche macht" (Vienna, Pest, Leipzig, Hartlebens Verlag, 1876), page 14 As with Neoplatonism, he would also have urged caution with regard to anthroposophy, "lest one, enticed by vain appearances, lose oneself in the labyrinthine corridors of a pseudo-philosophy". 69Compare Brentano's writing: "Was für ein Philosoph manchmal Epoche macht" (Vienna, Pest, Leipzig, Hartlebens Verlag, 1876), page 23 Yes, he might have found the way of thinking of anthroposophy too dilettantish to even consider it worthy of being counted among the philosophies he judged in the same way as the Fichte-Schelling-Hegelian one. In his inaugural address in Vienna, he said of the latter: "Perhaps the recent past has also been an... epoch of decay, in which all concepts swam turbidly into one another, and not a trace of Brentano's aforementioned writing was to be found." 70Compare the reprint of the inaugural address given in 1874 when he took up his professorship in Vienna: "Über die Gründe der Entmutigung auf philosophischem Gebiet" (Vienna 1874), page 18. I believe that Brentano would have judged in this way, even if I naturally consider not only this judgment to be completely unfounded, but also any combination of anthroposophy with the philosophies with which this philosopher would probably have combined it to be unjustified.
[ 4 ] With regard to the second of the reasons given above for engaging with Brentano's philosophy, I may confess that for me it is one of the most attractive achievements of soul research in the present day. I was only able to hear a few of Brentano's Vienna lectures some thirty-six years ago, but from that time onwards I have followed his literary activity with the warmest interest. Unfortunately, his publications appeared at far too great intervals for my liking. And they were mostly written in such a way that one could only look through them, as through small openings into a room full of treasures, through occasional publications into a vast realm of unpublished thoughts that this outstanding man carried within him. In such a way that it strove towards high goals of knowledge in continuous development. When, after a long break, Brentano's book on "Aristotle", his brilliant work "Aristotle's Doctrine of the Origin of the Human Mind" and his reprint of the most important part of his Psychology with the so astute "Supplements" appeared in 1911, reading these writings was a series of festive pleasures for me. 71Compare Brentano: "Aristoteles und seine Weltanschauung " (1911, published by Quelle und Meyer in Leipzig); Brentano: "Aristoteles' Lehre vom Ursprung des menschlichen Geistes" (Leipzig, published by Veit und Comp., 1911); Brentano: "Von der Klassifiltation der psychischen Phänomene" (Leipzig, Verlag von Duneker und Humbolt, 1911).
[ 5 ] I feel imbued with such an attitude towards Franz Brentano that I believe I can say that one acquires it when the scientific conviction gained from the anthroposophical point of view - precisely the attitude - takes hold. I endeavor to see through his views in their value, even if I am under no illusion that he could, indeed must, have thought about anthroposophy in the sense indicated above. I certainly do not bring this up here in order to fall into a vain self-criticism of my attitude towards opposing or dissenting views, but because I know how much misunderstanding of my judgments about other schools of thought it has brought me that I have often expressed myself in my publications in such a way as is a consequence of this attitude.
[ 6 ] The basic ideas that led him to formulate his guiding principle in 1868 seem to me to methodically permeate all of Brentano's research into the soul. When he took up his philosophical professorship in Würzburg at that time, he placed his way of thinking in the light of the thesis that the true philosophical way of research could be no other than that justified by scientific knowledge. "Vera philosophiae methodus nulla alia nisi scientiae naturalis est." 72He later spoke out about this thesis in a lecture he gave at the Vienna Philosophical Society in 1892, which is reprinted as "Über die Zukunft der Philosophie" (Vienna, Alfred Hölder, 1893). On page 3 you will find Brentano's later reference to his thesis, which is meant here. When he then published the first volume of his "Psychology from an Empirical Point of View" in 1874 - at the time when he took up his professorship in Vienna - he sought to explain the phenomena of the soul scientifically in accordance with the above-mentioned guiding principle. 73Compare Brentano: "Psychologie vom empirischen Standpunkte", 1st volume (Leipzig, Verlag von Duneker und Humblot, 1874) For me, what Brentano wanted with this book, and what of this intention came to light during his lifetime through his publications, constitutes a significant scientific problem. Brentano had - as can be seen from his book - calculated his psychology on a series of books. He had promised to publish the second shortly after the first. There was no sequel to the first part, which only contained the initial ideas of his psychology. When he had his lecture "Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis" (On the Origin of Moral Knowledge) given at the Vienna Law Society printed in 1889, he wrote in the preface:
"One would be mistaken if one were to regard the lecture as a fleeting work of opportunity just for the sake of an accidental impulse. It offers the fruits of years of reflection. Of everything I have published so far, his discussions are probably the most mature product. - They belong to the circle of ideas of a 'Descriptive Psychology', which, I now dare to hope, I will be able to open up to the public in its entirety in the not too distant future. One will then be able to recognize sufficiently from the wide distances from everything traditional, and in particular also from the essential further development of my own views represented in 'Psychology from the Empirical Standpoint', that I have not exactly been idle in my long literary seclusion." 74Compare Brentano's essay "Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis" (Leipzig, Verlag Daneker und Humblot, 1889), page Vf.
This "Descriptive Psychology" was not published either. Admirers of Brentano's philosophy can gauge what benefit it would have brought them if they had studied the "Untersuchungen zur Sinnespsychologie" (Studies in Sensory Psychology), which covered a narrow field and was published in 1907.75Brentano: "Untersuchungen zur Sinnespsychologie" (Leipzig, Verlag Duncker und Humblot, 1907).
[ 7 ] The question must be asked: what caused Brentano to pause again and again in the continuation of his publications, indeed, not to publish what he thought would be finished in a short time? I confess that I was deeply shocked to read the words in the obituary for Franz Brentano that Alois Höfler had published in May 1917: "How he continued to work so confidently on his main problem, the proof of God, that only a few years ago an excellent Viennese doctor who was a close friend of Brentano's told me that Brentano had recently assured him that he would now have the proof of God ready within a few weeks ... " 76Süddeutsche Monatshefte, May 1917, in the essay : "Franz Brentano in Wien", page 319 ff. I felt the same way when I read from another obituary (by Utitz),77Published in the Vossische Zeitung. heard: "The work he loved most, on which he worked all his life, has remained unpublished."
[ 8 ] I think that Brentano's fate with his planned publications poses a serious problem for the humanities. This can only be approached if one wants to look at what he was able to communicate to the world in its peculiarity.
[ 9 ] I think it is important to realize that Brentano's psychological research is based on an astutely pure conception of the truly spiritual. He asks himself: what is characteristic in all occurrences that must be addressed as psychological? And he found what he expressed in the 1911 Supplements to Psychology as follows: "The characteristic of every psychic activity consists, as I believe I have shown, in its relation to something as an object." 78Compare Brentano : "Von der Klassifikation der psychischen Phänomene", page 122. Imagining is a psychic activity. The characteristic is that I not only imagine, but that I imagine something, that my imagination refers to something. Using an expression borrowed from medieval philosophy, Brentano calls this peculiarity of mental phenomena an "intentional relationship". "The common trait"-so he explains in another place:
"Everything psychical consists in what has often been called consciousness, unfortunately with a very misleading expression, that is, in a subjective behavior, in what has been called an intentional relation to something that is perhaps not really, but nevertheless inwardly objectively given. No hearing without hearing, no believing without believing, no hoping without hoping, no striving without striving, no joy without something to rejoice in, and so on." 79Compare Brentano : "Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis", page 14. And on the fundamental trait of the intentional "Psychologie vom empirischen Standpunkte", page 115 ff.
