Vom Menschenrätsel
GA 20
Bilder aus dem Gedankenleben Österreichs
[ 1 ] Einige Bilder – nichts anderes als solche - und nicht über das gedanklich-geistige Leben Österreichs, sondern nur aus diesem Leben möchte der Verfasser zeichnen. Keine Art von Vollständigkeit soll angestrebt werden. Auch nicht in bezug auf dasjenige, was der Verfasser selbst zu sagen hätte. Manches andere mag viel wichtiger sein als das hier Vorzubringende. Es soll aber für diesmal nur einiges aus dem geistigen Leben Österreichs angedeutet werden, was in irgend einer Art mit den Strömungen mittelbar oder unmittelbar, mehr oder weniger zusammenhängt, in denen der Schreiber dieser Ausführungen während seiner Jugendzeit selbst drinnen gestanden hat. Geistige Strömungen, wie die hier gemeinten, können ja auch wohl so gekennzeichnet werden, daß man nicht die Vorstellungen gibt, die man sich über sie gebildet hat, sondern daß man über Persönlichkeiten, deren Denkart und Gefühlsrichtung spricht, von denen man glaubt, daß sich - wie symptomatisch - in ihnen diese Strömungen ausdrücken. Was Österreich durch einige solcher Persönlichkeiten über sich offenbart, möchte ich schildern. Wenn ich dabei an einigen Orten in der Ichform spreche, so möge man dies in meinem dermaligen Gesichtspunkte begründet finden.
[ 2 ] Von einer Persönlichkeit möchte ich zuerst sprechen, in der ich vermeine, die Offenbarung des geistigen Österreichertums innerhalb der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in einem sehr edlen Sinne erblicken zu dürfen, von Karl Julius Schröer. Als ich 1879 an die Wiener Technische Hochschule kam, war er dort Lehrer der deutschen Literaturgeschichte. Er wurde mir erst Lehrer, dann älterer Freund. Seit vielen Jahren ist er nun schon nicht mehr unter den Lebenden. - In der ersten Vorlesung, die ich von ihm hörte, sprach er über Goethes Götz von Berlichingen. Das ganze Zeitalter, aus der diese Dichtung herauswuchs, wurde aus Schröers Worten lebendig. Und auch, wie der Götz in dieses Zeitalter einschlug. Ein Mann sprach, der in jedes seiner Urteile einfließen ließ, was er aus der Weltanschauung des deutschen Idealismus allem Empfinden und Wollen seiner ganzen durchgeistigten Persönlichkeit einverleibt hatte. Die folgenden Vorlesungen bauten ein lebendiges Bild der deutschen Dichtung seit Goethes Auftreten auf. So, daß man durch die Schilderung von Dichtern und Dichtungen stets hindurchfühlte das lebendige Weben der Anschauungen, die im Wesen des deutschen Volkes nach Dasein ringen. Begeisterung für die Ideale der Menschheit trug Schröers Urteile; und es prägte sie lebendiges Sich-Fühlen in der Lebensanschauung, die in Goethes Zeitalter ihren Anfang nahm. Ein Geist sprach aus diesem Manne, der nur mitteilen wollte, was durch die Betrachtung des Geisteslebens tiefes Selbsterlebnis seiner Seele geworden war.
[ 3 ] Viele, die diese Persönlichkeit kennenlernten, haben sie verkannt. Ich war, als ich bereits in Deutschland lebte, einmal bei einer Tischgesellschaft. Ein sehr bekannter Literarhistoriker saß neben mir. Er sprach von einer deutschen Fürstin, die er sehr lobte, nur - meinte er - könne sie auch von ihrem sonstigen gesunden Urteile abirren, was sich zum Beispiele darin zeigte, daß sie « Schröer für einen bedeutenden Mann halte». Ich kann verstehen, daß mancher in Schröers Büchern nicht findet, was zahlreiche seiner Schüler durch den lebendigen Einfluß seiner Persönlichkeit fanden; bin aber doch der Überzeugung, daß derjenige vieles davon auch in Schröers Schriften verspüren könnte, der seinen Eindruck zu empfangen vermag nicht bloß nach sogenannter «strenger Methode», vielleicht gar nach einer solchen, die den Zuschnitt dieser oder jener Literatenschule trägt, sondern nach Eigenart des Urteilens, nach Offenbarung einer selbsterlebten Anschauung. Von einem solchen Gesichtspunkte aus spricht denn doch eine an dem deutschen Weltanschauungs- Idealismus gereifte Persönlichkeit auch aus dem viel angefeindeten Buche Schröers «Geschichte der deutschen Dichtung im neunzehnten Jahrhundert » und aus anderen seiner Werke. Eine gewisse Art der Darstellung zum Beispiele in seinem Faustkommentar mag manchen sich frei meinenden Geist abstoßen. Doch wirkt da in Schröers Darstellung das hinein, wovon ein gewisses Zeitalter die Ansicht hatte, daß es von dem Charakter des Wissenschaftlichen nicht trennbar sei. Auch starke Geister sind unter das Joch dieser Ansicht geraten; und man muß diese Geister selbst in ihrer wahren Eigenheit dadurch suchen, daß man eine von diesem Joch ihnen aufgedrungene Hülle ihres Schaffens durchdringt.
[ 4 ] Im Lichte eines Mannes hat Karl Julius Schröer seine Knaben- und Jugendzeit verlebt, der - wie er selbst - in geistigem Deutsch-Österreichertum wurzelte; der eine der Blüten desselben war - seines Vaters Tobias Gottfried Schröer. - Es ist noch nicht lange her, da waren in weitesten Kreisen gewisse Bücher bekannt, denen zweifellos viele Menschen die Weckung einer idealistisch vertieften, von einer geistgemäßen Lebensansicht getragenen Empfindung der Geschichte, der Dichtung, der Kunst verdankten. Es sind: «Briefe über die Hauptgegenstände der Ästhetik »von Chr. Oeser, «Die kleinen Griechen» von Chr. Oeser, «Weltgeschichte für Töchterschulen» und andere von demselben Verfasser. In diesen Schriften spricht über die mannigfaltigsten Gebiete des geistigen Lebens, vom Gesichtspunkte des Jugendschriftstellers, eine Persönlichkeit, die an der Vorstellungsart des Goetheschen Zeitalters der deutschen Geistesentwickelung herangereift ist, und welche die Welt mit dem dadurch gebildeten Seelenauge ansieht. Der Verfasser dieser Schriften ist Tobias Gottfried Schröer, der sie unter dem Namen Chr. Oeser herausgegeben hat. Nun hat - neunzehn Jahre nach dem Tode dieses Mannes - die deutsche Schillerstiftung seiner Witwe (im Jahre 1869) eine Ehrengabe überreicht, die von einem Schreiben begleitet war, in dem es heißt: «Der unterzeichnete Vorstand hat zu seinem innigsten Bedauern erfahren, daß sich die Gattin eines der würdigsten deutschen Schriftsteller, eines Mannes, der mit Talent und Gemüt stets für nationalen Sinn einstand, keineswegs in Verhältnissen befindet, die ihrem Stande und den Verdiensten ihres Gatten entsprechen, und so erfüllt er nur eine ihm durch den Geist seiner Statuten gebotene Pflicht, wenn er sich nach Möglichkeit bemüht, die Ungunst eines harten Geschickes in etwas auszugleichen.» Angeregt durch diesen Beschluß der Schillerstiftung schrieb dann Karl Julius Schröer in der Wiener Neuen Freien Presse einen Artikel über seinen Vater, aus dem bekannt wurde, was bis dahin nur ein engster Kreis wußte, daß Tobias Gottfried Schröer nicht nur der Verfasser der Schriften Chr. Oesers ist, sondern auch ein bedeutender Dichter und Schriftsteller von Werken, die wahre Zierden des österreichischen Geisteslebens darstellen und der nur unbekannt geblieben ist, weil er wegen der damals herrschenden Zensurverhältnisse seinen Namen nicht nennen konnte. Von ihm erschien zum Beispiel 1830 das Lustspiel «Der Bär». Karl von Holtei, der bedeutende schlesische Dichter und Bühnenmann, spricht sich darüber gleich nach dem Erscheinen aus in einem Brief an den Verfasser: «Was das Lustspiel ‹Der Bär› betrifft, so hat es mich entzückt. Wenn die Erfindung, die Anlage der Charaktere ganz Ihnen gehört, so wünsche ich Ihnen von Herzen Glück, denn dann werden Sie noch schöne Stücke schreiben.» Der Dichter hat seinen Stoff dem Leben Iwans IV. Wasiliewitsch entnommen und alle Charaktere außer dem Iwans selbst. sind seine freie Schöpfung. Ein später erschienenes Drama « Leben und Taten Emerich Tökölys und seiner Streitgenossen» erfuhr eine glänzende Aufnahme, ohne daß den Verfasser jemand kannte. In den «Blättern für literarische Unterhaltung» war darüber (am 25. Oktober 1839) zu lesen: «Ein geschichtliches Bild von bewunderungswürdiger Frische. ... Arbeiten so frischen Hauches und so entschiedenen Charakters gehören in unseren Tagen wirklich zu den Seltenheiten ... jede der Gruppen ist voll hohen Reizes, weil sie voll hoher Wahrheit ist; ... der Tököly des Verfassers ist ein ungarischer Götz von Berlichingen, und nur mit diesem läßt sich das Drama vergleichen. ... Von einem solchen Geiste können wir alles, auch das Größte erwarten.» Dieses Urteil rührt von W. v. Lüdemann her, der eine «Geschichte der Architektur», eine «Geschichte der Malerei», «Spaziergänge in Rom», Erzählungen und Novellen geschrieben hat, Werke, aus denen Feinsinnigkeit und hohes Kunstverständnis sprechen.
[ 5 ] Durch die Geistesart seines Vaters hatte auf Karl Julius Schröer die Sonne des deutschen Weltanschauungs-Idealismus schon voraus geleuchtet, als er Ende der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts an die Universitäten Leipzig, Halle und Berlin ging und da durch vieles, das auf ihn wirkte, hindurch die Vorstellungsart dieses Idealismus noch empfinden konnte. In die Heimat zurückgekehrt, übernahm er 1846 die Leitung des «Seminariums für deutsche Literärgeschichte und Sprache» am Lyzeum in Preßburg, das sein Vater in dieser Stadt gegründet hatte. In dieser Stellung entwickelte er nun eine Tätigkeit, deren Eigenart er so gestaltete, daß man sagen kann: Schröer suchte durch sein Streben die Aufgabe zu lösen, wie man im Geistesleben Österreichs am besten wirkt, wenn man die Richtung seines Strebens dadurch vorgezeichnet findet, daß man die Triebkräfte der eigenen Seele aus der deutschen Kultur erhalten hat. In einem «Lehr- und Lesebuch» (das 1853 erschienen ist und das eine «Geschichte der deutschen Literatur» darstellt) hat er über dieses sein Streben gesprochen: «Es kamen daselbst (in dem Lyzeum) Primaner, Juristen, Theologen des Lyzeums ... zusammen ... Einem solchen Zuhörerkreise gegenüber bemühte ich mich nach großen Gesichtspunkten die Glorie des deutschen Volkes in ihrer Entwickelung darzulegen, für deutsche Kunst und Wissenschaft Ehrfurcht hervorzurufen, und die Zuhörer womöglich dem Standpunkte der modernen Wissenschaft näherzubringen.» Und wie er sein Deutschtum auffaßte, das drückt Schröer in dieser Art aus: «Von diesem Standpunkte aus verschwanden natürlich die einseitigen Leidenschaften der Parteien vor meinem Blicke: man wird weder einen Protestanten, noch einen Katholiken, weder konservativen, noch subversiven Schwärmer hören und einen für deutsche Nationalität Begeisterten nur insofern, als durch dieselbe die Humanität gewann und das Menschengeschlecht verherrlicht wurde.» Und ich möchte diese vor bald siebzig Jahren niedergeschriebenen Worte auch nicht deshalb wiederholen, um auszusprechen, was für einen Deutschen in Österreich damals richtig war, oder gar, was gegenwärtig richtig ist. Ich möchte nur zeigen, wie ein Mensch beschaffen war, in dem sich das deutsch-österreichische Wesen auf eine besondere Art auslebte. Inwieweit dieses Wesen dem Österreicher die rechte Art des Strebens verleiht, darüber werden die Angehörigen der verschiedenen Parteien und Nationen in Österreich auch die verschiedensten Urteile fällen. Und zu alledem hinzu ist auch noch zu bedenken, daß Schröer sich so als noch junger Mann aussprach, der eben von deutschen Universitäten zurückgekommen war. Aber bedeutsam ist, daß in der Seele dieses jungen Mannes, nicht aus politischen Absichten, sondern aus rein geistigen Weltanschauungsgedanken heraus, das deutschösterreichische Bewußtsein ein Ideal für die Sendung Österreichs sich formte, das er mit diesen Worten ausdrückt: « Wenn wir den Vergleich Deutschlands mit dem antiken Griechenland und der deutschen mit den griechischen Stämmen verfolgen, so finden wir eine große Ähnlichkeit zwischen Österreich und Mazedonien Wir sehen die schöne Aufgabe Österreichs in einem Beispiele vor uns: den Samen westlicher Kultur über den Osten hinauszustreuen.»
[ 6 ] Schröer wird später Professor an der Budapester Universität, dann Schuldirektor in Wien, zuletzt wirkte er viele Jahre als Professor für deutsche Literaturgeschichte an der Wiener Technischen Hochschule. Diese Ämter waren bei ihm gewissermaßen nur die äußeren Umkleidungen einer bedeutsamen Wirksamkeit innerhalb des österreichischen Geisteslebens. Diese Wirksamkeit beginnt mit einer forschenden Vertiefung in die seelischen, die sprachlichen Äußerungen des deutschösterreichischen Volkslebens. Was im Volke wirkt und lebt, will er erkennen, und zwar nicht wie ein trockener, nüchterner Forscher, sondern wie jemand, der die Rätsel der Volksseele enthüllen will, um zu durchschauen, welche Menschheitskräfte in diesen Seelen sich ins Dasein ringen. In der Nähe der Preßburger Gegend lebten damals alte Weihnachtsspiele bei den Bauern. Sie werden jedes Jahr um die Weihnachtszeit gespielt. Handschriftlich vererben sie sich von Geschlecht zu Geschlecht. Sie zeigen, wie im Volke die Geburt Christi, und was damit zusammenhängt, in gemüttiefen Bildern dramatisch lebt. Schröer sammelt solche Spiele in einem Büchlein und schreibt dazu eine Einleitung, in der er diese Offenbarung der Volksseele schildert mit liebevollster Hingabe, so daß seine Darstellung den Leser untertauchen läßt in Volksempfinden und Volksanschauung. Aus dem gleichen Geiste heraus unternimmt er es dann, die deutschen Mundarten des ungarischen Berglandes, der westungarischen Deutschen, des Gottscheerländchens in Krain darzustellen. Überall ist da seine Absicht, den Organismus des Volkstums zu enträtseln; was er geforscht hat, gibt wirklich ein Bild des Lebens, das in Sprach- und Volksseelenentwickelung wirkt. Und im Grunde schwebt ihm bei allen solchen Bestrebungen der Gedanke vor, die Lebensbedingungen Österreichs aus den geistigen Triebkräften seiner Völker kennenzulernen. Viel, sehr viel von der Antwort auf die Frage: was webt in der Seele Österreichs? ist aus Schröers Mundartenforschung zu gewinnen. - Für ihn selbst hatte diese Geistesarbeit aber noch eine andere Wirkung. Sie lieferte ihm die Grundlage zu tiefen Einsichten in das Wesen der Menschenseele überhaupt. Als er dann im Amte des Direktors mehrerer Schulen erproben konnte, wie Ansichten über Erziehung und Unterricht sich einem Geiste gestalten, der so tief in das Wesen des Volksgemütes geschaut hat wie er durch seine Forschung, da wurden diese Einsichten fruchttragend. Und so konnte er ein kleines Werk veröffentlichen: «Unterrichtsfragen», das, wie ich meine, zu den Perlen der pädagogischen Literatur gezählt werden sollte. Leuchtend behandelt dies kleine Büchlein Ziele, Methoden und Wesen des Unterrichtens. Ich glaube, daß dieses heute ganz unbekannte Büchelchen von jedem gelesen werden müßte, der innerhalb des deutschen Kulturgebietes etwas mit Unterrichten zu tun hat. Obgleich es ganz für österreichische Verhältnisse geschrieben ist, lassen sich die darin gegebenen Richtlinien für den ganzen Umfang des Deutschtums anwendbar machen. Was man an der 1876 erschienenen Schrift gegenwärtig veraltet nennen mag, kommt gegenüber der in ihr lebenden Vorstellungsart nicht in Betracht. Eine solche auf Grund einer reichen Lebenserfahrung gewonnene Vorstellungsart bleibt immer fruchtbar, auch wenn sie der später Lebende auf neue Bedingungen hin anwenden muß. In seinen letzten Lebensjahrzehnten war Schröers Geistesarbeit fast ganz der Vertiefung in Goethes Lebenswerk und Vorstellungsart zugewandt. In der Einleitung zu seinem Buche «Die deutsche Dichtung des neunzehnten Jahrhunderts» hat er ausgesprochen: «Wir in Österreich wollen mit dem Geistesleben im Deutschen Reiche Hand in Hand gehn.» Die Wurzeln dieses Geisteslebens sah er in der Weltanschauung des deutschen Idealismus. Und sein Bekenntnis zu dieser Weltanschauung drückte er mit den Worten aus: «Das weltverjüngende Auftauchen des Idealismus in Deutschland, im Zeitalter der Frivolität vor hundert Jahren, ist die größte Erscheinung der neueren Geschichte. Der nur auf das Endliche gerichtete Verstand, der nicht in der Wesen Tiefe dringt; mit ihm die auf die Befriedigung der Sinnlichkeit gerichtete Selbstsucht, traten auf einmal zurück hinter dem Auftauchen eines Geistes, der über alles Gemeine erhebt.» (Vgl. Einleitung zur Faustausgabe Schröers, 1. Bd., 3. Aufl., S. XXVIII.) In Goethes «Faust» erblickte Schröer « den Helden des unbesieglichen Idealismus. Es ist der ideale Held der Zeit, in der die Dichtung entstand. Sein Wettkampf mit Mephistopheles spricht das Ringen des neuen Geistes als das innerste Wesen der Epoche aus, und dadurch steht diese Dichtung so hoch: sie hebt uns auf eine höhere Stufe». (In derselben Faustausgabe, S. xxx.)
[ 7 ] Schröer bekennt sich rückhaltlos zum deutschen Idealismus als Weltanschauung. In seiner «Geschichte der deutschen Dichtung des neunzehnten Jahrhunderts» stehen die Worte, mit denen er kennzeichnen will, in welchen Gedanken sich der Geist des deutschen Volkes ausspricht, wenn er dies im Sinne seines ureigenen Wesens tut: «In dem erfahrungsmäßig Wahrgenommenen werden überall Bedingungen erkannt, die hinter dem Endlichen, erfahrungsmäßig Erkennbaren, verborgen sind. Sie müssen als das Unbedingte bezeichnet werden und werden allerseits als ein Dauerndes im Wechsel, als eine ewige Gesetzmäßigkeit, zugleich als ein Unendliches empfunden. Das wahrgenommene Unendliche im Endlichen erscheint als Idee; die Fähigkeit es wahrzunehmen als Vernunft, im Gegensatz zum Verstande, der am überschaulich Endlichen haften bleibt und darüber hinaus nichts wahrnimmt.» Zugleich liegt nun in der Art, wie Schröer sich zu diesem Idealismus bekennt, die Mitwirkung alles dessen, was in einer Seele schwingt, die in ihrem eigenen Wesen die österreichische Geistesströmung mitempfindet. Und dies gibt dem Weltanschauungs-Idealismus bei ihm die besondere Farbenschattierung. Es wird dem Gedanken, indem man ihn ausspricht, ein Farbenton gegeben, der diesen Gedanken nicht ohne weiteres in das Reich entläßt, das Hegel als das der philosophischen Erkenntnis mit den Worten geschildert hat: «Das, was ist, zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie; denn, was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist vernünftig. Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden; die Eule der Minerva beginnt erst in der einbrechenden Dämmerung ihren Flug» (Vergleiche mein Buch «Rätsel der Philosophie», 1.Band.) Nein, nicht grau in grau möchte Schröer, der Österreicher, die Welt der Gedanken erblicken; die Ideen sollen in einer Farbe leuchten, die auf das Gemüt erfrischend, stets aufs neue verjüngend wirkt. Und näher als an den Vogel der Dämmerung hätte es wohl Schröer in solchem Zusammenhang gelegen, an das nach Licht ringende Menschengemüt zu denken, das in der Ideenwelt die Sonne des Reiches sucht, in dem der auf das Endliche und die Sinneswelt gerichtete Verstand das Erlöschen seines Lichtes empfinden sollte.
