Esoteric Lessons II
GA 266
14 April 1912, Helsinki
Translated by Steiner Online Library
Esoteric Lesson
Those who begin esoteric exercises should not expect visions to appear immediately. It can happen, but it is not the usual thing, nor is it desirable. The normal course of events is that first the emotional and mental world of the student of occultism must be brought into harmony with the spiritual world, and only when this has happened and the esotericist feels in harmony with the sea of the spiritual world does he see light formations rising from this sea and taking on specific shapes.
However, it may also be that the esotericist immediately begins to experience visions. These are then a consequence of his previous life, where he was either also an esotericist or was under the influence of a religion that—as was the case with all ancient religions—worked with ceremony and cult. The visions are then something atavistic and are a great danger, because they appear violently and overwhelm the esotericist; for they have arisen, as it were, without his intervention. It is therefore better if they do not occur. The esotericist should rather pay attention to the changes that are taking place in his own soul life. Last time, we already talked about one of these changes, namely that through the exercises, thoughts become so much more powerful and could have so much more influence on other people that, if they are not completely correct and pure, they are taken away from us by the guardian of the threshold and we are led into unconsciousness so that we do not harm others or ourselves. Now the effects of the exercises will be described in a slightly different way.
The first thing is that thoughts become looser, that is, whereas previously a certain perception was always immediately followed by a certain thought, and this thought automatically led to other thoughts, this no longer happens in the same way. The esotericist no longer feels so secure and immediate in his judgments and connections between thoughts. What used to give thoughts and judgments their certainty came from education, social circumstances, and the environment, that is, from the angels, archangels, and spirits of the personality that are at work in all cultural circumstances. People are gradually detaching themselves from these; their angels, their guides, no longer give them thoughts and judgments so directly and unconsciously. However, if this loosening of thoughts were to go too far for people, it could become dangerous for them. That is why the guardian of the threshold intervenes and prevents this from progressing. The preventive measure against this is to acquire an absolute love of truth, which does not allow anything to arise, even in thought, that has the possibility of being untrue.
The second concerns our feelings and impulses of the will. The esotericist also sees these changing; he feels that he has less control over them than before. Whereas he may have been more cautious in the past, he now senses how a feeling, an impulse of the will, reacts immediately to something that affects him. This too must not go too far; if it does, the guardian of the threshold will not allow us to pass into the spiritual world for our own sake.
The third thing is that the wrong attitudes that the esotericist can develop not only affect his soul, but also have an effect on his physical body. When perversions continue to work unconsciously at the bottom of the soul, they become even more harmful than when they manifest themselves in a tangible illness that can be healed by physical means. That is why the guardian of the threshold sends us some minor illness in such cases, which we should regard as a sign, a warning of what is at work in our soul. Serious illnesses must not arise in a well-guided esoteric development, otherwise the esoteric student would be too severely affected. In ancient times, when souls were still more robust and only people with great inner strength and courage were accepted as students of occultism, these dangers were also greater and often went to extremes, that is, the loosening of the mind went to the point of madness, the lack of control of feelings and impulses of the will went to the point of insanity and destruction, and illnesses led to death. This is what is expressed in the story from the ancient Hebrew mysteries, which is given to every esotericist as a warning: Of the four rabbis who sought to enter the “Garden of Maturity.” The first went mad, the second destroyed everything in his rage, the third died, and only the fourth was allowed to pass and entered the spiritual world.
Esoterische Stunde
Wer mit seinen esoterischen Übungen anfängt, soll nicht erwarten, daß sogleich Visionen vor ihm auftreten werden. Es kann allerdings geschehen, aber es ist nicht das Gewöhnliche, noch auch das Erwünschte. Der normale Verlauf ist der, daß zuerst die Gefühls- und Gedankenwelt des Geheimschülers zur Übereinstimmung mit der geistigen Welt gebracht werden soll und daß erst, wenn dieses geschehen ist und der Esoteriker sich im Einklang fühlt mit dem Meere der geistigen Welt, er aus diesem Meere Lichtgebilde aufsteigen sieht, die sich zu bestimmten Gestalten formen.