This intentional inner being is indeed something that leads like a leitmotif in such a way that everything to which one can attach it can be recognized in its mental character precisely through it.
[ 10 ] Brentano contrasts the psychic phenomena with the physical ones: Colors, sound, space and many others. He finds that these differ from them precisely because they do not have an intentional relationship. And he confines himself to attributing this relationship to the psychical phenomena and denying it to the physical. But it is precisely when one becomes acquainted with Brentano's view of the intentional relation that the imagination is led to the question: does not such a point of view make it necessary to view the physical from it as well? Whoever, like Brentano, examines the psychical in this way, and the physical in terms of a common factor, will find that every phenomenon in this area is through something else. If a body dissolves in a liquid, this phenomenon appears on the dissolved body through the relation of the dissolving liquid to it. If phosphorus changes its color through the action of the sun, this points in the same direction. All properties in the physical world are due to the relations of things to each other. It is correct for physical being when Moleschott says: "All being is being through properties. But there is no property that does not exist through a relation." 80This was presented particularly succinctly by Richard Wallascheck in an important essay in the Viennese weekly magazine "Die Zeit", No.96 and 97 of the 1896 issue (from August 1 and 8). Just as everything psychic contains something within itself whereby it points to something outside it, so conversely a physical is such that what it is, it is through the relation of an outside to it. Must not someone who emphasizes the intentional relationship of everything mental in such an astute way as Brentano do, also direct attention to the characteristic of physical phenomena that results from the same thought process? It seems at least certain that such a consideration of the mental can only find its relationship to the physical world if it takes this characteristic into consideration.81Compare with this the conclusion of the 7th chapter of the "Sketchy Extensions of the Content..." given at the end of this writing. "7. The Separation of the Mental from the Extra-Mental by Franz Brentano."
[ 11 ] Brentano now identifies three types of intentional relationships in mental life. The first is the imagining of something; the second is recognition or rejection, which is expressed in judging; the third is that of loving or hating, which is experienced in feeling. When I say: God is just, I am imagining something; but I do not yet recognize or reject the imagined; but when I say: there is a God, I recognize the imagined through a judgment. When I say: joy is dear to me, I am not merely judging, but experiencing a feeling. Brentano distinguishes three basic classes of psychic experiences on the basis of such premises: Imagining, judging, feeling (or the phenomena of loving and hating). He replaces the division of psychic phenomena recognized by others into these three basic classes: Imagining, feeling and willing.82Compare Brentano : "Psychologie vom empirischen Standpunkte" page 233 ff., and his writing : "Von der Klassifikation der psychischen Phänomene." For while imagining and judging are grouped into one class by many, Brentano separates the two. He does not agree with this grouping because, unlike others, he does not see judgment as merely a combination of ideas, but rather an acceptance or rejection of what is imagined, which is not the case with mere imagination. Feeling and will, on the other hand, which others separate, coincide for Brentano, according to their mental content, into one. What is experienced emotionally when one feels attracted to or repelled by the performance of an action is the same as what is experienced when one feels attracted to pleasure or repelled by pain.
[ 12 ] It is evident from Brentano's writings that he attaches great importance to having replaced the division of mental experience into thinking, feeling and willing that he had found with the other, into imagining, judging and loving and hating. From this division, he seeks to pave the way to understanding what truth is on the one hand and what moral goodness is on the other. For him, truth is based on right judgment; moral goodness on right love. He finds: "We call something true if the recognition relating to it is correct. We call something good if the love relating to it is right." 83Compare Brentano: "Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis". Page 17.
[ 13 ] In Brentano's explanations, one can find that with the correct recognition of truth in judgment, with the correct experience of love in moral goodness, he sharply focuses on and describes a fact of the soul. But one cannot find anything within the realm of his imagination that would suffice to make the transition from the spiritual experience of imagination to that of judgment. Wherever one looks in this realm of imagination, one searches in vain for the answer to the question: what is present when the soul is aware that it is not merely imagining, but that it finds itself prompted to recognize the object of imagination through a judgment? - Nor is it possible to avoid a question about the right love for moral goodness. Within the realm that Brentano describes as "spiritual", there is no other fact for moral behavior than right loving. But does not a moral action also have a relationship to the external world? Can that which characterizes such an action for the world be exhausted by saying that it is an action that is properly loved? 84Compare with this the 5th chapter in the "Sketchy Extensions of the Content..." given at the end of this paper: "5. On the Real Foundation of the Intentional Relation."
[ 14 ] When following Brentano's trains of thought, one usually has the feeling that they are always fruitful because they tackle a problem in one direction astutely and with scientific prudence; but one also feels that Brentano's trains of thought do not lead to the goal that his starting points promise. Such a feeling can also impose itself when one compares his tripartite division of the life of the soul into imagining, judging, loving and hating with the other into imagining, feeling and willing. One follows with a certain assent what he is able to adduce in favor of his opinion; and yet one can hardly be convinced that he sufficiently appreciates all the reasons that speak for the other. One need only take as a special example the conclusion which Brentano draws from his classification for the characterization of the true, the beautiful and the good. Whoever classifies the life of the soul according to cognitive imagination, feeling and volition can hardly do otherwise than bring the striving for truth into closer connection with imagination, the experience of beauty with feeling, the accomplishment of the good with volition. In the light of Brentano's thoughts, the matter appears differently. There the ideas as such have no relation to each other through which the truth could reveal itself as such. If the soul strives for perfection in the relationship of ideas, then its ideal cannot be truth; it is rather beauty. Truth does not lie in the way of mere imagination, but of judgment. And the morally good is not found as something essential to the will, but is the content of a feeling; for to love rightly is an experience of feeling.85Compare Brentano: "Psychologie vom empirischen Standpunkte", page 340 ff, and his paper "On the Classification of Psychical Phenomena", page 110 ff., as well as what he says in his paper "On the Origin of Moral Cognition", page 17 ff. But truth for the ordinary consciousness can only be sought in imaginative cognition. For even if the judgment that leads to truth is not exhausted in a mere connection of ideas, but is based on the recognition or rejection of ideas, this recognition or rejection can only be experienced by this consciousness in ideas. - And even if the ideas through which a beautiful thing presents itself to consciousness reveal themselves in certain relationships within the life of ideas: beauty is nevertheless experienced through feeling. - And although a morally good thing should evoke a right love in the soul, its essence is the realization of the rightly loved through the will.
[ 15 ] One only recognizes what is present in Brentano's thoughts on the threefold division of the life of the soul when one sees through the fact that he is speaking of something quite different from those who carry out this division according to imagination, feeling and volition. They simply want to describe the experience of ordinary consciousness. And this experiences itself in the differentiated activities of imagining, feeling and willing. What is actually experienced there? I tried to answer this question in my book "The Enigma of Man".
I summarized the results presented there in the following way. "First of all, the spiritual experience of man, as it manifests itself in thinking, feeling and willing, is bound to the bodily tools. And it takes shape in the way it is conditioned by these tools. But he who thinks that he sees the real life of the soul when he observes the expressions of the soul through the body is caught in the same error as one who believes that his form is produced by the mirror before which he stands, because the mirror contains the necessary conditions through which his image appears. This image is even, within certain limits, dependent as an image on the form of the mirror etc.: what it represents, however, has nothing to do with the mirror. In order to fully fulfill its essence within the sense world, the human soul life must have an image of its essence. It must have this image in consciousness; otherwise it would have an existence, but no idea, no knowledge of this existence. This image, which lives in the ordinary consciousness of the soul, is now completely conditioned by the bodily instruments. Without these it would not exist, just as the reflection would not exist without the mirror. But what appears through this image, the soul itself, is by its nature no more dependent on the tools of the body than the observer standing before the mirror is dependent on the mirror. It is not the soul that is dependent on the tools of the body, but only the ordinary consciousness of the soul." 86Compare this with my book "Vom Menschenrätsel", 4th edition, page 156. I would like to add here the remark, which for many is certainly superfluous, that in my comparison of consciousness with a mirror image I do not have in mind, as is usually done, to call the imaginary world a mirror image of the external world, but that I describe what the soul experiences in ordinary consciousness as a mirror image of the truly soulful.