[ 8 ] Herman Grimm, der geistvolle Kunstbetrachter, hat Worte restloser Anerkennung gefunden für den österreichischen Bildhauer Heinrich Natter. In dem Aufsatze, den er in seinen 1900 erschienenen «Fragmenten » über Natter veröffentlicht hat, steht auch, was Grimm über das Verhältnis Natters zum Österreichertum gedacht hat. «Wo ich Österreichern begegne, ergreift mich die eingewurzelte Liebe zum Boden des besonderen Vaterlandes und der Drang, sich in geistiger Gemeinschaft mit allen Deutschen emporzuhalten. Sei nur eines dieser Männer diesmal gedacht, Ignaz Zingerles. Seinem unablässigen stillen Wirken verdankt die Walterstatue Natters ihr Dasein. Den Männern unserer früheren Jahrhunderte glich er darin, daß er außerhalb des Bezirkes seiner engsten Heimat kaum denkbar war. Eine Gestalt in einfachen Umrissen aus Treue und Ehrlichkeit wie aus Felsblöcken aufgebaut. Ein Tiroler, als ob seine Berge der Nabel der Erde seien, ein Österreicher durch und durch und zugleich einer der besten und edelsten Deutschen. Und so ist auch Natter ein guter Deutscher, Österreicher und Tiroler, alles gewesen.» Und über das Denkmal Walters von der Vogelweide in Bozen sagt Herman Grimm: «In Natter waren Innigkeit deutschen Gefühls und gestaltende Phantasie vereinigt. Sein Walter von der Vogelweide steht in Bozen als ein Triumphbiid deutscher Kunst, aufragend im Kranze der Tiroler Berge an den Grenzmarken des Vaterlandes. Eine männliche feste Gestalt.» - Ich mußte dieser Worte Herman Grimms oft gedenken, wenn in mir die Erinnerung lebendig wurde an die prächtige Gestalt des österreichischen Dichters Fercher von Steinwand, der 1902 gestorben ist. Er war «ein guter Deutscher, Österreicher und Kärntner, alles gewesen»; wenn man auch wohl kaum von ihm sagen konnte, daß er «außerhalb des Bezirkes seiner engsten Heimat kaum denkbar war». Ich lernte ihn Ende der achtziger Jahre in Wien kennen und konnte während einer kurzen Zeit mit ihm persönlich verkehren. Er war damals sechzigjährig; eine wahre Lichtgestalt; schon äußerlich; aus edlen Zügen, aus sprechenden Augen, in ausdrucksreichen Gesten offenbarte sich einnehmende Wärme; durch Abgeklärtheit und Besonnenheit hindurch wirkte im Greise noch wie mit Jugendfrische diese Seele. Und lernte man näher kennen diese Seele, ihre Eigenart, ihre Schöpfungen, so sah man, wie in ihr sich vereint hatte die von den Kärntner Bergen zugerichtete Empfindung mit einem zum Sinnen gewordenen Leben in der Kraft des deutschen Weltanschauungs-Idealismus. - Ein Sinnen, das ganz als dichterische Bilderwelt schon in der Seele geboren wird; das mit dieser Bilderwelt in Daseinstiefen weist; das Weltenrätseln sich künstlerisch gegenüberstellt, ohne daß die Ursprünglichkeit des Kunstschaffens sich in Gedankendichtung verblaßt, ein solches Sinnen kann man in den folgenden Zeilen aus Fercher von Steinwands « Chor der Urträume» ersehen:
Allen erstiegenen
Räumen entzogen,
Wandelt ein Äther in strahlenden Bogen,
Gehn in verschwiegenen
Tiefen die Wogen.
Dort mit dem sehenden
Willen beladen,
Schwenken sich unsere Fähren in Schwaden,
Zwischen entstehenden
Wundergestaden.
Dort vor den wärmenden
Augen der Milde
Weifen und winden wir unsre Gebilde
Rings um die schwärmenden
Sternengefilde.
Dort, dem Verhängnisse
Nimmer verpflichtet,
Haben wir schwebende Burgen errichtet
Und die Bedrängnisse
Jauchzend vernichtet.
Wer dich mit heiligsten
Zügen beschriebe,
Höchste Behausung der sinnenden Triebe,
Warte der eiligsten
Diener der Liebe!
[ 9 ] Die folgenden Strophen wollen offenbaren, wie die Seele im denkend-wachenden Träumen in weiten Sternenwelten und in naher Wirklichkeit lebt; dann fährt der Dichter fort:
Was auch bedächtige
Kräfte vollbringen:
Nur auf des Traumes entfalteten Schwingen
Läßt sich das Mächtige
Bleibend erringen.
Jede bemeisternde Größe der Taten,
Alle beschirmenden Engel der Saaten
Sind durch begeisternde
Träume beraten.
[ 10 ] Vom Eindringen des zum Träumen vergeistigten Denkens in die Weltentiefen singt Fercher von Steinwand weiter - vom Eindringen desjenigen Träumens, das ein Erwachen aus dem gewöhnlichen Wachen ist, in die Tiefen, in denen der Seele das Leben des Geistigen der Welt sich fühlbar machen kann:
Leben, mit schwingendem
Herzen vernommen,
Leben, mit ringendem Herzen erklommen
Unter erklingendem
Geister-Willkommen:
[ 11 ] und dann läßt er es herüberklingen zum Menschengeiste, was die Wesen des Geistesreiches zu der Seele sprechen, die sich ihnen sinnend erschließt
«Seid ihr Genesenen,
Liebend umwunden!
Was ihr gesucht in erhebenden Stunden,
Hier, ihr Erlesenen,
Ist es gefunden;
Hier in erhabenen
Göttlichen Hallen,
Wo dem Gemüt die Gemüter gefallen,
Wo die begrabenen
Stimmen erschallen -
Wo die Bekümmerten
Königlich schreiten,
Leuchtende Seelen ihr Lächeln verbreiten
Um die zertrümmerten
Räder der Zeiten –-
Nur die verblendeten
Irdischen Toren
Sind für den Schlund der Vernichtung geboren,
Geistig vollendeten
Welten verloren!
Wohl dem Empfänglichen,
Den wir beschweben,
Den wir beschwingen zum blühendsten Leben,
Ohne vergänglichen
Schatten zu weben!»
[ 12 ] An diesen «Chor der Urträume» schließt in den Dichtungen Fercher von Steinwands sich sein «Chor der Urtriebe»:
In den unbegrenzten Breiten
Unsrer alten Mutter Nacht,
Horch - da scheint mit sich zu streiten
Die geheimnisvolle Macht!
Hören wir die Ahnung schreiten?
Ist die Sehnsucht aufgewacht?
Ward ein Geistesblitz entfacht?
Gleiten Träume durch die Weiten?
Wie sich an Kräften die Kräfte berauschen,
Seliges Tauschen!
Plötzliches Eilen,
Stilles Verweilen,
Schwelgendes Lauschen
Wechselt mit Winken
Staunenden Bangens!
Reiz des Erlangens
Steigt, um zu sinken,
Sinkt, um zu hassen,
Weiß vor dem blassen
Bild des Umfangens
Haß nicht zu fassen.
Dunkle Verzweigungen
Sprießender Neigungen
Suchen nach Ranken.
Schwere Gedanken
Dämmern und wanken
Über den Weiten,
Scheinen zu raten
Oder zu leiten.
Was sie bereiten,
Sind es die Saaten
Riesiger Taten,
Strahlender Zeiten?
Wer das Erwühlte
Schöpferisch fühlte!
Wer es durchirrte,
Selig genießend
Oder entwirrte,
Hohes erschließend!
Droben bewegt sich's wie Geisterumarmung,
Wir in Erwarmung,
Wir auch gewinnen,
Suchen und sinnen,
Sehn uns gehoben,
Höchstem Beginnen
Glücklich verwoben.
Die uns umwehen,
In uns erstehen:
«Ihr seid's, Ideen! - -»
[ 13 ] So sinnt sich des Dichters Seele in das Erleben hinein, wo des Weltengeistes Ideen des Daseins Geheimnisse dem Seelengeiste künden, und der Seelengeist die übersinnlichen Gestalter des sinnlich Gestalteten schaut. - Nachdem die Schauungen der Seele in dem Chor der Weltenurtriebe in glänzenden, tönenden Bildern dargestellt worden sind, schließt der Dichter:
«Mag der Dauer sich gewöhnen,
Was der Drang heraufbeschwor,
Das Verschönen, das Versöhnen
Walt' im Strom der Schöpfung vor.
Süßes Licht, in holden Tönen
Klimmt das Herz zu dir empor,
Weile vor des Westens Tor,
Hilf die Tat der Liebe krönen!
Ist doch der Trieb aus den irdischen Banden
Seelisch erstanden!
Aber das Mündige,
Herrschende, Bündige,
Weist sich als Geist!
Alles, was kreist,
Irdisch Begründetes,
Himmlisch Entzündetes
Schuf sich im Geist,
Kam aus dem Geist,
Wirkt durch den Geist
- - - - -
- - - - -
Schuf doch die mächtige Chaosentrückung
Raum für Beglückung!
Hüllt in den Tau der eratmenden Milde
Wald und Gefilde!
Sorgt, daß zum Tau das Geleucht' sich geselle,
Sinnig der Saum der Verklärung sich bilde -
Jeglicher Tropfen beschwebe die Schwelle
Geistiger Helle!»
[ 14 ] In Fercher von Steinwands «sämtlichen Werken» (erschienen bei Theodor Daberkow in Wien) sind auch einige Angaben über sein Leben abgedruckt, die er selbst auf Ersuchen von Freunden aus Anlaß seines siebzigsten Geburtstages aufgeschrieben hat. Der Dichter schreibt: «Ich begann mein Leben am 22. März 1828 auf den Höhen der Steinwand über den Ufern der Möll in Kärnten, also in der Mitte einer trotzigen Gemeinde von hochhäuptigen Bergen, unter deren gebieterischer Größe der belastete Mensch beständig zu verarmen scheint.» - Da man im «Chor der Urtriebe» die Weltanschauung des deutschen Idealismus in dichterische Schöpfung ergossen findet, so ist von Interesse zu sehen, wie der Dichter auf seinen Wegen durch das österreichische Geistesleben schon in der Jugend die Anregung aus dieser Weltanschauung empfängt. Er schildert, wie er an die Grazer Universität kommt: «Mit meinen Wertpapieren, die natürlich nichts als Schulzeugnisse vorstellten, knapp an der Brust, meldete ich mich in Graz beim Dekan. Das war der Professor Edlauer, ein Kriminalist von bedeutendem Ruf. Er hoffe mich zu sehen (sprach er) als fleißigen Zuhörer in seinem Kollegium, er werde über Naturrecht lesen. Hinter dem Vorhang dieser harmlosen Ankündigung führte er uns das ganze Semester hindurch in begeisternden Vorträgen die deutschen Philosophen vor, die unter der väterlichen Obsorge unserer geistigen Vormünder wohlmeinend durch Verbote ferngehalten worden waren: Fichte, Schelling, Hegel und so weiter, also Helden, das heißt Begründer und Befruchter alles reinen Denkgebietes, Sprachgeber und Begriffsschöpfer für jede andere Wissenschaft, mithin erlauchte Namen, die heutzutage von unseren Gassenecken leuchten und sich dort in ihrer eigentümlichen diamantenen Klarheit fast wunderlich ausnehmen. Dieses Semester war meine vita nuova!»
[ 15 ] Wer Fercher von Steinwands Trauerspiel «Dankmar», seine «Gräfin Seelenbrand», seine « Deutschen Klänge aus Österreich » und andres von ihm kennenlernt, wird dadurch vieles von den Kräften empfinden können, die im österreichischen Geistesleben der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wirkten. Und daß man aus Fercher von Steinwands Seele ein Bild aus diesem Geistesleben in Klarheit, Wahrheit und Echtheit empfängt, dafür zeugt das Ganze dieser Persönlichkeit. Der liebenswürdige österreichische Dialektdichter Leopold Hörmann hat recht gefühlt, als er die Worte schrieb:
«Fern der Gemeinheit,
Gewinnsucht und Kleinheit;
Feind der Reklame,
Der ekligen Dame;
Deutsch im Gemüte,
Stark und voll Güte,
Groß in Gedanken,
Kein Zagen und Wanken,
Trutz allem Einwand -:
Fercher von Steinwand !»
[ 16 ] Aus dem österreichischen Geistesleben der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts taucht empor eine Denkergestalt, die tiefbedeutsame Züge des Weltanschauungsinhaltes der neueren Zeit zum Ausdrucke bringt: der Ethiker des Darwinismus Bartholomäus von Carneri. Ein Denker, der das öffentliche Leben Österreichs wie selbsterlebtes Glück und Leid mitlebte und durch viele Jahre als Reichsratsabgeordneter an diesem Leben mit aller Kraft seines Geistes tätigen Anteil nahm. Carneri könnte zunächst nur als Widersacher einer geistgemäßen Weltanschauung erscheinen. Denn all sein Streben geht dahin, ein Weltbild zu gestalten, das allein durch Vorstellungen zustande kommt, die in der durch den Darwinismus angeregten Gedankenströmung liegen. Aber indem man Carneri liest mit einem Sinn nicht nur für den Inhalt seiner Ansichten, sondern für die Untergründe seiner nach Wahrheit ringenden Seele, wird man eine seltsame Tatsache entdecken. In diesem Denker malt sich ein fast völlig materialistisches Weltbild, aber mit einer Gedankenklarheit, die dem tiefliegenden idealistischen Grundzug seines Wesens entstammt. Für ihn waren wie für viele seiner Zeitgenossen die Vorstellungen, die in einer ganz auf dem Boden des Darwinismus erwachsenen Weltanschauung wurzeln, mit solch überwältigender Kraft in das Gedankenleben hereingebrochen, daß er nicht anders konnte, als auch alle Betrachtung des Geisteslebens in diese Weltanschauung einbeziehen. Anders als auf den Bahnen, die Darwin gewandelt ist, sich erkennend dem Geiste nahen zu wollen, schien ihm das einheitliche Wesen zu zerreißen, das über alles menschliche Erkenntnisstreben ausgebreitet sein muß. Der Darwinismus hat nach seiner Meinung gezeigt, wie ein einheitlicher Gesetzeszusammenhang von Ursachen und Wirkungen das Werden aller Naturwesen bis herauf zum Menschen umschließt. Wer den Sinn dieses Zusammenhanges versteht, der müsse auch einsehen, wie dieselbe Gesetzmäßigkeit im Menschen die natürlichen Kräfte und Triebe steigert und verfeinert, so daß sie bis zur Höhe der sittlichen Ideale und Anschauungen emporwachsen. Carneri glaubt, daß nur verblendeter Hochmut und irregeleitete Selbstüberschätzung des Menschen das Erkenntnisstreben verführen können, der geistigen Welt mit anderen Erkenntnismitteln nahen zu wollen als der Natur. - Jede Seite in Carneris Schriften über das sittliche Wesen des Menschen beweist aber, daß er in der Art Hegels seine Lebensauffassung ausgestaltet hätte, wenn nicht in einem bestimmten Entwickelungspunkte seines Lebens mit unwiderstehlicher Suggestivkraft der Darwinismus wie ein Blitz in seine Gedankenwelt so eingeschlagen hätte, daß er mit großer Anstrengung die Veranlagung zu einer idealistisch durchgeführten Weltauffassung in sich zum Schweigen brachte. Wohl wäre - auch dies beweisen seine Schriften - diese Weltauffassung nicht durch das bei Hegel waltende reine Denken, sondern durch ein Denken, das von gemütvollem Sinnen durchtönt sich zeigte, zutage getreten: aber Hegels Richtung hätte es doch genommen. - Wie aus verborgenen Tiefen der Seele taucht öfters in Carneris Ausführungen Hegels Vorstellungsart gewissermaßen mahnend auf. Auf Seite der «Grundlegung der Ethik» liest man: «Bei Hegel ... war an die Stelle des Kausalgesetzes die dialektische Bewegung getreten, ein Riesengedanke, der, wie die Titanen alle, dem Schicksal der Überhebung nicht entrinnen konnte. Sein Monismus wollte den Olymp erstürmen und sank zurück auf die Erde, aber um allem künftigen Denken eine Leuchte zu bleiben, die den Weg erhellt und auch den Abgrund.» Auf Seite 154 desselben Buches spricht Carneri von dem Wesen des Griechentums und sagt davon: «Wir gedenken da nicht der mythischen Heroenzeit, auch nicht der Zeiten Homers ... . Wir versetzen uns in den Glanzpunkt der Jahre, die Hegel so treffend als das Jünglingsalter der Menschheit geschildert hat.» Auf Seite 189 kennzeichnet Carneri die Versuche, die gemacht worden sind, um die Denkgesetze zu ergründen und bemerkt: «Das großartigste Beispiel dieser Art ist Hegels Versuch, den Gedanken, sozusagen, ohne durch den Denkenden bestimmt zu werden, sich entfalten zu lassen. Daß er darin zu weit gegangen ist, hindert den Unbefangenen nicht, diesen Versuch, allem körperlichen und geistigen Werden ein einziges Gesetz zum Grunde zu legen, als den herrlichsten in der ganzen Geschichte der Philosophie anzuerkennen. Seine Verdienste um die Ausbildung des deutschen Denkens sind unvergänglich, und ihm hat mancher begeisterte Schüler, der später sein erbitterter Gegner geworden ist, in der Vollendung der durch ihn erworbenen Darstellungsweise wider Willen ein dauerndes Denkmal gesetzt.» Auf Seite 421 liest man: «wieweit man im Philosophieren» mit dem bloßen sogenannten gesunden Menschenverstande « kommt, hat in unübertrefflicher Weise Hegel uns gesagt». - Nun, man kann meinen, daß auch Carneri selbst Hegel «in der Vollendung der durch ihn erworbenen Darstellungsweise ... ein dauerndes Denkmal gesetzt» hat, wenn er auch diese Darstellungsweise auf ein Weltbild angewendet hat, dem Hegel wohl nie zugestimmt hätte. Aber auf Carneri hat der Darwinismus mit solcher Suggestivkraft gewirkt, daß er Hegel neben Spinoza und Kant zu den Denkern zählt, von denen er sagt: «Die Aufrichtigkeit seines (Carneris) Strebens würden sie gelten lassen, das nie gewagt hätte, über sie hinauszublicken, hätte nicht Darwin den Schleier zerrissen, der die gesamte Schöpfung umnachtete, so lang die Zweckmäßigkeitslehre unabweisbar war. Dieses Bewußtsein haben wir, aber auch die Überzeugung, daß jene Männer manches gar nicht oder anders gesagt hätten, wäre es ihnen gegönnt gewesen, in unserer Zeit zu leben, mit der befreiten Naturwissenschaft...»—
[ 17 ] Carneri hat eine Spielart des Materialismus ausgebildet, in welcher oft der Scharfsinn in Naivität, die Einsicht in die « befreite Naturwissenschaft» in Blindheit gegen die Unmöglichkeit der eigenen Begriffe ausartet. «Als Materie fassen wir den Stoff, insofern die aus seiner Teilbarkeit und Bewegung sich ergebenden Erscheinungen körperlich, d. i. als Masse auf unsere Sinne wirken. Geht die Teilung oder Differenzierung so weit, daß die daraus sich ergebenden Erscheinungen nicht mehr sinnlich, sondern nur mehr dem Denken wahrnehmbar sind, so ist die Wirkung des Stoffs eine geistige» (Carneris Grundlegung der Ethik, Seite 30). Das ist so, wie wenn jemand das Lesen erklären wollte, und folgendes sagte: Solange jemand nicht lesen gelernt hat, kann er nicht sagen, was auf einer geschriebenen Buchseite steht. Denn seinem Anblick zeigen sich nur die Buchstabenformen. Solange er nur diese Buchstabenformen, in welche die Worte teilbar sind, anschauen kann, führt sein Betrachten des Bedruckten nicht zum Lesen. Erst wenn er dazu gelangt, auch die Buchstabenformen noch weiter geteilt oder differenziert wahrzunehmen, wirkt der Sinn des Gedruckten auf seine Seele. - Selbstverständlich wird ein überzeugter Bekenner des Materialismus einen solchen Einwand lächerlich finden. Allein eben darin liegt die Schwierigkeit, den Materialismus in das rechte Licht zu setzen, daß man dabei solch einfache Gedanken aussprechen muß. Gedanken, denen gegenüber es kaum glaubhaft ist, daß sie die Anhänger des Materialismus sich nicht selber bilden. Und so fällt leicht auf den Beleuchter dieser Weltanschauung das Vorurteil, daß er mit nichtssagenden Redensarten einer Auffassung begegne, die auf den Erfahrungen der neueren Wissenschaft und auf deren strengen Grundsätzen beruhe.1Aus einer späteren Bemerkung in dieser Schilderung von Carneris Gedankenwelt wird man sehen, daß der Verfasser dieser Schrift seine Kennzeichnung des Materialismus nicht bloß auf Carneri anwendbar findet, sondern daß er der Ansicht ist, sie treffe zu auf weitverbreitete Anschauungen der Gegenwart, die oft betonen, der Materialismus sei wissenschaftlich überwunden, ohne zu wissen, ja oft auch nur zu ahnen, wie materialistisch dasjenige ist, wodurch ihnen der Materialismus überwunden zu sein dünkt.