Es kann aber auch sein, daß der Esoteriker sogleich damit anfängt, Visionen zu erleben. Diese sind dann eine Folge seines vorhergehenden Lebens, wo er entweder auch Esoteriker war oder aber unter dem Einfluß einer Religion gestanden hat, die — so wie es mit allen alten Religionen der Fall war - mit Zeremoniell und Kultus arbeitete. Die Visionen sind dann etwas Atavistisches und sind eine große Gefahr, denn sie treten gewaltsam auf, überwältigen den Esoteriker; denn sie sind gleichsam ohne sein Zutun entstanden. Es ist daher besser, wenn sie nicht auftreten. Der Esoteriker soll vielmehr achtgeben auf die Veränderungen, die in seinem Seelenleben selber Platz greifen. Das vorige Mal wurde schon über eine dieser Veränderungen gesprochen, nämlich daß die Gedanken durch die Übungen so viel mächtiger werden und so viel mehr auf andere Menschen einwirken könnten, daß sie deshalb, wenn sie nicht ganz richtig und rein sind, uns durch den Hüter der Schwelle abgenommen und wir zur Bewußtlosigkeit geführt werden, damit wir anderen und uns selbst dadurch nicht schaden werden. Jetzt werden die Wirkungen, die von den Übungen ausgehen, noch in etwas anderer Weise beschrieben werden.
Das Erste ist, daß die Gedanken lockerer werden, das heißt, während früher auf eine bestimmte Wahrnehmung immer sogleich ein bestimmter Gedanke folgte und dieser Gedanke sich wie von selbst an andere Gedanken anreihte, geschieht dieses jetzt nicht mehr so. Der Esoteriker fühlt sich nicht so sicher und nicht mehr so unmittelbar in seinem Urteil und in seinen Gedankenverbindungen. Das, was früher den Gedanken und Urteilen die Sicherheit gab, war dasjenige, was von der Erziehung kommt, von sozialen Verhältnissen, Umgebung, das heißt von den Engeln, Erzengeln und Geistern der Persönlichkeit, die in allen Kulturverhältnissen wirken. Von diesen löst sich der Mensch allmählich; sein Engel, sein Führer gibt ihm nicht mehr so unmittelbar und wie unbewußt die Gedanken und Urteile ein. Würde dieses Lockerwerden der Gedanken für den Menschen aber zu weit gehen, so würde es für ihn gefährlich werden können. Deshalb tritt dann der Hüter der Schwelle dazwischen und verhindert das Fortschreiten dieser Sache. Das Vorbeugungsmittel dagegen ist das Sich-Aneignen einer absoluten Wahrheitsliebe, die selbst in Gedanken nicht dasjenige aufkommen läßt, wovon die Möglichkeit besteht, daß es unwahr sei.
Das Zweite betrifft unsere Gefühle und Willensimpulse. Auch diese sieht der Esoteriker sich wandeln; er fühlt, daß er sie weniger beherrscht als früher. Während er früher vielleicht vorsichtiger war, spürt er jetzt, wie ein Gefühl, ein Willensimpuls bei ihm unmittelbar auf etwas reagieren, das ihn betrifft. Auch dieses darf nicht zu weit gehen; sollte das geschehen, dann läßt wiederum der Hüter der Schwelle uns um unser selbst willen nicht durch in die geistige Welt.
Das Dritte ist, daß die falschen Gesinnungen, die der Esoteriker entwickeln kann, nicht nur seine Seele ergreifen, sondern bis in den physischen Leib hinein wirken. Wenn Verkehrtheiten unbewußt auf dem Grunde der Seele weiterwirken, werden sie noch viel schädlicher, als wenn sie sich in einer spürbaren Krankheit, die mit physischen Mitteln zu heilen ist, äußern. Darum läßt der Hüter der Schwelle uns in solchem Falle irgendeine kleine Krankheit zukommen, die wir als ein Zeichen betrachten sollen, eine Warnung vor demjenigen, was in unserer Seele arbeitet. Ernsthafte Krankheiten dürfen dies in einer gut geleiteten esoterischen Entwicklung nicht werden, sonst wäre der Esoteriker zu stark angegriffen. In alten Zeiten, als die Seelen noch robuster waren, und nur Menschen mit viel innerer Kraft und Lebensmut als Geheimschüler angenommen wurden, waren auch diese Gefahren größer und gingen oft bis ins Extrem, das heißt, die Lockerung der Gedanken ging bis zum Wahnsinn, das Nicht-Beherrschen der Gefühle und Willensimpulse bis zur Tollheit, Zerstörung, und die Krankheiten führten bis zum Tod. Das ist es, was ausgedrückt ist in der Erzählung aus den althebräischen Mysterien, die jedem Esoteriker als Warnung mitgegeben wird: Von den vier Rabbis, die suchten in den «Garten der Reife» hineinzugelangen. Der erste wurde wahnsinnig, der zweite zerstörte alles durch seine Tobsucht, der dritte starb, nur der vierte allein wurde durchgelassen und ging in die geistige Welt ein.