If one describes this area of consciousness, which is dependent on the organization of the body, then one correctly divides it into imagination, feeling and volition.87Compare with this the 6th chapter of the "Sketchy Extensions of the Contents..." given at the end of this writing. "6. The physical and spiritual dependencies of the human being." But Brentano describes something else. First of all, let us note that he understands "judgment" to mean the recognition or rejection of a conceptual content. Judgment operates within the life of the imagination; but it does not simply accept the ideas that arise in the soul, rather it relates them to a reality by recognizing or rejecting them. If one looks more closely, this relationship of the ideas to a reality can only be found in an activity of the soul, which takes place in the soul itself. However, what the soul accomplishes when it relates a conception to a sensory perception in a redistributive way never corresponds completely to this. For there it is the compulsion of the external impression, which is not experienced purely inwardly, but only re-experienced, and thus leads to recognition or rejection as an imagined after-experience. On the other hand, what Brentano describes corresponds perfectly in this respect to the kind of cognition that is called imaginative in the first section of this essay. In this, the imagination of the ordinary consciousness is not simply accepted, but is further developed in the inner experience of the soul, so that the power is released from it to relate what is experienced in the soul to a spiritual reality in such a way that it is recognized or rejected. Brentano's concept of judgement is therefore not fully realized in ordinary consciousness, but in the soul, which is active in imaginative cognition. - Furthermore, it is clear that through Brentano's complete detachment of the concept of imagination from the concept of judgment, imagination is conceived by him as a mere image. Thus, however, ordinary representation lives in imaginative cognition. This second quality, which anthroposophy ascribes to imaginative cognition, is also found in Brentano's characterization of psychic phenomena. Furthermore, Brentano refers to the experiences of feeling as phenomena of love and hate. He who ascends to imaginative cognition must indeed transform that kind of psychic experience which reveals itself to ordinary consciousness as love and hate - in Brentano's sense - for supersensible vision in such a way that he can confront certain peculiarities of spiritual reality, which are described in my "Theosophy", for example, in the following way: "It is one of the first things that one must acquire for orientation in the spiritual world that one distinguishes the different kinds of its entities in a similar way as one distinguishes solid, liquid and air or gaseous bodies in the physical world. In order to do this, one must know the two fundamental forces that are most important here. They can be called sympathy and antipathy. How these basic forces work in a soul structure determines its nature."88Compare my "Theosophy", 28th edition, page 96. While love and hate remain something subjective for the life of the soul in the sensory world, imaginative cognition experiences the objective behavior in the soul world through inner experiences that are equivalent to love and hate. Here, too, Brentano describes a peculiarity of imaginative cognition (through which, however, it already enters the realm of an even higher kind of cognition 89The first form of "seeing cognition", the imaginative, merges into the second, which in my writings is called the inspired. How the imagination, which has passed over into inspiration, actually lives in Brentano's definition of loving and hating, is shown in the concluding remarks of the 6th chapter of the "Sketchy Extensions of the Contents" given at the end of this writing: "6. The Physical and Spiritual Dependencies of the Human Being."). And that he has an idea of the objective way of loving and hating in contrast to the subjective way of feeling of ordinary consciousness can be seen from the fact that he presents moral goodness as a real loving. Finally, it must be especially taken into consideration that for Brentano volition falls outside the circle of soul phenomena. Now the volition flowing out of ordinary consciousness belongs entirely to the physical world. It realizes itself in the form in which it can be conceived by this consciousness, completely in the physical world, although it is a purely spiritual-substantiality in itself revealing itself in the physical world. If one describes the ordinary consciousness existing in the physical world, then volition cannot be missing in this description. If one describes the seeing consciousness, then nothing of the ideas about ordinary volition can pass over into this description. For in the spiritual world, to which the imaginative consciousness refers, events take place in response to a spiritual impulse other than through acts of volition, such as are peculiar to the physical world. Thus, as Brentano considers the mental phenomena in that realm in which imaginative cognition is active, the concept of volition must evaporate for him.
[ 16 ] It really seems obvious that Brentano, in describing the nature of psychic phenomena, was actually driven to describe the nature of visual cognition. This is clear even from the details of his description. Take one example of many that could be cited. He says: "The common characteristic of everything psychical consists in what has often been called consciousness with an unfortunately very misleading expression ... ". 90Compare Brentano: "Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis", page 14. But if one describes only those phenomena of the soul which, as belonging to ordinary consciousness, are conditioned by the organization of the body, then the expression is not at all misleading. Brentano has a feeling that the real soul, however, does not live in this ordinary consciousness, and he feels compelled to speak of the nature of this real soul in ideas that must, however, be misunderstood if one wants to apply the ordinary concept of consciousness to them.
[ 17 ] Brentano proceeds in his research in such a way that he follows the phenomena of the anthropological field to the point where they force the unbiased to form ideas about the soul which coincide with what anthroposophy finds on its paths about the soul. And the results of the two paths are shown to be in complete harmony precisely by Brentano's psychology. Brentano himself, however, did not want to leave the anthropological path. He was prevented from doing so by his interpretation of his guiding principle: "The true mode of research in philosophy can be no other than that recognized in the natural sciences." 91Cf. above p. 83f. of this paper. A different understanding of this guiding principle could have led him to recognize that one sees the scientific mode of conception in the right light precisely when one is aware that it must change for the spiritual realm according to its own nature. Brentano never wanted to make the true phenomena of the soul, which he characterizes as such, the object of a pronounced consciousness. Had he done so, he would have progressed from anthropology to anthroposophy. He feared this path because he could only regard it as an aberration into "mystical darkness and a free wandering of the imagination into unknown regions".92Cf. above p. 81 of this paper. He did not even enter into an examination of what his own psychological conception made necessary. Every time he was faced with the necessity of continuing on his own path into the anthroposophical field, he stopped. He wanted to find an anthropological solution to the questions that could only be answered anthroposophically. This solution was bound to fail. Because it was bound to fail, he could not continue the expositions he had begun in a way that would have been satisfactory to him. If he had continued "Psychology from the Empirical Standpoint", it would have had to become anthroposophy after the results of the first volume. Had he really delivered his "Descriptive Psychology": Anthroposophy would have had to shine out of it everywhere. If he had continued the ethics of his work "On the Origin of Moral Knowledge" in accordance with his starting point, he would have come across anthroposophy.
