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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Aufsätze uber die Dreigliederung des sozialen Organismus
GA 24

Über die «Dreigliederung des sozialen Organismus»

(Eine Erwiderung von Dr. Rudolf Steiner, August 1919)

Professor v. Heck ist der Meinung, daß die gesellschaftlichen Zustände, die ich als Enderfolg meiner Vorschläge verspreche, die soziale Frage «in beglückender Weise lösen» würden, daß aber die Durchführung meiner Vorschläge nicht die gehofften Wirkungen haben würde, ja daß diese Durchführung, wenn überhaupt möglich, das Gemeinwohl und besonders die Arbeiterschaft «nicht fördern, sondern schädigen» würde. - Man kann kaum ein vernichtenderes Urteil fällen über eine Bestrebung, die nach solchen Zielen geht, wie die meinige, nach der Dreigliederung des sozialen Organismus. Denn diesen Zielen gegenüber ist es selbstverständlich ganz wertlos, den Traum einer beglückenden Lösung der sozialen Frage hinzustellen und dann undurchführbare Vorschläge zur Herbeiführung dieser Lösung zu machen. An dem damit gerügten Fehler leiden so ziemlich alle sogenannten «Lösungen der sozialen Frage». In dem Augenblicke, in dem ich genötigt wäre einzusehen, daß eine Beurteilung wie diejenige des Prof. von Heck im Recht wäre, würde ich ohne weiteres selbst meine Ideen für widerlegt halten. Und ich würde wahrlich nicht als beschämend empfinden, dieses Bekenntnis auch öffentlich abzulegen. Denn die «soziale Frage» ist einerseits eine so umfassende und schwierige, andrerseits etwas so Verpflichtendes, daß die Zurücknahme eines verunglückten Versuchs nichts Beschämendes haben kann. Prof. von Heck darf mir deshalb glauben, daß ich ganz objektiv auf seine Darstellung eingehen kann. Nun mißversteht er mich aber schon mit Bezug auf den Gesichtspunkt, von dem aus er meine Bestrebung betrachtet. Ich bin mir bewußt, daß ich gar nicht darauf abziele, die soziale Frage «in beglückender Weise» zu «lösen». Ich glaube nicht, daß jemand, der mit der Psychologie des Einzelmenschen und der Massen bekannt ist, einen solchen «Enderfolg» anstreben kann. Meine Voraussetzungen sind ganz andere. Ich glaube zu erkennen, daß die Menschheit in ihrer geschichtlichen Fortentwickelung gegenwärtig an einem Punkte angelangt ist, der die Dreigliederung des sozialen Organismus aus dem Wesen der heutigen Menschenwesenheit heraus verlangt. Kommt man diesem Verlangen nach, so wird man der elementaren Unruhe, welche die Menschen ergriffen hat, Herr werden können. Kommt man ihm nicht nach, so wird diese Unruhe in die Selbstzersetzung unserer Kultur hineinführen müssen. Nicht weil ich über ein Endziel phantasieren möchte, spreche ich von der Dreigliederung; sondern weil ich glaube, die Ursachen zu erkennen, die diese Dreigliederung aus dem gegenwärtigen Zustande der Menschheit fordern. Daher habe ich auch nicht zu einem erträumten Endziel «Vorschläge » hinzuerfunden; sondern für mich sind diese Vorschläge Ergebnis von Beobachtungen, die ich vermeine während Jahrzehnten an der sozialen Entwickelung der Menschheit gemacht zu haben. Der Weg, auf dem ich zu diesen Beobachtungen gekommen bin, ist für mich ein Beweis, daß meine «Vorschläge» nichts Utopistisches an sich haben. Er macht es mir aber auch verständlich, wie so viele Menschen dazukommen, die Dreigliederung unklar und undurchführbar zu halten. Solche Menschen vermeinen, praktisch zu denken. Sie sind aber verstrickt in theoretische Voraussetzungen, die sie für praktisch halten. Sie haben sich diese Theorien nach dem gebildet, was eine Zeitlang als praktisch gegolten hat. Wenn dann dieses «Praktische» durch seine eigene Entwickelung eine Umwandelung nötig macht, dann finden sie das Neuzubildende «unpraktisch», weil es ihren gewohnten Vorstellungen widerspricht. Gerade unter den vermeintlichen «Praktikern» findet man solche Theoretiker. Mir scheint, daß die Dreigliederung des sozialen Organismus nur richtig beurteilen wird, wer nicht nur zu wissen vermeint, was «bisher» praktisch war, sondern wer einen gesunden Instinkt dafür hat, was in seiner «künftigen» Entwickelung sich als praktisch erweisen kann.

