The Essence of Christianity
GA 68a
3 November 1908, Bielefeld
Automated Translation
XL. The Bible and Wisdom
The Bible has been passed down through the centuries with a significance [for the human heart] that towers above everything. You could say that what is presented to counter the Bible comes from the Bible.
At the time of Copernicus, Kepler and Galileo, something similar was happening with regard to the natural world as is happening today with regard to the Bible. At that time, the old Greek writings of Aristotle et cetera were considered valid. Today, what has been studied in the chemical laboratory et cetera is accepted as correct; it seems logical today, and people believe what researchers say.
This was not the case in the past. What Aristotle, a great and comprehensive mind, wrote and taught was learned, not what was seen with one's own eyes, etc. When the first person dissected a corpse, there was initially opposition from those who swore by Aristotle.
One such reformer once said that Aristotle had something about nerves that was not quite right. A believer in Aristotle found it incredible. It was demonstrated to him in the body. “Yes, it's like that here,” he said, “but if nature is not as Aristotle says, then I believe Aristotle.” This belief weighed on humanity like a burden.
It seemed as if Aristotle's esteem would suffer by looking at nature. But that did not happen. Those who believed in Aristotle had only believed the letter. Gradually, people learned to recognize Aristotle correctly.
It is very similar with the Bible. [Until the eighteenth century, it was considered incontrovertible that it had a different origin than other books.] It was said that those who wrote the Bible were inspired by God and therefore infallible.
The first contradictions were found in the Old Testament. Not a theologian, but a French doctor found that different things were reported about Yahweh and Elohim. There must have been two writers, and that was compiled. It was finally accepted that, like other books, the Bible was written by several people and should be studied and examined like other books.
The same was true for the New Testament. John was one who still lived in higher worlds; that the spirit must always triumph over life – so one read in Paul's letters. How could the materialistic mind find anything in the Book of Revelation by John other than fantasy?
For the faithful, it is still the case that the Bible is a support in life and a consolation in death. But can it remain so if the tone-setters, the scientists, pick everything apart? With Aristotle, there were the faithful, then came those who could see and gradually understood Aristotle correctly. Can't the same happen with the Bible?
Aristotle saw in nature itself, and what he set down in his books is what he saw; likewise Kepler, et cetera. Might not a proper appreciation of the Bible arise from this, if a similar process takes place for the humanities as it did for the natural sciences in the time of Kepler?
Today there is a spiritual movement, Theosophy. Some may shake their heads or shrug their shoulders; but anyone who seriously engages with it will recognize the seriousness of this spiritual movement.
Just as there are researchers of nature, there have always been researchers or explorers of the spiritual worlds, who are called initiates. The natural scientist has the telescope, the microscope, and the human mind. Great things are found with these. — But for the spiritual researcher, these instruments are of no use. The only thing that exists is the human being itself. One must only have the right point of view. One must become aware that in every human soul there are dormant abilities, spiritual eyes and ears, which, when awakened, open up a world, just as it would be for someone who has undergone an operation and is born blind. A blind person must not say: There are no colors. No human being may say: There are no spiritual worlds around us. He who has the patience to develop these inner sense organs within himself becomes a seer, an initiate. The natural scientist must learn to use the telescope and all the instruments. [In the same way, the spiritual scientist must learn to use his higher organs.]
Great mysteries confront us when only the words sleep, waking, life, and death are presented to us. Just as Haeckel's books contain Haeckel's research, so the books of Theosophy contain spiritual facts of spiritual worlds.
Only a seer could have written the beginning of the Old Testament, for example, and only a seer can recognize such documents. It is seership that underlies the Bible.
The fact that the Gospel of John seems to have more contradictions than the other three Gospels is because John was a deeper initiate than the three synoptics.
If you approach the Bible from the standpoint of spiritual science, its value and depth become ever greater. Only wisdom can properly recognize the Bible, since it flowed from wisdom.
Bibel und Weisheit
Die Bibel geht als ein Bestand durch die Jahrhunderte mit einer Bedeutung [für die Menschenherzen], die alles überragt. Man könnte sagen, dass das, was zur Bekämpfung der Bibel vorgebracht wird, aus der Bibel stammt.
Zur Zeit von Kopernikus, Kepler, Galilei spielte sich in Bezug auf die äußere Natur etwas Ähnliches ab, wie heute sich abspielt in Bezug auf die Bibel. Damals haben die alten griechischen Schriften des Aristoteles et cetera gegolten. Heute nimmt man das als richtig an, was im chemischen Laboratorium et cetera studiert wurde; es leuchtet heute logisch ein, man glaubt das, was die Forscher sagen.
Nicht so war es früher. Was Aristoteles, ein großer, umfassender Geist, geschrieben und gelehrt hat, wurde gelernt, nicht das, was selbst gesehen wurde et cetera. Als der Erste eine Leiche sezierte, gab es zuerst Opposition von denen, die auf Aristoteles schworen.
