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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Goethe and the Present
GA 68c

7 December 1904, Weimar

Automated Translation

XIII. Goethe's Enigmatic Fairy Tale of the Green Snake and the Beautiful Lily

I. Report in the “Weimarische Zeitung” of December 9, 1904

On Wednesday the Weimar branch of the Theosophical Society organized a lecture in the Erbprinzen on Goethe's fairy tale of the green snake and the beautiful lily.

As we were informed, Dr. Rudolf Steiner showed that this little poem contains the secret of Goethe's world view in a magnificent artistic image. The abundance of figures and events that the poet presents to us represents the soul life of man in his development from the sensual to the highest spiritual existence. For Goethe, human nature consists of body, soul and spirit. The spirit reaches its highest level when its three components: wisdom, mind and will, work together in full harmony within it. By undergoing a complete transformation through the purification of all its lower powers by the fire of selfless love and devotion, the soul achieves this harmony. Goethe thus symbolically represented human worth and human destiny. The harmony of the sensual and spiritual world at the highest levels of existence is initially expressed in an enigmatic, but as soon as one penetrates to the solution of the riddle, captivating way. One only gains a true sense of Goethe's depth when one seeks to unlock one's inner being with the help of this fairy tale. Goethe was inspired to do so by Schiller, who, in his Letters on the Aesthetic Education of Man, had sought in his more philosophical vein to reconcile the sensual and spiritual nature of man. Goethe wanted to express himself poetically about this. In pictures, he could speak as vividly about the riddles of the world as he knew how when he wanted to reveal what lived in his soul about them.

II. Report in “Deutschland” from December 9, 1904

On Wednesday, Dr. Rudolf Steiner gave a lecture at the Erbprinzen on Goethe's riddle fairy tale of the green snake and the beautiful lily, which the Weimar branch of the Theosophical Society had organized.

The lecturer showed how Goethe expressed his deepest thoughts about the nature of man and the meaning of life in this small poem. Schiller, in his Letters on the Aesthetic Education of Man, posed the same question: How can man harmonize his sensual nature with his spiritual nature? He answered this question philosophically, and Goethe was inspired to express what he had to say about it in a powerful poetic image. The deeper one delves into the aforementioned fairy tale, the more one can see that its lively, crafted images contain the abilities and powers that are effective in man, and the action described contains a symbol for the whole development of man from sensuality to spirituality. Body, soul and spirit in their relationships to each other and to the laws of the universe are presented in a colorful way. The three highest powers of the spirit, wisdom, mind and will in their harmonious interaction are the goal of human progress. The soul will be endowed with them in the right way when it has reached its summit. Its path leads from the life in the lower self to that in the higher self. Selfless devotion and loving sacrifice for the spiritual life lead there. Goethe revealed the most mature fruits of his inner experience through this fairy tale. The lecture indicated the direction in which the explanation must be sought, and at the same time pointed out that the more intimately one deals with it, the more surprised one will be by the richness and greatness of this poetry.

XIII. Goethes Rätselmärchen von der Grünen Schlange und der Schönen Lilie

I. Bericht in der «Weimarischen Zeitung» vom 9. Dezember 1904

Der Weimarische Zweig der Theosophischen Gesellschaft veranstaltete am Mittwoch im Erbprinzen einen Vortrag über Goethes Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie.

Wie uns geschrieben wird, zeigte Dr. Rudolf Steiner, dass in dieser kleinen Dichtung das Geheimnis von Goethes Weltanschauung in einem großartigen künstlerischen Bilde enthalten sei. Die Fülle der Gestalten und Vorgänge, welche der Dichter uns vorführt, stellt das Seelenleben des Menschen in seiner Entwicklung vom Sinnlichen zum höchsten geistigen Dasein dar. Aus Leib, Seele und Geist besteht für Goethe die Menschennatur. Der Geist erreicht seine höchste Stufe, wenn seine drei Bestandteile: Weisheit, Gemüt und Wille in voller Harmonie, in ihm zusammenwirken. Indem die Seele durch die Läuterung aller ihrer niederen Kräfte durch das Feuer der selbstlosen Liebe und Hingabe eine völlige Verwandlung durchmacht, erreicht sie diese Harmonie. Menschenwert und Menschenbestimmung stellte Goethe damit sinnbildlich dar. Das Zusammenklingen der sinnlichen und geistigen Welt auf den Höhen des Daseins [erfährt] zunächst einen rätselhaften, aber sobald man zur Lösung des Rätsels vordringt, hinreißenden Ausdruck. Man erhält von Goethes Tiefe erst einen rechten Begriff, wenn man sein Inneres an der Hand dieses Märchens zu erschließen sucht. Angeregt wurde Goethe dazu durch Schiller, der [in] seinen Briefen, die ästhetische Erziehung des Menschen betreffend, in seiner mehr philosophischen Art den Einklang zwischen der sinnlichen und geistigen Natur des Menschen gesucht hatte. Goethe wollte sich darüber dichterisch aussprechen. Im Bild konnte er so lebensvoll über die Welträtsel sprechen, wie er wusste, wenn er enthüllen wollte, was darüber in seiner Seele lebte.

II. Bericht in «Deutschland» vom 9. Dezember 1904

Über Goethes Rätselmärchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie hielt Herr Dr. Rudolf Steiner am Mittwoch im Erbprinzen einen Vortrag, welchen der Weimarische Zweig der Theosophischen Gesellschaft veranstaltet hatte.

Der Vortragende zeigte, wie Goethe seine tiefsten Gedanken über das Wesen des Menschen und den Sinn des Lebens in dieser kleinen Dichtung sinnbildlich zum Ausdruck gebracht hat. Schiller hat sich in seinen Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen dieselbe Frage vorgelegt: Wie kann der Mensch seine sinnliche Natur mit seiner geistigen in Einklang bringen? Er hat dieselbe philosophisch beantwortet, Goethe wurde dadurch angeregt, in einem gewaltigen dichterischen Bilde auszusprechen, was er darüber zu sagen hatte. Je tiefer man in das genannte Märchen eindringt, desto mehr kann man sich überzeugen, dass in seinen lebensvollen, gestalteten Bildern die im Menschen wirksamen Fähigkeiten und Kräfte, und in der geschilderten Handlung ein Symbol für die ganze Entwicklung des Menschen von der Sinnlichkeit zur Geistigkeit enthalten sei. Leib, Seele und Geist in ihren Beziehungen untereinander und zu den Gesetzen des Weltalls sind in farbenreicher Weise dargestellt. Die drei höchsten Kräfte des Geistes, Weisheit, Gemüt und Wille in ihrem harmonischen Zusammenwirken sind das Ziel des menschlichen Fortschrittes. Mit ihnen wird die Seele in rechter Art begabt sein, wenn sie auf ihrem Gipfel angelangt sein wird. Ihr Weg dahin führt von dem Leben im niederen Ich zu demjenigen im höheren Ich. Selbstlose Hingabe, liebevolle Aufopferung für das geistige Leben führt dahin. Die reifsten Früchte seiner inneren Erfahrung hat Goethe durch dieses Märchen geoffenbart. In dem Vortrage wurde die Richtung angegeben, in der die Erklärung gesucht werden muss, und zugleich darauf hingewiesen, dass man von dem Reichtum und der Größe dieser Dichtung umso mehr überrascht wird, je intimer man sich mit ihr befasst.