Verkennt so Prof. von Heck schon die Voraussetzungen meiner «Vorschläge», so wird diese Verkennung in weiterer Verfolgung des von mir Dargestellten eine immer vollständigere, da er meine Anschauungen nicht als solche wiedergibt und bekämpft, sondern fast Punkt für Punkt durch andere ersetzt und dann diese andern «widerlegt». Ich möchte sagen: er macht sich eine eigene Dreigliederung zurecht, die mit der meinigen recht wenig zu tun hat. Ich muß gestehen: diese Dreigliederung würde ich nicht weniger bekämpfen, wenn sie mir gegenüberträte, als sie Professor von Heck bekämpft. In diesem Urteil bin ich mit ihm ganz einig.

Aber ich frage: habe ich wirklich Veranlassung gegeben, die Dreigliederung so aufzufassen, daß in ganz äußerlicher Weise an die Stelle des einheitlichen Staatsparlamentes drei Parlamente in der Art treten sollen, wie Professor v. Heck das darstellt? Habe ich jemals etwas gesagt oder drucken lassen, das dem Ungeheuer «drei Staaten auf demselben Gebiete» gleichkommt? Meine Idee von der Dreigliederung fordert, daß die Angelegenheiten der geistigen Kultur einerseits und diejenigen des Wirtschaftslebens andererseits nicht von einer solchen Volksvertretung geordnet werden, die dem gleichkommt, was man bisher als «Parlament» ansieht. Die Verwaltung der geistigen Kultur soll sich ergeben aus denselben Untergründen heraus, aus denen sich das Leben des Geistes selbst entfaltet. Diejenigen Persönlichkeiten sollen in dieser Verwaltung sein, die an dem Geistesleben tätigen Anteil haben, die in dieser Verwaltung dieselben Antriebe zur Geltung bringen, welche im geistigen Hervorbringen walten. Und ich glaube zu erkennen, daß eine solche Verwaltung nur dadurch möglich ist, daß die Verwaltenden nicht innerhalb der Staatsverwaltung sitzen, oder aus dem Geistgebiet in das Staatsgebiet berufen werden; sondern daß das Geistesleben auf einen vom «Staate» unabhängigen Boden gestellt wird. Im Staate muß schließlich alles, was durch ihn entsteht, der Ausfluß des gesunden Urteiles eines jeden mündigen Menschen sein. Denn der Staat strebt nach demokratischer Gestaltung. Im Geistesleben kann nur das sachverständige Urteil entscheiden. Mir erscheint es unmöglich, daß bei weiterer Demokratisierung des Staates dieses sachverständige Urteil sich in seinem Rahmen finden kann. Ich glaube, daß ehrlich die Demokratisierung nur wollen kann, wer aus der Demokratie herauszunehmen geneigt ist, was in ihr nicht gedeihen kann. Ich könnte mir vorstellen, daß eine fruchtbare Diskussion auf diesem Gebiete sich ergeben könnte, wenn das in Betracht Kommende sich in die Frage zuspitzte: Kann die Verwaltung des Geisteslebens (vor allem des Unterrichtswesens) eine bloß den Anforderungen dieses Lebens entsprechende Gestalt annehmen, wenn in irgendeinem Punkte dieser Verwaltung vom demokratischen Staate eine Herrschaft ausgeübt wird? Meine Erfahrung zwingt mich, diese Frage zu verneinen. Ich glaube, die Gründe zu kennen, die zu ihrer Bejahung führen. Doch scheinen sie mir nicht stichhaltig. Ist diese meine Meinung berechtigt, dann müßten die Urteile, die Professor von Heck aus den Gesichtspunkten der wirtschaftlichen Sicherstellung des geistigen Lebens und des Schulzwanges vorbringt, auf einen ganz anderen Boden, als der seinige ist, gestellt werden. Ich glaube auf Seite 88 ff. meiner Schrift «Die Kernpunkte der sozialen Frage» auf diesen Boden hingedeutet zu haben. Wird das dort Angedeutete sachgemäß in die Praxis umgesetzt, dann ergeben sich Einrichtungen, die die Wirtschaftsgrundlage des Geisteslebens sichern und die auch vor der «Versuchung» bewahren, «Kinder nicht in die Schule zu schicken, sondern zum Erwerb zu verwenden.» Trotz allem, was von Heck vorbringt, erscheint es unerfindlich, warum bei Erwägung dieser Fragen eine Rolle spielen soll, daß «wir infolge des Friedens einer Zeit der Verarmung entgegen gehen, wie sie kein anderes Volk durchgemacht hat» . Daß dieser letzte Satz so wahr, wie nur möglich ist, das kann niemand bezweifeln. Warum aber die Schule nicht bekommen soll, was sie aus dieser Armut heraus bekommen kann, wenn dies auf anderen Wegen als bisher geschehen soll, das ist doch wohl nicht einzusehen.