Ein solcher Reformator sagte einmal, dass im Aristoteles etwas über Nerven stände, was nicht ganz stimme. Ein Aristoteles-Gläubiger fand es unglaublich. Man zeigte es ihm am Körper. «Ja, hier ist’s so», sagte er, «aber wenn die Natur nicht so ist, wie Aristoteles sagt, dann glaube ich Aristoteles.» Wie ein Druck lag dieser Glaube auf der Menschheit.
Es schien, als wenn Aristoteles in der Wertschätzung sänke durch das Anschauen der Natur. Aber das geschah nicht. Die Aristoteles-Gläubigen hatten den Buchstaben nur geglaubt. Man lernte allmählich den Aristoteles richtig erkennen.
So ganz ähnlich ist’s mit der Bibel. [Bis ins achtzehnte Jahrhundert hinein galt es als unumstößlich, dass sie anders entstanden sei als andere Bücher.] Man sagte, diejenigen, die die Bibel geschrieben haben, seien von Gott inspiriert und deshalb unfehlbar.
Mit dem Alten Testament wurden zuerst Widersprüche gefunden. Nicht ein Theologe, sondern ein französischer Arzt fand, dass von Jahve und Elohim Verschiedenes berichtet sei. Es müssten zwei Schreiber sein, und das sei zusammengetragen. Man kam schließlich dazu, anzunehmen, dass — wie andere Bücher — auch die Bibel von mehreren geschrieben sei und auch wie andere Bücher zu studieren und zu untersuchen sei.
Auch beim Neuen Testament war es so. —- Johannes ist einer, der noch lebte in höheren Welten; dass der Geist immerdar Sieger sein müsse über das Leben — so las man in Paulus’ Briefen. Wie konnte der materialistische Geist anderes finden in der Johannes-Apokalypse als eine Phantasie?
Für die Gläubigen ist’s immer noch so, dass die Bibel ihnen ein Halt im Leben, ein Trost im Tode ist. Aber kann es so bleiben, wenn die Tonangebenden, die Wissenschaftler, alles zerpflücken? Bei Aristoteles gab es die Gläubigen, dann kamen die, die schauen konnten, und verstanden nach und nach richtig den Aristoteles. Kann es mit der Bibel nicht ebenso gehen?
Aristoteles hat in der Natur selbst geschaut, und was er niedergelegt hat in seinen Büchern, ist das, was er geschaut hat; ebenso Kepler et cetera. Könnte sich nicht gerade daraus die richtige Wertschätzung der Bibel ergeben, wenn sich ein ähnlicher Prozess vollzieht für die Geisteswissenschaft wie zur Zeit des Kepler [für die Naturwissenschaft]?
Es gibt heute eine geistige Bewegung, die Theosophie. Es mag mancher den Kopf schütteln oder die Schultern zucken; aber wer sich erst mal ernstlich damit beschäftigt, der wird schon den Ernst dieser geistigen Bewegung erkennen.
Ebenso wie es Forscher der Natur gegenüber gibt, hat es immer Forscher oder Ergründer der geistigen Welten gegeben, die man Eingeweihte nennt. Dem Naturforscher dienen Teleskop, Mikroskop, der menschliche Verstand. Großes wird damit gefunden. — Dem Geistesforscher nutzen diese Instrumente nichts. Nur eins gibt'’s, das ist der Mensch selbst. Nur muss man den Standpunkt der Entwicklung innehaben. Man muss gewahr werden, dass in jeder Menschenseele Fähigkeiten schlummern, geistige Augen und Ohren, die, wenn sie erweckt sind, eine Welt eröffnen, ebenso, wie es einem operierten Blindgeborenen gehen würde. Ein Blinder darf nicht sagen: Es gibt keine Farben. Kein Mensch darf sagen: Es gibt keine geistigen Welten um uns herum. Wer Geduld hat, diese inneren Sinnesorgane in sich zu entwickeln, der wird ein Seher, ein Eingeweihter. Der Naturforscher muss lernen, sich des Teleskops und all der Instrumente zu bedienen. [So muss der Geistesforscher lernen, sich seiner höheren Organe zu bedienen.]
Große Rätsel stehen vor uns, wenn nur die Worte Schlaf, Wachen, Leben, Tod vor uns hingestellt werden. Wie Haeckel’sche Bücher Haeckels Erforschungen enthalten, so enthalten die Bücher der Theosophie geistige Tatsachen geistiger Welten,
Ein Seher nur kann geschrieben haben zum Beispiel den Anfang vom Alten Testament, und nur ein Seher kann solche Urkunden erkennen. Sehertum ist’s, was der Bibel zugrunde liegt.
Dass das Johannesevangelium scheinbar mehr Widersprüche hat als die drei anderen Evangelien, kommt daher, weil Johannes ein tieferer Eingeweihter war als die drei Synoptiker.
Geht man vom Standpunkt der Geisteswissenschaft an die Bibel heran, dann wird der Wert und die Tiefe der Bibel immer größer. Weisheit nur kann die Bibel richtig erkennen, da sie aus Weisheit geflossen ist.