The Origin and Development of Eurythmy
1920–1922
GA 277c
3 December 1921, Oslo
Translated by Steiner Online Library
Address on Eurythmy
“Symbolum” by J. W. v. Goethe with music by Leopold van der Pals
“Sommerbild” by Friedrich Hebbel
‘Weltenseelengeister’ by Rudolf Steiner
Evoe with music by Max Schuurman
“Aus Ruhm und Ewigkeit” by Friedrich Nietzsche
“Die Spröde” and “Die Bekehrte” by J. W. von Goethe with music by Max Schuurman “Der Fischer” by J. W. v. Goethe with music by Leopold van der Pals “Erlkönig” by J. W. v. Goethe Romantic prelude with music by Max Schuurman “The Little Bouquet” by J. W. v. Goethe
Cheerful prelude
“My Child” by Heinrich Heine
Humoresques by Christian Morgenstern: “The Vulture Lamb”; “To the North”; “West-East”
“The Authority”; “The Butterfly”
Helene Finckh commented on this address: "Incomplete shorthand notes, because the lights went out and there was only inadequate candlelight, which also went out from time to time. Second performance, in the ‘small’ theater." See also Rudolf Steiner's remarks from the lecture of December 11, 1921, in Dornach, p. 438.
Ladies and gentlemen!
Allow me to preface our eurythmy performance with a few introductory words — not to explain eurythmy itself, which would be somewhat unartistic, but because what we see here as eurythmy is drawn from artistic sources that are still unfamiliar today and uses an unfamiliar artistic form of expression. And I would like to say a few words about these sources and this formal language.
You, dear audience, will see moving individuals or groups of people on stage. These movements are not mimetic, pantomimic, or dance-like, but rather a revelation of the human soul through a visible language. This truly visible language is not found by adding random gestures or facial expressions to the music or poetry that accompanies eurythmy, which expresses the same thing as eurythmy, which is experienced spiritually. Rather, eurythmy is actually found through careful — if I may use the expression — sensual-supersensory observation.What is present in the whole human being as tendencies to move in speech or singing, these tendencies to move are not immediately expressed in speech or singing, but remain intentions. They are translated into what the speech or singing organ then performs in terms of movements, which continue as movements and which then convey what is sung or spoken to the ear. What can be observed, what wants to become movement, so to speak, but is transformed so that sound and voice can arise, is now imprinted on the individual or on groups of people, so that one has a real, visible language in front of one on the stage.
It is important that one does not interpret this word, this viewing of visible language, by focusing on the individual movements made by the person or group of people, just as one does not focus on individual tones or sounds, but that one sees the essence in the sequence of tones or sounds and also sees the essence in following the individual movements. Eurythmy is a kind of art that has the restless human being before it. Those who can observe the art of sculpture objectively will ultimately say to themselves: when they see a questioning human being, this questioning human being first reminds them of what a human being looks like after they have perhaps raised a question. The person standing there is the person who is silent in their soul, as opposed to the person who expresses their soul life when speaking – let's say, in response to a question. So when we say: He has expressed something contemplative through his soul [in sculpture] – then we perceive what is meant by this eurythmy as a visible language.
That is why this eurythmy can also be accompanied by poetry; it expresses the same thing as poetry, only when poetry is revealed through recitation or declamation, it happens through sound. One can also speak, speak visibly through eurythmy, one can also sing visibly through eurythmy. That is why you will also find musical performances on stage – through the movements of individuals or groups of people. However, this shows how our art of recitation and declamation must take on more artistic forms than we are accustomed to today – in a somewhat unartistic age. True poetry already contains a hidden eurythmy. The essence of poetry is not the literal content, but what is present in the treatment of language in terms of imagery, tact, rhythms, and musical themes. But it is precisely what is revealed in declamation as a secret eurythmy that can then be translated into the visible language of eurythmy. [There is a gap in the shorthand, then two sentences that have been started, before the text breaks off completely; see notes].
Ansprache zur Eurythmie
«Symbolum» von J. W. v. Goethe mit Musik von Leopold van der Pals
«Sommerbild» von Friedrich Hebbel
«Weltenseelengeister» von Rudolf Steiner
Evoe mit Musik von Max Schuurman
«Aus Ruhm und Ewigkeit» von Friedrich Nietzsche
«Die Spröde» und «Die Bekehrte» von J. W. von Goethe mit Musik von Max Schuurman
«Der Fischer» von J. W. v. Goethe mit Musik von Leopold van der Pals
«Erlkönig» von J. W. v. Goethe
Romantischer Auftakt mit Musik von Max Schuurman
«Das Sträußchen» von J. W. v. Goethe
Heiterer Auftakt
«Mein Kind» von Heinrich Heine
Humoresken von Christian Morgenstern: «Das Geierlamm»; «Nach Norden»; «West-Östlich»
«Die Behörde»; «Der Schmetterling»
Helene Finckh bemerkte zu dieser Ansprache: «Unvollkommenes Stenogramm, weil das Licht ausging, und man nur mangelhafte Kerzenbeleuchtung hatte, die ab und zu auch aussetzte. Zweite Aufführung, im «kleinen» Theater.» Siehe dazu auch die Ausführungen Rudolf Steiners aus dem Vortrag vom 11. Dezember 1921 in Dornach, S. 438.