Und doch ergibt sich die stark überzeugende Kraft des Materialismus für dessen Bekenner nur dadurch, daß er die Tragkraft der einfachen Vorstellungen, die seine Auffassung vernichten, nicht zu empfinden vermag. Er ist überzeugt - wie so viele - nicht durch das Licht von logischen Gründen, die er durchschaut hat, sondern durch die Macht von Denkgewohnheiten, die er nicht durchschaut; ja, die zu durchschauen er zunächst kein Bedürfnis empfindet. Aber Carneri unterscheidet sich von solchen Materialisten, die von diesem Bedürfnis kaum etwas ahnen, doch dadurch, daß sein Idealismus ihm dasselbe fortwährend in das Bewußtsein hereinträgt und er es deshalb oft auf recht künstliche Art zum Schweigen bringen muß. Kaum hat er sich dazu bekannt, daß das Geistige eine Wirkung des fein zerteilten Stoffes sei, so setzt er sogleich hinzu: «Gar manchen Ansprüchen gegenüber wird diese Auffassung des Geistes eine unbefriedigende sein; jedoch im weiteren Verlauf dieser Untersuchung wird der Wert unserer Auffassung als ein bedeutender sich erweisen, und als ganz genügend, um den Materialismus› der die Erscheinungen des Geistes körperlich anfassen will, auf die Unübersteiglichkeit seiner Schranken aufmerksam zu machen.» (Grundlegung der Ethik, Seite 30.) Ja, Carneri hat eine wahre Scheu davor, zu den Materialisten gezählt zu werden; er wehrt sich dagegen mit Worten, wie diesen: «Der starre Materialismus ist genau so einseitig wie die alte Metaphysik: jener bringt es zu keinem Sinn für seine Gestaltung, diese zu keiner Gestaltung für ihren Sinn; dort ist eine Leiche, hier ein Gespenst, und wonach beide vergebens ringen, ist die schöpferische Glut des empfindenden Lebens.» (Grundlegung der Ethik, Seite 68.) - Nun fühlt aber Carneri doch, wie berechtigt es ist, ihn einen Materialisten zu nennen; denn zuletzt wird doch niemand mit gesunden Sinnen, auch wenn er sich zum Materialismus bekennt, behaupten, daß ein sittliches Ideal sich «körperlich anfassen» läßt, um Carneris Ausdruck zu gebrauchen. - Er wird nur sagen, das sittliche Ideal erscheint an dem Materiellen durch einen Vorgang an diesem. Und das spricht doch auch Carneri aus mit der angeführten Behauptung über die Teilbarkeit des Stoffes. Aus diesem Gefühle heraus sagt er denn (in seiner Schrift «Empfindung und Bewußtsein»): « Man wird gegen uns den Vorwurf des Materialismus erheben, insofern wir allen Geist leugnen und nur die Materie gelten lassen. Dieser Vorwurf trifft aber nicht zu, sobald von der Idealität des Weltbildes ausgegangen wird, für welche die Materie selbst nichts ist als ein Begriff des denkenden Menschen.» Nun aber fasse man sich an den Kopf und fühle, ob er noch ganz ist, nachdem man solchen Begriffstanz mitgemacht hat! Der Stoff wird zur Materie, wenn er so grob zerteilt ist, daß er nur «als Masse auf die Sinne» wirkt; zum Geist, wenn er so fein zerteilt ist, daß er nur mehr dem «Denken wahrnehmbar» ist. Und die Materie, das heißt der grob zerteilte Stoff ist doch nur «ein Begriff des denkenden Menschen». Mit der groben Zerteilung bringt es also der Stoff zu nichts anderem, als zu der ja für einen Materialisten bedenklichen Rolle eines menschlichen Begriffes; zerteilt er sich aber feiner, so wird er Geist. Dann müßte sich ja doch der bloße menschliche Begriff feiner zerteilen. Nun aber mache doch solche Weltanschauung sogleich den Helden, der sich an seinem eigenen Schopf aus dem Wasser zieht, zum Musterbilde aller Wirklichkeit! - Man kann es begreifen, daß ein anderer österreichischer Denker, F. von Feldegg (in den «Deutschen Worten» vom November 1894), Carneri die Worte entgegenhielt: «Sobald von der Idealität des Weltbildes ausgegangen wird! Welche, bei aller gezwungenen Verschrobenheit des Gedankens, willkürliche Supposition! Ja, hängt denn dies so ganz von unserem Belieben ab, ob wir von der Idealität des Weltbildes oder etwa von dem Gegenteil - also wohl von seiner Realität ausgehen? Und vollends die Materie soll für diese Idealität nichts als ein Begriff des denkenden Menschen sein? Das ist ja der absoluteste Idealismus, etwa Hegels, welcher hier Beistand leisten soll, dem Vorwurfe des Materialismus zu begegnen; aber es geht nicht an, sich im Augenblicke der Not an denjenigen zu wenden, den man bis dahin hartnäckig verleugnet hat. Und wie will Carneri dieses idealistische Bekenntnis mit allem vereinigen, was sonst in seiner Schrift enthalten? In der Tat gibt es dafür nur eine Erklärung, und die ist die: Auch Carneri bangt vor und - gelüstet nach dem Transzendenten. Das ist aber eine Halbheit, die sich bitter rächt. Carneris ‹Monistische Bedenken› zerfallen solcherart in zwei heterogene Teile, in einen grob materialistischen Teil und in einen versteckt idealistischen. In dem ersteren behält des Verfassers Kopf recht, denn es läßt sich nicht leugnen, daß er bis über den Scheitel im Materialismus versunken ist; im letzteren dagegen wehrt sich des Verfassers Gemüt mit der Macht jenes metaphysischen Zaubers, dem selbst in unserer grobsinnlichen Zeit edlere Naturen sich nicht völlig zu entziehen vermögen, gegen die plumpen Forderungen des rationalistischen Modedünkels.»[ 18 ] Und trotz alledem: Carneri ist eine bedeutende Persönlichkeit, von der gesagt werden darf (was ich in meinem Buche «Rätsel der Philosophie», 2. Band andeutete): «Weite Perspektiven der Weltanschauung und Lebensgestaltung suchte aus dem Darwinismus heraus dieser österreichische Denker zu eröffnen. Er trat elf Jahre nach dem Erscheinen von Darwins ‹Entstehung der Arten› mit seinem Buche ‹Sittlichkeit und Darwinismus› hervor, in dem er in umfassendster Weise die neue Ideenwelt zur Grundlage einer ethischen Weltanschauung machte. Seitdem war er unablässig bemüht, die Darwinistische Ethik auszubauen. Carneri versucht in dem Bilde der Natur die Elemente zu finden, durch welche sich das selbstbewußte Ich innerhalb dieses Bildes vorstellen läßt. Er möchte dieses Naturbild so weit und groß denken, daß es die menschliche Seele mit umfassen kann.» - Carneris Schriften scheinen mir nämlich überall durch ihren eigenen Charakter dazu herauszufordern: aus ihrem Inhalte alles hinwegzutilgen, wozu sich deren Verfasser gezwungen hat, indem er sich unter das Joch der materialistischen Weltanschauung begab; und nur auf das zu blicken, was in ihnen als Offenbarung eines groß angelegten Menschen, wie eine elementarische Eingebung seines Gemütes erscheint. Man lese von einer solchen Voraussetzung aus, wie er sich die Aufgabe der Erziehung zu wahrer Menschlichkeit denkt: «Aufgabe der Erziehung ist es..., den Menschen derart heranzubilden, daß er das Gute tun muß. Daß darunter die Menschenwürde nicht leidet, daß vielmehr die harmonische Entwickelung des Wesens, das seiner Natur nach freudig das Edle und Große vollbringt, eine ethische Erscheinung ist, die schöner nicht gedacht werden kann... . Möglich wird die Lösung dieser herrlichen Aufgabe durch das Glückseligkeitsstreben, zu dem sich im Menschen der Selbsterhaltungstrieb läutert, sobald sich die Intelligenz voll entwickelt. Das Denken beruht auf Empfindung und ist nur die andere Seite des Gefühls, weshalb alles Denken, was nicht an der Wärme des Gefühls zur Reife gelangt, wie alles Fühlen, das nicht am Lichte des Denkens sich klärt, einseitig ist. Sache der Erziehung ist es, durch die übereinstimmende Entwickelung des Denkens und Fühlens das Streben nach Glückseligkeit zu läutern, so daß das Ich im Du seine natürliche Erweiterung, im Wir seine notwendige Vollendung erblickt, der Egoismus den Altruismus als seine höhere Wahrheit erkennt... . Nur vom Standpunkt des Glückseligkeitstriebes ist es erklärlich, daß einer für ein geliebtes Wesen oder einen erhabenen Zweck sein Leben hingibt: er sieht eben darin sein höheres Glück. Sein wahres Glück suchend, gelangt der Mensch zur Sittlichkeit; allein er hat dazu erzogen, so erzogen zu sein, daß er gar nicht anders kann. Er findet im beseligenden Gefühl des Adels seiner Tat den schönsten Lohn und fordert nicht mehr.» (Vergleiche Carneris Buch: Der moderne Mensch. Einleitung.) Man sieht: Carneri hält das Glückseligkeitsstreben, wie er es ansieht, für eine naturgemäße Kraft in der wahren Menschennatur, für eine Kraft, die sich unter den rechten Bedingungen entfalten muß, wie sich ein Pflanzenkeim entfaltet, wenn er dazu die Bedingungen hat. Wie der Magnet durch die ihm eigene Wesenheit die Anziehungskraft hat, so das Tier den Selbsterhaltungstrieb, undso der Mensch den Glückseligkeitstrieb. Man braucht auf die menschlichen Wesen nichts aufzupfropfen, um sie zur Sittlichkeit zu führen; man braucht nur ihren Glückseligkeitstrieb recht zu entwickeln, so entfalten sie sich durch diesen zur wahren Sittlichkeit. Carneri betrachtet in Einzelheiten die verschiedenen Äußerungen des Seelenlebens: wie die Empfindung dieses Leben anregt oder abstumpft; wie die Affekte, die Leidenschaften wirken: und wie in all dem der Glückseligkeitstrieb sich entfaltet. Diesen setzt er in allen diesen Seelenäußerungen als deren eigentliche Grundkraft voraus. Und dadurch, daß er diesem Begriffe von Glückseligkeit einen weiten Sinn gibt, fällt allerdings für ihn alles Wünschen, Wollen und Tun der Seele in dessen Bereich. Wie der Mensch ist, das hängt davon ab, welches Bild ihm von seinem Glücke vorschwebt: der eine sieht sein Glück in der Befriedigung niederer Triebe, der andere in den Taten hingebungsvoller Liebe und Selbstverleugnung. Wenn von jemand gesagt würde: der strebt nicht nach Glück, der tut nur selbstlos seine Pflicht, so würde Carneri einwenden: gerade darin besteht seine Glücksempfindung, dem Glücke nicht bewußt nachzujagen. Aber mit solch einer Erweiterung des Begriffes von Glückseligkeit offenbart Carneri den durchaus idealistischen Grundton seiner Weltanschauung. Denn ist für verschiedene Menschen das Glück etwas ganz Verschiedenes, so kann die Sittlichkeit nicht in dem Streben nach Glück liegen; sondern es liegt die Tatsache vor, daß der Mensch seine Fähigkeit, sittlich zu sein, als ihn beglückend empfindet. Es wird dadurch das menschliche Streben nicht aus dem Gebiete der sittlichen Ideale herabgezogen in das Begehren des Glückes, sondern es wird als im Wesen des Menschen liegend erkannt, im Erringen der Ideale sein Glück zu sehen. « Unserer Überzeugung nach» - sagt Carneri - «hat die Ethik sich zu begnügen mit der Darlegung, daß der Weg des Menschen der Weg zur Glückseligkeit ist, und daß der Mensch, den Weg zur Glückseligkeit wandelnd, zu einem sittlichen Wesen heranreift.» (Grundlegung der Ethik, Seite 423.) - Wer nun glaubt, daß durch solche Ansichten Carneri die Ethik darwinistisch machen will, der läßt sich täuschen durch die Ausdrucksweise dieses Denkers. Diese ist erzwungen durch die überwältigende Kraft der in seinem Zeitalter herrschenden naturwissenschaftlichen Vorstellungsart. In Wahrheit will Carneri nicht die Ethik darwinistisch, sondern den Darwinismus ethisch machen. Er will zeigen, daß man den Menschen in seiner wahren Wesenheit nur zu erkennen braucht, wie der Naturforscher ein Naturwesen zu erkennen sucht, dann findet man in ihm nicht ein Natur-, sondern ein Geistwesen. Darin liegt Carneris Bedeutung, daß er den Darwinismus in eine geistgemäße Weltanschauung einfließen lassen will. Und damit ist er einer der bedeutenden Geister der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Man versteht die durch die naturwissenschaftlichen Einsichten dieses Zeitalters an die Menschheit gestellten Forderungen nicht, wenn man gleich denen denkt, die alles Erkenntnisstreben in Naturwissenschaft aufgehen lassen wollen. Gleich denen, die bis gegen das Ende des neunzehnten Jahrhunderts sich Bekenner des Materialismus nannten, aber auch gleich denen, die es heute in Wirklichkeit nicht weniger sind, wenn sie auch immer von neuem versichern, daß der Materialismus von der Wissenschaft « längst überwunden sei » . Gegenwärtig nennen sich viele nur deshalb nicht Materialisten, weil ihnen die Fähigkeit mangelt, einzusehen, daß sie es sind. Man kann geradezu sagen, jetzt beruhigen sich manche Menschen über ihren Materialismus dadurch, daß sie sich vortäuschen, sie hätten nach ihren Ansichten nicht mehr nötig, sich Materialisten zu nennen. Man wird sie trotzdem so bezeichnen müssen. Den Materialismus hat man damit noch nicht überwunden, daß man die Ansicht einer Reihe von Denkern der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ablehnt, die alle geistigen Erlebnisse für bloße Stoffwirkung hielten; sondern nur dadurch, daß man sich darauf einläßt, über das Geistige in dem Sinne geistgemäß zu denken, wie man über die Natur naturgemäß denkt. Was damit gemeint ist, geht schon aus den vorangehenden Ausführungen dieser Schrift hervor, wird sich aber noch besonders zeigen in den als «Ausblick» gedachten Schlußbetrachtungen. - Aber man wird den erwähnten Forderungen auch nicht gerecht, wenn man eine Weltanschauung gegen die Naturwissenschaft begründet, und sich nur ergeht in Ablehnungen der «rohen» Vorstellungen des «Materialismus » . Es muß seit Gewinnung der naturwissenschaftlichen Einsichten des neunzehnten Jahrhunderts jede geistgemäße Weltanschauung, die ihrem Zeitalter entsprechen will, diese Einsichten als ein Glied in ihre Gedankenwelt aufnehmen. Und dieses hat Carneri kraftvoll erfaßt, und durch seine Schriften eindringlich ausgesprochen. Daß ein echtes Verständnis der neueren naturwissenschaftlichen Vorstellungen nicht zur Befestigung, sondern zur wahren Überwindung des Materialismus führt, das konnte Carneri, der die ersten Schritte auf dem Wege dieses Verständnisses machte, noch nicht voll einsehen. Deshalb war er der Meinung, um noch einmal an die Worte Brentanos zu erinnern (vergleiche S. 53 dieser Schrift), «daß für die Hoffnungen eines Platon und Aristoteles, über das Fortleben unseres besseren Teiles nach der Auflösung des Leibes Sicherheit zu gewinnen» von der neueren Wissenschaft keine Erfüllung zu erwarten sei. Wer aber sich in Carneris Gedanken so vertieft, daß er nicht nur den Inhalt derselben hinnimmt, sondern auf den Erkenntnisweg blickt, auf dem dieser Denker nur die ersten Schritte machen konnte, der wird finden, daß durch ihn, nach einer anderen Richtung hin, für die Fortbildung der Weltanschauung des deutschen Idealismus etwas Ähnliches geschehen ist wie durch Troxler, Immanuel Hermann Fichte und andere nach der in dieser Schrift gekennzeichneten Richtung hin. Diese Geister suchten mit den Kräften des Hegelschen Denkens nicht bloß in den versinnlichten Geist, sondern auch in dasjenige Geistgebiet einzudringen, das sich in der Sinneswelt nicht offenbart. Carneri strebt dahin, mit einer geistgemäßen Lebensanschauung an die naturwissenschaftliche Vorstellungsart sich hinzugeben. Die weitere Verfolgung des von diesen Denkern empfundenen Weges kann zeigen, daß die Erkenntniskräfte, an die sie sich gewandt haben, die « Hoffnungen eines Platon und Aristoteles über das Fortleben unseres besseren Teiles nach der Auflösung des Leibes » nicht vernichten, sondern ihnen eine feste Wissensgrundlage geben werden. Es ist sicherlich einerseits berechtigt, wenn der schon genannte F. v. Feldegg (Deutsche Worte, vom November 1894) anknüpfend an den Konflikt, in den Carneri gegenüber Idealismus und Materialismus hineingestellt war, sagt: «Aber die Zeit ist nicht mehr ferne, in welcher dieser Konflikt nicht etwa bloß im einzelnen Individuum, sondern im ganzen Kulturbewußtsein zum Austrag kommen wird. Aber die ‹Bedenken› Carneris sind vielleicht ein vereinzelter Vorläufer ganz anderer und gewaltigerer ‹Bedenken›, welche dann, gleich einem Sturme heranbrausend, hinwegfegen werden, was an unserem ‹wissenschaftlichen› Glaubensbekenntnisse bis dahin noch nicht der Selbstzersetzung verfallen sein wird.» Anderseits aber kann anerkannt werden, daß Carneri durch die Art, wie er den Darwinismus für die Ethik verarbeitete, zugleich einer der ersten Überwinder der darwinistischen Denkart geworden ist.
[ 19 ] Carneri war eine Persönlichkeit, bei der das Denken über die Fragen des Daseins allem ihrem Wirken und Arbeiten im Leben das Gepräge gab. Keiner von denen, die zum « Philosophen» werden, indem sie die gesunden Wurzeln der Lebenswirklichkeit in sich verdorren lassen. Sondern einer von denen, welche den Beweis liefern, daß wirklichkeitsgemäßes Erforschen des Lebens praktischere Menschen erzeugen kann, als das ängstliche, aber auch bequeme Sich-Fernhalten von jeder Idee und das starrsinnige Pochen darauf, daß man sich die «wahre» Lebenspraxis nicht durch Begriffsträumereien verderben lassen dürfe. Carneri war österreichischer Volksvertreter, von 1861 ab im steierischen Landtag, von 1870 bis 1891 im Reichsrat. Ich muß oft noch jetzt denken an den herzerhebenden Eindruck, den ich empfing, wenn ich als junger fünfundzwanzigjähriger Lebensanfänger von der Galerie des Wiener Reichsrates Carneri reden hörte. Ein Mann stand da unten, der Österreichs Lebensbedingungen, der die aus der Entwickelung von Österreichs Kultur und aus den Lebens-kräften seiner Völker entstandenen Verhältnisse tief in seine Gedanken aufgenommen hatte, und der, was er zum Ausdruck brachte, von jener hohen Warte aus sprach, auf die ihn seine Weltanschauung gestellt hatte. Und bei alledem, niemals ein blasser Gedanke; immer herzenswarme Töne; immer Ideen, die wirklichkeitsstark waren; nicht die Worte eines bloß denkenden Kopfes; sondern die Offenbarungen eines ganzen Menschen, der Österreich in der eigenen Seele pulsierend fühlte und dieses Gefühl geklärt hatte durch die Idee: «Ganz wird die Menschheit ihren Namen erst verdienen und auf der Bahn der Sittlichkeit wandeln, wenn sie keinen anderen Kampf kennt, denn Arbeit, keinen anderen Schild, denn Recht, keine andere Waffe, denn Intelligenz, kein anderes Banner, denn Zivilisation.» (Carneri, Sittlichkeit und Darwinismus, Seite 508.)
