Collected Essays on Drama 1889–1900
GA 29
Automated Translation
Magazin für Litertur 1899, Volume 68, 15
114. “Die Lumpen”" comedy by Leo Hirschfeld
Performance at the Lessing Theater, Berlin
Leo Hirschfeld has made the fate of a dramatic poet the subject of a comedy. It must be admitted that the task he has set himself is as interesting as its satisfying realization is difficult. Heinrich Ritter begins as an idealist. He does not want to obey any demands other than those of art. As long as he keeps his ideals within a circle of coffee house brethren, he can preserve them. As soon as he steps out of this circle, a gentle breeze blows them away. Ritter has just completed a drama. One of the coffeehouse brothers thinks the ending is particularly great. That's something completely new. Others have done it before. But this ending!!! The editor of the Tagespost, Dr. Ottomar Mark, is a powerful man. He has influence over the management of the Residenztheater. With his help, Ritter hopes to bring the play to the stage. But this editor has a different artistic attitude to the coffee house brothers. He finds the ending impossible, everything else excellent. He wants to stand up for the play if Ritter cuts the ending. The brave poet, who wrote the play because of this ending, is initially reluctant. But when Mathilde Halm, the hopeful member of the Residenztheater, makes it clear to him that he should give in first in order to get to the top, he also gives in. Later, when he reaches the top, he will also have the power to realize his ideals. The great success comes. The "poet" reaches the top. But the ideals also go to hell. You have to keep the power you have gained. You can only do that if you continue to be at the will of the public. - Ritter's "artistic" idealism also threatened to undermine his bourgeois position. His family regarded him as a disgrace. He could gain a lucrative position through his uncle, the court lawyer Dr. Vinzenz Lechner. He is even offered the hand of his cousin. As long as he is an "idealist", he rejects everything that comes from this bourgeois side. Once he is on top, he wins the uncle's respect as well as the cousin's hand. - A lot could be done artificially with this problem. Imagine the coffee house circle in which Ritter lives, consisting of truly idealistic people, and imagine that Leo Hirschfeld had portrayed his hero as thoroughly idealistic but weak-minded, and motivated his case psychologically. The pain of the idealistic friends over the fallen man could give the whole plot a highly sympathetic background. But there is none of this to be found in this comedy. The coffee house brothers are stultified individuals. Their judgment of Ritter's talent leaves us cold. We do not know what is real about any of these people. Just as little as we know what is in Ritter himself and what is perishing. The development from idealist to flatterer of the public appears to be characterized in an entirely external way. The friends show no particular pain, but drink the good cognac that Ritter, as a wealthy man, can afford with relish. Yes, if the plot, which is insignificant in itself, were elevated by a particularly humorous portrayal! Then one would forget the "what" above the "how". But there can be no question of that either. Hirschfeld actually offends our aesthetic sensibilities in that as a dramatist he adopts a position towards the audience and art to which his hero sinks. Everything in comedy is calculated for effect. The development of a character is nothing, the momentary theatrical wit is everything.
The performance was entirely in keeping with this quality of comedy. Only Ferdinand Bonn tried to turn Heinrich Ritter into a real person. The character he gave is not that of the poet at all, but a much more elevated one. Josef Jarno struck a better tone, underlining every joke, playing in the style of a buffoon, and thus actually hitting the style of the play. All the worse for the comedy.
