The Origin and Development of Eurythmy
1920–1922
GA 277c
12 June 1921, Cannstatt
Translated by Steiner Online Library
39. Eurythmy Performance
Address on Eurythmy
The following words are from Karl Schubert, who only took down fragments of Rudolf Steiner's address in shorthand.
A visible language is expressed through the movements of the human body in space. These are not random gestures or facial expressions, but rather this visible language is truly brought out according to the same laws by which the soul and spirit of the human being reveal themselves in musical song or in spoken language. The aim is to explore, through sensory and supersensory observation, which movement tendencies are stimulated – not actual movements, as movement tendencies are transformed into sound vibrations. These are transferred to the movements of the whole person or whole groups of people.
This is based on Goethe's view. This Goethean view leads to seeing the whole plant in the individual organ, both super-sensibly and sensually. There is a whole plant in each individual leaf. What is seen in the forms can be applied to human activity. In the larynx and its neighboring organs, movement tendencies are generated during singing, in a closed human organ system. If one gets to know these movement tendencies and transfers these movements to the limbs of the whole human being, then one gets the whole human being on stage as a speech organ, and one can express the same thing that one can bring to light through singing or through poetry through the whole human being. In this way, one achieves an essential foundation for something artistic.
In our language, the content of thought appears as a particularly intrusive element. The thought pushes the artistic back. In language, will and thought meet. The thought comes from the head. It is an incomplete means of expression. Human will comes from the whole person, and so what comes from the will is what is effective and powerful in language when language is to be artistically shaped through poetry.
Those who have an organ for rejoicing when the field of art is expanded will welcome such an attempt as an attempt to expand the artistic. But the fact that these movements come about as I have described them does not make them tendentious. They arise from the whole inner lawfulness of the human organism. This inner lawfulness is something wonderful when one gets to know it. Consider the wonderful formation of the human hand. There we have the form as the sculptor reproduces it in a static way. One cannot understand a human hand without understanding one's own finger formation in such a way that it can move, without understanding the connection between the movement in the human being and the human form. The one who sees the eurythmic should have before him in direct contemplation that which can arise in the human organism in a completely lawful way in terms of movement. You can present a poem in such a way that you see how the whole human being comes into activity, into movement. Nietzsche knew what he said: He meant that what the human being wishes to reveal from the fully human can only be expressed in visible speech, whereas what is expressed in phonetic speech and song does not come from the fully human. Those who demand that the human being add pantomime to his movements would demand something grimacing.
We will hear something poetic. This declamation must become something different if it is to accompany what is being presented through eurythmy. We have indeed strayed far from what Schiller had in his soul when, before writing down the literal words of a poem, he wrote down an indeterminate melody. Goethe had more of a poetic-pictorial quality in his soul. It is not the prosaic that is at the root of it; we have to go back to the shaping of the sound, to where the linguistic expression becomes an image in the sounding. If you bring the eurythmic into the language in this way, then the declamation is able to accompany the eurythmic. Goethe therefore rehearsed the iambs with a baton. The poetic lies in the rhythmic, not in the literal.
Therapeutic-medical: Movements can be derived that have a healing and hygienic effect. The educational-didactic, which has proven itself in Waldorf schools. It can be clearly seen how the child, by immersing themselves in soulful gymnastics, feels that every single movement comes from the laws of the human being. The human being itself is taken as a means of expression.
39. Ansprache zur Eurythmie
Ansprache zur Eurythmie
Die folgenden Ausführungen stammen von Karl Schubert, der die Ansprache Rudolf Steiners nur fragmentarisch mitstenografierte.
Durch die Bewegungen des menschlichen Leibes im Raume kommt eine sichtbare Sprache zum Ausdruck. Es handelt sich nicht um Zufallsgebärden oder um Zufallsmimik, sondern es handelt sich darum, dass wirklich herausgeholt wird diese sichtbare Sprache nach denselben Gesetzen, durch welche sich die Seele und der Geist des Menschen offenbart in dem Musikalisch-Gesanglichen oder auch in der Lautsprache. Es handelt sich darum, dass durch sinnlich-übersinnliche Schau erforscht wird, welche Bewegungstendenzen - nicht wirkliche Bewegungen, die Bewegungstendenzen verwandeln sich in Lautschwingungen -, es handelt sich darum, welche Bewegungstendenzen angeregt werden. Diese werden auf die Bewegungen des ganzen Menschen oder ganzer Menschengruppen übertragen.