[ 20 ] Versucht habe ich zu zeigen, wie ein sinniger Idealismus die fest in der Wirklichkeit stehende Wurzel in Carneris Seelenleben ist; wie aber auch - überwältigt von einer materialistischen Zeitanschauung - dieser Idealismus neben einem Denken einhergeht, dessen Widersprüche zwar empfunden, aber nicht völlig gelöst werden. Ich glaube, daß dies in der Form, wie es bei Carneri auftritt, auf einer besonderen Eigenart beruht, welche das Volkstum in Österreich leicht der Seele aufdrücken kann. Einer Eigenart, die - wie mir scheint - auch selbst den Deutschen außerhalb Österreichs nur schwer verständlich ist. Man kann sie vielleicht nur empfinden, wenn man selbst aus österreichischer Volksart herausgewachsen ist. Durch die Entwickelung des österreichischen Lebens seit Jahrhunderten ist sie bedingt. Man wird da durch die Erziehung in ein anderes Verhältnis gebracht zu den Äußerungen des unmittelbaren Volkstums als in deutschen Gebieten außerhalb Österreichs. Was man durch die Schule aufnimmt, trägt Züge, die nicht in solch unmittelbarer Art eine Umwandlung dessen sind, was man aus dem Volkstum heraus erlebt wie bei den Deutschen Deutschlands. In Fichtes höchsten Gedankenentfaltungen lebt etwas, worin sich eine unmittelbare Fortsetzung erkennen läßt des Volkstümlichen, das in seinem mitteldeutschen Vaterlande gewirkt hat, im Hause des Bauern und Bandwirkers Christian Fichte. In Österreich trägt oft, was man durch Erziehung und Selbsterziehung in sich entwickelt, weniger solche unmittelbar bodenständige Züge. Es lebt das Bodenständige mehr mittelbar, wenn auch deshalb oft nicht weniger stark. Man trägt einen Konflikt der Empfindungen in der Seele, der in seinem unbewußten Wirken den Lebensäußerungen die besondere österreichische Färbung gibt.—Als Beispiel eines Österreichers mit dieser Seelenart möchte ich die Persönlichkeit Missons ansehen, eines der bedeutendsten österreichischen Dialektdichter.
[ 21 ] Gewiß, Dialektdichtung ist aus ähnlichen Seelenuntergründen wie bei Misson auch bei anderen Deutschen erstanden. Bei ihm ist aber das Eigentümliche, daß er durch den angedeuteten Zug im Seelenleben vieler Österreicher zum Dialektdichter geworden ist. Joseph Misson ist zu Mühlbach im niederösterreichischen Viertel unterm Mannhardtsberg 1803 geboren; er machte die Schule in Krems durch und trat in den Orden der frommen Schulen ein. Er wirkte als Gymnasiallehrer in Horn, Krems, Wien. 1850 erschien von ihm eine Perle aller österreichischen Mundartdichtung: «Da Naz, a niederösterreichischer Bauernbui, geht in d'Fremd.» (Der Ignaz, ein niederösterreichischer Bauernjunge, geht in die Fremde.) Sie ist unvollendet herausgegeben. (Der Probst Karl Landsteiner hat später in einem schönen Büchelchen über Misson geschrieben, und die unvollendete Dichtung wieder gedruckt.) - Karl Julius Schröer sagt darüber (1875), wie ich meine, treffend: «So klein die Dichtung ist und so vereinzelt sie geblieben ist, indem Misson nichts weiter veröffentlicht hat, so verdient sie doch hervorgehoben zu werden. Sie nimmt unter den mundartlichen Dichtungen Österreichs den ersten Rang ein. Die epische Ruhe, die über das Ganze ausgegossen ist, die meisterhafte Schilderung im einzelnen, die uns fortwährend fesselt und uns durch ihre Wahrheit überrascht und erquickt, sind Eigenschaften, in denen kein Zweiter Misson gleichkommt.» Das Antreten der Wanderschaft eines nieder-österreichischen Bauernjungen stellt Misson dar. Eine unmittelbar wahrheitgetragene Offenbarung niederösterreichischen Volkstums lebt in der Dichtung. Misson lebte in seiner durch Erziehung und Selbsterziehung errungenen Gedankenwelt. Dieses Leben stellte die eine Seite seiner Seele dar. Das war keine unmittelbare Fortsetzung des Lebens, das in seinem Niederösterreichertum wurzelte. Aber gerade darum trat, wie ohne Zusammenhang mit dieser Seite seelischen Erlebens - in seinem Gemüte das wahrste Bild seines Volkstums wie aus Seelenuntergründen auf, und stellte sich als die andere Seite inneren Erlebens hin. Der Zauber des unmittelbar Volkstümlichen von Missons Dichtung ist eine Wirkung der «zwei Seelen in seiner Brust». Ich werde ein Stück dieser Dichtung hier folgen lassen, und dann in möglichst getreuer, anspruchsloser hochdeutscher Prosa die niederösterreichische Mundart wiedergeben. (Ich werde bei dieser Wiedergabe nur darauf achten, daß der Sinn der Dichtung empfindungsgemäß voll herauskommt. Wenn man bei solcher Übertragung einfach das Mundartwort durch das entsprechende hochdeutsche ersetzt, so wird im Grunde die Sache verfälscht. Denn das Mundartwort entspricht oft einer ganz anderen Empfindungsfärbung als das entsprechende hochdeutsche.)
Lehr vo main Vodern auf d'Roas
>Naaz, iazn loos, töös, wos a ta so, töös sockt ta tai Voda.
Gottsnom, wails scho soo iis! und probiast tai Glück ö da Waiden.
Muis a da sogn töös, wo a da so, töös los der aa gsackt sai.
Ih unt tai Muida san olt und tahoam, woast as ee, schaut nix außa.
Was ma sih schint und rackert und plockt und obi ta scheert töös
Tuit ma für d'Kiner, wos tuit ma nöd olIs, bolds' nöd aus der Ort schlog'n! -
I is ma aamol a preßhafts Leut und san schwari Zaiden,
Graif an s'am aa, ma fint töös pai ortlinga rechtschoffan Kinern,
Gern untern Orm, auf taas mer d'Ergiibnus laichter daschwingan. -
Keert öppa's Glück pal dia ai, soo leeb nöd alla Kawallaa.
Plaib pain ann gleicha, Mittelstroß goldas Moß, nöd üwa t'Schnua haun.
S' Glück iis ja kugelrund, kugelt so laicht wida toni wia zuuaha.
Geets owa gfalt und passiat der an Unglück, socks nöd ön Leuden.
Tui nix taglaicha, loß s goa nöd mirka, sai nöd goa z kloanlaud.
Klock's unsan Heagoot, pitt'en, iih so ders, er mochts wida pessa!
Mocka'r und hocka'r und pfnotten und trenzen mit den kimt nix außa.
Kopfhängad, grod ols won amt' Heana s Prot häden gfressa:
Töös mochts schlimmi nöd guit, gidanka'r ös Guidi no pessa!
Schau auf tai Soch, wost miit host, denk a wenk füri aufs künfti! -
Schenkt ta w'ea wos, so gspraiz ti nöd, nimms und so dafüa: gelts Goot!
Schau Naaz, mirk ta dos fai: weng da Höflikeit iis no koans gstroft woan! -
Holt ti nea ritterla, Fremd zügelt t'Leud, is a Sprichwoat, a Worwoat.
Los ti no glai ö koan Gspül ai, keer di nöd fainl nochn Tonzplotz.
Los ta ka Koatn nöd aufschlogn, suich da tai Glük nöd in Trambuich.
Gengan zween Wö unt tar oani is naich, so gee du en olden.
Geet oana schips, wos aa öftas iis, so gee du en groden -
Schau auf tain Gsund, ta Gsund iis pai olIn no allwail tos Pessa.
So mer, wos hot tenn aa Oans auf da Welt, sobolds nöd ön Gsund hod?
- - - - -
Kimst a mol hahm und tu findst ö ten Stübl uns oldi Leud nimma,
Oft samma zebn, wo tai Aenl und Aanl mit Freuden uns gewoaten,
Unsari Guittäter finten und unsa vastoabani Freundschoft!
Olli, sö kenan uns glai - und töös, Naaz, töös is dos Schöner!»Wiedergabe:
Eine Lehre von meinem Vater für die WanderschaftIgnaz, nun höre zu, das, was ich dir sage, das sagt dir dein Vater.
In Gottes Namen, weil es doch so sein muß, und du dein Glück in der weiten Welt versuchen sollst,
Deshalb muß ich dir das sagen, und was ich dir sage, das beherzige wohl.
Ich und deine Mutter sind alt und zu Hause geblieben; du weißt, dabei kommt nichts heraus.
Man schindet sich viel, müht sich ab, arbeitet hart und schwächt sich sorgend durch Arbeit -
Man tut dies den Kindern zu Liebe; was möchte man nicht alles tun, sobald sie nicht auf falsche Wege geraten.
Ist man später schwach und kränklich geworden, und kommen schwere Zeiten
Springen sie uns auch liebevoll, man findet solches bei ordentlichen, rechtschaffenen Kindern,
Helfend bei, damit man eine Erleichterung habe, zu leisten, was der Staat und das Leben verlangen.
Sollte etwa das Glück bei dir einkehren, so leb nicht wie ein Kavalier.
Bleibe so, wie du warst, bei dem goldenen Maß der Mittelstraße, weiche nicht ab von dem rechten Lebenswege.
Das Glück ist rund wie eine Kugel; es rollt ebenso leicht von uns weg, wie zu uns.
Gelingt etwas nicht, oder trifft dich ein Unglück, so sprich davon nicht zu den Menschen.
Bleib' gelassen; lasse dir nichts anmerken; sei nicht kleinmütig;
Klage alles nur Gott; bitte ihn; ich sage dir, er macht alles wieder besser!
Bekümmert tun, sich zurückziehn, saure Gesichter machen, weinerlich sein: dadurch wird nichts erreicht.
Den Kopf hängen lassen, als ob einem die Hühner das Brot weggegessen hätten:
Das bessert nichts Schlimmes, geschweige denn macht es das Gute noch besser!
Bewahre deinen Besitz, den du mit dir nimmst; sorge ein wenig für die Zukunft.
Schenkt dir jemand etwas, so nimm es, ohne dich zu zieren, und sage dafür: vergelte es Gott! -
Beachte, Ignaz; und erinnere dich daran wohl: der Höflichkeit wegen ist noch niemand bestraft worden! -
Zeige dich nicht widerborstig, die Fremde macht den Menschen bescheiden; dies ist ein Sprichwort und ein Wahrwort.
Lasse dich nicht zum Spielen verführen; mache dir nicht zu viel aus dem Tanzplatz.
Lasse dir nicht die Karten legen; und suche dein Schicksal nicht nach dem Traumbuch.
Gehen zwei Wege, und einer ist neu, so gehe du den alten.
Geht einer ungerade, was des öfteren ist, so gehe du den geraden.
Behüte deine Gesundheit; die Gesundheit ist von allen Gütern das bessere.
Gestehe mir doch zu: was besitzt man in der Welt wirklich, wenn man nicht die Gesundheit hat?
- - - - -
Kommst du einst nach Hause, und findest du uns alte Leute nicht mehr in diesem Stübchen,
Dann sind wir da, wo dein Großvater und deine Großmutter in Freuden uns erwarten,
Wo uns unsere Wohltäter finden und unsere verstorbenen Verwandten!
Alle werden uns sogleich wiedererkennen - und dies, Ignaz, ist etwas sehr Schönes.
[ 22 ] Karl Julius Schröer schreibt 1879 von diesem Österreicher, aus dessen gelehrter Seele das Bauernleben, aber auch, wie gerade das angeführte Stück seiner Dichtung zeigt, die urwüchsige Bauernphilosophie - so prächtig auftauchte: «Sein Talent fand keine Aufmunterung. Obwohl er noch mancherlei dichtete, verbrannte er seine sämtlichen Dichtungen... und nun lebt er, als Bibliothekar des Piaristenkollegiums bei St. Thekla auf der Wieden in Wien, abgeschieden von allem Umgang nach seinem eigenen Ausspruch ‹ohne Freud und Leid›.» Wie Joseph Misson muß man viele Persönlichkeiten des österreichischen Geisteslebens in verborgenen Lebenslagen suchen. - Misson kann nicht als Denker unter den in dieser Schrift geschilderten Persönlichkeiten in Betracht kommen. Doch wenn man sich sein Seelenleben vorstellt, so gibt dies ein Verständnis für die besondere Färbung der Ideen österreichischer Denker. Die Gedanken Schellings, Hegels, Fichtes, Plancks gestalten sich plastisch auseinander wie die Glieder eines Gedankenorganismus. Der eine Gedanke wächst aus dem andern heraus. Und in der Physiognomie dieses ganzen Gedanken-Organismus erkennt man ein Volkheitmäßiges. Bei den österreichischen Denkern steht mehr ein Gedanke neben dem andern; und ein jeder wächst für sich - weniger aus dem andern - sondern aus dem gemeinsamen Seelengrunde hervor. Dadurch trägt nicht die Gesamtgestalt das unmittelbar Volkheitmäßige; dafür aber ist über jeden einzelnen Gedanken dieses Volkheitmäßige wie eine Grundstimmung ausgegossen. Solche Grundstimmung wird von den Denkern naturgemäß im Gemüte zurückgehalten; sie klingt nur leise an. Sie tritt in einer Persönlichkeit wie Misson als Heimweh nach dem Elementarischen der Volkheit auf. Bei Schröer, bei Fercher von Steinwand, bei Carneri, und auch bei Hamerling wirkt sie in der Grundtönung ihres Strebens überall mit. Das Denken erhält dadurch den Charakter des Sinnens.—
[ 23 ] In Robert Hamerling ist dem niederösterreichischen Waldviertel einer der größten Dichter der neueren Zeit entsprossen. Er ist zugleich einer der Träger des deutschen Weltanschauungs-Idealismus. Über Wesen und Bedeutung von Hamerlings Dichtungen zu sprechen, beabsichtige ich für diese Schrift nicht. Wie er sich in die Weltanschauungsentwickelung 132 der neueren Zeit hineingestellt hat, darüber nur will ich einiges andeuten. Er hat in dem Werke: « Die Atomistik des Willens » auch in Gedankenform seiner Weltansicht Ausdruck gegeben. (Der steiermärkische Dichter und völkische Schriftsteller Adolf Harpf hat nach Hamerlings Tode dieses Buch 1891 herausgegeben.) Das Buch trägt den Untertitel «Beiträge zur Kritik der modernen Erkenntnis».
[ 24 ] Hamerling wußte, daß viele, die sich Philosophen nennen, diese seine «Beiträge» mit - vielleicht nachsichtiger - Verwunderung aufnehmen werden. Was sollte - so mochte mancher denken - der idealistisch gestimmte Dichter in einem Felde anzufangen wissen, in dem strenge Wissenschaftlichkeit herrschen muß? Und die Ausführungen seines Buches überzeugten diejenigen nicht, in denen ein solches Urteil nur die an die Oberfläche getriebene Welle ist aus Seelentiefen, in denen es auf unbewußte (oder unterbewußte) Art aus Denkgewohnheiten gebildet wird. Solche Menschen können sehr scharfsinnig, sie können wissenschaftlich sehr bedeutend sein: das Ringen der wahren Dichternatur ist ihnen doch nicht verständlich. Derjenigen Dichternatur, in deren Seele alle die Konflikte leben, aus denen heraus sich die Rätsel der Welt vor den Menschen hinstellen. Die deshalb innere Erfahrung über diese Welträtsel hat. Wenn sich eine solche Natur dichterisch ausspricht, so waltet in den Untergründen ihrer Seele die fragende Weltenordnung, die ohne im Bewußtsein sich in Gedanken umzuwandeln, in der elementarischen Kunstschöpfung sich offenbart. Allerdings ahnen von dem Wesen solch wahrer Dichtematuren auch diejenigen Dichter nichts, welche vor einer Weltanschauung zurückzucken, wie vor Feuer, das ihre «lebensvolle Ursprünglichkeit» anbrennen könnte. Ein wahrer Dichter mag vielleicht nie in seinem Bewußtsein in Gedanken formen, was in den Wurzeln seines Seelenlebens an unbewußten Weltgedanken kraftet: er steht deshalb doch mit seinem inneren Erleben in denjenigen Tiefen der Wirklichkeit, von welchen man nichts ahnt, wenn man in behaglicher Weisheit dort nur Träumereien erblickt, wo der Sinneswirklichkeit ihr Dasein aus dem Geiste heraus verliehen wird. Wenn nun einmal eine wahre Dichternatur wie Robert Hamerling ohne Abstumpfung ihrer dichterischen Schöpferkraft das oft bei andern unbewußt Bleibende als Gedankenwelt ins Bewußtsein zu heben weiß, dann kann man einer solchen Erscheinung gegenüber auch die Ansicht haben, daß dadurch aus Geistestiefen herauf besondere Lichter auf die Rätsel der Welt geworfen werden. Hamerling selbst spricht in dem Vorwort seiner «Atomistik des Willens» darüber, wie er zu seiner Gedankenwelt gekommen ist. «Ich habe mich nicht plötzlich auf die Philosophie geworfen vor längerer oder kürzerer Zeit, etwa weil ich zufällig Lust dazu bekam, oder weil ich mich einmal auf einem andern Gebiete versuchen wollte. Ich habe mich mit den großen Problemen der menschlichen Erkenntnis beschäftigt von meiner frühen Jugend an, infolge des natürlichen, unabweisbaren Dranges, welcher den Menschen überhaupt zur Erforschung der Wahrheit und zur Lösung der Rätsel des Daseins treibt. Ich habe in der Philosophie niemals eine spezielle Fachwissenschaft erblicken können, deren Studium man betreiben oder beiseite lassen kann, wie das der Statistik oder der Forstwissenschaft, sondern sie stets als die Erforschung desjenigen betrachtet, was jedem das Nächste, Wichtigste und Interessanteste ist... . Ich für meine Person konnte es mir schlechterdings nicht versagen, dem ursprünglichsten, natürlichsten und allgemeinsten aller geistigen Antriebe zu folgen und mir im Laufe der Jahre ein Urteil über die Grundfragen des Daseins und Lebens zu bilden.»—Einer derjenigen, die Hamerlings Gedankenwelt hoch schätzten, war der in Wien lebende gelehrte und feinsinnige Benediktinerordenspriester Vincenz Knauer. Er hat als Privatdozent der Wiener Universität Vorlesungen gehalten, durch die er darstellen wollte, wie Hamerling in der Entwickelungsströmung der Weltanschauungen steht, die mit Thales in Griechenland anhebt und in dem österreichischen Dichter und Denker sich in der für das Ende des neunzehnten Jahrhunderts bedeutungsvollsten Erscheinung offenbart. Allerdings gehörte Vincenz Knauer zu den Forschern, denen Engherzigkeit fremd ist. Er hat als junger Philosoph ein Buch über die Moralphilosophie in Shakespeares Dichtungen geschrieben. (Knauers Wiener Vorlesungen sind unter dem Titel «Die Hauptprobleme der Philosophie von Thales bis Hamerling» im Druck erschienen.)—
[ 25 ] Auch in der Dichtung Robert Hamerlings lebt die idealistische Grundstimmung seiner Anschauung von der Wirklichkeit. Die Gestalten seiner epischen und dramatischen Schöpfungen sind nicht eine Wiedergabe dessen, was eine geistscheue Beobachtung im äußeren Leben sieht; sie zeigen überall, wie die Menschenseele aus einer geistigen Welt herein Richtungen und Impulse erhält. Die geistscheue Beobachtung schilt auf solche Schöpfungen. Sie nennt sie blutleere Gedankenerzeugnisse, denen die Vollsaftigkeit des Lebens fehle. Man kann diese Ansicht oft die Formel bemühen hören: die Menschen dieses Dichters sind keine Personen, die in der Welt wandeln; sie sind Schemen aus der Abstraktion heraus geboren. Wenn so sprechende «Wirklichkeitsmenschen » doch ahnen könnten, wie sehr sie selbst wandelnde Abstraktionen sind und ihr Bekenntnis die Abstraktion einer Abstraktion ist! Wenn sie nur wüßten, wie seelenleer ihre bluterfüllten Gestalten dem sind, der einen Sinn hat nicht nur für pulsierendes Blut, sondern auch dafür, wie Seele im Blute pulsiert. Man hat von solch einem Wirklichkeitsstandpunkte aus gesagt, die dramatische Dichtung Hamerlings «Danton und Robespierre» bereichere nur das Schattenvolk ehemaliger Revolutionshelden um eine Anzahl neuer Schemen.