«DIE LUMPEN» Komödie von Leo Hirschfeld
Aufführung im Lessing-Theater, Berlin
Das Schicksal eines dramatischen Dichters hat Leo Hirschfeld zum Gegenstand einer Komödie gemacht. Man muß zugestehen, daß die Aufgabe, die er sich gestellt hat, ebenso interessant wie ihre befriedigende Durchführung schwierig ist. Heinrich Ritter beginnt als Idealist. Er will keinen anderen Forderungen als denen der Kunst gehorchen. Solange er mit seinen Idealen innerhalb eines Kreises von Kaffeehausbrüdern bleibt, kann er sie sich bewahren. Kaum tritt er aus diesem Kreise heraus, bläst sie ein leiser Windhauch um. Ritter hat eben ein Drama vollendet. Einer der Kaffeehausbrüder findet besonders den Schluß großartig. Das ist einmal etwas ganz Neues. Das andere haben ja auch schon andere gemacht. Aber dieser Schluß!!! Der Redaktor der Tagespost, Dr. Ottomar Mark, ist ein mächtiger Mann. Er hat Einfluß auf die Leitung des Residenztheaters. Mit seiner Hilfe hofft Ritter das Stück auf die Bühne zu bringen. Aber dieser Redaktor hat eine andere künstlerische Gesinnung als die Kaffeehausbrüder. Er findet den Schluß unmöglich, alles andere vorzüglich. Er will sich für das Stück einsetzen, wenn Ritter den Schluß wegstreicht. Der wackere Dichter, der das Stück wegen dieses Schlusses geschrieben hat, sträubt sich zwar anfangs. Als aber Mathilde Halm, das hoffnungsvolle Mitglied des Residenztheaters, ihm klarmacht, daß er zunächst nachgeben soll, um nach oben zu kommen, gibt er auch nach. Später, wenn er einmal oben sein wird, wird er auch die Macht haben, seine Ideale zu verwirklichen. Der große Erfolg kommt. Der «Dichter» gelangt nach oben. Aber die Ideale gehen auch zum Teufel. Man muß die Macht, die man errungen hat, auch behalten. Das kann man nur, wenn man weiter dem Publikum zu Willen ist. — Der «künstlerische» Idealismus Ritters drohte auch dessen bürgerliche Stellung zu untergraben. Seine Familie sieht ihn als Schandfleck an. Er könnte durch seinen Onkel, den Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Vinzenz Lechner, zu einer einträglichen Position kommen. Sogar die Hand des Kusinchens steht ihm in Aussicht. Solange er «Idealist» ist, weist er alles zurück, was von dieser spießbürgerlichen Seite kommt. Nachdem er oben ist, gewinnt er die Achtung des Onkels ebenso wie die Hand des Kusinchens. — Aus diesem Problem wäre künstletisch viel zu machen. Man denke sich den Kaffeehauskreis, in dem Ritter lebt, aus wirklich idealistischen Menschen bestehend, und man stelle sich vor, daß Leo Hirschfeld seinen Helden als durchaus idealistisch, aber schwach veranlagt hingestellt und seinen Fall psychologisch motiviert hätte. Der Schmerz der idealistischen Freunde über den Gefallenen könnte der ganzen Handlung einen höchst sympathischen Hintergrund geben. Von alledem ist aber in dieser Komödie nichts zu finden. Die Kaffeehausbrüder sind verbummelte Individuen. Ihr Urteil über Ritters Begabung läßt kalt. Wir wissen nicht, was an allen diesen Menschen wirklich ist. Ebensowenig wie wir wissen, was in Ritter selbst steckt und zugrunde geht. Die Entwickelung vom Idealisten zum Schmeichler des Publikums erscheint in ganz äußerlicher Weise charakterisiert. Die Freunde zeigen keinen besonderen Schmerz, sondern trinken den guten Kognak, den sich Ritter als wohlhabender Mann leisten kann, mit Lust. Ja, wenn die an sich unbedeutende Handlung noch durch besondere humorvolle Darstellung gehoben wäre! Dann würde man über dem «Wie» das «Was» vergessen. Aber auch davon kann keine Rede sein. Hirschfeld verletzt geradezu unser ästhetisches Empfinden dadurch, daß er als Dramatiker dem Publikum und der Kunst gegenüber eine Stellung einnimmt, zu der sein Held hinaufsinkt. Alles in der Komödie ist auf Wirkung berechnet. Die Entfaltung eines Charakters ist nichts, der augenblickliche Theaterwitz alles.
Die Aufführung entsprach ganz dieser Qualität der Komödie. Nur Ferdinand Bonn suchte aus dem Heinrich Ritter einen wahren Menschen zu gestalten. Die Gestalt, die er gab, ist gar nicht die des Dichters, sondern eine viel höher stehende. Besser traf den Ton Josef Jarno, der jeden Witz dick unterstrich, der überhaupt im Possenstile spielte, und der damit eigentlich doch den Stil des Stückes traf. Um so schlimmer für die Komödie.