[ 18 ] Before Brentano's soul stood the possibility of a psychology that cannot be shaped like a purely anthropological one. The latter cannot even think of the questions that must be raised as the most significant about the life of the soul. The newer psychology only wants to be anthropological because it considers anything beyond that to be unscientific. Brentano, however, says: "For the hopes of Plato and Aristotle to gain certainty about the survival of our better part after the dissolution of the body, the laws of the association of ideas, the development of convictions and opinions and the germination and driving of desire and love would be anything but a true compensation... And if the difference between the two views really meant the inclusion or exclusion of the question of immortality, it would be an extremely important one for psychology, and an entry into the metaphysical investigation of substance as the bearer of states would be unavoidable. "93Compare Brentano: "Psychologie vom empirischen Standpunkte", page 20. Anthroposophy shows how it is not through metaphysical speculation that we can enter the realm described by Brentano, but solely through the activity of those soul forces which cannot fall into ordinary consciousness. By describing the essence of the soul in his philosophy in such a way that the essence of cognitive insight is clearly expressed in his description, Brentano's philosophy is a perfect justification of anthroposophy. And one may see in Brentano the philosophical researcher who reaches the gate of anthroposophy on his way, but does not want to open this gate because the image of scientific thinking that he creates for himself leads him to believe that by opening it he will reach the abyss of unscience. The difficulties that Brentano often finds himself confronted with when he wants to continue his ideas stem from the fact that he relates these ideas about the nature of the soul to what is present in ordinary consciousness. He is prompted to do this because he wants to remain within the conception which appears to him to be justified by natural science. But this conception can only arrive through its means of cognition at that which is present in the soul as the content of ordinary consciousness. This content, however, is not the reality of the soul, but its mirror image. Brentano sees through this only from the one side of understanding, but not from the other, observation. In his concepts he creates a picture of mental phenomena that take place in the reality of the soul; when he observes, he believes he has a reality in the mirror image of the mental.94Compare with this the 7th chapter of the "Sketchy Extensions of the Content..." at the end of this writing. "7. Franz Brentano's separation of the spiritual from the non-sensual." Another philosophical school of thought that Brentano disliked intensely, that of Eduard von Hartmann, was also based on a scientific way of thinking. Eduard von Hartmann saw through the mirror-image character of ordinary consciousness. He therefore sees no reality in this consciousness. But he also resolutely rejects bringing the corresponding reality into human consciousness at all. He relegates this reality to the realm of the unconscious. He only allows the hypothetical application of the concepts formed by ordinary consciousness beyond this realm to speak about it.95The views of Eduard von Hartmann aimed at the above are presented in a clear manner in his two books: "Die moderne Psychologie" (Leipzig 1901, Hermann Haackes Verlag) and "Grundriß der Psychologie" (Volume 3 of E. v. Hartmanns System der Philosophie im Grundriß, Bad Sachsa im Harz 1908, Hermann Haacke, Verlagsbuchhandlung). Anthroposophy claims that spiritual observation is possible beyond this field. And that concepts are also accessible to this spiritual observation, which must be as little merely hypothetical as those gained in the sensory field. - Eduard von Hartmann's supersensible is not meant to be something directly recognized, but something inferred from what is directly recognized. Hartmann is one of those philosophers of recent times who do not want to form concepts if they do not have the statements of sensory observation and experience in ordinary consciousness as the starting point for this conceptualization. Brentano forms such concepts. But he is mistaken about the reality in which they can be formed through observation. His mind proves to be strangely ambivalent. He would like to be a natural scientist in the sense in which the scientific way of thinking has developed in recent times. And yet he has to form concepts that can only be justified in the light of this mode of conception if one does not accept it as the only valid one. This dichotomy in Brentano's spirit of research can be explained to anyone who delves into Brentano's first writings, his book "On the manifold meaning of existence according to Aristotle" (1862), his "Psychology of Aristotle" (1867) and his "Creatinism of Aristotle" (1882). 96Franz Brentano: "Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles" (Freiburg im Breisgau, Herdersche Verlagshandlung); his "Die Psychologie des Aristoteles" (Mainz, Verlag von Franz Kirchheim); his "Über den Creatinismus des Aristoteles " (Vienna, Tempsky). In these writings, Brentano follows Aristotle's train of thought with exemplary erudition. And in this pursuit, he appropriates a way of thinking that cannot be exhausted in the concepts that are valid in anthropology. In these writings, he focuses on a concept of the soul that derives the soul from the spirit. This soul originating from the spirit makes use of the organism formed from physical processes in order to form ideas within sensory existence. What forms ideas in the soul is of a spiritual nature, is Aristotle's "nus". But this "Nus" is of a twofold nature, as "Nus pathetikos" it is purely suffering; it allows itself to be stimulated to form its ideas by the impressions given to it by the organism. But in order for these ideas to appear as they are in the active soul, this activity must work as "Nus poietikos". What the "Nus pathetikos" delivers would be mere appearances in a dark soul-being; they are illuminated by the "Nus poietikos". Brentano says about this: The nus poietikos is the light that illuminates the phantasms and makes the spiritual in the sensual visible to our mind's eye.97Compare Brentano: "Die Psychologie des Aristoteles", page 172 ff.
If one wants to understand Brentano, it is not only a question of the extent to which he incorporated Aristotelian ideas into his own convictions, but above all of the fact that he moved devotedly within these ideas with his own thinking. In this way, however, this thinking was active in an area in which the starting point of sensory perception, and thus the anthropological basis for the formation of concepts, is not present. And this basic trait of thought has remained in Brentano's research. He only wants to accept what can be recognized according to the pattern of the current scientific mode of conception; but he must form thoughts that do not belong to this realm. Now, according to the purely scientific method, something can only be said about the phenomena of the soul in so far as these are the mirror image of the truly essential nature of the soul caused by the organization of the body, that is, in so far as they arise and pass away in their mirror-image character with the organization of the body. What Brentano must think about the reality of the soul, however, is something spiritual, independent of bodily organization, which even through the "Nus poietikos" makes the spiritual in the sensual visible to our mind's eye. - The fact that Brentano's thinking can move in such areas forbids him to think of the soul's existence as arising through the organization of the body and passing away with the organization of the body. But because he rejects supersensible observation, no content can be observable to him in this soul-being that reaches beyond physical being. As soon as he is supposed to ascribe a content to the soul that it could develop without the help of the body's organization, Brentano feels himself to be in a world for which he can find no concepts. In such a state of mind, he turns to Aristotle and also finds in him concepts of the soul that yield no other content for an extra-bodily existence than that acquired in bodily existence. Characteristic in its one-sidedness is what Brentano says in this respect in his "Psychologle des Aristoteles": "Just as a person is no longer a complete substance when a foot or another limb is torn from him, so of course he is even less a complete substance when the whole bodily part has fallen victim to death. The spiritual part still exists, but those are greatly mistaken who, like Plato, believe that the separation from the body is a furtherance for it and, as it were, a liberation from oppressive imprisonment; for the soul must now renounce all the numerous services which the powers of the body have rendered it." 98Compare Brentano: "Psychologie des Aristoteles", page 196.
Brentano had an extraordinarily interesting dispute with the philosopher Eduard Zeller about Aristotle's view of the nature of the soul. The latter claimed that Aristotle's opinion was to assume a pre-existence of the soul before its connection with the bodily organization, while Brentano denied Aristotle such a view and only let him think that the soul was first created into the bodily organization; it therefore had no pre-existence, but a postexistence after the dissolution of the body. 99For the content of the scientific dispute between Brentano and Zeller, see Brentano: "Offener Brief an Herrn Professor Dr. Eduard Zeller aus Anlaß meiner Schrift über die Lehre des Aristoteles von der Ewigkeit des Geistes" (Leipzig 1883, Duneker and Humhlot) and his: "Aristoteles' Lehre vom Ursprung des menschlichen Geistes" (Leipzig 1911, Veit and Comp.).