Nicht weniger von Mißverständnissen durchtränkt ist, was Professor von Heck gegen die Abgliederung des Wirtschaftslebens vom eigentlichen Staate vorbringt. Er meint: «Die völlige Sonderung der Rechtsfragen und der wirtschaftlichen Fragen, die Steiner verlangt, ist überhaupt nicht möglich.» Woraus geht hervor, daß ich eine «völlige Sonderung», von der hier gesprochen wird, «verlange»? Was ich als notwendig ansehe, ist dieses: es sollen alle rechtlichen Angelegenheiten durch das demokratische Parlament geordnet werden; und es soll gewirtschaftet werden durch Assoziationen, die aus den Berufen heraus, aus Produktions-, Verkehrs- und Konsuminteressen heraus sich ergeben. Durch diese Gliederung wird es im Wirtschaftsleben dazu kommen, daß für seinen Kreislauf allein maßgebend ist, was aus den Entscheidungen der in einzelnen Wirtschaftszweigen erfahrenen Persönlichkeiten und aus den Krediten heraus geschieht, die wirtschaftende Menschen durch ihr Drinnenstehen in einem Wirtschaftszweig genießen. Die «Naturgesetze des Wirtschaftslebens» werden dazu zwingen, die demokratischen Wahlintentionen, die höchstens in der Übergangszeit eine Rolle spielen könnten, zu ersetzen durch die demokratische Delegierung der fähigen Personen im Sinne der gekennzeichneten beiden Voraussetzungen einer gesunden Wirtschaft. Demokratie und Parlamentarismus werden in ihren das Wirtschaftsleben schädigenden Folgen erkannt werden, wenn dieses Leben in seiner Eigenart nicht mehr verhüllt wird durch die über dasselbe gebreitete Staatsgesetzgebung, sondern wenn es auf assoziativer Grundlage in seine Selbstverwaltung gestellt ist. Professor von Heck meint: «Das Recht gibt die Formen der Wirtschaft und kann nur von einer Gewalt geordnet werden, welche das Wirtschaftsleben überschaut.» Dieser Satz ist aber nur so lange richtig, als Wirtschaftsleben und Rechtsleben verschmolzen sind. Ist das Wirtschaftsleben in seine Selbstverwaltung gestellt, das heißt erschöpft es sich in der Verwaltung der Warenproduktion, des Warenverkehrs und des Warenkonsums (mit Ein- und Ausfuhr), dann bleiben eben ungeordnet durch diesen Wirtschaftskreislauf die rechtlichen Beziehungen der wirtschaftenden Personen. Und diese werden auf dem Boden des Staates, außerhalb des Wirtschaftskreislaufes, geordnet. Es werden dann die Rechtsverhältnisse nicht der Ausdruck der Wirtschaftsformen, sondern einerseits deren Grundlage in einer solchen Art sein, wie andererseits die natürlichen Verhältnisse (geographische, klimatische etc.) die Grundlage der Wirtschaft sind. - Wer als an ein Axiom glaubt, daß die Rechtsformen der Ausdruck der Wirtschaftsformen sein müssen, dem muß es schwerfallen, sich in die Emanzipation des Rechtes von der Wirtschaft zu finden. Wer aber einsieht, daß dem gegenwärtigen Menschheitsbewußtsein dieses «Axiom» widerspricht, der wird versuchen, seinen Glauben an dasselbe zu überwinden. Der Mensch der Gegenwart kann es nicht ertragen, als Rechtssubjekt unter dem Zwang der Wirtschaftsformen zu leben. Sich vor dieser Tatsache verschließen und der Ansicht huldigen «Das Recht gibt die Formen der Wirtschaft», bedeutet kaum etwas anderes, als die Arbeit an einem wichtigen Gliede der sozialen Frage in der Gegenwart für eine Chimäre erklären. Das sollte man aber doch nur, wenn die Abgliederung des Rechtslebens vom Wirtschaftsleben durch gewichtigere Gründe zu stützen wäre, als Professor von Heck sie vorbringt.