[ 26 ] Hamerling hat solche Einwürfe in dem «Epilog an die Kritiker» abgewehrt, den er den späteren Auflagen seines «Ahasver in Rom» beigefügt hat. In diesem Epilog stehen die Worte: ... . Man besagt, ‹Ahasver in Rom› sei eine ‹allegorische› Dichtung, bei welchem Worte viele sogleich von einer Gänsehaut überlaufen werden. - Allegorisch ist das Gedicht allerdings insofern, als eine mythische Gestalt hineinverwoben ist, deren Existenzberechtigung immer nur darauf beruht, daß sie etwas bedeutet. Denn jeder Mythus ist eine durch die Volksphantasie verbildlichte Idee. Aber, sagt man, auch Nero will etwas ‹bedeuten› - den ‹Lebensdrang›! Nun ja, er bedeutet den Lebensdrang; aber nicht anders als Moliéres ‹Geiziger› den Geiz, Shakespeares ‹Romeo› die Liebe bedeutet. Es gibt allerdings poetische Gestalten, die gar nichts weiter sind als allegorische Schemen und nichts an sich haben, als ihre innere abstrakte Bedeutung - dem kranken, magern Kanonikus bei Heine vergleichbar, der zuletzt aus nichts anderem bestand, als aus ‹Geist und Pflastern›. Aber für eine mit realem Leben erfüllte dichterische Figur ist die innewohnende Bedeutung kein Vampyr, der ihr das Blut aussaugt. Existiert überhaupt etwas, das nichts ‹bedeutet›? Ich möchte doch wissen, wie es der Bettler anstellen sollte, um nicht die Armut, und ein Krösus, um nicht den Reichtum zu bedeuten? ... Ich glaube also, daß der lebensdurstige Nero dadurch, daß er dem todessehnsüchtigen Ahasver gegenüber den Lebensdrang ‹bedeutet›, an seiner Realität so wenig einbüßt, als ein reicher Kaufherr an seiner blühenden Wohlbeleibtheit einbüßen würde, wenn er zufällig neben einen Bettler zu stehen käme und notgedrungen den Kontrast von Armut und Reichtum in einer allegorischen Gruppe versinnlichte.» In solcher Art weist der von idealistischer Weltanschauung beseelte Dichter die Angriffe von Menschen zurück, welche erschaudern, wenn sie irgendwo eine in der wahren Wirklichkeit - der Geistwirklichkeit - wurzelnde Idee wittern.
[ 27 ] Beginnt man mit dem Lesen von Hamerlings «Atomistik des Willens», so kann man allerdings zunächst die Empfindung erleben, er habe sich durch den Kantianismus von der Unmöglichkeit überzeugen lassen, daß es eine Erkenntnis der wahren Wirklichkeit, des «Dinges an sich» geben könne. Doch sieht man im weiteren Verlaufe der Darstellung seines Buches, daß es Hamerling mit dem Kantianismus so ergangen ist wie Carneri mit dem Darwinismus. Er hat sich durch die suggestive Kraft gewisser Kantischer Gedanken überwältigen lassen; dann aber siegt die Ansicht bei ihm, daß der Mensch, wenn er auch durch die Sinnesanschauung nach außen hin nicht an die wahre Wirklichkeit herandringen kann, dieser doch begegnet, wenn er durch die Oberfläche des seelischen Erlebens hindurch in die Seelenuntergründe eintaucht.
[ 28 ] Hamerling beginnt ganz Kantisch: «Gewisse Reizungen erzeugen den Geruch in unserem Riechorgan. Die Rose duftet also nicht, wenn sie niemand riecht. - Gewisse Luftschwingungen erzeugen in unserm Ohr den Klang. Der Klang existiert also nicht ohne ein Ohr. Der Flintenschuß würde also nicht knallen, wenn ihn niemand hörte... . Wer dies festhält, wird begreifen, welch ein naiver Irrtum es ist, zu glauben, daß neben der von uns ‹Pferd› genannten Anschauung oder Vorstellung noch ein anderes, und zwar erst das rechte, wirkliche ‹Pferd› existiere, von welchem unsere Anschauung eine Art Abbild ist. Außer mir ist - wiederholt sei es gesagt - nur die Summe jener Bedingungen, welche bewirken, daß sich in meinen Sinnen eine Anschauung erzeugt, die ich Pferd nenne.» Diese Gedanken wirken mit solch suggestiver Kraft, daß Hamerling an sie die Worte zu schließen vermag: «Leuchtet dir, lieber Leser, das nicht ein und bäumt dein Verstand sich vor dieser Tatsache wie ein scheues Pferd, so lies keine Zeile weiter; laß dieses und alle anderen Bücher, die von philosophischen Dingen handeln, ungelesen; denn es fehlt dir die hierzu nötige Fähigkeit, eine Tatsache unbefangen aufzufassen und in Gedanken festzuhalten.» Ich möchte Hamerling gegenüber sagen: Mögen sich doch recht viele Menschen finden, deren Verstand zwar bei diesen Eingangsworten seines Buches sich wie ein scheues Pferd bäumt, die aber Ideenstärke genug besitzen, um die tiefdringenden späteren Kapitel recht zu würdigen; und ich bin froh, daß Hamerling doch diese späteren Kapitel geschrieben hat, obgleich sich sein Verstand nicht bäumte bei der Behauptung: da ist in mir die Vorstellung «Pferd»; aber da draußen existiert nicht das rechte wirkliche Pferd, sondern nur die «Summe jener Bedingungen, welche bewirken, daß sich in meinen Sinnen eine Anschauung erzeugt, die ich Pferd nenne». Denn man hat es hier wieder mit einer Behauptung zu tun, wie Carneri eine mit Bezug auf Materie, Stoff und Geist aussprach. Mit einer Behauptung, die überwältigende Macht über einen Menschen bekommt, weil er so gar nicht sieht, in welch unmöglichen Gedanken er sich eingesponnen hat. Der ganze Hamerlingsche Gedankengang ist nicht mehr wert als dieser: Gewisse Wirkungen, die von mir ausgehen auf die Fläche einer belegten Glasscheibe, erzeugen mein Bild im Spiegel. Es entsteht durch die von mir ausgehenden Wirkungen nichts, wenn kein Spiegel da ist. Außer dem Spiegel gibt es nur die Summe jener Bedingungen, welche bewirken, daß sich im Spiegel ein Bild erzeugt, das ich mit meinem Namen bezeichne. - Ich höre im Geiste alle Deklamationen über einen bis zur Frivolität gehenden philosophischen Dilettantismus, der es wagt, ernste wissenschaftliche Philosophengedanken mit solch einem kindischen Einwand abzutun. Weiß ich doch, was seit Kant alles im Sinne dieser Gedanken beigebracht worden ist. Von dem Chor, von dem dies ausgeht, wird man nicht verstanden, wenn man spricht, wie es hier geschehen ist. Man muß sich an die unbefangene Vernunft wenden, die begreift, daß die Form der Gedankenführung in beiden Fällen dieselbe ist: ob ich gegenüber der Vorstellung des Pferdes in der Seele das äußere Pferd wegdekretiere, oder ob ich gegenüber dem Bilde im Spiegel meine Existenz bezweifle. Auf gewisse erkenntnistheoretisch sein sollende Widerlegungen dieses Vergleiches braucht man nicht erst einzugehen. Denn was da vorgebracht würde über die doch ganz anderen Beziehungen der «Vorstellung zu dem Vorgestellten» als des Spiegelbildes zu dem sich Spiegelnden, steht für gewisse Erkenntnistheoretiker mit unbedingter Sicherheit fest; für andere Leser aber könnte eine entsprechende Widerlegung dieser Gedanken doch nur ein Gewebe von unfruchtbaren Abstraktionen sein. - Hamerling empfindet aus seinem gesunden Idealismus heraus, daß eine Idee, die in einer Weltanschauung Berechtigung haben soll, nicht nur richtig, sondern auch wirklichkeitsgemäß sein muß. (Ich muß hier durch die Vorstellungen mich ausdrücken, die ich in den Ausführungen dieser Schrift über Karl Christian Planck gekennzeichnet habe.) Wäre er weniger durch die angedeutete Denkweise suggestiv beeinflußt gewesen, so hätte er bemerkt, daß in Gedanken, wie diejenigen, die er für notwendig hält, trotzdem «der Verstand wie ein scheues Pferd» sich davor bäumt, nichts Wirklichkeitsgemäßes steckt. Sie entstehen in der menschlichen Seele, wenn diese von wirklichkeitfremdem Abstraktionssinn angekränkelt, sich dem Fortspinnen von Gedanken überläßt, die in sich zwar logisch zusammenhängend sind, in denen aber keine geistige Wirklichkeit lebendig waltet. Aber eben der gesunde Idealismus führt Hamerling in den weiteren Gedanken seiner Willensatomistik über das Gedankengewebe hinaus, das er in den Anfangskapiteln dargestellt hat. Besonders deutlich wird dies da, wo er von dem menschlichen «Ich» im Zusammenhange mit dem Seelenleben spricht. Man sehe, wie Hamerling sich zu dem « Ich denke, also bin ich» des Descartes verhält. Fichtes Vorstellungsart (von der in den Ausführungen dieser Schrift über Fichte gesprochen ist) wirkt wie ein leise mitklingender Grundton in den schönen Worten auf Seite des ersten Bandes der «Atomistik des Willens». «Das Cogito ergo sum des Cartesius (Descartes) bleibt aller Begriffshaarspalterei zum Trotz, welche an ihm nergelt, der zündende Lichtblitz aller modernen Spekulation. Aber dies ‹Ich denke, somit bin ich› ist, genau genommen, nicht darum gewiß, weil ich denke, sondern weil ich sage, daß ich denke. Die Folgerung würde gleiche Gewißheit haben, auch wenn ich die Prämisse in ihr Gegenteil verkehrte und sagte: ‹Ich denke nicht, somit bin ich.› Um dies sagen zu können, muß ich existieren.» Bei Besprechung von Fichtes Weltansicht ist in dieser Schrift gesagt, daß gegenüber dem Schlafzustand der Satz « Ich denke, also bin ich » nicht zu halten ist. Man muß die Gewißheit vom Ich ergreifen so, daß diese Gewißheit nicht durch die Innenwahrnehmung «Ich denke»erschöpft erscheinen kann. Hamerling empfindet dieses; deshalb sagt er, es gelte auch das: «Ich denke nicht, somit bin ich.» Er sagt es, weil er fühlt: im menschlichen Ich wird etwas erlebt, das die Gewißheit seines Daseins nicht vom Denken empfängt, sondern dem Denken vielmehr seine Gewißheit gibt. Das Denken wird von dem wahren Ich in gewissen Zuständen entfaltet; das Erleben des Ich ist aber von der Art, daß sich die Seele durch dasselbe in eine Geistwirklichkeit versenkt fühlen kann, in der sie ihr Dasein auch für andere Zustände verankert weiß als die sind, für welche das «Ich denke, also bin ich» des Descartes gilt. Alles dies aber beruht darauf, daß Hamerling weiß: wenn das «Ich» denkt, so lebt in seinem Denken der Lebenswille. Das Denken ist gar nicht bloß Denken; es ist gewolltes Denken. «Ich denke» ist als Gedanke ein bloßes Gespinst, das nie und nirgends da ist. Es ist immer nur das «Ich denke wollend» da. Wer an das Gespinst: «Ich denke» glaubt, der kann sich damit absondern von der gesamten Geisteswelt; und dann entweder zum Bekenner des Materialismus werden oder zum Zweifler an der Wirklichkeit der Außenwelt. Zum Materialisten wird er, wenn er von dem in seinen Grenzen voll berechtigten Gedanken sich einfangen läßt, daß zum Denken, wie es Descartes im Sinne hat, die Nervenwerkzeuge notwendig sind. Zum Zweifler an der Wirklichkeit der Außenwelt wird er, wenn er in den - wieder innerhalb gewisser Grenzen berechtigten - Gedanken sich verwickelt, daß alles Denken über die Dinge doch in der Seele erlebt wird; man also mit seinem Denken doch nie an eine an sich bestehende Außenwelt herankommen könnte, auch wenn diese Außenwelt existierte. Wer den Willen in allem Denken bemerkt, der kann, wenn er zur Abstraktion neigt, nun allerdings den Willen vom Denken begrifflich absondern und im Stile Schopenhauers von einem Willen sprechen, der in allem Weltdasein walten soll, und der das Denken wie Schaumwellen an die Oberfläche der Lebenserscheinungen treibt. Wer aber die Einsicht hat, daß nur das «Ich denke wollend» Wirklichkeit hat, der denkt in der menschlichen Seele Wille und Denken so wenig getrennt, wie er bei einem Menschen Kopf und Leib getrennt denkt, wenn er den Gedanken von einer Wirklichkeit haben will. Ein solcher weiß aber auch, daß er mit dem Erleben eines vom Willen getragenen erlebten Denkens aus den Grenzen seiner Seele herausgeht und in das Erleben des auch durch seine Seele pulsierenden Weltgeschehens eintritt. Und in der Richtung nach einer solchen Weltanschauung bewegt sich Hamerling. Nach einer Weltanschauung, die weiß, daß sie mit einem wirklichen Gedanken ein Erlebnis des Weltenwillens in sich hat; nicht bloß ein Erlebnis des eigenen « Ich». Einer Weltanschauung strebt Hamerling zu, die nicht in das Chaos einer Willensmystik sich verirrt, die vielmehr in der Klarheit der Ideen den Weltenwillen erleben will. - Mit diesem Ausblick auf den durch die Ideen erschauten Weltenwillen weiß sich nun Hamerling stehend in dem Mutterboden des deutschen Weltanschauungs-Idealismus. Seine Gedanken erweisen sich vor ihm selber als wurzelnd im deutschen Volkstum, das schon in Jakob Böhme in elementarischer Art nach Erkenntnis rang. Auf Seite 259 f. von Hamerlings «Atomistik des Willens» liest man: «Den Willen zum obersten philosophischen Prinzip zu machen, ist - was man bisher übersehen zu haben scheint - ein vorzugsweise deutscher Gedanke, ein Kerngedanke des deutschen Geistes. Von den deutschen Naturphilosophen des Mittelalters bis zu den Klassikern der deutschen Spekulation und bis herab zu Schopenhauer und Hartmann durchzieht dieser Gedanke, bald mehr, bald weniger hervortretend, oft nur gleichsam auf einen Augenblick hervortretend, um dann in den gärenden Ideenmassen unserer Denker wieder zu verschwinden, die Philosophie des deutschen Volkes. Und so war es auch der ‹philosophus teutonicus›, der in Wahrheit deutscheste und tiefste aller modernen Philosophen, der in seiner tiefsinnigen originellen Bildersprache den Willen zuerst ausdrücklich als das Absolute, als die Einheit erfaßte ... » Und um noch auf einen anderen deutschen Denker dieser Richtung hinzuweisen, führt Hamerling Worte Jacobis, des Zeitgenossen Goethes, an: « Erfahrung und Geschichte lehren, daß des Menschen Tun viel weniger von seinem Denken, als sein Denken von seinem Tun abhängt; daß seine Begriffe sich nach seinen Handlungen richten und sie gewissermaßen nur abbilden, daß also der Weg der Erkenntnis ein geheimnisvoller Weg ist - kein syllogistischer - kein mechanischer.» - Weil Hamerling aus dem Grundton seiner Seele heraus ein Empfinden dafür hat, daß zur bloßen logischen Richtigkeit einer Idee deren Wirklichkeitsgemäßheit hinzukommen muß, kann er auch die Lebensansichten der pessimistischen Philosophen nicht gelten lassen, die durch abstrakt-begriffliches Abwägen bestimmen wollen, ob die Lust oder die Unlust im Leben überwiege, dieses also als Gut oder als Übel angesehen werden müsse. Nein, darüber entscheidet nicht das zur Theorie gewordene Nachdenken; darüber wird in viel tieferen Gründen des Lebens entschieden, in Tiefen, die über dieses Nachdenken zu richten haben; aber sich nicht von ihm richten lassen. Darüber sagt Hamerling: «Die Hauptsache ist nicht, ob die Menschen recht haben, daß sie alle, mit verschwindend kleinen Ausnahmen, leben wollen, leben um jeden Preis, gleichviel, ob es ihnen gut ergeht oder schlecht. Die Hauptsache ist, daß sie es wollen, und dies ist schlechterdings nicht zu leugnen. Und doch rechnen mit dieser entscheidenden Tatsache die doktrinären Pessimisten nicht Sie wägen immer nur in gelehrten Erörterungen Lust und Unlust, wie es das Leben im besonderen bringt, verständig gegeneinander ab; aber da Lust und Unlust Gefühlssache, so ist es das Gefühl und nicht der Verstand, welcher die Bilanz zwischen Lust und Unlust endgültig und entscheidend zieht. Und diese Bilanz fällt tatsächlich bei der gesamten Menschheit, ja man kann sagen, bei allem, was Leben hat, zugunsten der Lust des Daseins aus. Daß alles, was da lebt, leben will, leben unter allen Umständen, leben um jeden Preis, das ist die große Tatsache, und dieser Tatsache gegenüber ist alles doktrinäre Gerede machtlos.» In die geistige Wirklichkeit hinein sucht Hamerling den Weg in einer ähnlichen Art, wie ihn die Denker von Fichte bis Planck gesucht haben, die in dieser Schrift geschildert sind. Nur ist er bestrebt, der naturwissenschaftlichen Vorstellung in einem höheren Grade Recht widerfahren zu lassen, als dies etwa Schelling oder Hegel vermochten. Nirgends verstößt die «Atomistik des Willens» gegen die Forderungen des naturwissenschaftlichen Weltbildes. Überall aber ist sie durchdrungen von der Einsicht, daß dieses Weltbild nur ein Glied der Wirklichkeit darstellt. Sie beruht auf der Anerkennung des Gedankens, daß man sich dem Glauben an eine unwirkliche Welt hingibt, wenn man es ablehnt, die Kräfte einer geistigen Welt in die Gedankenwelt aufzunehmen. (Ich gebrauche hier das Wort unwirklich in dem Sinne, wie es bei der Besprechung von Planck angewendet ist.)
[ 29 ] In welch einem hohen Sinne Hamerlings Denken wirklichkeitsgemäß war, dafür spricht eindringlich seine satirische Dichtung «Homunculus» . In dieser zeichnet er mit großer dichterischer Kraft den Menschen, der selber seelenlos wird, weil zu seiner Erkenntnis nicht Seele und Geist sprechen. Was würde aus Menschen, die einer solchen Weltordnung wirklich entstammten, wie sie die naturwissenschaftliche Vorstellungsart dann sich als Glaubensbekenntnis zurechtlegt, wenn sie eine geistgemäße Weltanschauung ablehnt? Was wäre der Mensch, wenn das Unwirkliche dieser Vorstellungsart wirklich wäre? So etwa könnte man die Fragen stellen, die im «Homunculus» ihre künstlerische Antwort finden. Homunculismus müßte sich einer solchen Menschheit bemächtigen, die nur an eine im Sinne der mechanischen Naturgesetze gezimmerte Welt glaubte. Auch bei Hamerling zeigt sich, wie der zu den Ideen des Daseins Strebende den gesünderen Blick hat für das praktische Leben dem gegenüber, der geistesscheu vor der Ideenwelt zurückzuckt und sich dadurch als rechter «Wirklichkeitsmensch» fühlt. An Hamerlings Homunculus könnten diejenigen gesunden, die gerade in der Gegenwart sich von der Meinung verführen lassen, daß Naturwissenschaft die einzige Wissenschaft vom Wirklichen sei. Solche sprechen in ihrer Geistesscheu davon, daß ein heute, wie sie meinen, überwundener Idealismus der klassischen Zeit des Denkens den homo sapiens zu sehr in den Vordergrund gerückt habe. «Wahre Wissenschaft» müsse erkennen, daß der Mensch als homo öconomus innerhalb der Welt- und Menschenordnung vor allem zu betrachten sei. «Wahre Wissenschaft» ist für solche Menschen allein die aus der naturwissenschaftlichen Vorstellungsart entsprossene. Homunculismus entsteht aus solchem Glauben. Die ihn vertreten, ahnen nicht, wie sie dem Homunculismus zustreben. Hamerling hat mit dem Seherblick des Erkennenden diesen Homunculismus gezeichnet. Daß durch die rechte Schätzung des «homo sapiens» im Sinne Hamerlings nicht eine Überschätzung des Literatentums gezeugt wird, das können aus dem «Homunculus» auch diejenigen ersehen, welche sich vor solcher Überschätzung fürchten.
Images from the intellectual life of Austria
[ 1 ] The author would like to draw a few pictures - nothing other than such - and not about the intellectual and spiritual life of Austria, but only from this life. No kind of completeness is intended. Not even with regard to what the author himself has to say. Many other things may be much more important than what is presented here. For this time, however, only a few things from the spiritual life of Austria shall be indicated which are in some way directly or indirectly, more or less connected with the currents in which the writer of these remarks himself was involved during his youth. Spiritual currents, such as those meant here, can also be characterized in such a way that one does not give the ideas one has formed about them, but that one speaks about personalities, their way of thinking and their direction of feeling, of whom one believes that - as is symptomatic - these currents are expressed in them. I would like to describe what Austria reveals about itself through some of these personalities. If I speak in the first person in some places, you may find this justified in my current point of view.