[ 19 ] Brentano thought that only Plato, but not Aristotle, assumed a pre-existence. It cannot be denied that the reasons Brentano puts forward for his opinion and against Zeller's carry a lot of weight. Apart from Brentano's ingenious interpretation of corresponding Aristotelian assertions, there is a difficulty in attributing the view of the pre-existence of the soul to Aristotle, because such a view seems to contradict a principle of Aristotelian metaphysics. Aristotle says that a "form" can never exist before the "substance" that bears the form. The spherical form never exists without the material that fills it. But since Aristotle conceives of the soul as the "form" of the body's organization, it seems that one should not attribute to him that he thought the soul could exist before the emergence of the body's organization.
Brentano's concept of the soul is so caught up in the Aristotelian idea of the impossibility of pre-existence that he is unable to notice how this Aristotelian idea itself fails on an important point. Can one really think of "form" and "matter" in such a way that one only assumes that the form cannot exist before the matter that fills it? Surely the spherical form does not exist before the mass of matter that fills it? As it appears in the mass of matter, the spherical form is certainly not present before the agglomeration of matter. But before it shoots together, the forces are present which approach this substance, and the result of which is revealed to it in its spherical form. And in these forces, before the appearance of the spherical form, it certainly already lives in another way. 100The deception about a justification for the above-mentioned assertion of form and matter can only be felt with regard to the formation of the scientific mode of conception for the content of the concept of soul bound by the views on bodily organization, so he might have noticed that the Aristotelian concept of soul itself is afflicted with an inner contradiction. Thus, by observing Aristotle's worldview, he only gained the possibility of conceiving ideas about the soul that lift it out of the realm of bodily organization, but do not assign it a content that would allow it to be conceived independently of bodily organization in unbiased thinking.
[ 20 ] In addition to Aristotle, Brentano also regards Leibniz as a philosopher to whom he pays particular tribute. He seems to have been particularly attracted by Leibniz's way of looking at the soul. One can now say that Leibniz has a way of looking at this area which appears to be a substantial extension of Aristotle's opinion. Whereas Aristotle makes the essential content of human thought dependent on sensory observation, Leibniz detaches this content from its sensory basis. Following Aristotle, one will recognize the proposition: there is nothing in thinking that was not previously in the senses (nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu); Leibniz, however, is of the opinion that nothing can arise from crystals, for example, because the form seems to emerge directly from the forces inherent in matter. But an unbiased mind cannot help but presuppose the forces of form within the material before the formed matter actually arises. But the Aristotelian conception is already completely untenable in the case of the plant, whose formative forces must certainly be sought not only in the conditions in the germ, but in effects from the external world, which are present indefinitely long before the formation of the sensuous plant. In thinking, what was not previously in the senses is external to thinking itself (nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu, nisi ipse intellectus). It would be incorrect to ascribe to Aristotle the view that the beingness that is active in thinking is a result of the bodily powers of action. But by making the nus pathetikos the suffering recipient of sensory impressions and the nus poietikos the illuminator of these impressions, nothing remained within his philosophy that could become the content of a soul life independent of sense being. In this respect, Leibniz's theorem proves more fruitful. Through it, attention is particularly drawn to the soul being independent of the organization of the body. However, this attention is restricted to the merely intellectual part of this being. And in this respect Leibnizen's theorem is one-sided. Nevertheless, it is a guideline that can lead to something in the present scientific age that Leibniz was not yet able to achieve. In his era, the ideas about the purely natural origin of the properties of bodily organization were still too imperfect for this. Today, things are different. Today we can to a certain extent recognize scientifically how the organic forces of the body are inherited from the ancestors, and how the soul works within these inherited forces of the organism. What is not admitted by many who believe themselves to be on the right "natural scientific standpoint", however, proves to be a necessary view when natural scientific knowledge is correctly grasped: that everything through which the soul works in physical life is conditioned by the bodily forces that pass from ancestors to descendants in the physical line of inheritance, except the content of the soul itself. This is roughly how one can currently extend Leibniz's theorem. But then it is the anthropological justification of the anthroposophical way of looking at things. It then refers the soul to seek its essential content in a spiritual world, and to do so through a different kind of cognition than that customary in anthopology. For this is only accessible to what is experienced in ordinary consciousness through the organization of the body.101There are thinkers who find the view that the core of man's soul is not inherited from his ancestors, but comes from the spiritual world, repulsive, because they see the process of procreation degraded by it. These thinkers include the philosopher J. Frobschammer (see his book "On the origin of human souls", page 98 ff.). He believes that it must be assumed that the souls of children also originate from their parents, since "these living human beings do not beget mere bodies or even animals" (see Frohschammer's essay on "The Philosophy of Thomas Aquinas", Leipzig, Brockhaus 1889, page VIII). An objection arising from this opinion cannot affect the view presented in this paper. For one need not think of the soul-core, which, coming from the spiritual world, unites itself with that inherited from the ancestors, before conception without a relation to the souls of the parents, even if one does not think of it as arising through the act of procreation.
[ 21 ] One can be of the opinion that Brentano had all the preconditions, based on Leibniz, to open up a view of the essence of the soul anchored in the spirit, and to reinforce this view with the scientific findings of more recent times. Anyone who follows his explanations will see the path that lay before him. The path to a purely spiritually recognizable soul being could have been revealed before him if he had developed what was within the scope of his attention when he wrote down sentences such as this: "But how is" the "intervention of the deity" in the appearance of a human soul in a body "to be conceived? Did it, having creatively produced the spiritual part of man from eternity, now unite it with an embryo in such a way that it, which hitherto existed as a special spiritual substance in its own right, now ceased to be a real being in its own right and became part of a human nature, or did it only now creatively produce it? - If Aristotle assumed the former, he must have believed that the same spirit would be joined again and again with other and other embryos; for, according to him, the human race continues to be generated into infinity, but the number of spirits existing from eternity can only be finite. All commentators agree that Aristotle rejected palingenesis in the mature period of his philosophizing. So this possibility is excluded."102Compare Brentano: "Aristoteles und seine Weltanschauung" (1911), page 134. What does not lie in Aristotle's line of thought, the justification of the spiritual view of the repeated lives of the human soul through palingenesis: for Brentano it could have resulted from the combination of the concepts of the soul refined in Aristotle with the findings of the newer natural sciences. - He could have followed this path all the more because he was receptive to the epistemology of medieval philosophy. He who really grasps this doctrine of knowledge acquires a sum of ideas which are suitable for relating the newer scientific results to the spiritual world in a way that cannot be understood by the ideas of purely scientific-anthropological research. What a way of thinking such as that of Thomas Aquinas can achieve for the deepening of natural science on the spiritual side is currently completely misjudged in many circles. It is believed in such circles that the more recent scientific findings require a turning away from this way of thinking. The truth is that the scientifically recognized essence of the world is initially to be encompassed by thoughts which, on closer inspection, remain unfinished in themselves. Their completion would be to think of them themselves as such an essence in the soul, as they are thought of in the way Thomas Aquinas conceived them. Brentano was also on the way to gaining a proper relationship to this mode of conception. He writes: "When I wrote my treatise 'On the manifold meaning of existence according to Aristotle' and later my 'Psychology of Aristotle', I wanted to promote the understanding of his doctrine in two ways; first and foremost directly by elucidating some of the most important doctrinal points, then indirectly, but in a more general way, by opening up new sources of support for the explanation. I drew attention to the astute commentaries of Thomas Aquinas and showed how some doctrines are presented more correctly in them than by later expositors." 103Compare Brentano: "Aristoteles' Lehre vom Ursprung des menachlichen Geistes" (1911), page 1.