Man mißversteht die Struktur, welche der soziale Organismus durch die Dreigliederung erhalten soll, wenn man, wie Professor von Heck dies tut, als Einwand das folgende ausspricht: «Auch Steiner beläßt, wenn man näher zusieht, dem Rechtsparlament drei wirtschaftlich sehr wichtige Fragen. Er überläßt ihm die Steuerfragen, die Schaffung des Arbeiterrechtes und die Einschränkung des Eigentums an Produktionsmitteln, das nur auf Lebenszeit dauern soll.»  Daß im dreigliedrigen sozialen Organismus das Steuerwesen allein vom Rechtsboden aus geregelt werden soll, ist nicht richtig. Man lese darüber auf Seite 53 meiner «Kernpunkte der sozialen Frage»: «Was der politische Staat selber für seine Erhaltung fordert, das wird aufgebracht werden durch das Steuerrecht. Dieses wird durch eine Harmonisierung der Forderungen des Rechtsbewußtseins mit denen des Wirtschaftslebens sich ausbilden.» Bezüglich des Arbeiterrechts kommt in Frage, daß es nicht als wirtschaftliche Angelegenheit dem Rechtsleben belassen wird, sondern daß es aus dem Wirtschaftskreislauf herausgenommen, also des Charakters einer wirtschaftlichen Angelegenheit entkleidet wird. Ganz ungenau ist auch, was Professor von Heck als meine Anschauung wiedergibt über die «Einschränkung des Eigentums an Produktionsmitteln». Nicht dem «Rechtsparlament» wird, was da in Frage kommt, belassen, sondern zu einer Angelegenheit wird es gemacht, an deren Ordnung die Verwaltungen des Geisteslebens und des Rechtslebens beteiligt sind.