[ 2 ] I would like to speak first of a personality in whom I believe I can see the revelation of intellectual Austrianism in the second half of the nineteenth century in a very noble sense, Karl Julius Schröer. When I came to the Vienna University of Technology in 1879, he was a teacher of German literary history there. He first became my teacher, then an older friend. He has not been among the living for many years now. - In the first lecture I heard from him, he spoke about Goethe's Götz von Berlichingen. Schröer's words brought to life the whole age from which this poetry grew. And also how Götz entered this age. A man spoke who incorporated into each of his judgments what he had incorporated from the world view of German idealism into all the feelings and intentions of his entire spiritual personality. The following lectures built up a vivid picture of German poetry since Goethe's appearance. In such a way that through the description of poets and poems one could always feel the lively weaving of the views that struggle for existence in the essence of the German people. Enthusiasm for the ideals of humanity carried Schröer's judgments; and they were characterized by a lively feeling for the view of life that began in Goethe's age. A spirit spoke from this man who only wanted to communicate what had become a deep self-awareness of his soul through the contemplation of spiritual life.
[ 3 ] Many who got to know this personality have misunderstood it. When I was already living in Germany, I was once at a dinner party. A very well-known literary historian was sitting next to me. He was talking about a German princess whom he praised very highly, only - he said - she could also stray from her usual sound judgment, which was shown, for example, by the fact that she "considered Schröer to be an important man". I can understand that some people do not find in Schröer's books what many of his students found through the lively influence of his personality; but I am convinced that those who are able to receive his impression not only according to the so-called "strict method", perhaps even according to one that bears the stamp of this or that school of literature, but according to their own way of judging, according to the revelation of a self-experienced view, could also feel much of it in Schröer's writings. It is from such a point of view that a personality matured in German worldview idealism also speaks from Schröer's much criticized book "Geschichte der deutschen Dichtung im neunzehnten Jahrhundert" and from other of his works. A certain kind of presentation in his Faust commentary, for example, may repel some free-minded people. However, Schröer's presentation is influenced by what a certain age considered to be inseparable from the character of science. Even strong minds have come under the yoke of this view; and one must seek these minds themselves in their true character by penetrating a shell of their work imposed on them by this yoke.
[ 4 ] Karl Julius Schröer spent his boyhood and youth in the light of a man who - like himself - was rooted in spiritual German-Austrianism; who was one of its blossoms - his father Tobias Gottfried Schröer. - Not so long ago, certain books were known in the widest circles, to which many people undoubtedly owed the awakening of an idealistically deepened perception of history, poetry and art, borne by a spiritual view of life. They are: "Briefe über die Hauptgegenstände der Ästhetik" by Chr. Oeser, "Die kleinen Griechen" by Chr. Oeser, "Weltgeschichte für Töchterschulen" and others by the same author. In these writings, a personality speaks about the most diverse areas of spiritual life from the point of view of the writer of youth, a personality who has matured in the way of thinking of the Goethean age of German spiritual development, and who looks at the world with the soul eye formed by it. The author of these writings is Tobias Gottfried Schröer, who published them under the name Chr. Now - nineteen years after the death of this man - the German Schiller Foundation presented his widow (in 1869) with an honorary gift, which was accompanied by a letter stating: "The undersigned board has learned to its deepest regret that the wife of one of the most worthy German writers, a man who with talent and mind always stood up for national sense, is by no means in circumstances that correspond to her standing and the merits of her husband, and so it only fulfills a duty commanded to it by the spirit of its statutes when it endeavors as far as possible to compensate somewhat for the disfavor of a hard fate. " Inspired by this decision of the Schiller Foundation, Karl Julius Schröer then wrote an article about his father in the Wiener Neue Freie Presse, from which it became known, what until then had only been known to a very small circle, that Tobias Gottfried Schröer was not only the author of Chr. Oeser's writings, but also an important poet and writer of works that are true ornaments of Austrian intellectual life and who only remained unknown because he could not give his name due to the censorship conditions prevailing at the time. His comedy "Der Bär", for example, was published in 1830. Karl von Holtei, the important Silesian poet and playwright, commented on it immediately after its publication in a letter to the author: "As far as the comedy 'Der Bär' is concerned, it delighted me. If the invention, the creation of the characters is entirely yours, I wish you luck with all my heart, because then you will still write beautiful plays." The poet took his material from the life of Ivan IV Vasilievich and all the characters except Ivan himself are his own creation. A drama published later, "The Life and Deeds of Emerich Tököly and His Comrades in Arms", was brilliantly received without anyone knowing the author. In the "Blätter für literarische Unterhaltung" (October 25, 1839) it was written: "A historical picture of admirable freshness ... Works with such a fresh touch and such a resolute character are truly a rarity in our day ... Each of the groups is full of high charm, because it is full of high truth; ... the author's Tököly is a Hungarian Götz von Berlichingen, and the drama can only be compared with him. ... From such a spirit we can expect everything, even the greatest." This judgment stems from W. v. Lüdemann, who wrote a "History of Architecture", a "History of Painting", "Walks in Rome", stories and novellas, works that speak of subtlety and a high understanding of art.
[ 5 ] The sun of German worldview idealism had already shone on Karl Julius Schröer through his father's way of thinking when he went to the universities of Leipzig, Halle and Berlin at the end of the 1940s, where he was still able to feel this idealism through many of the things that influenced him. When he returned home in 1846, he took over the management of the "Seminarium für deutsche Literärgeschichte und Sprache" at the Lyceum in Bratislava, which his father had founded in that city. In this position he now developed an activity whose character he shaped in such a way that one can say: Through his endeavors, Schröer sought to solve the task of how best to work in the intellectual life of Austria when one finds the direction of one's endeavors predetermined by the fact that one has received the driving forces of one's own soul from German culture. In a "Lehr- und Lesebuch" (which appeared in 1853 and is a "History of German Literature"), he spoke about this endeavor: "There (in the Lyceum) came together primers, lawyers, theologians of the Lyceum ... came together ... To such an audience I endeavored to present the Glorie des deutschen Volkes in its development, to evoke awe for German art and science, and possibly to bring the audience closer to the viewpoint of modern science." And Schröer expressed his view of Germanism in this way: "From this point of view, the one-sided passions of the parties naturally disappeared before my eyes: you will hear neither a Protestant nor a Catholic, neither a conservative nor a subversive enthusiast, and someone who is enthusiastic about German nationality only insofar as humanity was won through it and the human race was glorified." And I do not want to repeat these words, written almost seventy years ago, in order to say what was right for a German in Austria at that time, or even what is right now. I only want to show what a person was like in whom the German-Austrian nature was expressed in a special way. Members of the various parties and nations in Austria will also make the most diverse judgments about the extent to which this nature gives the Austrian the right kind of aspiration. And in addition to all this, it should also be borne in mind that Schröer expressed himself in this way as a young man who had just returned from German universities. But what is significant is that in the soul of this young man, not out of political intentions, but out of purely spiritual worldview thoughts, the German-Austrian consciousness formed an ideal for Austria's mission, which he expresses in these words: "If we compare Germany with ancient Greece and the German with the Greek tribes, we find a great similarity between Austria and Macedonia We see the beautiful task of Austria in one example before us: to spread the seed of Western culture over the East."
[ 6 ] Schröer later became a professor at the University of Budapest, then a school principal in Vienna, and finally worked for many years as a professor of German literary history at the Vienna University of Technology. In a way, these positions were only the outer garments of a significant activity within Austrian intellectual life. This activity began with an exploratory immersion in the spiritual and linguistic expressions of German-Austrian folk life. He wants to recognize what works and lives in the people, not like a dry, sober researcher, but like someone who wants to reveal the riddles of the people's soul in order to see through the forces of humanity that struggle into existence in these souls. In the vicinity of the Bratislava region, old Christmas plays lived among the peasants. They are played every year around Christmas time. They are passed down from generation to generation in handwritten form. They show how the people dramatize the birth of Christ, and everything connected with it, in cosy images. Schröer collects such plays in a booklet and writes an introduction to them, in which he describes this revelation of the popular soul with the most loving devotion, so that his account immerses the reader in popular feeling and popular opinion. In the same spirit, he then undertakes to portray the German dialects of the Hungarian mountains, the West Hungarian Germans and the Gottscheerland in Carniola. Everywhere his intention is to unravel the organism of the folklore; what he has researched really gives a picture of the life that works in the development of language and the soul of the people. And basically, in all such endeavors, he had in mind the idea of getting to know the living conditions of Austria from the spiritual driving forces of its peoples. Much, very much of the answer to the question: what weaves in the soul of Austria? can be gained from Schröer's dialect research. - For him, however, this intellectual work had another effect. It provided him with the basis for deep insights into the nature of the human soul in general. When he was able to test how views on education and teaching are shaped by a mind that has looked as deeply into the essence of the popular mind as he has through his research, these insights bore fruit. And so he was able to publish a small work: "Unterrichtsfragen" (Questions of Teaching), which, in my opinion, should be counted among the pearls of educational literature. This little book deals brilliantly with the aims, methods and nature of teaching. I believe that this little book, which is completely unknown today, should be read by everyone who has anything to do with teaching within the German cultural area. Although it is written entirely for Austrian conditions, the guidelines given in it can be applied to the entire scope of German culture. What one might call outdated about the book, which was published in 1876, is out of the question in view of the way of thinking it contains. Such a way of thinking, gained on the basis of a rich life experience, always remains fruitful, even if the later living person has to apply it to new conditions. In the last decades of his life, Schröer's intellectual work was almost entirely devoted to delving deeper into Goethe's life's work and way of thinking. In the introduction to his book "Die deutsche Dichtung des neunzehnten Jahrhunderts" (German Poetry of the Nineteenth Century), he stated: "We in Austria want to go hand in hand with the intellectual life of the German Empire." He saw the roots of this intellectual life in the world view of German idealism. And he expressed his commitment to this world view with the words: "The world-rejuvenating emergence of idealism in Germany, in the age of frivolity a hundred years ago, is the greatest phenomenon in modern history. The intellect, directed only towards the finite, which does not penetrate into the depths of being; with it the selfishness directed towards the satisfaction of sensuality, suddenly receded behind the emergence of a spirit that rises above all that is common." (Cf. introduction to Schröer's Faust edition, 1st vol., 3rd ed., p. XXVIII.) In Goethe's "Faust" Schröer saw "the hero of invincible idealism. It is the ideal hero of the time in which the poetry was written. His contest with Mephistopheles expresses the struggle of the new spirit as the innermost essence of the epoch, and that is why this poem stands so high: it lifts us to a higher level". (In the same Faust edition, p. xxx.)
[ 7 ] Schröer is unreservedly committed to German idealism as a world view. In his "Geschichte der deutschen Dichtung des neunzehnten Jahrhunderts" (History of German Poetry of the Nineteenth Century), he uses the words with which he wants to characterize the thoughts in which the spirit of the German people expresses itself when it does so in the sense of its very own essence: "In what is perceived experientially, conditions are recognized everywhere that are hidden behind the finite, experientially recognizable. They must be described as the unconditioned and are perceived on all sides as something permanent in change, as an eternal lawfulness, and at the same time as something infinite. The perceived infinite in the finite appears as an idea; the ability to perceive it as reason, in contrast to the intellect, which clings to the clearly finite and perceives nothing beyond it." At the same time, the way in which Schröer professes this idealism shows the participation of everything that resonates in a soul that feels the Austrian spiritual current in its own being. And this is what gives his worldview idealism its particular shade of color. By expressing it, the thought is given a shade of color that does not readily release it into the realm that Hegel described as that of philosophical knowledge with the words: "To comprehend what is is the task of philosophy; for what is reasonable is real, and what is real is reasonable. When philosophy paints its grey in grey, then a figure of life has grown old; the owl of Minerva only begins its flight in the dawning twilight" (see my book "Rätsel der Philosophie", 1st volume.) No, Schröer, the Austrian, does not want to see the world of thought grey in grey; the ideas should shine in a color that has a refreshing, constantly rejuvenating effect on the mind. And rather than the bird of twilight, Schröer would probably have thought in this context of the human mind struggling for light, which seeks in the world of ideas the sun of the realm in which the mind directed towards the finite and the sensory world should feel its light extinguishing.
[ 8 ] Herman Grimm, the intellectual observer of art, has found words of complete appreciation for the Austrian sculptor Heinrich Natter. The essay he published on Natter in his "Fragments", published in 1900, also contains Grimm's thoughts on Natter's relationship to Austrianism. "Wherever I meet Austrians, I am gripped by an ingrained love for the soil of the special fatherland and the urge to rise up in spiritual community with all Germans. Let only one of these men be remembered this time, Ignaz Zingerles. The Walter statue in Natters owes its existence to his incessant, silent work. He resembled the men of our earlier centuries in that he was hardly conceivable outside the district of his closest home. A figure with simple outlines of loyalty and honesty, as if built from boulders. A Tyrolean, as if his mountains were the navel of the earth, an Austrian through and through and at the same time one of the best and noblest Germans. And so Natter was also a good German, Austrian and Tyrolean, everything." And Herman Grimm says of the monument to Walter von der Vogelweide in Bolzano: "In Natter, the intimacy of German feeling and creative imagination were united. His Walter von der Vogelweide stands in Bolzano as a triumphant bijou of German art, towering in the wreath of the Tyrolean mountains on the borders of the fatherland. A manly, solid figure." - I often had to think of these words by Herman Grimm when I remembered the magnificent figure of the Austrian poet Fercher von Steinwand, who died in 1902. He was "a good German, Austrian and Carinthian, everything"; even if one could hardly say of him that he was "hardly conceivable outside the district of his closest homeland". I got to know him in Vienna at the end of the eighties and was able to meet him personally for a short time. He was sixty years old at the time; a true shining figure, even outwardly; his noble features, his speaking eyes, his expressive gestures revealed a captivating warmth; through serenity and prudence, this soul still worked in the old man as if with the freshness of youth. And if one got to know this soul, its character, its creations, one saw how the sensibility shaped by the Carinthian mountains had united with a life that had become sense in the power of German worldview idealism. - A sensing that is born entirely in the soul as a poetic world of images; that points with this world of images into the depths of existence; that confronts the riddles of the world artistically without the originality of artistic creation fading into thought poetry - such a sensing can be seen in the following lines from Fercher von Steinwand's "Chor der Urträume":
Removed from all ascended
Spaces withdrawn,
An ether walks in radiant arcs,
Walk in hidden
Depths the waves.
There with the seeing
Will loaded,
Our ferries swing in swathes,
Between emerging
Shores of wonder.
There before the warming
Eyes of mildness
We weave and wind our formations
Around the swarming
Fields of stars
There, to the doom
Never beholden,
We have built floating castles
And the afflictions
Exultantly destroyed.
Who with most sacred
Described you with the most sacred features,
Highest dwelling of the contemplative impulses,
Wait of the most hasty
Servant of love!
[ 9 ] The following stanzas want to reveal how the soul lives in thinking-waking dreams in faraway starry worlds and in near reality; then the poet continues:
Whatever thoughtful
Powers accomplish:
Only on the unfolded wings of dreams
Can the mighty be
Can be won permanently.
Every mastering greatness of deeds,
All protecting angels of the seeds
Are by inspiring
dreams advised.
[ 10 ] Fercher von Steinwand goes on to sing of the penetration of thought spiritualized into dreaming into the depths of the world - of the penetration of that dreaming which is an awakening from ordinary waking into the depths in which the life of the spiritual of the world can make itself felt by the soul:
Life, with vibrating
heart heard,
Life, climbed with a struggling heart
Under sounding
Spirit welcome:
[ 11 ] and then he lets it resound to the human spirit what the beings of the spiritual realm speak to the soul that opens itself to them in contemplation
"Be you recovered,
Lovingly entwined!
What you sought in uplifting hours,
Here, you exquisite ones,
It is found;
Here in sublime
Divine halls,
Where minds please the mind,
Where the buried
Voices resound -
Where the sorrowful
Walk royally,
Shining souls spread their smiles
Around the shattered
Wheels of the ages --
Only the blinded
Earthly fools
Are born for the maw of destruction,
Spiritually perfected
Worlds lost! Well to the receptive,
Whom we buoy up,
Whom we buoy up to the most flourishing life,
Without transient
To weave shadows!"
[ 12 ] This "Chorus of Primal Dreams" is followed in Fercher von Steinwand's poems by his "Chorus of Primal Urges":
In the boundless latitudes
Our old mother's night,
Hark - there seems to argue with itself
The mysterious power! Do we hear the foreboding stride?
Has the longing awakened? Has a flash of inspiration been kindled? Do dreams glide through the vastness?
How powers intoxicate themselves with strength,
Blissful exchange! Sudden haste,
Silent lingering,
Indulgent listening
Alternates with waving
Astonished trepidation! The charm of attainment
Rises in order to sink,
Sinks to hate,
White before the pale
Image of the embrace
Hate not to grasp.
Dark ramifications
Sprouting inclinations
Searching for tendrils
Heavy thoughts
Dawning and wavering
Over the expanses,
Seem to advise
Or to guide.
What they prepare,
Are they the seeds
Of giant deeds,
Of radiant times?
He who felt what he felt
Creatively felt! Who wandered through it,
Blissfully enjoying
Or unraveled,
Revealing the high! Above it moves like the embrace of spirits,
We in warmth,
We also win,
Searching and pondering,
See ourselves lifted,
Highest beginning
Happily interwoven.
That blow around us,
Arise within us:
"It is you, ideas! - -"
[ 13 ] So the poet's soul ponders into the experience where the world spirit's ideas of existence reveal secrets to the soul spirit, and the soul spirit sees the supersensible formers of the sensually formed. - After the visions of the soul have been depicted in the chorus of worldly urges in brilliant, resounding images, the poet concludes:
"May the duration become accustomed,
What the urge conjured up,
The beautifying, the reconciling
Walt' in the stream of creation before.
Sweet light, in fair tones
Climbs the heart up to you,
While before the gate of the West,
Help crown the deed of love! Is yet the impulse from the earthly bonds
Risen spiritually! But the mature,
Ruling, bundled,
Reveals itself as spirit! Everything that circles,
Earthly founded,
Heavenly ignited things
Created itself in the spirit,
Came from the spirit,
Works through the spirit
- - - - -
- - - - -
Yet created the mighty chaos rapture
Room for happiness!
Wrapped in the dew of breathing mildness
Forest and climes!
See to it that the glow joins the dew,
Sensibly form the hem of transfiguration -
Let every drop hover over the threshold
Spiritual brightness!"
[ 14 ] In Fercher von Steinwand's "sämtlichen Werken" (published by Theodor Daberkow in Vienna), some details about his life are also printed, which he himself wrote down at the request of friends on the occasion of his seventieth birthday. The poet writes: "I began my life on March 22, 1828, on the heights of the Steinwand above the banks of the Möll in Carinthia, in the middle of a defiant community of lofty mountains, under whose commanding grandeur the burdened man seems to be constantly impoverished." - As the world view of German idealism is poured into poetic creation in "Chor der Urtriebe", it is interesting to see how the poet received inspiration from this world view in his youth as he made his way through Austrian intellectual life. He describes how he came to the University of Graz: "With my securities, which of course presented nothing but school reports, close to my chest, I reported to the dean in Graz. It was Professor Edlauer, a criminologist of great renown. He hoped to see me (he said) as a diligent listener in his college, he would read about natural law. Behind the curtain of this harmless announcement, he gave us enthusiastic lectures throughout the semester on the German philosophers who had been kept away by well-meaning bans under the paternal care of our intellectual guardians: Fichte, Schelling, Hegel and so on, heroes, that is, founders and fructifiers of all pure fields of thought, givers of language and creators of concepts for every other science, thus illustrious names that nowadays shine from the corners of our alleyways and stand out there almost whimsically in their peculiar diamond clarity. This semester was my vita nuova!"
[ 15 ] Whoever gets to know Fercher von Steinwand's tragedy "Dankmar", his "Gräfin Seelenbrand", his "Deutsche Klänge aus Österreich" and others by him will be able to sense much of the forces at work in Austrian intellectual life in the second half of the nineteenth century. And the fact that one receives from Fercher von Steinwand's soul a picture of this intellectual life in clarity, truth and authenticity is attested to by the whole of this personality. The amiable Austrian dialect poet Leopold Hörmann felt right when he wrote the words:
"Far from meanness,
greed and pettiness;
Enemy of advertising,
The disgusting lady;
German in spirit,
Strong and full of goodness,
Great in thought,
No hesitation and wavering,
Trutz all objection -:
Fercher von Steinwand !"