Brentano obstructed the path that could have presented itself to him through such studies due to his inclination towards the way of thinking of Bacon, Locke and everything that is philosophically related to such a way of thinking. Above all, he considered this mode of conception to be the appropriate one for scientific research.104Compare, among others, Brentano: "Die vier Phasen der Philosophie" (1895), page 22, and the whole attitude of his Vienna inaugural address "Über die Gründe der Entmutigung auf philosophischem Gebiet" (Vienna 1874, W. Braumüller). Compare, among others, Brentano: "Die vier Phasen der Philosophie" (1895), page 22, and the whole attitude of his Vienna inaugural address "Über die Gründe der Entmutigung auf philosophischem Gebiet" (Vienna 1874, W. Braumüller). Braumüller). But it is precisely this way of thinking that leads to conceiving the content of the life of the soul as completely dependent on the world of the senses. And because this way of thinking only wants to proceed anthropologically, only that which is in truth not a psychological reality, but only a reflection of this reality, namely the content of ordinary consciousness, comes into its realm as a psychological result. - If Brentano had seen through the mirror-image nature of ordinary consciousness, he would not have been able to stop at the gate that leads to anthroposophy in the pursuit of anthropological research. - It will certainly be possible to argue against this view of mine that Brentano lacked the gift of spiritual vision; that is why he did not seek the transition from anthropology to anthroposophy, even if he was driven by his particular spiritual idiosyncrasy to characterize the phenomena of the soul in such an interesting way that this form can be justified by anthroposophy. But I do not have this opinion. I am not of the opinion that spiritual vision is only attainable as a special gift for exceptional personalities. I must regard this vision as a faculty of the human soul which everyone can acquire if he awakens within himself the spiritual experiences that lead to it. And Brentano's nature seems to me to be particularly suited to such awakening.105Compare the 8th chapter of the "Sketchy Extensions of the Contents..." given at the end of this work. "8 An objection often raised against anthroposophy." However, I believe that such awakening can be prevented by theories that contradict it. That one does not allow vision to arise if one becomes entangled in ideas that call its justification into question from the outset. And Brentano did not allow vision to arise in his soul because the ideas that justified it so beautifully were always subject to those that rejected it and made him fear that through it he would "lose himself in the labyrinthine corridors of a pseudo-philosophy".106Cf. above p. 81f.
[ 22 ] In 1895, Brentano published a reprint of a lecture he had given at the "Literarische Gesellschaft in Wien" with reference to H. Lorm's book "Der grundlose Optimismus". 107Brentano: "Die vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand" (Stuttgart 1895, J. G. Cottasche Buchhandlung Nachfolger). This contains his view on "die vier Phasen der Philosophie und ihren augenblicklichen Stand". In these remarks, Brentano argues that the development of philosophical research can be compared to a certain extent with the history of the fine arts. "While other sciences, as long as they are practiced at all, show a steady progress, which is interrupted only once by a period of stagnation, philosophy, like the fine arts, shows periods of decadence alongside the periods of ascending development, which are often no less rich, indeed richer in epoch-making phenomena than the periods of healthy fertility." 108Cf. "Four Phases", p. 9. Brentano distinguishes three such periods, which run from healthy fertility to decadence, in the course of the development of philosophy. Each begins with the fact that pure philosophical wonder at the mysteries of the world gives rise to truly scientific interest, and this interest seeks knowledge out of a genuine, pure instinct for knowledge. This healthy epoch is followed by another, in which the first stage of decay appears. Here pure scientific interest recedes, and thoughts are sought through which one can regulate social and personal life and find one's way in it. Philosophy no longer wants to serve the pure pursuit of knowledge, but the interests of life. A further decline occurs in the third epoch. Due to the uncertainty of thoughts that have arisen from an interest that is not purely scientific, people become confused about the possibility of true knowledge and fall into skepticism. The fourth epoch is then that of complete decline. The doubt of the third epoch has undermined all scientific foundations of philosophy. One seeks to arrive at the truth from unscientific foundations in fantastic, blurred concepts, through mystical experience. Brentano thinks of the first circle of development as beginning with Greek natural philosophy; and with Aristotle, he believes, the healthy phase ends. He holds Anaxagoras in particularly high esteem within this phase. He is of the opinion that, although at this time the Greeks were at the very beginning with regard to many scientific questions, the nature of their research had such a character that it was justified by a strict scientific way of thinking. This first phase was followed by the Stoics and the Epicureans. They already bring a decline. They wanted ideas that were at the service of life. In the Newer Academy, but especially through Aenesidemus, Agrippa and Sextus Empiricus, we see skepticism eradicating all belief in certain scientific truths. And in Neoplatonism, with Ammonius Sakkas, Plotinus, Porphyrius, Jamblichus and Proclus, scientific research is replaced by mystical experience in the labyrinthine corridors of a pseudo-philosophy.
In the Middle Ages, these four phases were repeated, although perhaps not with such clarity. With Thomas Aquinas, a philosophically sound way of thinking emerged that revived Aristotelianism in a new form. In the following period, represented by Duns Scotus, a kind of analogy to the first Greek period of decay reigns through an art of disputation driven to the monstrous. This is followed by nominalism, which has a skeptical character. William of Occam rejects the view that general ideas refer to something real, and thus gives the content of human truth only the value of a conceptual summary standing outside reality, while reality is supposed to lie only in individual things. This analogy of skepticism is replaced by the mysticism of Eckhardt, Tauler, Heinrich Suso, the author of German Theology and others, which does not follow scientific paths. These are the four phases of philosophical development in the Middle Ages.
In modern times, a healthy development based on scientific thinking begins again with Bacon of Verulam, in which Descartes, Locke and Leibniz continue to have a fruitful effect. They were followed by the French and English philosophies of the Enlightenment, in which principles that were found congenial to life dominated the philosophical thought process. Then came skepticism with David Hume, followed by the phase of decline that began in England with Thomas Reid and in Germany with Kant. Brentano sees a side to Kant's philosophy that allows him to link it with Plotinus' period of decline in Greek philosophy. He criticizes Kant for not seeking the truth, like a scientific researcher, in the correspondence of ideas with real objects, but rather in the fact that objects should be determined by human imagination. Brentano thus believes that Kant's philosophy must be ascribed a kind of mystical basic trait, which then manifests itself in complete unscientificness in the philosophy of decay of Fichte, Schelling and Hegel.
Brentano hoped for a new upswing in philosophy through scientific work within its field along the lines of the scientific way of thinking that had become dominant in recent times. To introduce such a philosophy, he put forward his thesis: the true philosophical mode of research is none other than that recognized in the scientific mode of cognition.109Cf. above p. 83f. of this work. He wanted to dedicate his life's work to it.