Die Forderung bezüglich des Steuerwesens kann in der Praxis dadurch erfüllt werden, daß formal der Rechtsstaat als Konsumorganisation dem Wirtschaftskreislauf gegenübersteht wie innerhalb dieses Kreislaufes selbst eine Konsumassoziation etwa einer Produktionsgenossenschaft gegenübersteht. Innerhalb des Rechtslebens findet die Regelung der allgemeinen Steuerbedürfnisse und der Steuerverwendung statt. Dagegen wird die Verteilung der Steuerforderungen auf die einzelnen Wirtschaftsgebiete den Assoziationen obliegen, die sich aus den Berufen und aus dem Zusammenwirken von Produktion und Konsum ergeben. Professor von Heck sagt sachgemäß: «Die schwerste Aufgabe, welche die Zukunft uns androht, ist die Verteilung der ungeheuren, nie erhörten Steuerlast, die der Frieden uns aufbürden wird ... Diese Steuern können ohne die schwersten Eingriffe in das Wirtschaftsleben gar nicht aufgebracht werden. Deshalb müßte sich auch bei Durchführung der Steinerschen Ideen jede wirtschaftliche Gruppe im Rechtsparlament Vertretung sichern, um sich gegen Überlastung zu wehren.» Diese «schwerste Aufgabe» wird aber nur durch die Abgliederung des Rechts- von dem Wirtschaftsleben in einer solchen Art gelöst werden können, daß die Lösung dem Rechtsbewußtsein einzelner Menschengruppen nicht widerspricht. Denn kommen die Interessen einer wirtschaftlichen Gruppe in einem auf demokratischer Grundlage ruhenden Parlamente zur Vertretung, so wird sich immer ergeben, daß die wirtschaftlich mächtigere Gruppe der mindermächtigen Maßnahmen aufdrängt. Sie wird das durch ihre eigene Macht, oder durch Eingehen von Kompromissen können. Durch die parlamentarische Mehrheitsbildung ist immer die unsachliche Geltendmachung und Zurückdrängung von Interessen möglich. Anders gestaltet sich die Sache, wenn die Verwaltung des Wirtschaftslebens von derjenigen des Rechtslebens organisch abgegliedert ist. Dann können auf dem Rechtsboden nicht Beschlüsse gefaßt werden, die im Wirtschaftsleben zu Wirkungen führen, welche für irgendwelche Menschengruppen nachteilig sind. Alles, was im Wirtschaftsleben geschieht, wird auf Verhandlungen der gekennzeichneten Assoziationen beruhen. Bei diesen Verhandlungen kann die Sachkenntnis der einen Assoziation derjenigen der andern gegenüberstehen; und das unsachliche, bloß demokratische Parlamentarisieren kann wegfallen. Es könnte vielleicht jemand sagen, das hiermit Erstrebte wäre auch zu verwirklichen, wenn im «Rechtsparlamente» die Hauptverhandlungen in die Ausschüsse verlegt würden und man zu diesen Sachverständige der einzelnen Wirtschaftsgebiete zuzöge. Mir scheint, daß dies doch nur eine halbe Maßregel wäre. Was sie beschränkt Gutes bewirken könnte, müßte gerade zeigen, wie das Erstrebte völlig nur durch die Abgliederung der Wirtschaftsverwaltung von der Rechtsorganisation zu erreichen ist. Professor von Heck bringt nicht stark genug in Ansatz, was es in der Praxis des Lebens bedeutet, wenn die sachkundigen Repräsentanten von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig so zu verhandeln haben, daß durch sie die Lebensbedingungen des einen Zweiges diejenigen des andern zu fördern und zu begrenzen haben, ohne den Einfluß unsachlicher Mehrheitsbeschlüsse. Wer in Rechnung stellt, wie eine solche Einrichtung praktisch wirkt, dem wird nicht in den Sinn kommen, zu sagen: «Wie sollen Naturwissenschaftler und Ärzte für die kirchlichen Fragen, Landwirte, Kaufleute und Handwerker für die Großindustrie besonderes Sachverständnis mitbringen?» Das scheint wohl richtig gefragt; aber es spricht nicht gegen eine auf sich selbst gestellte Gliederung des Wirtschaftslebens, sondern gegen die Vertretung der Wirtschafts- und Kulturinteressen in einem Parlament, in dem jeder mitzuentscheiden hat über Dinge, von denen er nichts versteht. Zu den Verhandlungen der Wirtschafts-Organisationen untereinander durch ihre Vertreter ist keineswegs ein Sachverständnis außerhalb des Gebietes nötig, das jemand zu vertreten hat. Denn das Ergebnis der Verhandlungen wird objektiv durch die sachliche Bedeutung des einen Gebietes für das andere bestimmt werden. Die Grundlage für eine solche Objektivität wird dadurch geschaffen, daß die Verwaltungskörper sich um diejenigen Persönlichkeiten herum gliedern werden, auf die ein leitendes Amt in der Art übertragen wird, wie dies Seite 86 der «Kernpunkte der sozialen Frage» geschildert ist. Die andern Mitglieder dieses Verwaltungskörpers werden aus den Bedürfnissen der Wirtschaftsführung so hervorgehen, daß an die Stelle der gewöhnlichen Wahl eine Auslese der geeigneten Persönlichkeiten treten wird, da die Befähigung sich in der Arbeitsgliederung offenbaren und sich dadurch die Überzeugung festsetzen wird, daß die eigene Arbeit am besten gedeiht, wenn der kundigste Leiter bestellt wird. Die Mitglieder höherer Verwaltungskörper und eines Zentralrates werden in einer ähnlichen Art aus den unteren sich ergeben. Dadurch wird trotz des Zentralrates die Gesamtverwaltung auf einer föderativen Grundlage aufgebaut sein.

Ein solcher Aufbau der Wirtschaftsverwaltung wird dem demokratischen Bewußtsein nur erträglich sein, wenn alles dasjenige, was sich auf die Rechtsverhältnisse der am Wirtschaftsleben beteiligten Personen bezieht, von diesem ausgesondert und in ein demokratisches Parlament verwiesen wird. Zu diesen Rechtsverhältnissen gehört aber alles, was sich auf die Arbeit bezieht, welche die Menschen für einander leisten.

Wer in der hier geschilderten Weise meine Vorschläge für den dreigliedrigen sozialen Organismus auffaßt und nicht in der ganz mißverstandenen, wie sie in der Wiedergabe Professor von Hecks erscheinen, der wird kaum eine Widerlegung der Einwände verlangen, die in den letzten Spalten des Artikels meines Kritikers aufgeführt sind. Denn diese Einwände rühren doch nur davon her, daß Professor von 445 Heck nicht auf meine Darlegung sich bezieht, sondern sich eine eigene Dreigliederung zurecht legt und dann gegen diese polemisiert.