Dabei liegt zugrunde die Anschauung Goethes. Diese Goethe’sche Anschauung führt dahin, im einzelnen Organ die ganze Pflanze übersinnlich-sinnlich zu schauen. Im einzelnen Blatt ist eine ganze Pflanze. Dasjenige, was da in den Formen geschaut wird, das kann auf die menschliche Tätigkeit angewandt werden. Im Kehlkopf und seinen Nachbarorganen werden beim Gesang Bewegungstendenzen erzeugt, in einem abgeschlossenen menschlichen Organsystem. Lernt man diese Bewegungstendenzen kennen und überträgt man diese Bewegungen auf die Glieder des ganzen Menschen, dann bekommt man den ganzen Menschen als ein Sprachorgan auf die Bühne, und man kann dasselbe, was man durch Gesang oder durch die Dichtung zum Vorschein kommen lassen kann, durch den ganzen Menschen zum Ausdruck bringen. Dadurch erreicht man eine wesentliche Unterlage für etwas Künstlerisches.
In unserer Sprache [erscheint] der Gedankeninhalt als ein besonders aufdringliches Element. Der Gedanke drängt das Künstlerische zurück. In der Sprache begegnen sich Wille und Gedanke. Der Gedanke kommt aus dem Kopf. Er ist ein unvollständiges Ausdrucksmittel. Der menschliche Wille kommt aus dem vollen Menschen, daher: Dasjenige, was aus dem Willen kommt, das ist das Wirksame und Tragkräftige in der Sprache, wenn die Sprache künstlerisch gestaltet werden soll durch die Dichtung.
Derjenige, der ein Organ dafür hat, sich zu freuen, wenn man das Gebiet der Künste erweitert, der wird einen solchen Versuch als Versuch zur Erweiterung des Künstlerischen begrüßen. Dadurch aber, dass diese Bewegungen, so wie ich sie geschildert habe, zustande kommen, haben sie nichts Tendenzartiges. Sie gehen hervor aus der ganzen inneren Gesetzmäßigkeit des menschlichen Organismus. Diese innere Gesetzmäßigkeit ist etwas Wunderbares, wenn man sie kennenlernt. Man bedenke einmal die wunderbare Gestaltung der menschlichen Hand. Da haben wir die Form, wie sie ruhend der Bildhauer nachbildet. Man kann eine menschliche Hand nicht verstehen, wenn man nicht die eigene Gestaltung des Fingers so versteht, dass sie übergehen kann in Bewegung, wenn man nicht den Zusammenhang des Bewegenden im Menschen mit der menschlichen Form versteht. Derjenige, der das Eurythmische sieht, soll in unmittelbarer Anschauung vor sich haben dasjenige, was an Bewegungsformen aus dem menschlichen Organismus ganz gesetzmäßig hervorgehen kann. Man kann ein Gedicht [so] zur Darstellung bringen, dass man sieht, wie der ganze Mensch in Tätigkeit, in Bewegung kommt. Nietzsche hat gewusst, was er gesagt hat: Er meinte, was der Mensch aus dem Vollmenschlichen offenbaren will, das kann nur übergehen in eine sichtbare Sprache, während das, was in der Lautsprache und im Gesangflichen zum Ausdruck kommt, nicht aus dem Vollmenschentum zum Ausdruck kommt. Diejenigen, die fordern, dass der Mensch seinen Bewegungen Pantomimisches beimischt, die würden etwas Grimassenhaftes fordern.
Wir werden Dichterisches hören. Diese Deklamation muss eine andere werden, wenn sie begleiten soll das, was durch Eurythmie dargestellt wird. Wir sind ja sehr abgekommen (von dem), was Schiller in der Seele hatte, wenn er, bevor er das Wörtliche eines Gedichtes niederschrieb, eine unbestimmte Melodie niederschrieb. Goethe hat mehr ein Poetisch-Bildliches in der Seele gehabt. Nicht das Prosaische ist das, was zugrunde liegt, wir müssen zurückgehen auf die Gestaltung des Lautes, auf dasjenige, wo der sprachliche Ausdruck zum Bild in der Lautierung wird. Wenn man so das Eurythmische hineinbringt in die Sprache, dann ist die Deklamation imstande, das Eurythmische zu begleiten. Goethe studierte die Jamben daher mit dem Taktstock ein. Im Taktmäßigen, nicht im Wortwörtlichen liegt das Dichterische.
Therapeutisch-medizinisch: Es können solche Bewegungen herausgeholt werden, die heilend, hygienisch wirken. Das PädagogischDidaktische, das sich bewährt hat in der Waldorfschule. Man sieht deutlich, wie das Kind, indem es sich hineinlebt ins beseelte Turnen, wie das Kind fühlt, dass jede einzelne Bewegung aus der Gesetzmäßigkeit des Menschen herauskommt. Der Mensch selbst wird als Ausdrucksmittel genommen.