[ 23 ] Brentano says in the preface to the reprint of the lecture in which he gave this view of the "four phases of philosophy": this "his view of the history of philosophy may seem new to some; to me it has been established for years and has been the basis of academic lectures on the history of philosophy for more than two decades, as it has been to me and to some of my students. That they will encounter prejudices, and that these will perhaps be too powerful to give way at the first impact, I am under no illusion. Nevertheless, I hope from the facts and considerations presented that they will not fail to make an impression on those who follow them thoughtfully." 110Compare Brentano: "The four phases of philosophy...", page 5 f. 115
[ 24 ] I am of the opinion that one can receive a significant impression from Brentano's remarks. Insofar as they offer a classification of the phenomena occurring in the course of philosophical development from a certain point of view, they are based on well-founded insights into this course of development. The four phases of philosophy offer differences that are grounded in reality. - But as soon as one enters into a consideration of the forces driving the individual phases, one cannot find that Brentano characterizes these forces accurately. This is immediately apparent in his view of the first phase of ancient philosophy. The basic features of Greek philosophy from its Jonian beginnings to Aristotle certainly exhibit many traits that give Brentano the right to see in them a scientific way of thinking in his sense. But does this way of thinking really come about through what Brentano calls the scientific method? Are the thoughts of these Greek philosophers not rather a result of what they experienced in their own souls as the nature of man and his position in relation to the universe? 111In the first volume of my book "The Riddles of Philosophy", I attempted to answer this question in the affirmative. There I endeavor to show how the first Greek philosophers did not arrive at their ideas from the observation of nature, but because they judged external nature from the experience of their inner soul. Thales said that everything came from water, because he experienced this water-creation process as the essence of his own human inner being. And so did the philosophers related to him. (Compare my "Riddles of Philosophy", page 52 ff.) Whoever answers this question properly will find that the inner impulses for the thought content of this philosophy found direct expression precisely in Stoicism, in Epicureanism, in the entire practical philosophy of life of the later Greek period. One can see how the forces of the soul which Brentano finds active in the second phase are the starting point for the first phase of the philosophy of antiquity. These forces were turned towards the sensual and social manifestation of the universe and could therefore only appear imperfectly in the phase of skepticism, which is driven to doubt the immediate reality of this manifestation, and in the following phase of seeing knowledge, which must go beyond this form. For this reason, these phases within the philosophy of antiquity show themselves as those of decay.
And what forces of the soul are at work in the philosophical development of the Middle Ages? No one who really knows the facts in question will be able to doubt that Thomism represents the height of this development in relation to the conditions Brentano has in mind. But one cannot fail to recognize that, through the Christian standpoint of Thomas Aquinas, the soul forces at work in the Greek philosophy of life no longer act merely out of philosophical impulses, but have taken on a supra-philosophical character. But what impulses are at work in Thomas Aquinas, insofar as he is a philosopher? One need have no inclination for the weaknesses of the nominalist philosophers of the Middle Ages; but one will nevertheless be able to find that the soul impulses at work in nominalism also form the subjective basis for Thomistic realism. If Thomas recognizes the general concepts which summarize the phenomena of sense perception as that which refers to a spiritually real thing, then he gains the strength for this realistic way of conceiving from the feeling of what these concepts, apart from the fact that they refer to sense phenomena, mean in the existence of the soul itself. Precisely because Thomas did not relate the general concepts directly to the occurrences of sense existence, he felt how another reality shines into them, and how they are actually only signs for the phenomena of sense life. When this undertone of Thomism emerged in Nominalism as an independent philosophy, it naturally had to reveal its one-sidedness. The feeling that the concepts experienced in the soul establish a realism turned to the spiritual had to disappear, and the other had to prevail, that the general concepts are mere summarizing names. If one understands the nature of nominalism in this way, one also understands the second phase of medieval philosophy that preceded it, Scotism, as a transition to nominalism. However, one cannot help but understand the entire power of medieval thought, insofar as it is philosophy, from the basic conception that manifested itself in a one-sided way in nominalism. But then one will come to the view that the real driving forces of this philosophy lie in the impulses of the soul, which, in the sense of Brentano's classification, must be described as belonging to the third phase. And in the epoch which Brentano characterizes as the mystical phase of the Middle Ages, it also becomes clear how the mystics belonging to it, moved by the nominalistic nature of understanding knowledge, turn not to this but to other soul forces in order to penetrate to the core of world phenomena.
If we now trace the effectiveness of the driving forces of the soul in the philosophy of more recent times along the lines of Brentano's classification, we find that the inner characteristics of this epoch are quite different from those recorded by Brentano. The phase of scientific thought, which Brentano finds realized by Bacon of Verulam, Descartes, Locke, Leibniz, does not allow itself to be thought of as purely scientific in the Brentanoan sense because of certain traits of its own. How is one to approach Descartes' basic idea "I think, therefore I am" in purely scientific terms; how is one to bring Leibniz's monadology, or his "predetermined harmony", into Brentano's scientific mode of conception? Brentano's conception of the second phase, to which he assigns French and English Enlightenment philosophy, also causes difficulties if one wants to remain with his ideas. One will certainly not want to deny that this epoch had the character of a period of decline in philosophy; but one can understand it from the fact that in its bearers the extra-philosophical soul impulses, which were energetically effective in the Christian view of life, were paralyzed, so that a relationship to the supersensible world forces could not be found philosophically. At the same time, the nominalistic skepticism of the Middle Ages was still at work, preventing the search for a relationship between the content of knowledge experienced by the soul and a spiritual reality.
And if we then proceed to modern skepticism and the way of thinking that Brentano ascribes to a mystical phase, then we lose the possibility of agreeing with his classification. Certainly, the skeptical phase must begin with David Hume. But to characterize Kant, the critic, as a mystic proves to be a very one-sided characterization. And the philosophies of Fichte, Schelling, Hegel and other thinkers of the period following Kant cannot be characterized as mystical, especially if one takes Brentano's concept of mysticism as a basis. Rather, one will find a common basic trait in the sense of Brentano's classification from David Hume to Kant and Hegel. This consists in the rejection of drawing the philosophical world view of a true reality on the basis of those ideas that are derived from the sensory world. As paradoxical as it may seem to call Hegel a skeptic, he is a skeptic in the sense that he does not attribute any direct value of reality to ideas taken from nature. One does not depart from Brentano's concept of skepticism if one understands the development of philosophy from Hume to Hegel as the phase of modern skepticism. The fourth modern phase can only begin after Hegel. However, Brentano would certainly not want to bring what appears in it as a scientific mode of conception into the vicinity of mysticism. But consider the way in which Brentano himself wanted to place himself in this epoch with his philosophizing. With an energy that can hardly be surpassed, he demands a scientific method for philosophy. In his psychological research, he strives to maintain this method. And what he brings to light is a justification of anthroposophy. What would have to appear as a continuation of his anthropological striving, if he were to proceed in the sense of what he presented, would be anthroposophy. However, an anthroposophy that is in full harmony with the scientific way of thinking.
Is not Brentano's life's work itself the most valid proof that the fourth phase of modern philosophy must draw its impulses from those powers of the soul which Neoplatonism as well as the mysticism of the Middle Ages wanted to exert but could not because they were not able to reach such an experience of spiritual reality with the inner workings of the soul that takes place in complete conscious clarity of thought (or of concepts)? Just as Greek philosophy drew its strength from the impulses of the soul, which Brentano sees being realized in the second philosophical phase, from the practical philosophy of life; just as medieval philosophy owes its strength to the impulses of the third phase, to scepticism; so modern philosophy must draw its impulses from the basic forces of the fourth phase, from cognitive seeing. If Brentano can therefore assume in Neoplatonism and in medieval mysticism philosophies of decay in accordance with his way of thinking, then one could recognize in anthroposophy, which supplements anthropology, the fruitful phase of modern philosophy, if one leads this philosopher's own ideas about the development of philosophy to the consequences which he did not draw himself, but which arise quite naturally from them.