In dem Aufsatze «Mein Eindruck von Dr. Steiner und seiner Dreigliederungs-Theorie» von Alfred Mantz wird gesagt, daß meine Darlegungen nur etwas darstellen könnten, was zu verwirklichen wäre, «wenn die Menschen anders wären, als sie eben sind.» Diese Meinung kann man nur so lange haben, als man noch nicht hinreichend darüber ins Klare gekommen ist, in welchem Sinne und mit welcher Absicht man überhaupt Ideen über Einrichtungen des sozialen Organismus entwickeln kann. Es ist richtig, daß ideale gesellschaftliche Zustände nur mit ideal veranlagten und entwickelten Menschen möglich sind. Wer aber wegen dieser einseitigen Wahrheit die Gedanken über eine Gestaltung des sozialen Organismus ablehnt, der bewegt sich in einem bedenklichen Ideenkreise. Er wird mit wünschenswerten Einrichtungen warten wollen, bis er die für sie geeigneten Menschen hat; während dieses Wartens wird er aber immer doch nur Menschen haben, die er ungeeignet findet. Wenn Herr Mantz genauer auf meine Ideen eingehen wird, so kann er sehen, daß ich für die Verwirklichung dieser Ideen keine andern Menschen voraussetze, als sie vorhanden sind. Und diese Menschen finde ich wohl so reif, oder so unreif im allgemeinen wie er selbst. Nur nehme ich an, was wohl jeder annehmen muß, der nicht in Fatalismus versinken will, daß unter den gegenwärtigen Menschen solche sich finden, die sich von der Notwendigkeit einer Neugestaltung unserer sozialen Struktur überzeugen können. In dem dreigliedrigen sozialen Organismus sehe ich - wie ich in der Besprechung des Aufsatzes Professor von Hecks ausgeführt habe - dasjenige, was die Forderungen erfüllt, zu denen die Menschheit auf der gegenwärtigen Stufe ihrer Entwickelung drängt. Mir scheint, daß, wenn es diesen Menschen, die sich von der Notwendigkeit der Dreigliederung überzeugen können, gelingt, zu ihrer Durchführung das Nötige zu tun, Zustände geschaffen werden, durch die solchen Bemühungen eine Grundlage gegeben wird, die die Menschen anders machen, «als sie eben sind». Mit der Behauptung, daß ich ein Bild entwerfe, «das in einem luftleeren Raum sich sehr gut ausnehmen müsse, in Wirklichkeit aber Utopie sei» stimmt es wahrlich schlecht, daß ich ja die Wirklichkeit, in der wir leben, gar nicht antaste, sondern nur an die Stelle der Gliederung dieser Wirklichkeit, insoferne sie aus Absichten, Neigungen, Gewohnheiten, Urteilen etc. herrührt, eine andere mir gesetzt denke, die auch aus ähnlichen menschlichen Impulsen sich entwickeln soll.

Wie wenig zutrifft, was in dem Aufsatz «Dr. Steiner und das Proletariat» steht, das kann doch wohl restlos aus meinem Buche «Die Kernpunkte der sozialen Frage» entnommen werden. Wer die Darlegungen dieser Schrift widerlegen will, der darf dies jedenfalls nicht mit der Behauptung versuchen, daß «das Kapital sich niemals zu ihrer Durchführung hergeben wird». Denn er müßte erst beweisen, daß er einen sozialen Aufbau im Auge hat, zu dessen Durchführung man «das Kapital» nicht braucht. Warum sollte man es dann aber gerade zur Durchführung des meinigen brauchen. Was Hr. Seeger dann weiter sagt, daß durch die Einrichtungen, die ich herbeigeführt sehen 447 möchte, der Arbeiter doch «niemals das Gefühl, doch nur für einen einzelnen Unternehmer arbeiten zu müssen, los werden» könnte, so muß dagegen gehalten werden, daß gerade darauf meine Bemühungen gerichtet sind, Zustände ausfindig zu machen, durch die dem «körperlich arbeitenden» das Gefühl, in seiner Arbeit ein freier Mensch zu sein, gegeben wird. .