Meine sehr verehrten Anwesenden!
Gestatten Sie, dass ich unserer Eurythmie-Aufführung einige einleitende Worte vorausschicke - nicht um die Eurythmie selbst zu erklären, das wäre etwas Unkünstlerisches, sondern aus dem Grunde, weil dasjenige, was wir als Eurythmie hier ansehen, aus heute noch ungewohnten künstlerischen Quellen geholt ist und man sich einer ungewohnten künstlerischen Formensprache bedient. Und über diese Quellen und diese Formensprache will ich ein paar Worte vorausschicken.
Sie werden, meine sehr verehrten Anwesenden, auf der Bühne den bewegten Menschen oder bewegte Menschengruppen sehen. Bei diesen Bewegungen handelt es sich nicht um irgendetwas Mimisches, Pantomimisches oder Tanzartiges, sondern es handelt sich um eine Offenbarung des menschlich Seelischen durch eine sichtbare Sprache. Und zwar ist diese wirklich sichtbare Sprache nicht dadurch gefunden, dass man Zufallsgebärden oder eine Zufallsmimik hinzugefügt hätte zu demjenigen, was da als das Musikalische oder Dichterische die Eurythmie begleitet, was dasselbe ausdrückt wie die Eurythmie, was da seelisch erlebt wird, sondern es ist das Eurythmische tatsächlich gefunden durch ein sorgfältiges - ich darf mich des Ausdrucks bedienen - sinnlich-übersinnliches Schauen.
Dasjenige, was im ganzen Menschen als Bewegungstendenzen vorhanden ist im Sprechen oder im Singen, diese Bewegungstendenzen kommen weder beim Sprechen noch beim Singen unmittelbar zum Ausdrucke, sondern sie bleiben Absichten. Sie werden umgesetzt in dasjenige, was dann das Sprach- oder Gesangsorgan an Bewegungen vollführt, was sich da als Bewegungen fortsetzt und was dann das Gesungene oder Gesprochene für das Gehör vermittelt. Dasjenige, was man beobachten kann, was gewissermaßen Bewegung werden will, aber sich umsetzt, sodass Ton, Laut entstehen kann, das wird nun aufgeprägt dem einzelnen Menschen oder auch Menschengruppen, sodass man also eine wirkliche sichtbare Sprache vor sich auf der Bühne hat.
Es kommt dabei durchaus darauf an, dass man dieses Wort, dieses Schauen von der sichtbaren Sprache, dass man also nicht deute[nd] die einzelne Bewegung auffasst, die der Mensch oder die Menschengruppe macht, ausführt, so wenig, wie man den einzelnen Ton oder Laut auffasst, sondern dass man auch, wie man in der Tonfolge oder Lautfolge das Wesentliche sieht, auch hier im Verfolgen der einzelnen Bewegungen das Wesentliche hat. Eurythmie ist eine Art von Kunst, welche den nicht ruhenden Menschen vor sich hat. Derjenige, der die Bildhauerkunst objektiv beobachten kann, der wird sich zuletzt sagen: Wenn er einen fragenden Menschen sieht, so erinnert ihn dieser fragende Mensch zunächst daran, wie ein Mensch nun aussieht, nachdem er vielleicht irgendeine Frage aufgeworfen hat. Der Mensch, der dasteht, ist der Mensch, der seelisch verstummt, gegenüber demjenigen Menschen, der sein Seelenleben ausdrückt beim Reden - sagen wir, als Antwort auf eine Frage. Wenn wir also sagen: Der hat also etwas Betrachtendes durch sein Seelisches ausgedrückt [in der Bildhauerkunst] -, dann empfinden wir dasjenige, was mit dieser Eurythmie gemeint ist, als eine sichtbare Sprache.
Daher kann auch diese Eurythmie eben begleitet werden vom Dichterischen; sie drückt dasselbe aus wie das Dichterische, nur eben, wenn durch Rezitation oder Deklamation das Dichterische zur Offenbarung kommt, geschieht es eben durch den Laut. Man kann ebenso sprechen, sichtbar sprechen durch Eurythmie, man kann auch sichtbar singen durch Eurythmie. Daher werden Sie auch musikalische Darstellungen finden können auf der Bühne - durch Bewegungen des einzelnen Menschen oder von Menschengruppen. Allerdings sieht man daran, wie unsere Rezitations- und Deklamationskunst wiederum künstlerischere Formen annehmen müssen, als man das heute - in einem etwas unkünstlerischen Zeitalter - gewohnt ist. In der wirklichen Dichtkunst ist schon eine verborgene Eurythmie enthalten. Das Wesentliche der Dichtung ist ja nicht der wortwörtliche Inhalt, sondern dasjenige, was an Bildhaftem, an Takt, an Rhythmen, an musikalischer Thematik in der Sprachbehandlung vorhanden ist. Gerade das aber, was in der Deklamation sich als eine geheime Eurythmie offenbart, das kann dann umgesetzt werden in diese sichtbare Sprache der Eurythmie /Es folgt eine Lücke im Stenogramm, dann zwei angefangene Sätze, bevor der Text ganz abbricht; siehe Hinweise]