[ 25 ] In Brentano's marked relationship to the cognitive demands of the present, it is well situated that one receives impressions when reading his writings that are not exhausted in what the immediate content of the concepts he puts forward contains. There are undertones everywhere in this reading. These come from a life of the soul that lies far behind the ideas expressed. What Brentano stimulates in the reader's mind often has a stronger effect on him than what the author says in sharply defined ideas. One also often feels compelled to return to reading Brentano's writings. One may have thought through much of what is currently being said about the relationship of philosophy to other concepts of knowledge; Brentano's writing "On the Future of Philosophy" will almost always come to mind in such thinking. This essay reproduces a lecture he gave at the "Philosophical Society" in Vienna in 1892 in order to counter the views on the future of philosophy that the legal scholar Adolf Exner had put forward in an inauguration speech on "political education" (1891).112Brentano: "On the Future of Philosophy". With apologetic-critical consideration of Adolf Exner's inauguration speech "On Political Education" as Rector of Vienna University (Vienna, Alfred Hölder, 1893). The reprint of the lecture is accompanied by "Notes", which provide far-reaching historical perspectives on the intellectual development of mankind. - In this writing, everything that can arise for the observer of the current scientific way of thinking about the necessity of progressing from this way of thinking to an anthroposophical one is echoed.
[ 26 ] The bearers of this scientific way of thinking usually live in the belief that it is imposed on them by the real being of things itself. They are of the opinion that they arrange their knowledge in such a way as reality reveals itself. But this belief is a delusion. The truth is that in recent times the human soul, out of its own development over the course of thousands of years, has developed a need for the ideas that constitute the scientific world view. Helmholtz, Weisman, Huxley and others arrived at their ideas not because reality gave them these as the absolute truth, but because they had to form these ideas within themselves in order to throw a certain light through them on the reality that confronted them. One does not form a mathematical or mechanical view of the world because an extra-soul reality compels one to do so, but because one has formed mathematical and mechanical ideas in one's soul and thereby opened up an inner source of illumination for what is revealed in the outside world in a mathematical and mechanical way.
Although in general what has just been said applies to every stage of the development of the human soul, it appears in a special way in the newer scientific ideas. These ideas, if they are thought through logically from one side, destroy the concepts of the soul. This can be seen in the not insignificant but highly questionable concept of a "doctrine of the soul without a soul", which was not formed by philosophical dilettantes alone, but by very serious thinkers. 113This idea of a "doctrine of the soul without a soul" also belongs to the realm of the riddles at the "frontiers of cognition" identified in this paper; and if it is not lived through in such a way that it is taken as a starting point for the seeing consciousness, then it blocks access to the true cognition of the soul instead of showing a path to it. Such ideas lead us to see more and more through the phenomena of ordinary consciousness in their dependence on the organization of the body. If it is not recognized at the same time that in what appears in this way as the soul, not the soul itself, but only its mirror image is revealed, then the real idea of the soul escapes contemplation, and the illusory idea appears, which sees in the soul only what is the result of the bodily organization. On the other hand, however, the latter view cannot be held by unbiased thinking. The ideas which natural science forms about nature prove to this unbiased thinking their spiritual connection with a reality lying behind nature, which is not revealed in these ideas themselves. No anthropological way of looking at things can arrive at exhaustive ideas about this connection on its own. For it does not enter the ordinary consciousness. - This fact is more evident in the present scientific conceptions than in past historical stages of knowledge. The latter, in observing the external world, still formed concepts which took into their content something of the spiritual basis of this external world. And the soul, in its own spirituality, felt itself to be one with the spirit of the external world. Modern natural science must, by its very nature, think of nature in purely natural terms. In this way it gains the possibility of justifying the content of its ideas through the observation of nature, but not the existence of these ideas themselves as inner soul-essence.
For this very reason, the genuinely scientific mode of conception is without foundation if it cannot justify its own existence through an anthroposophical observation. With anthroposophy one can profess the scientific way of thinking in an unrestricted way; without anthroposophy one will always want to make the futile attempt to discover the spirit itself from the results of scientific observation. The scientific ideas of recent times are precisely products of the coexistence of the soul with a spiritual world; but the soul can only know about this coexistence in living spiritual observation. 114Where a genuine scientific way of looking at things is heading is shown in an illuminating way by Oskar Hertwig's book "Das Werden der Organismen, Widerlegung von Darwins Zufallstheotie" (1916), which is outstanding in many respects. It is precisely when a work such as the one on which this book is based is so exemplarily scientific and methodical that it leads to countless experiences of the soul at the "borderlands of cognition".
[ 27 ] One could easily come up with the question: Why does the soul seek to form scientific ideas if it thereby virtually creates a content that cuts it off from its spiritual foundation? From the point of view of such an opinion, which believes that scientific ideas are formed because the world reveals itself according to them, no answer can be found to this question. However, such an answer can be found if we look at the needs of spiritual life itself. With ideas such as those developed by a pre-scientific age alone, spiritual experience could never attain full consciousness of itself. It would indeed sense an indeterminate connection with the spirit in the ideas of nature, which contain spiritual elements, but it would not be able to experience the full, independent nature of the spirit. Therefore, in the development of mankind, the soul strives for the establishment of such ideas which do not contain this soul itself, in order to know itself independently of the existence of nature. The connection with the spirit, however, must not be sought through these ideas of nature, but through spiritual perception. The formation of the newer natural science is a necessary stage in the development of the human soul. One recognizes its basis when one understands how the soul needs it in order to find itself. On the other hand, one recognizes its epistemological implications when one sees through how it makes spiritual observation a necessity.115The above is presented in detail in my book: "The Riddles of Philosophy." To show how scientific knowledge proves its power in the progress of the soul of mankind is one of the basic ideas of this book.
[ 28 ] Adolf Exner, against whose opinion Brentano's writing "The Future of Philosophy" is directed, was opposed to a natural science that wanted to develop the ideas of nature purely, but was not prepared to progress to anthroposophy when it came to grasping the reality of the soul. He found "scientific education" unfruitful for shaping the ideas that must be effective in the social coexistence of human beings. He therefore called for a way of thinking for the solution of the questions of social life facing the coming age that was not based on the natural sciences. He finds that the great legal questions which confronted the Romans were solved so fruitfully precisely because the Romans had little aptitude for a scientific way of thinking. And he attempts to show that the eighteenth century, despite its inclination towards a scientific way of thinking, proved to be little suited to conquering social issues. Exner focuses his attention on a scientific way of thinking that is not scientifically concerned with its own foundations. It is understandable that he came to his views in the face of such an approach. For it must shape its ideas in such a way that they present the natural in its purity to the soul. From them no impulse can be gained for thoughts that are fruitful in social life. For within this life souls are opposed to souls as such. Such an impulse can only arise when the soul is experienced in its spiritual nature through cognitive observation, when the scientific-anthropological view is complemented by the anthroposophical view.
Brentano carried ideas in his soul that certainly flowed into the anthroposophical field, even though he only wanted to remain in the anthropological field. His comments against Exner are therefore of resounding force, even if Brentano does not want to make the transition to anthroposophy himself. They show how Exner does not speak at all of what a self-understanding scientific way of thinking is really capable of, but how he is fighting a windmill battle against a way of thinking that misunderstands itself. One can read Brentano's writing and feel everywhere how justified everything is that points in this or that direction through his ideas, without finding that he completely expresses what he is referring to.
[ 29 ] With Franz Brentano, a personality has passed away whose work is an immeasurable gain to experience. This gain is completely independent of the degree of intellectual agreement one can have with this work. For it springs from the revelations of a human soul, which have their origin much deeper in the reality of the world than the sphere in which intellectual correspondences are found in ordinary life. And Brentano is a personality destined to continue to work in the spiritual development of humanity through impulses that are not limited to the continuation of the ideas he developed. I can well imagine how someone might disagree with what I have said here about Brentano's relationship to anthroposophy; but it seems impossible to me that, whatever one's scientific standpoint, one can arrive at less reverential feelings towards the value of Brentano's personality than those which underlie the intentions of my remarks, if one allows the philosophical spirit which wafts through the writings of this man to take effect on oneself.