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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Aufsätze uber die Dreigliederung des sozialen Organismus
GA 24

Recht und Wirtschaft

Unter den mancherlei Einwendungen, welche gegen die Idee von der Dreigliederung des sozialen Organismus gemacht werden können, ist eine, die man etwa in der folgenden Art vorbringen kann. Die Anstrengungen der politisch Denkenden in der neueren Zeit liefen auf einem gewissen Felde darauf hinaus, Rechtszustände zu schaffen, welche den wirtschaftlichen Produktionsverhältnissen, die sich im Laufe dieser Zeit ergeben haben, Rechnung tragen. All die Arbeit, welche nach dieser Richtung geleistet worden ist, so kann man sagen, läßt die Idee von der Dreigliederung unberücksichtigt und will einfach das Rechtsleben loslösen vom Wirtschaftsleben.

Wer diesen Einwand erhebt, der glaubt mit ihm diese Idee von der Dreigliederung als etwas abfertigen zu können, das die Erfahrungen der Lebenspraktiker in den Wind schlägt und das ohne diese Erfahrungen an der Gestaltung des sozialen Lebens mitwirken will. In Wahrheit ist aber das Umgekehrte vorliegend. Die Gegner der Dreigliederung sagen: Man sollte die Schwierigkeiten in Erwägung ziehen, die sich bei allen Versuchen ergeben haben, für die modernen Produktionsverhältnisse entsprechende Rechtszustände zu finden. Man sollte bedenken, welche Widerstände diejenigen gefunden haben, die solche Versuche gemacht haben. Der Bekenner der Dreigliederung aber muß sagen: Gerade diese Schwierigkeiten sind ein Beweis dafür, daß man auf dem unrichtigen Wege gesucht hat. Man wollte durchaus eine solche Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens finden, in der sich aus dem einheitlich geordneten Wirtschafts- und Rechtswesen heraus die Erfüllung gewisser neuzeitlicher Forderungen ergibt. Aber man sollte sehen, daß im Wirtschaftsleben, wenn es zweckmäßig geführt wird, Zustände entstehen, die dem Rechtsbewußtsein entgegenwirken müssen, wenn nicht außerhalb des Wirtschaftsk reislaufes dieser Wirkung entgegengearbeitet wird. Für das Wirtschaftsleben besteht ein Interesse daran, daß Personen oder Personengruppen, die für einen Produktionsbetrieb besonders befähigt sind, zu Kapitalansammlungen für diesen Betrieb kommen können. Denn nur durch das, was von befähigten Menschen durch die Verwaltung großer Kapitalmassen auf gewissen Gebieten geleistet wird, kann in der Gegenwart der Allgemeinheit am besten gedient werden. Aber dieser Dienst kann, nach dem Wesen des Wirtschaftslebens, nur darin bestehen, daß für diese Allgemeinheit am besten die Güter erzeugt werden, die sie braucht. Mit dieser Gütererzeugung wird nun den Menschen, die ihr dienen, eine gewisse wirtschaftliche Macht in die Hände gespielt. Daß dies nicht anders sein kann, damit rechnet die Idee von der Dreigliederung. Deshalb will sie, daß soziale Zustände erstrebt werden, in denen diese Macht zwar entstehen kann, aber in denen durch sie keine sozialen Schäden sich bilden können. Die Ansammlung von Kapitalmassen bei einzelnen will sie nicht unterbinden, weil sie einsieht, daß damit auch die Möglichkeit verschwinden würde, die Fähigkeiten dieser einzelnen in den sozialen Dienst der Allgemeinheit zu stellen. Aber sie will, daß in dem Augenblicke, in dem der einzelne nicht mehr die Verwaltung der in seinem Machtbereich befindlichen Produktionsmittel besorgen kann, diese übergeleitet werden auf einen anderen Befähigten. Dieser soll sie nicht durch seine wirtschaftlichen Machtmittel erwerben können, sondern durch die Tatsache, daß er der Befähigtste ist. Das läßt sich aber nur verwirklichen, wenn die Übertragung nach Gesichtspunkten erfolgt, die mit den wirtschaftlichen Machtmitteln nichts zu tun haben. Solche Gesichtspunkte können sich nur ergeben, wenn die Menschen mit ihren Interessen auch noch in anderen als in den wirtschaftlichen Lebenskreisen drinnenstehen. Ist Mensch und Mensch verbunden auf einem Rechtsboden, der andere als wirtschaftliche Interessen erzeugt, so werden sich diese Interessen geltend machen können. Geht der Mensch ganz auf in den Interessen, die nur das Wirtschaftsleben erzeugt, so entstehen jene anderen Interessen gar nicht. Soll der im Besitze von Produktionsmitteln Befindliche überhaupt das Gefühl entwickeln, daß nicht derjenige in einer wirtschaftlichen Position am besten wirkt, der diese durch seine wirtschaftliche Macht erwirbt, sondern durch seine Befähigung, so muß dieses Gefühl heranwachsen auf einem Lebensboden, der neben dem wirtschaftlichen geschaffen wird. Auf seinem eigenen Boden erzeugt das Wirtschaftsleben wohl den Sinn für wirtschaftliche Macht, aber nicht zugleich denjenigen für soziales Recht. Deshalb mußten die Versuche scheitern, aus dem wirtschaftlichen Denken selbst das soziale Recht hervorzuzaubern.

Mit solchen in der Wirklichkeit des Lebens begründeten Dingen rechnet die Idee von der Dreigliederung des sozialen Organismus. Für sie ist die Erfahrung maßgebend, welche diejenigen gemacht haben, die moderne Rechtsverhältnisse für die modernen Wirtschaftsformen schaffen wollten. Aber sie wird durch diese Erfahrungen nicht dazu geführt, zu den vielen gescheiterten Versuchen einen neuen hinzuzufügen, der in demselben Sinne gehalten ist. Sie will soziale Rechte nicht aus einem Lebensgebiete entstehen lassen, aus denen sie nicht entstehen können, sondern sie will, daß das Leben sich bilde, aus dem heraus diese Rechte erst hervorgehen können. Der Wirtschaftskreislauf hat in der neueren Zeit dieses Leben verschlungen; es muß aus ihm erst wieder befreit werden. Die Idee von der Dreigliederung kann nur durchschaut werden, wenn man sich darauf einläßt, zu verstehen, wie das Wirtschaftsleben fortwährend die Korrektur seiner eigenen Kräfte von außen braucht, wenn es in sich nicht Wirkungen erzeugen soll, die es hemmen. Eine solche Korrektur wird ihm zugeführt, wenn neben ihm ein selbständiges Geistesleben und ein selbständiger Rechtsboden für die Zuführung sorgen. Dadurch wird nicht die Einheit des gesellschaftlichen Lebens zerstört, sondern in Wahrheit erst im rechten Sinne hervorgerufen. Diese Einheit wird nicht dadurch bewirkt, daß man sie durch eine zentrale Macht ordnet, sondern dadurch, daß man sie aus dem Zusammenwirken derjenigen Kräfte entstehen läßt, die als einzelne für sich leben wollen, um das Leben eines Ganzen zu bewirken. Man sollte die Erfahrungen, die man mit den Versuchen gemacht hat, für das neuereWirtschaftsleben aus diesem selbst heraus Rechtsverhältnisse zu schaffen, also nicht so betrachten, daß man aus ihnen Einwände gegen die Dreigliederung formt; sondern man sollte einsehen, daß diese Erfahrungen auf geradem Wege dahin führen, die Idee der Dreigliederung als die von dem modernen Leben geforderte anzuerkennen.