[ 16 ] From the Austrian intellectual life of the second half of the nineteenth century emerges a thinker who expresses deeply significant traits of the worldview of the modern era: the ethicist of Darwinism Bartholomäus von Carneri. A thinker who lived through Austria's public life as if he had experienced happiness and suffering himself and who took an active part in this life with all the strength of his mind as a member of the Imperial Council for many years. Carneri could initially appear only as an opponent of a spiritual world view. For all his endeavors were aimed at shaping a world view that came about solely through ideas that lie in the current of thought stimulated by Darwinism. But if you read Carneri with a sense not only for the content of his views, but also for the underground of his soul, which struggles for truth, you will discover a strange fact. In this thinker, an almost completely materialistic view of the world paints itself, but with a clarity of thought that stems from the deep-seated idealistic trait of his nature. For him, as for many of his contemporaries, the ideas rooted in a world view based entirely on Darwinism had burst into his intellectual life with such overwhelming force that he could not help but include all contemplation of spiritual life in this world view. To want to approach the spirit in a cognitive way, other than on the paths Darwin had taken, seemed to him to tear apart the unified being that must be spread over all human striving for knowledge. In his opinion, Darwinism has shown how a unified law of causes and effects encompasses the development of all natural beings up to man. Whoever understands the meaning of this connection must also realize how the same lawfulness in man increases and refines the natural forces and instincts so that they grow up to the height of moral ideals and views. Carneri believes that only man's deluded arrogance and misguided overestimation of himself can seduce the striving for knowledge to want to approach the spiritual world with other means of knowledge than nature. - Every page of Carneri's writings on the moral nature of man proves, however, that he would have shaped his view of life in the manner of Hegel if Darwinism had not, at a certain point in the development of his life, struck his thoughts like a bolt of lightning with irresistible suggestive power, so that he made a great effort to silence the predisposition to an idealistic view of the world. Admittedly - as his writings also prove - this view of the world would not have emerged through the pure thinking that prevailed in Hegel, but through a thinking that was tinged with cozy sensuality: but Hegel's direction would have taken it nonetheless. - As if from the hidden depths of the soul, Hegel's way of thinking often emerges in Carneri's remarks as a kind of reminder. On the page of the "Grundlegung der Ethik" one reads: "With Hegel ... the dialectical movement had taken the place of the causal law, a gigantic idea which, like all the Titans, could not escape the fate of arrogance. His monism wanted to storm Olympus and sank back to earth, but in order to remain a lamp for all future thinking, illuminating the path and also the abyss." On page 154 of the same book, Carneri speaks of the essence of Greekness and says: "We are not remembering the mythical heroic age, nor the times of Homer ... . We are placing ourselves in the heyday of the years that Hegel so aptly described as the youthful age of humanity." On page 189, Carneri characterizes the attempts that have been made to fathom the laws of thought and remarks: "The greatest example of this kind is Hegel's attempt to allow thought to unfold, so to speak, without being determined by the thinker. The fact that he went too far in this does not prevent the unbiased from recognizing this attempt to lay a single law at the basis of all physical and mental development as the most glorious in the entire history of philosophy. His services to the development of German thought are imperishable, and many an enthusiastic student, who later became his bitter opponent, has erected a lasting monument to him in the perfection of the mode of presentation he acquired against his will." On page 421 we read: "Hegel has told us in an unsurpassable way how far one can get in philosophizing" with mere so-called common sense ". - Well, one might think that Carneri himself has also "in the perfection of the mode of presentation acquired through him ... a lasting monument", even if he applied this method of representation to a world view that Hegel would probably never have agreed with. But Darwinism had such a suggestive effect on Carneri that he counted Hegel alongside Spinoza and Kant among the thinkers of whom he said: "They would have accepted the sincerity of his (Carneri's) endeavor, which would never have dared to look beyond them, had not Darwin torn the veil that ensnared the whole of creation as long as the doctrine of expediency was irrefutable. We have this awareness, but also the conviction that those men would not have said many things at all or would have said them differently if they had been allowed to live in our time, with liberated natural science..."-
[ 17 ] Carneri developed a form of materialism in which perspicacity often degenerates into naivety, the insight into "liberated natural science" into blindness to the impossibility of one's own concepts. "We conceive of matter insofar as the phenomena resulting from its divisibility and movement act physically, i.e. as mass on our senses. If the division or differentiation goes so far that the resulting phenomena are no longer sensual, but only perceptible to the mind, then the effect of the substance is a spiritual" (Carneri's Groundwork of Ethics, page 30). It is as if someone wanted to explain reading and said the following: As long as someone has not learned to read, he cannot say what is written on a page of a book. Because only the shapes of the letters are visible to him. As long as he can only look at these letter forms, into which the words can be divided, his contemplation of the printed matter does not lead to reading. Only when he comes to perceive the letter forms in a more divided or differentiated way does the meaning of the printed matter have an effect on his soul. - Of course, a convinced believer in materialism will find such an objection ridiculous. But the difficulty of putting materialism in the right light lies precisely in the fact that one has to express such simple thoughts. Thoughts to which it is scarcely credible that the adherents of materialism do not form them for themselves. And thus the prejudice easily falls upon the illuminator of this world-view that he is meeting with meaningless phrases a view which is based on the experience of recent science and on its strict principles. 1From a later remark in this description of Carneri's world of thought, it will be seen that the author of this writing does not find his characterization of materialism applicable to Carneri alone, but that he is of the opinion it applies to widespread views of the present day, which often emphasize that materialism has been scientifically overcome, without knowing, or often even suspecting, how materialistic that is by which they think materialism has been overcome. And yet the strongly persuasive power of materialism for its advocates arises only from the fact that they are unable to feel the strength of the simple ideas that destroy their view. He is convinced - like so many - not by the light of logical reasons which he has seen through, but by the power of habits of thought which he does not see through; indeed, which at first he feels no need to see through. But Carneri differs from such materialists, who hardly suspect anything of this need, in that his idealism constantly brings it into his consciousness and he therefore often has to silence it in a rather artificial way. No sooner has he admitted that the spiritual is an effect of finely divided matter than he immediately adds: "This view of the spirit will be unsatisfactory to many a claim; however, in the further course of this investigation the value of our view will prove to be significant, and quite sufficient to draw the attention of materialism, which wants to touch the phenomena of the spirit physically, to the insurmountability of its limits." (Grundlegung der Ethik, page 30.) Indeed, Carneri is truly afraid of being counted among the materialists; he defends himself against this with words such as these: “rigid materialism is just as one-sided as old metaphysics: the latter brings no sense to its design, the latter no design to its sense; there is a corpse, here a ghost, and what both struggle for in vain is the creative glow of sentient life.” (Grundlegung der Ethik, page 68.) - But now Carneri feels how justified it is to call him a materialist; for after all, no one in his right mind, even if he professes materialism, will claim that a moral ideal can be "physically touched", to use Carneri's expression. - He will only say that the moral ideal appears in the material through a process in it. And this is also what Carneri says in his assertion about the divisibility of matter. It is from this feeling that he says (in his work "Sensation and Consciousness"): " The charge of materialism will be brought against us, inasmuch as we deny all spirit and allow only matter to be valid. But this reproach does not apply as soon as the ideality of the world view is assumed, for which matter itself is nothing but a concept of thinking man." But now touch your head and feel whether it is still whole after you have taken part in such a conceptual dance! Substance becomes matter when it is so coarsely divided that it only acts "as mass on the senses"; it becomes spirit when it is so finely divided that it is only perceptible to "thinking". And matter, that is, the coarsely divided substance, is after all only "a concept of the thinking human being". With its coarse division, therefore, matter achieves nothing other than the role of a human concept, which is questionable for a materialist; but if it divides itself more finely, it becomes spirit. Then the mere human concept would have to divide itself more finely. But now such a world-view immediately makes the hero, who pulls himself out of the water by his own hair, the model of all reality! - One can understand why another Austrian thinker, F. von Feldegg (in the "Deutsche Worte" of November 1894), countered Carneri with the words: "As soon as the ideality of the world view is assumed! What, for all the forced eccentricity of the thought, arbitrary supposition! Yes, does it depend entirely on our discretion whether we start from the ideality of the world view or from the opposite - that is, from its reality? And is matter supposed to be nothing but a concept of the thinking person for this ideality? This is the most absolute idealism, such as Hegel's, which is supposed to provide support here to counter the accusation of materialism; but in a moment of need it is not acceptable to turn to the one whom one has stubbornly denied until then. And how does Carneri intend to reconcile this idealistic confession with everything else contained in his writing? In fact, there is only one explanation, and that is this: Carneri also fears and craves the transcendent. However, this is a half-measure that has bitter consequences. Carneri's 'Monistic Concerns' thus disintegrate into two heterogeneous parts, a roughly materialistic part and a hidden idealistic part. In the former, the author's head is right, for it cannot be denied that he is immersed up to his head in materialism; in the latter, on the other hand, the author's mind defends itself against the crude demands of rationalist fashionable conceit with the power of that metaphysical magic from which even in our coarse-minded age nobler natures are not able to completely escape."
[ 18 ] And despite all this: Carneri is an important personality, of whom it may be said (as I indicated in my book "Rätsel der Philosophie", 2nd volume): "This Austrian thinker sought to open up broad perspectives of worldview and life organization out of Darwinism. He emerged eleven years after the publication of Darwin's 'Origin of Species' with his book 'Morality and Darwinism', in which he made the new world of ideas the basis of an ethical world view in the most comprehensive way. Since then, he has constantly endeavored to expand Darwinian ethics. Carneri tries to find the elements in the image of nature through which the self-conscious ego can be imagined within this image. He wants to think this image of nature so broad and large that it can encompass the human soul." - Carneri's writings seem to me to challenge us everywhere through their own character: to eradicate from their content everything that their author forced himself to do by placing himself under the yoke of the materialistic world view; and to look only at what appears in them as a revelation of a great man, like an elementary inspiration of his mind. From such a premise, one can read how he conceives of the task of educating to true humanity: "The task of education is... to train man in such a way that he must do the good. That human dignity does not suffer from this, but rather that the harmonious development of the being, which by its nature joyfully accomplishes what is noble and great, is an ethical phenomenon that cannot be conceived more beautifully.... . The solution of this glorious task is made possible by the striving for happiness, to which the instinct of self-preservation purifies itself in man as soon as intelligence is fully developed. Thinking is based on feeling and is only the other side of feeling, which is why all thinking that does not reach maturity in the warmth of feeling, like all feeling that does not clarify itself in the light of thinking, is one-sided. It is the task of education to purify the striving for happiness through the concordant development of thinking and feeling, so that the I sees its natural extension in the You, its necessary completion in the We, and egoism recognizes altruism as its higher truth.... . Only from the point of view of the instinct of happiness is it explicable that one should lay down his life for a beloved being or a sublime purpose: he sees his higher happiness precisely in this. Seeking his true happiness, man arrives at morality; only he has been educated to be so educated that he cannot do otherwise. He finds the most beautiful reward in the blissful feeling of the nobility of his deed and demands no more." (Compare Carneri's book: Modern Man. Introduction.) As you can see: Carneri considers the pursuit of happiness, as he sees it, to be a natural force in true human nature, a force that must unfold under the right conditions, just as a plant germ unfolds when it has the conditions to do so. Just as the magnet has the power of attraction through its own nature, so the animal has the instinct of self-preservation, and so man has the instinct of bliss. Nothing needs to be grafted on to human beings in order to lead them to morality; one only needs to develop their instinct of happiness properly, and they will unfold through it to true morality. Carneri considers in detail the various manifestations of the life of the soul: how sensation stimulates or dulls this life; how the affects, the passions work: and how in all this the bliss instinct unfolds. This he presupposes in all these expressions of the soul as their actual fundamental power. And by giving this concept of bliss a broad meaning, all the soul's desires, wills and actions fall within its sphere. How a person is depends on the image he has of his happiness: one person sees his happiness in the satisfaction of base instincts, another in acts of devoted love and self-denial. If it were said of someone: he does not strive for happiness, he only does his duty selflessly, Carneri would object: his sense of happiness consists precisely in not consciously pursuing happiness. But with such an extension of the concept of happiness, Carneri reveals the thoroughly idealistic basic tone of his world view. For if happiness is something quite different for different people, then morality cannot lie in the pursuit of happiness; rather, the fact is that man perceives his ability to be moral as making him happy. Thus human striving is not drawn down from the realm of moral ideals into the desire for happiness, but it is recognized as inherent in the nature of man to see his happiness in the attainment of ideals. "According to our conviction" - says Carneri - "ethics has to content itself with the statement that the path of man is the path to bliss, and that man, walking the path to bliss, matures into a moral being. " (Grundlegung der Ethik, page 423.) - Anyone who now believes that Carneri wants to make ethics Darwinian through such views is deceived by the way this thinker expresses himself. This is forced by the overwhelming power of the scientific conception prevailing in his age. In truth, Carneri does not want to make ethics Darwinian, but to make Darwinism ethical. He wants to show that one only needs to recognize man in his true essence, as the naturalist seeks to recognize a natural being, then one finds in him not a natural being, but a spiritual being. This is Carneri's significance, that he wants to incorporate Darwinism into a spiritual worldview. And this makes him one of the most important minds of the second half of the nineteenth century. One does not understand the demands made on mankind by the scientific insights of this age if one thinks like those who want all striving for knowledge to be absorbed into natural science. Like those who until the end of the nineteenth century called themselves confessors of materialism, but also like those who today in reality are no less so whenever they affirm anew that materialism has long since been "overcome by science". At present, many do not call themselves materialists only because they lack the ability to recognize that they are. One can almost say that some people now reassure themselves about their materialism by pretending that they no longer need to call themselves materialists according to their views. They will still have to be called that. One has not yet overcome materialism by rejecting the view of a number of thinkers of the second half of the nineteenth century who regarded all spiritual experiences as mere material effects; but only by accepting to think about the spiritual in the same spiritual sense as one thinks about nature in the natural sense. What is meant by this is already clear from the preceding remarks in this paper, but will become particularly clear in the concluding remarks, which are intended as an "outlook". - But one does not do justice to the demands mentioned if one establishes a world view against natural science and only indulges in rejections of the "raw" ideas of "materialism". Since gaining the scientific insights of the nineteenth century, every spiritual worldview that wants to correspond to its age must incorporate these insights as an element in its world of thought. And Carneri grasped this powerfully and expressed it forcefully in his writings. Carneri, who took the first steps towards this understanding, could not yet fully realize that a true understanding of the newer scientific ideas would not lead to the consolidation of materialism, but to its true overcoming. That is why he was of the opinion, to recall Brentano's words once again (see p. 53 of this book), "that the hopes of Plato and Aristotle to gain certainty about the survival of our better part after the dissolution of the body" could not be expected to be fulfilled by the newer science. But anyone who delves into Carneri's thoughts in such a way that he not only accepts their content, but also looks at the path of knowledge on which this thinker was only able to take the first steps, will find that through him, in a different direction, something similar has happened for the further development of the world view of German idealism as through Troxler, Immanuel Hermann Fichte and others in the direction indicated in this writing. With the powers of Hegelian thought, these spirits sought to penetrate not only into the sensualized spirit, but also into that spiritual realm which is not revealed in the sensory world. Carneri strives to devote himself to the scientific mode of conception with a spiritual view of life. The further pursuit of the path felt by these thinkers can show that the forces of knowledge to which they have turned will not destroy the "hopes of Plato and Aristotle about the survival of our better part after the dissolution of the body", but will give them a firm basis of knowledge. On the one hand, it is certainly justified when the aforementioned F. v. Feldegg (Deutsche Worte, of November 1894), referring to the conflict in which Carneri found himself in relation to idealism and materialism, says: "But the time is no longer distant when this conflict will come to a head not only in the individual, but in the entire cultural consciousness. But Carneri's 'misgivings' are perhaps an isolated forerunner of quite different and more powerful 'misgivings', which will then, like a storm, sweep away whatever of our 'scientific' creed has not yet succumbed to self-destruction." On the other hand, however, it can be acknowledged that Carneri, through the way in which he processed Darwinism for ethics, also became one of the first overcomers of Darwinian thinking.
[ 19 ] Carneri was a personality for whom thinking about the questions of existence characterized everything she did and worked on in life. Not one of those who become "philosophers" by allowing the healthy roots of life's reality to wither within them. But rather one of those who prove that a realistic exploration of life can produce more practical people than the anxious, but also comfortable, keeping away from every idea and the stubborn insistence that one should not allow the "true" practice of life to be spoiled by conceptual musings. Carneri was an Austrian representative of the people, from 1861 in the Styrian Parliament, from 1870 to 1891 in the Imperial Council. I still often think of the heart-warming impression I received when, as a young twenty-five-year-old, I heard Carneri speak from the gallery of the Imperial Council in Vienna. A man stood down there who had deeply absorbed Austria's living conditions, the conditions resulting from the development of Austria's culture and the vital forces of its peoples, and who, in what he expressed, spoke from the high vantage point on which his world view had placed him. And in all this, never a pale thought; always heart-warming tones; always ideas that were strong in reality; not the words of a merely thinking head; but the revelations of a whole man who felt Austria pulsating in his own soul and had clarified this feeling through the idea: "Humanity will only fully deserve its name and walk on the path of morality when it knows no other struggle than work, no other shield than justice, no other weapon than intelligence, no other banner than civilization." (Carneri, Morality). (Carneri, Morality and Darwinism, page 508.)
[ 20 ] I have tried to show how a sensible idealism is the root of Carneri's soul life, firmly rooted in reality; but also how - overwhelmed by a materialistic view of the times - this idealism goes hand in hand with a way of thinking whose contradictions are felt but not completely resolved. I believe that this, in the form in which it appears in Carneri, is based on a particular peculiarity which the Austrian people can easily imprint on the soul. A peculiarity which - as it seems to me - is difficult to understand even for Germans outside Austria. One can perhaps only feel it if one has grown out of Austrian folklore oneself. It is conditioned by the development of Austrian life over the centuries. Through education, one is brought into a different relationship to the expressions of the immediate ethnicity than in German areas outside Austria. What one absorbs through school bears traits that are not in such a direct way a transformation of what one experiences from the folklore as with the Germans of Germany. There is something in Fichte's highest thought developments in which one can recognize a direct continuation of the folklore that was at work in his Central German fatherland, in the house of the farmer and band maker Christian Fichte. In Austria, what one develops in oneself through education and self-education often bears fewer such directly down-to-earth traits. The down-to-earth traits are more mediate, although often no less strong for that reason. One carries a conflict of feelings in the soul, which in its unconscious effect gives the expressions of life the special Austrian coloring. As an example of an Austrian with this kind of soul, I would like to consider the personality of Misson, one of the most important Austrian dialect poets.
[ 21 ] It is true that dialect poetry arose from similar soul foundations as Misson's in other Germans. What is peculiar about him, however, is that he became a dialect poet as a result of the indicated trait in the souls of many Austrians. Joseph Misson was born in Mühlbach in the Lower Austrian district of Mannhardtsberg in 1803; he went to school in Krems and joined the Order of Pious Schools. He worked as a grammar school teacher in Horn, Krems and Vienna. In 1850, he published a pearl of all Austrian dialect poetry: "Da Naz, a Lower Austrian farmer's boy, geht in d'Fremd." (Ignaz, a Lower Austrian farm boy, goes abroad.) It was published unfinished. (The provost Karl Landsteiner later wrote about Misson in a beautiful booklet and reprinted the unfinished poem). - Karl Julius Schröer says about it (1875), as I think, aptly: "As small as the poetry is and as isolated as it has remained, as Misson has published nothing else, it nevertheless deserves to be emphasized. It takes first place among the dialectal poems of Austria. The epic calm that is poured out over the whole, the masterly description in detail, which constantly captivates us and surprises and refreshes us with its truth, are qualities in which no other is equal to Misson." Misson depicts the start of a Lower Austrian peasant boy's wanderings. A directly truthful revelation of Lower Austrian folklore lives in the poetry. Misson lived in the world of thought he had acquired through education and self-education. This life represented one side of his soul. It was not a direct continuation of the life that was rooted in his Lower Austrianism. But it was precisely for this reason that the truest image of his nationality emerged in his mind, as if from the depths of his soul, and presented itself as the other side of his inner experience. The magic of the directly folkloristic aspect of Misson's poetry is an effect of the "two souls in his breast". I will include a piece of this poetry here, and then reproduce the Lower Austrian dialect in the most faithful, unpretentious High German prose possible. (In this rendering I will only take care that the meaning of the poem comes out fully in accordance with the sensibility. If one simply replaces the dialect word with the corresponding High German word in such a rendering, the point is basically distorted. Because the dialect word often corresponds to a completely different emotional coloration than the corresponding High German word.)
Lehr vo main Vodern auf d'Roas
Naaz, iazn loos, töös, wos a ta so, töös sockt ta tai Voda.
God, what's so good! and try tai luck ö da Waiden.
Muis a da sogn töös, wo a da so, töös los der aa gsackt sai.
I and tai Muida are old and tahoam, know as ee, looks nothing out.
What you look and work and plod and do not care
Do it for the children, what don't you do, don't leave the place!
I'm just a pressed person and a black woman,
Graif an s'am aa, ma fint töös pai ortlinga rechtschoffan Kinern,
Gladly under Orm, on taas mer d'Ergiibnus laichter daschwingan.
If you don't have any luck, you won't live all your life.
Just stay in the same place, in the middle of the golden mass, don't get bored.
Your luck is round as a ball, balls so lightly toni as touaha.
But if something happens and misfortune befalls you, don't let it go.
Don't let anything happen to you, don't let it happen to me, don't let it happen to you.
Klock's unsan Heagoot, pitt'en, iih so ders, er mochts wida pessa!
Mocka'r and hocka'r and pfnotten and trenzen with the kimt nix außa.
Head hanging, just as if amt' Heana had eaten her protest:
You don't like it bad, you don't like it bad, you don't like it bad! Look at your soul, what you have, think about the future!
If you give something, don't talk about it, take it and so for it: good luck!
Look Naaz, mirk ta dos fai: what little politeness iis no longer gstroft!
Get ti nea ritterla, Fremd zügelt t'Leud, ist a Sprichwoat, a Worwoat.
Let's go, don't wash your hands, don't get any more clay. Go on, don't open your eyes, you won't be lucky in Trambuich.
Go two weeks and tar oani is naich, so gee du en olden.
If you go to a place that is also often the case, you are a big one -
Look at tain Gsund, ta Gsund iis pai olIn no allwail tos Pessa.
So what do you have in the world if you are not healthy? - - - - -
Come back and you'll find our old friends in the parlor,
We often go to places where you and your friends are happy to meet us,
Finding our guittäter and our vastoabani friendschoft! Olli, sö kenan uns glai - und töös, Naaz, töös is dos Schöner!"Rendition: A lesson from my father for traveling
Ignaz, now listen, what I tell you, your father tells you.
In God's name, because it must be so, and you should try your luck in the wide world,
Therefore I must tell you this, and what I tell you, heed it well.
I and your mother are old and stayed at home; you know nothing comes of it.
You toil a lot, toil hard, work hard and weaken yourself with work -
You do this for the sake of your children; what wouldn't you like to do as soon as they don't go down the wrong path? If you later become weak and sickly, and hard times come
If they also jump lovingly at us, one finds this with proper, righteous children,
Helping to make it easier to achieve what the state and life demand.
Should fortune come to you, do not live like a gentleman.
Remain as you were, with the golden measure of the middle road, do not deviate from the right path of life.
Happiness is round like a ball; it rolls away from us as easily as it rolls towards us.
If something doesn't work out, or if misfortune strikes you, don't talk about it to people.
Stay calm; don't let anything bother you; don't be faint-hearted;
Only complain to God; ask him; I tell you, he will make everything better again! Pretending to be sad, withdrawing, making sour faces, being weepy: this achieves nothing.
Hanging your head as if the chickens had eaten your bread:
It doesn't make a bad thing better, let alone make a good thing better! Keep the possessions you take with you; make a little provision for the future.
If someone gives you something, take it without being coy and say: repay God!
Take heed, Ignaz; and remember this well: no one has ever been punished for politeness! -
Do not be rebellious, foreignness makes a man humble; this is a proverb and a truth.
Do not let yourself be tempted to gamble; do not make too much of the dance floor.
Do not have your cards told; and do not seek your destiny from the dream book.
If two paths go, and one is new, take the old one.
If one is uneven, which is often the case, take the straight one.
Guard your health; health is the better of all goods.
Admit to me: what do you really possess in the world if you do not have health?
- - - - -
When you come home one day, and you no longer find us old people in this little room,
Then we will be where your grandfather and grandmother are waiting for us with joy,
Where our benefactors will find us and our deceased relatives! Everyone will immediately recognize us - and this, Ignaz, is something very beautiful.
[ 22 ] Karl Julius Schröer wrote in 1879 of this Austrian, from whose learned soul peasant life, but also, as the piece of his poetry quoted above shows, the original peasant philosophy - emerged so magnificently: "His talent found no encouragement. Although he still wrote many poems, he burned all his poetry... and now he lives, as librarian of the Piarist College at St. Thekla on the Wieden in Vienna, secluded from all contact, in his own words 'without joy and sorrow'." Like Joseph Misson, many personalities of Austrian intellectual life must be sought in hidden situations. - Misson cannot be considered a thinker among the personalities described in this book. But if one imagines his mental life, this gives an understanding of the special coloring of the ideas of Austrian thinkers. The thoughts of Schelling, Hegel, Fichte and Planck form themselves plastically apart like the limbs of an organism of thought. One thought grows out of the other. And in the physiognomy of this whole organism of thought one recognizes a folk-like quality. With the Austrian thinkers, one thought stands next to the other; and each one grows for itself - not so much from the other - but from the common ground of the soul. As a result, the overall form does not bear the direct national character; but this national character is poured over each individual thought like a fundamental mood. Such a basic mood is naturally held back in the mind by the thinkers; it only sounds softly. It appears in a personality like Misson as a homesickness for the elementary nature of the people. In Schröer, in Fercher von Steinwand, in Carneri, and also in Hamerling, it is present everywhere in the basic tone of their aspirations. Thinking thus acquires the character of sense.
[ 23 ] In Robert Hamerling, one of the greatest poets of modern times sprang from the Lower Austrian Waldviertel. At the same time, he is also one of the bearers of German worldview idealism. I do not intend to discuss the nature and significance of Hamerling's poetry in this essay. I will only hint at how he has placed himself in the development of the Weltanschauung in more recent times. In his work "The Atomistics of the Will" he also expressed his world view in thought form. (The Styrian poet and folk writer Adolf Harpf published this book after Hamerling's death in 1891). The book bears the subtitle "Contributions to the Critique of Modern Knowledge".
[ 24 ] Hamerling knew that many who called themselves philosophers would receive these "contributions" with - perhaps indulgent - astonishment. What should - some might think - the idealistically-minded poet know how to do in a field in which strict scientific rigor must prevail? And the remarks in his book did not convince those in whom such a judgment is merely the wave driven to the surface from the depths of the soul, in which it is formed in an unconscious (or subconscious) way from thinking habits. Such people can be very perceptive, they can be scientifically very important: but the struggle of the true poetic nature is incomprehensible to them. That poetic nature in whose soul all the conflicts live from which the riddles of the world present themselves to man. Which therefore has inner experience of these world riddles. When such a nature expresses itself poetically, the questioning world order reigns in the depths of its soul, revealing itself in the elementary creation of art without transforming itself into thoughts in consciousness. However, even those poets who shrink back from a world view, as from fire that could burn their "vital originality", have no idea of the nature of such true poetry. A true poet may perhaps never form into thought in his consciousness what unconscious thoughts of the world are struggling in the roots of his soul life: he therefore stands with his inner experience in those depths of reality of which one suspects nothing, if one sees in comfortable wisdom only reveries there, where the reality of the senses is given its existence out of the spirit. When a true poet like Robert Hamerling, without dulling his poetic creativity, knows how to raise to consciousness as a world of thought that which often remains unconscious in others, then one can also have the view of such a phenomenon that special lights are thereby thrown up from the depths of the spirit onto the riddles of the world. In the preface to his "Atomistics of the Will", Hamerling himself talks about how he arrived at his world of thought. "I did not suddenly throw myself into philosophy a long or short time ago, perhaps because I happened to feel like it, or because I wanted to try my hand at something else. I have occupied myself with the great problems of human knowledge from my early youth, as a result of the natural, irrefutable urge that drives man to investigate the truth and to solve the riddles of existence. I have never regarded philosophy as a specialized science whose study can be pursued or left aside, like that of statistics or forestry, but have always regarded it as the study of that which is closest, most important and most interesting to everyone... . For my part, I could not deny myself the opportunity to follow the most original, most natural and most general of all spiritual impulses and, over the years, to form a judgment on the fundamental questions of existence and life."-One of those who held Hamerling's world of thought in high esteem was the learned and subtle Benedictine priest Vincenz Knauer, who lived in Vienna. As a private lecturer at the University of Vienna, he gave lectures in which he wanted to show how Hamerling stood in the developmental current of world views that began with Thales in Greece and revealed itself in the Austrian poet and thinker in the most significant manifestation for the end of the nineteenth century. However, Vincenz Knauer was one of those researchers to whom narrow-mindedness is alien. As a young philosopher, he wrote a book on moral philosophy in Shakespeare's poetry. (Knauer's Vienna lectures have appeared in print under the title "Die Hauptprobleme der Philosophie von Thales bis Hamerling".)-
[ 25 ] The idealistic mood of his view of reality also lives on in Robert Hamerling's poetry. The figures of his epic and dramatic creations are not a reproduction of what a spiritually shy observation sees in external life; they show everywhere how the human soul receives directions and impulses from a spiritual world. Spirit-shy observation scolds such creations. It calls them bloodless products of thought that lack the fullness of life. This view is often heard to use the formula: the people of this poet are not people who walk in the world; they are schemes born out of abstraction. If only "real people" who speak in this way could realize how much they themselves are walking abstractions and their confession is the abstraction of an abstraction! If only they knew how empty of soul their blood-filled figures are to those who have a sense not only for pulsating blood, but also for how soul pulsates in blood. From such a point of view of reality, it has been said that Hamerling's dramatic poem "Danton and Robespierre" only enriches the shadowy race of former revolutionary heroes with a number of new schemes.
[ 26 ] Hamerling rejected such objections in the "Epilogue to the Critics", which he appended to the later editions of his "Ahasuerus in Rome". This epilogue contains the words: ... . It is said that 'Ahasuerus in Rome' is an 'allegorical' poem, at which words many are immediately overcome by goose bumps. - However, the poem is allegorical insofar as a mythical figure is woven into it, whose raison d'être is only ever based on the fact that it means something. For every myth is an idea visualized by the popular imagination. But, they say, Nero also wants to 'mean' something - the 'urge to live'! Well, yes, he means the urge to live; but not unlike Molière's 'Miser' means avarice, Shakespeare's 'Romeo' means love. There are, however, poetic figures that are nothing more than allegorical schemes and have nothing more to them than their inner abstract meaning - comparable to Heine's sick, skinny canon, who ultimately consisted of nothing more than 'spirit and plasters'. But for a poetic figure filled with real life, the inherent meaning is not a vampire that sucks its blood. Does anything exist that doesn't 'mean' anything? I would like to know how the beggar should do it so as not to signify poverty, and a Croesus so as not to signify wealth? ... I believe, then, that by 'signifying' the thirst for life to the death-seeking Ahasuerus, the thirsty Nero loses as little of his reality as a rich merchant would lose of his prosperous wealth if he happened to stand next to a beggar and, out of necessity, sensualized the contrast between poverty and wealth in an allegorical group." In this way, the poet, inspired by an idealistic world view, rejects the attacks of people who shudder when they sense an idea rooted in true reality - spiritual reality - somewhere.
[ 27 ] When one begins to read Hamerling's "Atomistics of the Will", one may initially experience the impression that he has allowed Kantianism to convince him of the impossibility of there being any knowledge of true reality, of the "thing in itself". But in the further course of the presentation of his book one sees that Hamerling's fate with Kantianism was the same as Carneri's with Darwinism. He allowed himself to be overwhelmed by the suggestive power of certain Kantian thoughts; but then he came to the conclusion that, even if man cannot reach true reality through the outward view of the senses, he still encounters it when he dives through the surface of mental experience into the depths of the soul.
[ 28 ] Hamerling begins quite Kantian: "Certain stimuli produce the smell in our olfactory organ. So the rose does not smell if nobody smells it. - Certain air vibrations produce sound in our ear. So sound does not exist without an ear. So the shotgun blast would not bang if nobody heard it... . Whoever holds on to this will realize what a naïve error it is to believe that, in addition to the perception or idea we call 'horse', there exists another, and only the right, real 'horse', of which our perception is a kind of image. Apart from me there is - let it be repeated - only the sum of those conditions which cause a perception to arise in my senses which I call a horse." These thoughts have such a suggestive power that Hamerling is able to conclude them with the words: "If this does not make sense to you, dear reader, and if your mind rears up before this fact like a shy horse, do not read another line; leave this and all other books that deal with philosophical matters unread; for you lack the necessary ability to grasp a fact impartially and to hold it in your thoughts." I would like to say to Hamerling: May there be quite a few people whose mind rears up like a shy horse at these opening words of his book, but who have enough strength of thought to appreciate the profound later chapters; and I am glad that Hamerling has written these later chapters, even though his mind did not rear at the assertion: "there is in me the idea of 'horse'; but out there does not exist the right real horse, but only the 'sum of those conditions which cause to be produced in my senses a view which I call horse'. For here we are again dealing with an assertion such as Carneri made with regard to matter, substance and spirit. With an assertion that gains overwhelming power over a person because he cannot see what impossible thoughts he has spun himself into. Hamerling's whole train of thought is worth no more than this: certain effects that emanate from me onto the surface of a pane of glass produce my image in the mirror. Nothing is created by the effects emanating from me if there is no mirror. Apart from the mirror, there is only the sum of those conditions that cause an image to be created in the mirror, which I designate with my name. - I hear in my mind all the declamations about a philosophical dilettantism that goes as far as frivolity and dares to dismiss serious scientific philosophical thoughts with such a childish objection. After all, I know what has been taught in the spirit of these thoughts since Kant. One is not understood by the choir from which this emanates when one speaks as has happened here. One must turn to unbiased reason, which understands that the form of the thought is the same in both cases: whether I am faced with the idea of the horse in the soul, or whether I doubt my existence in the face of the image in the mirror. There is no need to go into certain epistemological refutations of this comparison. For certain epistemologists are absolutely certain about the quite different relations of the "imagination to the imagined" than of the mirror image to the mirrored; for other readers, however, a corresponding refutation of these thoughts could only be a tissue of unfruitful abstractions. - Hamerling feels from his healthy idealism that an idea which is to have justification in a world view must not only be correct, but must also be in accordance with reality. (I must express myself here through the ideas that I have characterized in the remarks in this paper on Karl Christian Planck). If he had been less suggestively influenced by the way of thinking indicated, he would have noticed that there is nothing real in thoughts such as those he considers necessary, even though "the mind rears up to them like a shy horse". They arise in the human soul when it, afflicted by a sense of abstraction that is alien to reality, abandons itself to the spinning out of thoughts that are logically coherent in themselves, but in which no spiritual reality is alive. But it is precisely this healthy idealism that leads Hamerling in the further thoughts of his anatomy of the will beyond the web of ideas that he presented in the opening chapters. This becomes particularly clear where he speaks of the human "I" in connection with the life of the soul. See how Hamerling relates to Descartes' "I think, therefore I am". Fichte's mode of conception (which is spoken of in the remarks in this essay on Fichte) has the effect of a softly resonating keynote in the beautiful words on the page of the first volume of "Atomistik des Willens". "The Cogito ergo sum of Cartesius (Descartes) remains, despite all the conceptual hair-splitting that nags at it, the sparkling flash of light of all modern speculation. But this 'I think, therefore I am' is, strictly speaking, not certain because I think, but because I say that I think. The conclusion would have the same certainty even if I turned the premise into its opposite and said: 'I think not, therefore I am'. In order to be able to say this, I must exist." In discussing Fichte's view of the world, it is said in this writing that the sentence "I think, therefore I am" cannot be upheld in relation to the state of sleep. One must grasp the certainty of the I in such a way that this certainty cannot appear exhausted by the inner perception "I think". Hamerling feels this; therefore he says that the following also applies: "I think not, therefore I am." He says this because he feels that something is experienced in the human ego that does not receive the certainty of its existence from thinking, but rather gives thinking its certainty. Thinking is unfolded by the true ego in certain states; the experience of the ego, however, is of such a kind that the soul can feel itself immersed through it in a spiritual reality in which it knows its existence is also anchored for other states than those for which Descartes' "I think, therefore I am" applies. But all this is based on the fact that Hamerling knows that when the "I" thinks, the will to live lives in its thinking. Thinking is not merely thinking; it is willful thinking. "I think" as a thought is a mere fabric that is never and nowhere there. There is only ever the "I want to think". Anyone who believes in the "I think" can separate himself from the entire spiritual world and then either become a believer in materialism or a doubter of the reality of the outside world. He becomes a materialist if he allows himself to be caught up in the fully justified thought that the nerve tools are necessary for thinking, as Descartes has it in mind. He becomes a doubter of the reality of the external world when he becomes entangled in the thought - again within certain limits justified - that all thinking about things is experienced in the soul after all; thus one could never approach an intrinsically existing external world with one's thinking, even if this external world existed. Whoever notices the will in all thinking can, if he is inclined to abstraction, separate the will conceptually from thinking and, in the style of Schopenhauer, speak of a will that is supposed to prevail in all world existence and that drives thinking like waves of foam to the surface of life's phenomena. But he who has the insight that only the "I think willingly" has reality, thinks will and thinking in the human soul as little separated as he thinks head and body separated in a human being if he wants to have the thought of a reality. But such a person also knows that with the experience of an experienced thought borne by the will he leaves the boundaries of his soul and enters into the experience of world events that also pulsate through his soul. And Hamerling moves in the direction of such a world view. Towards a world view that knows that with a real thought it has an experience of the will of the world within itself; not merely an experience of its own " I". Hamerling strives towards a worldview that does not stray into the chaos of a mysticism of will, but rather wants to experience the will of the world in the clarity of ideas. - With this view of the will of the world seen through ideas, Hamerling now knows himself to be standing in the mother soil of German worldview idealism. His thoughts prove to be rooted in the German folklore, which already struggled for knowledge in an elementary way in Jakob Böhme. On page 259 f. of Hamerling's "Atomistik des Willens" one reads: "To make the will the supreme philosophical principle is - what one seems to have overlooked so far - a preferably German thought, a core thought of the German spirit. From the German natural philosophers of the Middle Ages to the classics of German speculation and all the way down to Schopenhauer and Hartmann, this idea pervades the philosophy of the German people, sometimes more, sometimes less prominent, often only emerging for a moment, as it were, only to disappear again in the fermenting masses of ideas of our thinkers. And so it was also the 'philosophus teutonicus', in truth the most German and profound of all modern philosophers, who in his profoundly original imagery first explicitly grasped the will as the absolute, as the unity ... " And to refer to another German thinker of this direction, Hamerling quotes the words of Jacobi, Goethe's contemporary: " Experience and history teach that man's actions depend much less on his thinking than his thinking depends on his actions; that his concepts are based on his actions and in a sense only depict them, that therefore the path of knowledge is a mysterious path - not a syllogistic one - not a mechanical one." - Because Hamerling has a feeling from the basic tone of his soul that the mere logical correctness of an idea must be complemented by its correspondence to reality, he cannot accept the views on life of the pessimistic philosophers who want to determine by abstract-conceptual weighing up whether pleasure or displeasure predominates in life, i.e. whether it must be regarded as good or evil. No, this is not decided by reflection that has become theory; it is decided in much deeper reasons of life, in depths that have to judge this reflection, but do not allow themselves to be judged by it. Hamerling says about this: "The main thing is not whether people are right, that they all, with vanishingly small exceptions, want to live, to live at all costs, regardless of whether things are going well or badly for them. The main thing is that they want it, and this is absolutely undeniable. And yet the doctrinaire pessimists do not reckon with this decisive fact. They only ever weigh pleasure and displeasure, as life in particular brings it, intelligently against each other in learned discussions; but since pleasure and displeasure are matters of feeling, it is feeling and not reason that finally and decisively draws the balance between pleasure and displeasure. And this balance is indeed in favor of the pleasure of existence for all of humanity, indeed, one can say for everything that has life. That everything that lives wants to live, wants to live under all circumstances, wants to live at all costs, that is the great fact, and all doctrinal talk is powerless in the face of this fact." Hamerling seeks the path into spiritual reality in a similar way to the thinkers from Fichte to Planck who are described in this book. However, he endeavors to do justice to the scientific idea to a greater degree than Schelling or Hegel, for example, were able to do. Nowhere does the "atomistics of the will" violate the demands of the scientific world view. Everywhere, however, it is permeated by the insight that this world view represents only one element of reality. It is based on the recognition of the idea that one surrenders to the belief in an unreal world if one refuses to include the forces of a spiritual world in the world of thought. (I use the word unreal here in the sense in which it is used in the discussion of Planck.)
[ 29 ] The high degree to which Hamerling's thinking was realistic is vividly demonstrated by his satirical poem "Homunculus". In it, he portrays with great poetic power the human being who himself becomes soulless because soul and spirit do not speak to his knowledge. What would become of people who really originated from the kind of world order that the scientific way of thinking then adopts as a creed when it rejects a world view in keeping with the spirit? What would man be if the unreal nature of this way of thinking were real? These are some of the questions that find their artistic answer in "Homunculus". Homunculism would have to take hold of a humanity that believed only in a world constructed according to the mechanical laws of nature. Hamerling also shows how those who strive for the ideas of existence have a healthier view of practical life than those who shy away from the world of ideas and thus feel themselves to be a true "man of reality". Hamerling's homunculus could help those who, especially in the present day, allow themselves to be seduced by the opinion that natural science is the only science of reality. In their intellectual timidity, such people say that the idealism of the classical period of thought, which they believe has been overcome today, has placed too much emphasis on homo sapiens. "True science" must recognize that man as homo economus must be considered above all within the world and human order. For such people, "true science" is only that which arises from the scientific way of thinking. Homunculism arises from such a belief. Those who advocate it have no idea how they are heading towards homunculism. Hamerling has drawn this homunculism with the vision of the cognizer. Even those who are afraid of such an overestimation can see from the "Homunculus" that the right estimation of "homo sapiens" in Hamerling's sense does not produce an overestimation of literacy.